Mehr Gesichtserkennung durch Polizeibehörden – Auch auf EU-Ebene mehr biometrische Daten

Dossier

#ReclaimYourFace! Nein zu Biometrischer Massenüberwachung!„Der Abgleich von Lichtbildern bei deutschen Polizeibehörden ist auch im vergangenen Jahr wieder stark angestiegen. Das geht aus einer Statistik hervor, die auf Angaben des Bundesinnenministeriums im Rahmen einer Kleinen Anfrage beruht. Demnach wurden im Gesichtserkennungssystem des Bundeskriminalamtes (BKA) im Jahr 2020 insgesamt 76.535 Abfragen vorgenommen. Im Jahr zuvor waren es noch rund 54.000 Abfragen, der Anstieg beträgt demnach mehr als ein Drittel (2018: 41.000, 2017: 27.000). Die meisten Suchläufe stammen der Statistik zufolge von den Kriminalämtern, dort ist auch die größte Zunahme zu verzeichnen…“  Beitrag von Matthias Monroy vom 25. Januar 2021 bei Netzpolitik externer Link und mehr daraus/dazu:

  • Sachsen: Polizei hat verfassungswidrige Gesichtserkennung ohne Kenntnis der Datenschutzbehörde eingesetzt New
    „… Die Landesdatenschutzbeauftragte hatte nach eigener Auskunft keine Kenntnis davon, dass die sächsische Polizei in der Vergangenheit Videoüberwachung mit Echtzeit-Nummernschild- und Gesichtserkennung eingesetzt hat. Die Landesdatenschutzbeauftragte hält den Einsatz der Technik für verfassungswidrig – und will nun beim sächsischen Innenministerium nachforschen. Das geht aus der Antwort auf eine Beschwerde (PDF) hervor, die netzpolitik.org im Volltext veröffentlicht. In der Antwort der Behörde heißt es: „Angesichts der Ausführungen des Bundesverfassungsgerichts zu präventiven Maßnahmen der automatisierten Kennzeichenerfassung dürfte es keinen Zweifel daran geben, dass die biometrische Echtzeit-Verarbeitung und ein Live-Abgleich der Gesichtsbilder von Personen, die eine Überwachungskamera im öffentlichen Raum passieren, gegen die Verfassung verstößt.“ (…) Durch eine kleine Anfrage im Abgeordnetenhaus Berlin und durch Recherchen des „nd“ und netzpolitik.org war im Mai bekannt geworden, dass die sächsische Polizei ein heimliches Observationssystem mit hochauflösenden Kameras und Gesichtserkennung einsetzt. Die Kameras können in parkenden Fahrzeugen verbaut oder stationär montiert werden. Mit ihnen kann die Polizei ermitteln, ob sich eine verdächtige Person an einem bestimmten Ort aufgehalten hat. Details zur Funktionsweise des Systems unterliegen in Sachsen der Geheimhaltung, sagte ein Polizeisprecher gegenüber dem „nd“. (…) Nach Veröffentlichung des Berichtes hatte sich die sächsische Piratenpolitikerin Anne Herpertz mit einer Beschwerde an die zuständige Landesdatenschutzbehörde gewandt. Herpertz nennt es „erschreckend“, dass erst ihre Anfrage dazu geführt hat, dass die Praxis der Gesichtserkennung in Echtzeit überhaupt thematisiert und untersucht wird. (…) Die sächsische Datenschutzbeauftragte will sich bei Herpertz wieder melden, sobald zweifelsfrei feststehe, welche Maßnahmen mit welcher Eingriffstiefe die Polizeidirektion Görlitz mit dem „Personen-Identifikations-System“ durchgeführt hat und ob diese Maßnahmen ausdrücklich richterlich angeordnet worden waren oder nicht. Beitrag von Markus Reuter vom 7. Juni 2024 bei Netzpolitik.org externer Link
  • Polizeiliche Gesichtserkennung auch in anderen Bundesländern: Sachsen leistet seit 2021 bundesweit Amtshilfe zur Rasterfahndung
