Betriebsrätemodernisierungsgesetz: Arbeitsminister Heil will die Rechte von Betriebsräten stärken – zu wenig

Dossier

Erfüllt Eure Pflicht - wählt einen gewerkschaftlichen BetriebsratDie Wahl von Betriebsräten soll vereinfacht, ihre Rechte etwa bei der Weiterbildung und dem Einsatz von KI sollen gestärkt werden. So sieht es ein Gesetzentwurf der Bundesregierung vor. (…) Von den Beschäftigten werden im Westen noch 41 Prozent durch einen Betriebsrat vertreten, im Osten 36 Prozent. 1996 lagen die Werte noch bei 50 Prozent der Beschäftigten in Westdeutschland und 40 Prozent in Ostdeutschland. (…) „Andererseits häufen sich Berichte, dass in manchen Betrieben Arbeitgeber mit zum Teil drastischen Mitteln die Gründung von Betriebsräten verhindern.“ In kleineren Betrieben könnten daneben die Formalien des regulären Wahlverfahrens eine Hemmschwelle darstellen. Das Arbeitsministerium will deshalb die Hürden für die Anwendung des vereinfachten Wahlverfahrens senken…“ Artikel von Frank Specht vom 22.12.2020 im Handelsblatt online externer Link, siehe den Referentenentwurf externer Link und Bewertungen:

  • Union Busting als Offizialdelikt: Referentenentwurf des Ministeriums liegt vor New
    Seit dem 24.Oktober liegt nun der Referentenentwurf externer Link aus dem Arbeits- und Wirtschaftsministerium vor. Im Rahmen des Gesetzes „zur Stärkung der Tarifautonomie durch die Sicherung von Tariftreue bei der Vergabe öffentlicher Aufträge des Bundes und weitere Maßnahmen (Tariftreuegesetz)“ geht es auch um das Betriebsverfassungsgesetz BetrVG und Fragen der betrieblichen Mitbestimmung von Beschäftigten und deren Schutz  – unter anderem um Sanktionen gegen Arbeitsgeber, die Betriebsratsgründungen be- oder verhindern.
    § 119 Ref-E-BetrVG:
    Hier soll der bisherige Absatz 2 gestrichen werden. Dieser besagt, dass Straftaten gegen Betriebsverfassungsorgane und ihre Mitglieder (sog. Union Busting) nur dann verfolgt werden, wenn ein Orts-/Gesamt- oder Konzern-Betriebsrat, ein Wahlvorstand, das Unternehmer oder eine im Betrieb vertretene Gewerkschaft einen entsprechenden Antrag bei der Staatsanwaltschaft stellen. Nunmehr soll das von Amts wegen erfolgen, das Betriebsrat-Mobbing wird also als “Offizialdelikt” eingestuft, konkret laut Entwurf „hat die Staatsanwaltschaft ein Ermittlungsverfahren einzuleiten, wenn sie von Tatsachen erfährt, die auf einen Gesetzesverstoß hindeuten“. (…)
    Aus dem Entwurf geht jedoch nicht hervor, welche Staatsanwaltschaften künftig für die Delikte zuständig wären. Und wie hoch die Chancen für eine Umsetzung überhaupt sind steht nicht zuletzt wegen der koalitionsinternen Spannungen in den Sternen.“ Meldung vom 1. November 2024 bei work-watch externer Link
  • [Neue Untersuchung des WSI belegt gesetzlichen Bedarf] Betriebsratsgründungen: Etwa jede fünfte wird laut Umfrage behindert – besonders oft in inhabergeführten Unternehmen
    „Meistens kommen Betriebsrat und Management in deutschen Unternehmen ganz gut miteinander klar. Und Studien zeigen: Mitbestimmte Betriebe bieten bessere Arbeitsbedingungen, sind im Mittel produktiver und oft innovativer als Firmen ohne betriebliche Mitbestimmung. Trotzdem sind Behinderungen von Betriebsratswahlen keine Einzelfälle, insbesondere, wenn Beschäftigte erstmals eine Vertretung wählen wollen. Eine neue Befragung des Wirtschafts- und Sozialwissenschaftlichen Instituts (WSI) der Hans-Böckler-Stiftung liefert Hinweise darauf, dass Arbeitgeber mehr als jede fünfte Neugründung von Betriebsräten behindern, obwohl das ein Straftatbestand ist. Sie schüchtern Kandidat*innen ein, drohen mit Kündigung oder verhindern die Bestellung eines Wahlvorstands. Besonders verbreitet ist Druck gegen Beschäftigte, die einen Betriebsrat gründen wollen, in mittelgroßen eigentümergeführten Unternehmen. In beinahe der Hälfte aller Fälle, in denen sich der Arbeitgeber der erstmaligen Wahl eines Betriebsrats entgegenstellt, findet diese am Ende nicht statt. Trotz einzelner Verbesserungen ist der gesetzliche Schutz von betrieblicher Mitbestimmung der Beschäftigten immer noch viel zu schwach, zudem fehlen wirksame Sanktionen, zeigt die Studie von PD Dr. Martin Behrens und Dr. Heiner Dribbusch. (…) Um Betriebsratswahlen zu sabotieren, pflegen Arbeitgeber demnach vor allem mögliche Kandidat*innen einzuschüchtern. Das geschah laut der Befragung in 62 Prozent der Fälle, in denen es zu einer Behinderung kam. In 58 Prozent der Konfliktfälle versuchten Arbeitgeber, die Bestellung eines Wahlvorstands zu verhindern, bei 45 Prozent unterstützten sie ihnen nahestehende Kandidat*innen. In 21 Prozent der betroffenen Betriebe wurde sogar Kandidat*innen gekündigt. Nach Angabe der befragten Gewerkschafter*innen nahmen gut 47 Prozent der Arbeitgeber, die Betriebsratswahlen behinderten, bei ihren Störaktionen externe Hilfe durch Anwaltskanzleien oder Unternehmensberatungen in Anspruch. Auch dies ist bei mittelgroßen Betrieben besonders verbreitet. (…) Die Untersuchung unterstreicht nach Analyse der Forscher, wie notwendig ein erweiterter gesetzlicher Schutz vor Eingriffen des Managements ist. Wichtig seien einerseits gesetzliche Reformen, die auch Kandidat*innen bei Betriebsratswahlen noch besser gegen Repressionen des Arbeitgebers absichern. Andererseits müssten Verstöße wirksamer als bisher sanktioniert werden. Expert*innen raten daher etwa zur Bildung von Schwerpunktstaatsanwaltschaften, die auf gesetzwidrige Eingriffe von Unternehmen in Betriebsratswahlen spezialisiert sind und diese verfolgen. Die im Koalitionsvertrag der amtierenden Bundesregierung vorgesehene Hochstufung der Behinderung von Betriebsratswahlen vom Antragsdelikt zum Offizialdelikt stehe zudem noch aus. Durch diese Reform wären Staatsanwaltschaften „von Amts wegen“ verpflichtet, die Behinderung von Betriebsratswahlen zu verfolgen, sobald sie Kenntnis davon erlangen. Die Befragung zeigt schließlich auch, dass gesetzliche Verbesserungen genutzt werden – manchmal sogar dann, wenn sie unnötig kompliziert sind. Das gilt für den Schutz von Beschäftigten, die eine Betriebsratswahl initiieren, ohne dann selber anzutreten. Im Betriebsrätemodernisierungsgesetz von 2021 wurde diese Personengruppe, die für die Einführung von Mitbestimmung im Betrieb sehr wichtig sein kann, erstmals abgesichert. Doch anders als im Falle des besonderen Kündigungsschutzes für gewählte Betriebsräte sieht das Gesetz vor, dass die Gründungsabsicht erst einmal durch „öffentlich beglaubigte Erklärung“ notariell beurkundet werden muss. Diese Hürde wurde vielfach kritisiert, denn es erscheint unwahrscheinlich, dass Wahlinitiator*innen in großer Zahl den umständlichen und auch kostenträchtigen Weg zum Notar gehen. Die neue WSI-Befragung liefert nun Daten, die die Forscher Behrens und Dribbusch überraschten: Immerhin bei 38 der insgesamt 131 untersuchten Gewerkschaftsgliederungen gaben die Expert*innen an, dass sie von diesem Instrument schon einmal Gebrauch gemacht haben. Insgesamt konnten auf diese Weise in 85 Einzelfällen Betriebsratsgründungen unterstützt werden.“ Pressemitteilung vom 12. September 2024 der Hans-Böckler-Stiftung externer Link
  • Friede in den Berliner Betrieben: Vom Staatsanwalt haben gegängelte Betriebsräte keine Hilfe zu erwarten – vom Bundesarbeitsministerium offenbar auch nicht
    „In den Stuben der zuständigen Abteilung 243 der Berliner Staatsanwaltschaft ist die Behinderung von Betriebsräten weiterhin kein Thema. Im vergangenen Jahr wurden lediglich drei Verfahren im Zusammenhang mit Paragraf 119 Betriebsverfassungsgesetz (BetrVG) geführt. Und im ersten Quartal 2024 gab es nicht ein Verfahren, wie die Senatsverwaltung für Justiz in einer Antwort auf eine Schriftliche Anfrage der Linke-Abgeordneten Damiano Valgolio und Sebastian Schlüsselburg mitteilte. Im Zeitraum von 2019 bis 2024 wurden 27 Verfahren geführt, in keinem Fall hat die Staatsanwaltschaft Anklage erhoben. Der Paragraf 119 BetrVG stellt die Einschränkung der Betriebsratsarbeit und die Störung von Betriebsratswahlen unter Strafe: mit bis zu einem Jahr Haft. Der Senat teilt mit, er habe weder Kenntnis über die Dunkelziffer, also von Straftaten, die nicht zur Anzeige gebracht wurden, noch warum die Anzahl der eingegangenen Anzeigen so gering ausfalle. Dafür gäbe es verschiedene Erklärungsansätze, unter anderem, dass die Betroffenen selbst das Verhältnis zum Arbeitgeber nicht »trüben« wollten. (…) Damiano Valgolio (…) stellt die Kausalkette der Senatsverwaltung infrage. Die Anzeigebereitschaft der Betroffenen sei zu gering, weil alle Verfahren durch die Staatsanwaltschaft eingestellt würden. Dezidierte Schulungen im Arbeits- und Betriebsverfassungsrecht könnten zu einem anderen Ausgang der Verfahren führen, vermutet der Linke-Politiker. Paragraf 119 BetrVG ist ein sogenanntes Antragsdelikt: Damit Ermittlungen aufgenommen werden, müssen Betroffene selbst einen Strafantrag stellen und sich offenbaren. Das SPD-geführte Bundesarbeitsministerium hatte angekündigt, das in dieser Legislatur noch zu ändern. Als Offizialdelikt müssten Staatsanwaltschaften eigenständig Ermittlungen aufnehmen, wenn sie Kenntniss von Sachverhalten aus den Medien oder von Whistleblowern bekämen. Dem Vernehmen nach wird eine solche Reform aber nicht mehr kommen.“ Artikel von Christian Lelek vom 25. Juni 2024 in Neues Deutschland online externer Link („Friede in den Betrieben: Vom Staatsanwalt haben gegängelte Betriebsräte keine Hilfe zu erwarten“)
  • Gesetzesänderung des Betriebsverfassungsgesetzes: Ob die Novellierung der Betriebsratsvergütung Vorteilsnahme oder Benachteiligung verhindert?
    • Gesetzesänderung: Novellierung der Betriebsratsvergütung beschlossen
      Der Bundestag hat am Freitag (28.6.2024) die Gesetzesänderung des BetrVG zur Novellierung der Betriebsratsvergütung einstimmig beschlossen. Alle Fraktionen und Gruppen des Bundestages stimmten der Regierungsvorlage zu. Durch die Novelle sollen die durch ein Urteil des Bundesgerichtshofes von 2023 entstandenen Rechtsunsicherheiten beseitigt werden.
      Betriebsratsmitglieder dürfen laut Betriebsverfassungsgesetzes (BetrVG) wegen ihrer Tätigkeit weder benachteiligt noch begünstigt werden. Das gilt auch für ihre berufliche Entwicklung und das Arbeitsentgelt. Das Benachteiligungsverbot wird ergänzt durch einen Mindestvergütungsanspruch. So darf das Arbeitsentgelt nicht geringer bemessen werden als das Arbeitsentgelt vergleichbarer Arbeitnehmer mit betriebsüblicher Entwicklung. Das Urteil des Bundesgerichtshofs (BGH 10.1.2023 – 6 StR 133/22) von Januar 2023, in dem es um die Frage der Untreue bei Verstößen gegen das betriebsverfassungsrechtliche Begünstigungsverbot ging, hat in der Praxis vermehrt zu Rechtsunsicherheiten hinsichtlich der Vergütung von Betriebsratsmitgliedern und zur präventiven Kürzung der Vergütung durch die Unternehmen geführt.
      »Um negative Folgen für die betriebliche Mitbestimmung insgesamt auszuschließen, sind klarstellende gesetzliche Maßnahmen notwendig, ohne dabei die Möglichkeit der Aufklärung und Ahndung von Verstößen gegen das Begünstigungsverbot einzuschränken«, begründet die Regierung ihren Gesetzentwurf.
      Das wird sich ändern
      § 37 BetrVG soll ergänzt werden, indem der Begriff »vergleichbarer Arbeitnehmer« konkretisiert wird. Maßstab für die Entlohnung wie bei einem vergleichbaren Arbeitnehmer soll der Zeitpunkt sein, zu dem das Betriebsratsamt übernommen wurde, es sei denn, eine spätere Neubestimmung ist sachlich begründet. Arbeitgeber und Betriebsrat sollen in einer Betriebsvereinbarung »vergleichbare Arbeitnehmer« definieren können. Kommt eine solche Betriebsvereinbarung zustande, soll sie nur auf grobe Fehlerhaftigkeit überprüft werden können.