    „Ein mobiles Gesichtserkennungssystem aus Sachsen wird auch von der Polizei in Nordrhein-Westfalen, Brandenburg, Niedersachsen und Baden-Württemberg eingesetzt. Das macht die sächsische Staatsregierung nun in der Antwort auf eine Kleine Anfrage der linken Landtagsabgeordneten Jule Nagel öffentlich. Bei der in Amtshilfe eingesetzten Anlage handelt es sich um Observationstechnik, mit der die Polizei Verdächtige heimlich verfolgt. Ein ähnliches, aber weitgehend stationäres System betreibt die Polizeidirektion Görlitz an der polnischen Grenze in der Oberlausitz. Zunächst war ein Einsatz der heimlichen mobilen Technik nur aus Berlin bekannt geworden. Diese besteht aus hochauflösenden Kameras, die in parkenden Fahrzeugen oder auch Immobilien versteckt sind. Damit will die Polizei ermitteln, ob sich eine verdächtige Person an einem bestimmten Ort aufgehalten hat. Hierzu greift das System auf eine Referenz-Datenbank zurück, in der Gesichter oder Kennzeichen gesuchter Personen und ihrer Fahrzeuge gespeichert sind. Wie in Berlin erfolgen die nun bekannt gewordenen Einsätze in den vier anderen Bundesländern im Bereich der Eigentumskriminalität. Den Anfang machte Nordrhein-Westfalen 2021, dort war das System bis 2023 aktiv. In Baden-Württemberg begann der Einsatz 2022, in Berlin, Brandenburg und Niedersachsen 2023; in diesen Bundesländer dauerte der Betrieb laut der sächsischen Staatsregierung auch 2024 an. (…) In Berlin wird das System auf Basis des Rasterfahndungs-Paragrafen der Strafprozessordnung eingesetzt. Demnach dürfen alle von der Technik erfassten Daten von Personen »mit anderen Daten maschinell abgeglichen werden«. Ob dieser Paragraf 98a auch in den anderen vier Bundesländern maßgeblich war, lässt die Antwort von Sachsens Staatsregierung offen: Die Einsätze seien »auf Grundlage der Regelungen in der Strafprozessordnung« erfolgt.“ Beitrag von Matthias Monroy vom 28. Mai 2024 bei Neues Deutschland online externer Link
  • Überwachungstechnik: Heimliche Echtzeit-Gesichtserkennung und Kfz-Scanning in Sachsen und Berlin
    • Echtzeit-Gesichtserkennung und Kfz-Scanning in Sachsen und Berlin
      Mit einem leistungsstarken Observationssystem werden Kfz-Kennzeichen und Gesichtsbilder von Fahrern aufgenommen und mit einer Fahndungsdatenbank abgeglichen. Die sächsische Polizei hat ein heimliches Überwachungssystem mit hochauflösenden Videokameras und biometrischer Gesichtserkennung entwickeln lassen, die quasi in Echtzeit arbeiten. Dieses wird mittlerweile nicht nur in Sachsen vor allem im grenznahen Raum eingesetzt, sondern auch in Berlin. „Bei der Staatsanwaltschaft Berlin ist in zwei Verfahrenskomplexen im Bereich der grenzüberschreitenden Bandenkriminalität Gesichtserkennungssoftware eingesetzt worden“, erklärte die Berliner Innensenatsverwaltung bereits Anfang März auf eine Anfrage der AfD-Fraktion im Abgeordnetenhaus. „Der Einsatz erfolgte unter Nutzung von Sach- und Personalmitteln, die in Amtshilfe zur Verfügung gestellt wurden.“ Wie jetzt herauskam, erfolgt der biometrische Abgleich mit Fahndungsdateien dabei nahezu live. Für die Ermittlungen in Berlin stellte das sächsische Landeskriminalamt (LKA) über seine Regionalstelle in Görlitz ein Amtshilfeersuchen an die Staatsanwaltschaft in der Hauptstadt. (…)
      Gesichtserkennung in Echtzeit ist besonders umstritten
      Live-Gesichtserkennung galt bei den Verhandlungen über die neue KI-Verordnung der EU lange als besonders heißes Eisen. Das EU-Parlament forderte anfangs ein Verbot biometrischer Massenüberwachung, die Mitgliedsstaaten wollten davon aber nichts wissen. Die finale Fassung sieht vor, dass eine Echtzeit-Identifikation „zeitlich und örtlich begrenzt“ möglich sein soll zur gezielten Suche nach Opfern von Entführungen, Menschenhandel und sexueller Ausbeutung oder zur Abwehr „einer konkreten und gegenwärtigen terroristischen Bedrohung“. Als weiterer Zweck wird die Lokalisierung oder Identifizierung einer Person genannt, die im Verdacht steht, eine Reihe schwerer Straftaten begangen zu haben. Eine echte Hürde stellt dabei Einschränkung auf das „unbedingt erforderliche Maß“ Kritikern zufolge aber nicht dar: Auf der Suche etwa nach einem Verdächtigen könnte letztlich das ganze Land abgedeckt werden