      Ergänzt werden soll auch der § 78 BetrVG durch den Hinweis, dass eine Begünstigung oder Benachteiligung im Hinblick auf das gezahlte Arbeitsentgelt nicht vorliegt, wenn das Betriebsratsmitglied die betrieblichen Anforderungen dafür erfüllt
      …“ Meldung vom 28. Juni 2024 beim Bund-Verlag externer Link, siehe dazu:
    • Deutscher Bundestag, Meldung vom 28.6.2024 externer Link
    • die Novelle des Betriebsverfassungsgesetzes externer Link
    • Bundestag beschließt Klarstellung: Betriebsräte nicht benachteiligen oder begünstigen
      „… Mit der Gesetzesänderung soll laut Arbeitsminister Heil künftig Unsicherheit vermieden werden. Auch Unionsabgeordnete begrüßten die Neuerung, kritisierten aber unter anderem, dass es so lange gedauert habe, das Gesetz zu verabschieden. „Es empfiehlt sich daher, von der Möglichkeit konkretisierender Betriebsvereinbarungen (BV) Gebrauch zu machen“, erklärt Andreas Engelmann, Professor an der Hochschule für Arbeit in Frankfurt am Main, in der aktuellen Ausgabe der Fachzeitschrift Arbeitsrecht im Betrieb. „So kann durch BV festgelegt werden, wie die Vergleichsgruppe zu bilden und vor allem, wann sie zu aktualisieren ist.“ Diese gelte dann unmittelbar und verbindlich. „Außerdem erzeugen eindeutige Verfahren für alle Beteiligten mehr Klarheit und vermeiden Rechtsstreit“, erläutert der Experte.
      Vorteile für Betriebsräte zulasten der Belegschaft
      Was dabei übersehen wird: Das Gesetz schreibt ausdrücklich vor, dass Betriebsratsmitglieder nicht benachteiligt, aber auch nicht begünstigt werden dürfen. Denn die Zahlung einer höheren Vergütung an Betriebsratsmitglieder führt dazu, dass Entscheidungen eher zugunsten des Unternehmens getroffen werden. Vorteile für das Unternehmen können vielfältig sein. Dazu gehören die Genehmigung von Wochenendschichten, generelle Nachtarbeit, umfangreiche Auswertungen im neuen Workflow-System oder strikte Urlaubsregelungen – alles Themen, bei denen der Betriebsrat mitbestimmt. Wenn es um Zusatzleistungen geht, können Konzerne durchaus erfinderisch sein. So berichten Beobachter von Zulagen ausschließlich für Betriebsratsarbeit oder Dienstwagen ohne sachliche Notwendigkeit – bis zum Nebenjob für die Ehefrau des Betriebsratsvorsitzenden. In einem Betrieb bewarb sich ein freigestelltes Betriebsratsmitglied auf die Stelle des Personalleiters. Da er die Stelle nicht antrat, aber für geeignet befunden wurde, wurde sein Gehalt auf Managerniveau angehoben. Diese Art der Vorteilsnahme hat Nachteile für die Belegschaft, die oft nichts davon erfährt, da die Entscheidungen mit Geheimhaltungserklärungen verbunden sind. Für Betriebsräte in Unternehmen, deren Management oder Eigentümer nicht bereit sind, eine Betriebsvereinbarung abzuschließen, verbessert sich die Situation nicht…“ Beitrag von Marcus Schwarzbach vom 01. Juli 2024 in Telepolis externer Link
    • Eine Einschätzung zu den geplanten Neuregelungen von Prof. Dr. Thomas Klebe im AiB-Podcast externer Link Audio Datei
  • Versprochene Reform der Betriebsverfassung stockt: Rechtssicherheit bei der Bezahlung von Betriebsräten ist wichtig, doch UnionBusting als Offizialdelikt fehlt
    • Reform der Betriebsverfassung: Ampel-Flickschusterei
      Die Bundesregierung hat einen Entwurf zur Änderung des Betriebsverfassungsgesetzes vorgelegt, der die Vergütung von Betriebsräten neu regelt. Das ist gut, weil sie damit eine Gesetzeslücke schließt und Rechtssicherheit in der betrieblichen Mitbestimmung schafft. Doch die Regierung flickt damit nur ein kleines Leck, während weiter riesige Löcher klaffen. So wirkt sich ungleich schädlicher auf die Mitbestimmung aus, dass Unternehmen weitestgehend ungestraft mit teils drastischen Methoden gegen unliebsame Betriebsräte vorgehen können. Zwar hatten die Ampel-Parteien im Koalitionsvertrag versprochen, solche Verstöße gegen die betriebliche Mitbestimmung zu Offizialdelikten zu erklären. Staatsanwaltschaften müssten dann von Amts wegen ermitteln. Doch geschehen ist bislang nichts…“ Artikel von Felix Sassmannshausen vom 24.03.2024 in ND online externer Link, siehe dazu:
    • Mehr Rechtssicherheit bei der Bezahlung von Betriebsräten
      Wer in einem Unternehmen zum Betriebsrat gewählt wird, übernimmt ein unentgeltliches Ehrenamt. Betriebsräte sind von ihrer beruflichen Tätigkeit freigestellt, sie dürfen nicht weniger verdienen „als das Arbeitsentgelt vergleichbarer Arbeitnehmer mit betriebsüblicher beruflicher Entwicklung“. Sie dürfen „wegen ihrer Tätigkeit nicht benachteiligt oder begünstigt werden“, wie es im Betriebsverfassungsgesetz heißt. Die Bundesregierung will diese gesetzlichen Vorgaben nun weiter präzisieren. Ihren Entwurf eines zweiten Gesetzes zur Änderung des Betriebsverfassungsgesetzes (20/9469 externer Link , 20/9875 externer Link ) hat der Bundestag am Freitag, 22. März 2024, erstmals beraten und im Anschluss zur weiteren Beratung an den federführenden Ausschuss für Arbeit und Soziales überwiesen…“ Meldung des Dt. Bundestags vom 22.03.2024 externer Link und der Text der Rede von Hubertus Heil externer Link
    • Siehe zur Vergütungsfrage u.a. unser Dossier: Justiz prüft VW-Betriebsratsbezüge: Erhielt der oberste Arbeitnehmervertreter Bernd Osterloh zu viel Geld?