      …“ Beitrag von Stefan Krempl vom 05.05.2024 in heise news externer Link
    • Überwachungstechnik: Polizei in Sachsen observiert mit Gesichtserkennung
      „… Bei der Videoüberwachung gehörte die Polizei in Sachsen schon immer zu den Pionieren. (…) Vor wenigen Wochen wurde bekannt, dass die sächsische Polizei auch ein heimliches Observationssystem mit hochauflösenden Kameras und Gesichtserkennung einsetzt. Diese können entweder in parkenden Fahrzeugen verbaut oder stationär montiert werden. So kann die Polizei ermitteln, ob sich eine verdächtige Person an einem bestimmten Ort aufgehalten hat. (…) Der erste bekanntgewordene Einsatz der verdeckten Observationstechnik aus Sachsen erfolgte in Berlin im Bereich der „grenzüberschreitenden Bandenkriminalität“. (…) Die Aufnahmen werden mit bereits im System vorhandenen Lichtbildern abgeglichen. Diese Datenbank speist sich aus Bildern, die von Polizisten „händisch ausgewählt und manuell in das System eingepflegt“ werden. Ein automatischer Abgleich mit anderen polizeilichen oder europäischen Informationssystemen erfolgt angeblich nicht. Das System kann Gesichtsbilder „mit der zeitlichen Verzögerung von wenigen Sekunden“ verarbeiten, wie die Berliner Staatsanwaltschaft bereits dem „nd“ mitgeteilt hatte. Alle im Umkreis erfassten Personen würden mit Bildern von Tatverdächtigen aus einem konkreten Ermittlungsverfahren abgeglichen, erklärte der Sprecher. Entdeckt die Software eine verdächtige Person, wird der Fund durch einen Polizeibeamten überprüft. „Bei den wesentlichen technischen Komponenten beziehungsweise Details handelt es sich um ein System hochauflösender Kameras, die qualitativ sehr gute Bilder auch bei Dunkelheit und unter schlechten Witterungsbedingungen erstellen können“, erläutert nun der Berliner Innensenat. Einsätze der Technik erfolgten „zur Identifizierung von Tatverdächtigen und zur Aufhellung von Fluchtrouten und bei der Tat genutzten Wegen bekannter Tatverdächtiger“. Um welche konkreten Verfahren es sich handelt, beantwortet der Senat nicht. In einem Fall werde wegen einer „internationalen Kraftfahrzeugverschiebung“ ermittelt, in dem anderen wegen eines schweren Raubes an einer Tankstelle. Diese Tat werde einer Gruppierung zur Last gelegt, die „regelmäßig bandenmäßig schwere Tresordiebstähle“ an Tankstellen begehen soll. Einer der Vorfälle sei „zu einem schweren Raub eskaliert“. (…) Als rechtliche Grundlage für den Einsatz der biometrischen Überwachung nennt die Berliner Staatsanwaltschaft den Paragraf 98a der Strafprozessordnung. Er erlaubt eine Rasterfahndung bei einer Straftat von erheblicher Bedeutung, wenn andere Methoden „erheblich weniger erfolgversprechend oder wesentlich erschwert“ wären. Nach diesem Gesetz dürfen alle von der Technik erfassten Personen „mit anderen Daten maschinell abgeglichen werden“. Wie oft die Polizei Sachsen die „Observationstechnik für verdeckte Maßnahmen“ bereits eingesetzt hat und ob diese Einsätze erfolgreich waren, ist dort angeblich mangels Statistiken nicht bekannt. In Berlin habe es „bislang eine bestätigte Personenidentifizierung“ gegeben, heißt es in der Antwort. Bei den Observationen mit Videokameras geraten sämtliche Personen im Umkreis ins polizeiliche Raster. Die Staatsanwaltschaft Berlin sieht darin „keine flächendeckende Überwachung“. Tobias Singelnstein, Professor für Strafrecht an der Johann-Wolfgang-Goethe-Universität Frankfurt am Main, widerspricht: „Eine solche Maßnahme greift in erheblichem Maße in die Rechte von völlig Unbeteiligten ein, weil je nach Umständen eine Vielzahl von Personen erfasst wird“. Die Strafprozessordnung erlaube eine solche Maßnahme nicht…“ Beitrag von Matthias Monroy vom 3. Mai 2024 bei Netzpolitik.org externer Link
    • Siehe auch unser Dossier: Stoppt das neue Polizeigesetz in Sachsen!