  • Behinderung von Belegschaften: Straffreiheit für Arbeitgeber. Angriffe auf organisierte Beschäftigte werden selten angezeigt, Anklage wurde zuletzt nie erhoben
    „Ein einziger Strafantrag wegen des Verstoßes gegen Paragraf 119 Betriebsverfassungsgesetz (BetrVG) sei 2023 bisher in Berlin eingegangen. Das schildert Oberstaatsanwalt Thomas Gritscher im Gespräch mit »nd«: (…) In Berlin seien zwischen 2012 und 2022 diesbezüglich 38 Strafanzeigen eingegangen, sagt Gritscher. Seiner Kenntnis nach habe die Staatsanwaltschaft in keinem der Fälle Anklage erhoben. (…) Bei einer 2021 erfolgten Befragung der Hans-Böckler-Stiftung von knapp 3000 Betriebsratsmitgliedern gab nur die Hälfte der Befragten an, nie in ihrer Arbeit behindert zu werden. Gewerkschaften kritisieren wegen dieser Diskrepanz eine geringe Wirksamkeit des Strafrechts. (…) Dass die Hürden für ein Strafverfahren zu hoch sind, sieht auch Wolfgang Däubler, Rechtswissenschaftler für Arbeitsrecht an der Universität Bremen, so. Ebenfalls auf Anfrage von »nd« führt er aus, dass die Staatsanwaltschaft selbst ein öffentliches Interesse an der Strafverfolgung bejahen müsse. Zudem sei der Nachweis zu erbringen, dass der Arbeitgeber »die Rechte des Betriebsrats bewusst verletzt« habe. Däublers Ansicht nach sollte nach dem Eingang von Hinweisen bei Polizei und Staatsanwaltschaft automatisch ein Strafverfahren eingeleitet werden. Dieser Hinweis könne auch anonym erfolgen. Was Däubler anspricht, ist die Einstufung von Verstößen gegen das BetrVG als sogenannte Offizialdelikte. Demnach müssten die zuständigen Staatsanwaltschaften bei etwaiger Kenntnis von mutmaßlichen Verstößen selbst Ermittlungen einleiten. (…) Eine Korrektur des BetrVG wäre jedoch nur einseitig. In der sogenannten dualistischen Interessenvertretung sind die Betriebsräte nur einer von zwei Teilen. Daneben sind Gewerkschaften zentraler Baustein der deutschen Sozial- und Wirtschaftsordnung. Ihnen kommen exklusive Rechte zu. Nur sie können beispielsweise streiken und Tarifverträge samt Lohnerhöhungen erstreiten. Die Freiheit, sich in Gewerkschaften zusammenzuschließen und entsprechend zu handeln, ist ein Grundrecht gemäß Artikel 9 Grundgesetz. Allein, ein Verstoß dagegen ist kein Straftatbestand. Es gibt keine Strafnorm, die eine Sanktion ermöglichen würde. Das bestätigen sowohl Gritscher als auch Däubler. »Es wäre wünschenswert, die gewerkschaftliche Arbeit genauso wie die des Betriebsrats zu schützen«, meint Däubler. (…) Entscheidend sei neben Expertise von Anwält*innen und Gewerkschaften, sich im Betrieb zusammenzuschließen und Rückhalt zu organisieren. Denn, so [der Arbeitssoziologe Oliver Thünken von der Technischen Universität Chemnitz]: »Wenn Konflikte als Individualkonflikte zwischen einzelnen Beschäftigten und Geschäftsführung gedeutet werden, geht der zentrale Aspekt des Angriffs auf das allgemeine Mitbestimmungsrecht verloren.«“ Artikel von Christian Lelek vom 6. August 2023 in Neues Deutschland online externer Link
  • Betriebliche Mitbestimmung modernisieren: DGB-Entwurf für ein neues Betriebsverfassungsgesetz 
    Viele Arbeitsgrundlagen für Betriebsräte stammen aus einer 50 Jahre zurückliegenden Zeit. Deshalb ist eine umfassende Modernisierung der betrieblichen Mitbestimmung unverzichtbar. Der DGB und seine Mitgliedsgewerkschaften legen einen Reformentwurf dazu vor. (…) Der DGB und seine Mitgliedsgewerkschaften rufen mit einem Entwurf zur Diskussion auf. Die Herausforderungen der sozial-ökologischen Transformation sind vielfach benannt. Es wird Zeit, über Lösungen zu reden und damit ganz konkret über die Werkzeuge, die Betriebsräte für die Gestaltung Guter Arbeit brauchen.“ DGB-Meldung vom 06.04.2022 externer Link

  • Der DGB und seine Mitgliedsgewerkschaften fordern ein arbeitsrechtliches Verbandsklagerecht 
    „Beschäftigte, die sich gegen arbeitsrechtliche Verstöße ihrer Arbeitgeber wehren wollen, stehen aufgrund der aktuellen Rechtslage oft alleine da. Selbst ein erfolgreich geführtes Individualverfahren bringt keine Verbesserung für alle Betroffenen mit sich. Im neuen Diskussionspapier bekräftigt der DGB seine Forderung nach einer arbeitsrechtlichen Verbandsklage und legt Vorschläge zur Ausgestaltung vor. (…) Zwar gesteht die Rechtsprechung den Gewerkschaften einen Unterlassungsanspruch bei tarifwidrigem Verhalten des Arbeitgebers und auch ein tariflicher Durchführungsanspruch zu. Hier fehlt es jedoch an konkreten gesetzlichen Regelungen. Auch wirken diese Rechte nur bei Verstößen gegen zwingende tarifliche Regelungen, nicht aber bei Verstößen gegen gesetzliche Mindestbedingungen. (…) Um Rechtsverstöße effektiv zu verhindern, fordern der DGB und seine Mitgliedsgewerkschaften seit langem die Einführung einer arbeitsrechtlichen Verbandsklage. Auch im Koalitionsvertrag wurde unter anderem vereinbart, strukturelle und systematische Verstöße gegen Arbeitsrecht und Arbeitsschutz durch effektivere Rechtsdurchsetzung verhindern zu wollen. Ein wirksames Werkzeug dafür kann die Verbandsklage sein. Dies trifft sich gut, da die Koalitionsparteien ohnehin bis zum 25. Dezember 2022 die EU-Verbandsklage-Richtlinie in nationales Recht umsetzen müssen, die rechtlichen Möglichkeiten der Erhebung einer Verbandsklage also erweitert werden müssen. (…) Daher haben der DGB und seine Mitgliedsgewerkschaften nun ein Diskussionspapier zur Einführung einer arbeitsrechtlichen Verbandsklage erstellt, in dem dargelegt wird, wie eine solche arbeitsrechtliche Verbandsklage aus der Sicht des DGB und seinen Mitgliedsgewerkschaften ausgestaltet sein kann.“ DGB-Pressemitteilung vom 23. März 2022 externer Link. Zu Details des DGB-Vorschlags siehe das DGB Diskussionspapier zur Verbandsklage im Arbeitsrecht vom 14. März 2022 externer Link
  • Behinderung demokratischer Mitbestimmung: „Einschüchterung von Betriebsräten ist nicht marginal“ (Wolfgang Däubler) 
    Die Ampel will härter gegen die Behinderung von Betriebsräten vorgehen. U.a. soll die geltende Strafvorschrift zum Offizialdelikt hochgestuft werden. Aktionismus – angesichts eines Randphänomens? Fragen an Arbeitsrechtler Wolfgang Däubler.
    [LTO: Bundesarbeitsminister Hubertus Heil will § 119 Betriebsverfassungsgesetz (BetrVG), der Straftaten gegen die Betriebsverfassungsorgane und ihre Mitglieder regelt, als Offizialdelikt einstufen. Störungen oder Behinderung von Betriebsratsgründungen sollen künftig von der Justiz auf Verdacht von Amts wegen auch ohne Anzeige verfolgt werden. Laut Bundesministerium für Arbeit und Soziales (BMAS) verringert die derzeitige Rechtslage „die praktische Relevanz des Straftatbestands“, die beabsichtigte abschreckende Wirkung auf die Arbeitgeber trete nicht ein. Hat das Ministerium Recht?]
    Prof. Dr. Wolfgang Däubler: Ja. Nach § 119 Abs. 2 BetrVG werden Verstöße nur auf Antrag des Betriebsrats oder weiterer dort aufgezählter Betriebsverfassungsorgane, einer im Betrieb vertretenen Gewerkschaft, des Wahlvorstands oder des Unternehmers, verfolgt. Eine Strafverfolgung scheidet damit in betriebsratslosen Betrieben ohne gewerkschaftliche Präsenz aus. Und wenn es dem Arbeitgeber gelingt, bereits die Bestellung eines Wahlvorstands zu verhindern, der ja eine Betriebsratsgründung überhaupt erst auf den Weg bringen soll, läuft § 119 BetrVG derzeit „leer“. (…) Einer Untersuchung zufolge kam es in 15,6 Prozent der erstmaligen Betriebsratswahlen zu Behinderungsversuchen. Häufig werden Kandidatinnen und Kandidaten für den Betriebsrat eingeschüchtert oder es wird die Bestellung des Wahlvorstands verhindert.
    Insgesamt trägt die aktuelle Rechtslage aus meiner Sicht zu einer unguten Entwicklung bei: Denn nur noch in neun Prozent aller vom Gesetz erfassten Betriebe existiert heute ein Betriebsrat. Vor zwanzig Jahren waren es noch zwölf Prozent. Da in größeren Betrieben häufiger als in kleinen eine Wahl zustande kommt, werden gut 40 Prozent aller vom Gesetz erfassten Arbeitnehmer durch einen Betriebsrat vertreten. Der Betriebsrat ist damit ein Minderheitsphänomen. Vor zwanzig Jahren waren noch über 50 Prozent der Arbeitnehmer vertreten. (…)
    Eine der Ursachen für diese Entwicklung liegt darin, dass der Arbeitgeber wenig riskiert, wenn er von einer Wahl „abrät“ oder damit droht, wegen der Kosten des Betriebsrats gebe es in Zukunft kein Weihnachtsgeld mehr. Auch sind schon Fälle vorgekommen, in denen mit einer Verlagerung des Betriebs nach Osteuropa gedroht wurde, sollte ein Betriebsrat gewählt werden. Wenn sich dann niemand traut, zu einer Betriebsversammlung einzuladen und dort einen Wahlvorstand zu wählen, steht § 119 BetrVG auf dem Papier. Nach der geplanten Neuregelung würde eine Strafanzeige bei der Polizei genügen, um ein Verfahren in Gang zu setzen. Auch ein anonymer Hinweis käme in Betracht – dieser müsste dann aber von der Polizei als glaubwürdig eingestuft werden.
    [Die Gewerkschaften hätten auch gerne deliktspezifische Schwerpunktstaatsanwaltschaften, deren Zuständigkeit über den jeweiligen OLG-Bezirk hinausgeht und die über spezielle Sachkenntnis, spezialisiertes Personal und Material verfügen. Sollte das BMAS diese Forderung bei der Ausarbeitung seiner Reform beherzigen?]
    Ja, als Staatsanwältin oder Staatsanwalt kommt man mit arbeitsrechtlichen Fragen so gut wie nie in Berührung. Und man kennt erst recht die informellen Mechanismen nicht, wie man im Betrieb „unangepasste“ Leute (die einen Betriebsrat wollen) unter Druck setzen kann. Deshalb wäre es vernünftig, die Zuständigkeit in jedem Land bei einer Staatsanwaltschaft zu konzentrieren; dort würde dann nach einiger Zeit auch die nötige Erfahrung vorhanden sein. (…)
    Zur Gründung von Betriebsräten gibt es auch die Idee, ein Modell aus der Personalvertretung im Öffentlichen Dienst zu übernehmen. In Betrieben ohne Betriebsrat müsste danach der Arbeitgeber jedes Jahr eine Betriebsversammlung veranstalten, in der er die Vorzüge und Nachteile des BetrVG erläutert. Anschließend entscheiden dann die Arbeitnehmer in geheimer Abstimmung, ob sie einen Betriebsrat wollen. In der Personalvertretung ist das als Pflicht des Dienststellenleiters vorgeschrieben, wenn es keinen Personalrat gibt. Die Folge: 92 Prozent aller im öffentlichen Dienst Beschäftigten sind durch einen Personalrat repräsentiert. Ob sich das ggf. in das BetrVG übertragen lässt, ist eine Frage, derer man sich im Ministerium definitiv annehmen sollte…“ Interview von Hasso Suliak vom 21.01.2022 bei LTO online externer Link

  • Heil trifft Gorillas. 1.600 Unterschriften gegen Union Busting an Arbeitsminister übergeben 
    PR-Termin des Arbeitsministers Hubertus Heil (SPD) bei Beschäftigten der Berliner Gorillas genutzt. Der Vorsitzende des Vereins Aktion gegen Arbeitsunrecht, André Koletzki, konnte am 20. Juli 2021 endlich 1.600 Unterschriften an den Bundesarbeitsminister übergeben. Im Mai war der erste Versuch gescheitert. Mit der Petition „Betriebsräte effektiv stärken!“ kritisieren zahlreiche Betriebsratsmitglieder, Gewerkschafter, Beschäftigte und Arbeitsrechtler aus ganz Deutschland das unzureichende und unentschlossene Vorgehen das SPD-Arbeitsministers gegen Union Busting. Die Aktion gegen Arbeitsunrecht hatte zur Verabschiedung des „Betriebsrätemodernisierungsgesetz“ bereits am 20. Mai 2021 vor dem Bundestag protestiert. Damals verweigerten Hubertus Heil und sein Mitarbeiter-Stab die Unterschriften-Annahme…“ Pressemitteilung vom 21. Juli 2021 von und bei Arbeitsunrecht externer Link – siehe Infos zur Unterschriftensammlung weiter unten
  • Betriebsrätemodernisierungsgesetz: Regierung stärkt Gewerkschaften gegen die Arbeiter 
    „… Die Regierung und der DGB befürchten, dass sich angesichts wachsender Klassenspannungen soziale Kämpfe entwickeln, die sie nicht mehr kontrollieren können. In den vergangenen Jahrzehnten hatten die Gewerkschaften eine entscheidende Rolle dabei gespielt, jede Form von Opposition zu unterdrücken und als Co-Manager den Arbeitsplatz- und Lohnabbau zu organisieren. Heute haben sie vor allem in kleineren Unternehmen und modernen Wirtschaftszweigen, wie dem IT-Sektor, kaum noch Einfluss. Heil bekannte sich im Bundestag ganz offen dazu, dass mit dem Gesetz die Funktion der Gewerkschaften als Co-Manager gestärkt werden soll. Betriebsräte übernähmen „ganz oft, in vielen Fällen, in Krisen- und in Changeprozessen mittlerweile auch Co-Management-Funktionen in deutschen Unternehmen“, sagte er. (…) Nun steht mit der Digitalisierung und Automatisierung ein weiterer großer Umbruch in der Produktion und allen Dienstleistungsbereichen an. Um ihn auf Kosten der Arbeiter durchzusetzen, brauchen die Unternehmen die Gewerkschaften und ihre Betriebsräte. Diesem Zweck dient das neue Gesetz. Seit Jahren plädieren der