  • Mehrere Bundesbehörden rüsten Gesichtserkennung auf: Polizeiliche Fotodatenbank durchbricht Fünfmillionenmarke
    »Jetzt wird deutlich, wie gut die Polizeiarbeit funktionieren würde, wenn sie durch Technik, KI und Gesichtserkennung unterstützt würde«, hatte der Vorsitzende der Gewerkschaft der Polizei (GdP) anlässlich der Verhaftung der RAF-Gesuchten Daniela Klette gesagt. Was der Funktionär verschweigt: Seit 2008 gibt es unter dem Kürzel GES ein Gesichtserkennungssystem beim Bundeskriminalamt (BKA), das von allen Landespolizeien, der Bundespolizei sowie dem Zoll genutzt wird. Damit können unbekannte Personen anhand von Fotos identifiziert werden – sofern sie bereits mit einem Lichtbild in der größten bundesweiten Polizeidatenbank Inpol gespeichert sind. Sowohl die Zahl der Abgleiche als auch der Treffer steigt jährlich rasant. Ähnliches gilt für die Personen, zu denen biometrische Fotos für einen Abgleich vorliegen: Deren Zahl liegt nun erstmals über 5 Millionen, schreibt das Bundesinnenministerium in der Antwort auf eine Anfrage der BSW-Gruppe im Bundestag. Demnach speichert das BKA im GES rund 7,3 Millionen Bilder zu 5,1 Millionen Menschen – eine Zunahme gegenüber dem Vorjahr um rund zehn Prozent. Wegen vorgeschriebener Löschfristen wurden rund 358 000 Fotos aus der Datei entfernt, im gleichen Zeitraum kamen aber fast eine Million Fotos hinzu. Die Gesichtsbilder in der BKA-Datei stammen aus erkennungsdienstlichen Behandlungen, die entweder von der Polizei oder von Ausländerbehörden vorgenommen werden. (…)
    Das BKA will die Gesichtserkennung nun weiter verbessern. Nachdem die Wiesbadener Behörde bereits auf eine 3D-Technik umgestiegen ist, wird nun an einer Methode zur künstlichen Alterung von Gesichtern getüftelt. Damit könnten alte Fahndungsfotos wie jene zu den RAF-Gesuchten, auf denen die Menschen in jungen Jahren abgebildet sind, bearbeitet und auf einen mutmaßlich aktuellen Stand gebracht werden. Mit diesen Bildern könnten anschließend auch Polizeidatenbanken durchsucht werden. An dem Forschungsvorhaben des BKA ist die Hochschule Darmstadt beteiligt. Bislang nicht bekannt war, dass letztes Jahr auch die Bundespolizei zwei Systeme zur »teilautomatisierten Videoauswertung« beschafft hat. Anders als beim BKA, wo einzelne Fotos mit der Inpol-Datei abgeglichen werden, soll die Anwendung eine Videoauswertung von »Massendaten« erleichtern…“ Artikel von Matthias Monroy vom 27.03.2024 in ND online externer Link
  • Weiter aus dem Beitrag von Matthias Monroy vom 25. Januar 2021 bei Netzpolitik externer Link: „(…) Derzeit sind in INPOL-Z insgesamt 5,75 Millionen Portraitfotos von 3,64 Millionen Personen gespeichert. (…) Auch in EU-Datenbanken werden zunehmend biometrische Daten gespeichert und verarbeitet. Seit drei Jahren verfügt das Schengener Informationssystem (SIS II) über ein AFIS, es umfasst derzeit 286.195 durchsuchbare Fingerabdrücke. (…) Weitere biometrische Daten sind auf EU-Ebene im Visa-Informationssystem (VIS) gespeichert. Jedem der dort enthaltenen 73,2 Millionen Anträge liegt ein Lichtbild bei, außerdem befinden sich in der Visumsdatei 64,3 Millionen Fingerabdruckblätter. Eurodac und VIS können auch jenseits von Asyl- und Visumsangelegenheiten genutzt werden. (…) Schließlich hat auch Interpol vor einigen Jahren ein Gesichtserkennungssystem eingerichtet, eine entsprechende Datenbank verzeichnet laut dem Bundesinnenministerium derzeit rund 82.000 Lichtbilder (2019: 69.000). Diese werden aus den Fahndungen, die bei Interpol eingehen, übernommen und durchsuchbar gemacht. Das BKA hatte der Speicherung und Verarbeitung deutscher Daten zunächst nicht zugestimmt. Die nun vorliegende Antwort lässt im Unklaren, ob die „fachliche und datenschutzrechtliche Prüfung“ zur Teilnahme an dem Interpol-System weiter andauert oder ob das BKA nun eine endgültige Absage erteilt hat.“

Siehe auch zum Thema:

Kurzlink: https://www.labournet.de/?p=185569
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