DGB, die IG Metall und andere Gewerkschaften dafür, die Arbeitsplätze im Zuge der Digitalisierung mithilfe derselben Instrumente abzubauen, die schon bei der Zerschlagung der Stahlindustrie und der ostdeutschen Wirtschaft zum Einsatz kamen: Fort- und Weiterbildung im Rahmen von Transfergesellschaften, die die Arbeiter für kurze Zeit auffangen und dann zeitlich verzögert in die Arbeitslosigkeit entlassen. Nun erweitert das neue Gesetz den Einfluss der Gewerkschaften in diesen Fragen. (…) Die Verwandlung der Gewerkschaften in eine Betriebspolizei ist nicht einfach die Folge der – unzweifelhaft vorhandenen – Korruptheit einzelner Funktionäre. Sie ergibt sich aus der gewerkschaftlichen Perspektive, die das kapitalistische Privateigentum, die gesetzlich geregelte Klassenzusammenarbeit sowie den Wettbewerb um Märkte und Profite anerkennt. Je stärker der Wettbewerb auf dem Weltmarkt, desto enger rücken die Gewerkschaften mit „ihren“ Konzernen und Regierungen zusammen. Arbeiter, die noch Mitglied einer Gewerkschaft sind, haben absolut nichts zu sagen. Dafür finanzieren sie mit ihren Mitgliedsbeiträgen den riesigen Gewerkschaftsapparat…“ Artikel von Dietmar Gaisenkersting vom 9.6.2021 bei wsws.org externer Link – ein überlegenswerter Ansatz…
  • Arbeiter zahlen die Zeche. »Betriebsrätemodernisierungsgesetz« dient der Wirtschaft zur ökologischen Transformation. Mitbestimmung der Beschäftigten bleibt auf der Strecke 
    „… Hilfreich ist, dass jetzt ein Betriebsrat bei der Einführung künstlicher Intelligenz einen Sachverständigen hinzuziehen kann. Zudem erweitert das Gesetz die Mitbestimmung des Betriebsrates in sozialen Angelegenheiten. Er kann auch bei der »Ausgestaltung von mobiler Arbeit, die mittels Informations- und Kommunikationstechnik erbracht wird« mitbestimmen. Das beseitigt bestehende Rechtsunsicherheiten. Zudem werden über eine zusätzliche Regelung im siebten Sozialgesetzbuch Beschäftigte im Homeoffice besser durch die Unfallversicherung geschützt. Für die Unternehmer bietet das Home­office enorme Möglichkeiten, ­Kosten zu sparen. Sie haben in den Zeiten von Covid-19 ganze Großraumbüros geschlossen. Daraus haben sie gelernt. Sie werden weiter Druck machen. Die Betriebsräte werden dagegenhalten, um den Verlust sozialer Kontakte durch Homeoffice zu vermeiden und die Vermischung selbstbestimmter privater Zeit mit fremdbestimmter Arbeit für das Unternehmen abzuwehren. (…) Jetzt wurde dem Paragraphen 96 Betriebsverfassungsgesetz, wonach der Betriebsrat zu Berufsbildungsmaßnahmen Vorschläge machen kann, ein weiterer Absatz hinzugefügt: »Kommt (…) eine Einigung über Maßnahmen der Berufsbildung nicht zustande, können der Arbeitgeber oder der Betriebsrat die Einigungsstelle um Vermittlung anrufen. Die Einigungsstelle hat eine Einigung zu versuchen.« »Eine Einigung versuchen« heißt: Wenn der Unternehmer nicht zu einer Einigung bereit ist, dann geht das aus wie das Hornberger Schießen. Dann gibt es keine Einigung. Der Unternehmer entscheidet ganz allein, welche konkreten Maßnahmen zur beruflichen Fort- und Weiterbildung er ergreift und welche finanziellen Mittel er hierfür bereitstellt. Der Unternehmer entscheidet, wie er will. Mit Mitbestimmung hat das nichts zu tun. (…) Allerdings gilt die Faustregel: Je mehr es um die Existenzgrundlage der Beschäftigten geht, umso weniger haben die Betriebsräte zu sagen. Ein Beispiel: Ob ein Betrieb stillgelegt wird, wann und wie die Stillegung durchgeführt wird – diese Fragen werden ebenfalls nach dem beschriebenen Verfahren Hornberger Schießen geregelt: Wenn der Unternehmer in der Einigungsstelle nein sagt, sind die Verhandlungen beendet. Die Freiheit des Kapitals ist die Unfreiheit der Beschäftigten. Das ist so trotz allen Getöses, das gerne um die deutsche Mitbestimmung gemacht wird. (…) In der jungen Welt habe ich am 5. Juli 2019 darauf hingewiesen: »Dann müssen die Betriebsräte nicht nur ein Initiativrecht bekommen, um eine ausreichende Qualifizierung der Beschäftigten für die Tätigkeit an den Ersatzarbeitsplätzen durchsetzen zu können. Sie müssen auch ein Initiativrecht bekommen, um über die umweltfreundlichen Ersatzarbeitsplätze mitbestimmen zu können. Sie müssen Regelungen zu den dafür notwendigen Investitionen durch den Arbeitgeber in einer Einigungsstelle erzwingen können. Sie brauchen ein als Initiativrecht ausgestaltetes Mitbestimmungsrecht in wirtschaftlichen Angelegenheiten, also in den Angelegenheiten, bei denen über das ›Was‹, das ›Ob‹, ›Wann‹, ›Wo‹ und den ›Umfang‹ einer Produktion oder Dienstleistung entschieden wird. Es geht darum, den gewerkschaftlichen Anspruch auf eine ökologische, soziale und demokratische Transformation auch durchsetzbar zu machen.« Nichts davon findet sich in dem Betriebsrätemodernisierungsgesetz. Wie soll unter diesen Umständen eine umweltverträgliche Umstellung der Produktion gelingen, in der die damit verbundenen Kosten nicht an die Beschäftigten weitergegeben werden?Artikel von Benedikt Hopmann in der jungen Welt vom 02.06.2021 externer Link, siehe deshalb:

    • Gemeinsam Widerstandskraft aufbauen. Gegen Willkür im Unternehmen: Mit Hilfe der Gewerkschaft Betriebsräte gründen!
      „… Die Behinderung von Wahlen für Betriebsräte oder die Arbeit letzterer ist jetzt schon strafbar. Zur Abschreckung wäre es notwendig, den Strafrahmen zu verschärfen. Zudem: Warum wird vom Betriebsrat der Mut erwartet, einen Strafantrag gegen den eigenen Unternehmer zu stellen? Schwerpunktstaatsanwaltschaften müssten von Amts wegen tätig werden. Nichts davon findet sich in dem beschlossenen »Betriebsrätemodernisierungsgesetz«. Will jemand einen Betriebsrat gründen, kann er das so einrichten, dass er von Anfang an einen besonderen Kündigungsschutz hat. Dazu muss er unter den ersten sechs Personen stehen, die zur Wahlversammlung einladen. Auf dieser Wahlversammlung muss er zum Wahlvorstand kandidieren. Und dann muss er sich zur Wahl für den Betriebsrat aufstellen lassen. So ist er durchgehend unkündbar. Es gibt aber eine Lücke: Das ist die Zeit vor der Einladung zur Wahlversammlung. Ein Unternehmen kann die Gründung eines Betriebsrates nur verhindern, wenn es vor dieser Einladung fristlos kündigt, dabei Pflichtverletzungen behauptet und ein Hausverbot erteilt. (…) Der erste Referentenentwurf schloss solche fristlosen Kündigungen vor dem Aushang der Einladung praktisch aus: Sie sollten nur nach Zustimmung des Arbeitsgerichts zugelassen werden. Doch diese Regelung wurde gekippt – auf Betreiben von CDU und CSU. Deren Vertreter Peter Weiß verkündete in der Bundestagsdebatte am 21. Mai: »Natürlich gilt als Mantel und Schirm über allem weiterhin, dass Betriebsrat und Arbeitgeber zur vertrauensvollen Zusammenarbeit verpflichtet sind. Diese Zusammenarbeit erhält durch unser neues Gesetz neue Schubkraft und neue Motivation.« Verpflichtung zur Zusammenarbeit mit der Geschäftsführung und Verweigerung elementarer Schutzrechte, um überhaupt einen Betriebsrat aus der Taufe zu heben – wie geht denn das zusammen?…“ Artikel von Benedikt Hopmann in der jungen Welt vom 02.06.2021 externer Link (im Abo)
  • Betriebsräte stärken: Protest gegen lasche Reform vor Bundestag
    50 Personen fordern konsequente Strafverfolgung von Union Bustern + verpflichtendes Betriebsratsregister. (…) Rechtsanwalt Benedikt Hopmann machte anhand aktueller Fälle, in denen er Betriebsräte vertritt, deutlich, wie wichtig es ist, dass der § 119 BetrVG (Betriebsratsbehinderung als Straftat) endlich Zähne bekommt. Er erinnerte außerdem an den 13. Januar 1920, als an gleicher Stelle die Sicherheitspolizei von den Reichstagstreppen aus 42 Demonstrant_innen erschoss und hunderte verletzte. Damals hatten hunderttausende Arbeiter_innen aus Berliner Großbetrieben gegen das erste Betriebsrätegesetz demonstriert. Es war nach ihrer Auffassung zu lasch, unambitioniert — ein erheblicher Rückschritt oder Bedrohung einer in vielen Betrieben erreichten Rätemacht. (Der mörderische Polizeiübergriff, der von der SPD-Regierung mindestens geduldet wurde, gilt als tragisches Ende der Rätebewegung, die mit der Novemberrevolution 1918 begann. Er war das Vorspiel zum Kapp-Putsch vom 13. März 1920.) Verschiedene Redner_innen bekräftigten die Forderungen der Aktion gegen Arbeitsunrecht nach konsequenter Verfolgung und Bestrafung von Union Bustern sowie empirischer Erfassung und Erforschung von Betriebsräten in Deutschland durch ein verpflichtendes Melderegister. Betriebsratsmitglieder und Betriebsratsgründer_innen bei Siemens, der Lebenshilfe Schule Berlin, dem Lieferdienst Gorillas meldeten sich zu Wort...“ Bericht und Bilder vom 22. Mai 2021 von und bei Arbeitsunrecht externer Link, siehe/höre auch:

    • arbeitsunrechtFM Nr. 20: Rohrkrepierer Betriebsrätemodernisierungsgesetz | Teil 3: Fünf gute Gründe einen Betriebsrat zu gründen – Podcast und Video bei Arbeitsunrecht externer Link des Interviews mit dem Arbeitsrechtler Martin Bechert zum Rohrkrepierer Betriebsrätemodernisierungsgesetz
  • Betriebsrätemodernisierungsgesetz – eine vertane Chance
    „… Bei genauerem Hinsehen entpuppt sich das Betriebsrätemodernisierungsgesetz (…) als ziemlich viel heiße Luft. (…) Die Ausweitung der Mitbestimmungsrechte bei der mobilen Arbeit und der künstlichen Intelligenz sind mehr oder weniger kosmetisch, weil dieser Bereich bereits jetzt im Wesentlichen bereits durch die Mitbestimmungsrechte nach § 87 Abs. 1 Nrn. 1, 6, und 7 BetrVG erfasst ist. Mir kommt das wie eine Grußadresse an die IG Metall vor. (…) Geradezu ärgerlich ist aber die bescheidene Änderung der Kündigungsschutzvorschriften im Zusammenhang mit der Betriebsratsgründung. (…) Mit dem Betriebsrätemodernisierungsgesetz wird nunmehr eingeführt, dass Arbeitnehmer beim Notar eine Erklärung abgeben können, dass sie versuchen einen Betriebsrat zu gründen. Sodann sind sie bis zu der Betriebsversammlung, in der der Wahlvorstand bestellt wird, maximal aber drei Monate lang, vor einer ordentlichen Kündigungen geschützt, soweit keine betriebsbedingten Gründe vorliegen. Mit dem Betriebsrätemodernisierungsgesetz wird sich meiner Meinung nach praktisch überhaupt nichts ändern. Ich halte es schon für fraglich, ob es tatsächlich Arbeitnehmer gibt, die zunächst zum Notar rennen, um dann einen Betriebsrat zu gründen. Der wesentliche Punkt aber bleibt völlig unberücksichtigt. Die außerordentliche Kündigung ist weiterhin möglich. Wirklich gewonnen ist mit den Änderungen in der Praxis gar nichts. Weiterhin steht dem Union Busting von Arbeitgeberseite Tür und Tor zum Missbrauch der außerordentlichen Kündigung zur Verhinderung der Betriebsratsgründung offen. (…) Es ist ganz offensichtlich, dass das Problem des Union Busting bei den Parteien des Bundestages wie auch bei den Gewerkschaften nicht wahrgenommen wird. Anders ist es auch nicht zu erklären, dass der strafrechtliche Schutz der Betriebsräte ein reines Lippenbekenntnis des Gesetzgebers bleibt. Tatsächliche Verurteilungen bei Fällen von Betriebsratsbehinderung gibt es in der Praxis nicht. Ein weiteres Problem, das in diesem Zusammenhang nicht angegangen worden ist, ist der mangelnde Schutz der Beschäftigten, die einen befristeten Arbeitsvertrag haben. Hier ist das Problem, dass diese zwar unter den Kündigungsschutz unterfallen, dieser aber regelmäßig leerläuft, weil der Arbeitgeber den Arbeitsvertrag schlicht nicht verlängert. Praktisch gibt es dagegen keinen Schutz. Dies hat zur Folge, dass sich befristet Beschäftigte praktisch nicht aktiv an der Betriebsratsarbeit beteiligen können, und in der Folge in Betriebsratsgremien keine befristet beschäftigten Arbeitenden Mitglieder sind. Dies ist ein Demokratieproblem, weil sich befristet Beschäftigte eben nicht entsprechend kollektiv beteiligen bzw. nicht durch ihresgleichen vertreten lassen können…“ Kommentar von Rechtsanwalt Martin Bechert vom 21. Mai 2021 auf der Homepage der Kanzlei Bechert externer Link
  • 20. Mai 2021: Protest-Kundgebung gegen „Betriebsräte-Modernisierungs-Gesetz“ in Berlin
    Die Aktion gegen Arbeitsunrecht protestiert gegen das „Betriebsrätemodernisierungsgesetz“, das am 20./21. Mai 2021 mit Stimmen von CDU und SPD vom Bundestag verabschiedet werden soll. Wir haben zusammen mit der Stiftung ethecon, der KAB, Labournet und zahlreichen Betroffenen über 1.500 Unterschriften gesammelt. Wir wollen die Unterschriften an Arbeitsminister Hubertus Heil (SPD) übergeben…“ Aufruf bei Arbeitsunrecht externer Link zum Protest vor dem Bundestag, Platz der Republik 1, Berlin, am Donnerstag, 20. Mai 2021, 18:30 Uhr
  • Betriebsräte bleiben ungeschützt: Die GroKo will Betriebsratsgründungen fördern. Doch der aktuelle Gesetzentwurf ist wenig dafür geeignet, finden Kritiker*innen 
    „… Auf Bestreben der SPD will die Bundesregierung nun etwas gegen den Rückgang der Betriebsräte tun. Ein entsprechendes Gesetz, das „Betriebsratsmodernisierungsgesetz“, soll in dieser Woche in den Bundestag eingebracht werden. Das Ziel: „Die Gründung und Wahl von Betriebsräten zu fördern“ und „die Fälle der Behinderungen von Betriebsratswahlen zu reduzieren“, heißt es darin wörtlich. Doch laut Kritiker*innen verfehlt der Gesetzentwurf diese Ziele. „Das Hauptproblem derzeit ist, dass Union Busting aktuell kein Offizialdelikt ist und nur ähnlich hart wie eine Beleidigung bestraft werden kann. Doch das wird im aktuellen Gesetzesentwurf gar nicht angegangen“, kritisiert Elmar Wigand von der Aktion gegen Arbeitsunrecht. (…) Wegen der unzureichenden Würdigung als Straftatbestand würden viele Verfahren wegen „mangelnden öffentlichen Interesses“ eingestellt, kritisierte Wigand. „Wenn es mal zu einem der seltenen Prozesse kommt, wird es maximal unter Beleidigung oder als Verstoß gegen das Recht auf informelle Selbstbestimmung angegangen.“ Nötig seien zudem Schwerpunktstaatsanwaltschaften, die nur dazu ermittelten. Johanna Wenckebach, wissenschaftliche Direktorin des gewerkschaftsnahen Hugo-Sinzheimer-Instituts für Arbeits- und Sozialrecht, ist noch aus anderen Gründen unzufrieden mit dem Gesetzentwurf der Großen Koalition: „Gerade beim Kündigungsschutz ist nicht mehr viel von dem eigentlich sehr wichtigen Schutz übrig geblieben im Vergleich zum Referent*innenentwurf. Das sind im Endeffekt nur noch Fragmente.“ Es sei kein Wunder, dass das Gesetz nicht mehr „Betriebsräte-Stärkungsgesetz“, sondern nur noch „Betriebsräte-Modernisierungsgesetz“ heiße. Zwar gebe es nun einen Schutz vor fristgerechter Kündigung ab dem Zeitpunkt, an dem Beschäftigte offiziell erklären, einen Betriebsrat gründen zu wollen. „Aber gerade der wichtige Schutz vor fristlosen Kündigungen ist wieder gestrichen worden“, sagte Wenckebach. Doch genau dort setzen Union Buster gerne an und dichten den Beschäftigten beispielsweise Alkoholkonsum im Dienst an. Ganz fehle zudem ein Schutz vor betriebsbedingten Kündigungen, betonte die Arbeitsrechtlerin. „Dabei sind es oft die Menschen, die sich für eine Betriebsratsgründung engagieren, die dann bei Personalabbau ganz zufällig gehen müssen.“ (…) Elmar Wigand macht der SPD Vorwürfe: „Für diese paar Kinkerlitzchen ist das Ganze viel zu teuer erkauft worden. Die SPD hätte es lieber lassen sollen.“ Denn die Sozialdemokrat*innen hatten die Unions-Zustimmung für den Kabinettsbeschluss nur dadurch erreicht, dass sie einer Ausweitung der sozialversicherungsfreien Tage bei Saisonarbeiter*innen zustimmten. „Ausgerechnet in der Coronazeit“, kritisiert Wigand…“ Beitrag von Alina Leimbach vom 3. Mai 2021 in der taz online externer Link
  • Sorge um sozialen Frieden. Streit um Worte oder Pflege der sozialen Kultur? Anmerkungen zur Debatte um das „Betriebsrätemodernisierungsgesetz“ 
    „… Bei den Unternehmerverbänden stieß das Gesetzesvorhaben gleich auf grundsätzliche Ablehnung, es wurde ein Anwachsen der Bürokratie befürchtet. Dabei sind die Änderungen, die das neue Gesetz am zuletzt 1972 modernisierten Betriebsverfassungsgesetz vornimmt, minimal. Sie betreffen zum einen den Kündigungsschutz für Arbeitnehmer, die eine Betriebsratswahl initiieren wollen, und für die Mitglieder der Wahlkommission, zum anderen die Zuständigkeiten des Betriebsrats bei der Qualifikation von Mitarbeitern und bei Fragen der Digitalisierung. In der Begründung des Gesetzesentwurfs wird darauf verwiesen, dass Betriebsleitungen die Wahl von Betriebsräten zu verhindern suchen, was ein Problem sei – es ist ja bekannt, dass Unternehmen die Initiatoren solcher Wahlen schikanieren oder ihnen sogar kündigen. In der Wahl eines Betriebsrats sehen manche Unternehmen den Betriebsfrieden prinzipiell gestört, den das Betriebsverfassungsgesetz mit der Mitbestimmungsregelung gerade sichern soll. Die Koalition trägt diesem Bedenken jetzt schon mit der Namensänderung Rechnung: Klang Betriebsrätestärkungsgesetz noch nach einseitiger Unterstützung der Arbeitnehmerseite, so kommt das Betriebsrätemodernisierungsgesetz gleich viel moderater daher, als Zugeständnis an allgemeine Modernisierungsnotwendigkeiten. In (deutschen) Betrieben wird gerne das Bild einer Betriebsfamilie gepflegt. Dass dabei die Arbeitnehmer als Kinder vorkommen, scheint sie nicht zu stören. Es passt auch zu ihrer Rolle: Sie bewegen sich schließlich in einer ähnlichen Abhängigkeit wie Kinder von ihren Eltern. Der Unternehmer oder die Geschäftsleitung geben in diesem Bild den Familienpatriarchen ab, der einerseits das Sagen hat, andererseits auch der sorgende Vater sein soll, der sich um das Wohl aller kümmert. So wird eine Gemeinschaftlichkeit vorgegaukelt, die sich in modern geführten Betrieben auch als eine Form der Gleichberechtigung darstellen mag, wobei sich jedoch schnell herausstellt, dass einige gleicher sind als andere. (…) Bei der Ausgestaltung der Lohnhierarchie sind die Betriebsräte gefordert, womit förmlich sichergestellt ist, dass jeder das verdient, was er verdient. Wer sich ungerecht eingruppiert fühlt, kann sich beim Betriebsrat beschweren und die Eingruppierung überprüfen lassen. Das Prinzip der Einstufung in verschiedene Lohngruppen ist damit auf jeden Fall der Kritik enthoben. Entlassungen sind daher auch nicht einfach Entlassungen, also der brutale Sachverhalt, dass Arbeitnehmer und Arbeitnehmerinnen um ihre Existenz gebracht werden. Es wird – gesetzlich geregelt – sorgfältig unterschieden zwischen betriebsbedingten Kündigungen und Entlassungen über einen Sozialplan, also unter Mitwirkung der Betriebsräte. Auch in dieser Form wird das grundlegende Interesse von Lohnabhängigen anerkannt, sich durch Arbeit zu erhalten. Sozialpläne gewähren ihnen bei ihrer Entlassung eine Abfindung – wobei dieser Begriff wörtlich zu nehmen ist. Durch die Abmilderung des Schadens sollen sie sich mit ihrer Entlassung abfinden. Darauf zielen alle einschlägigen Maßnahmen, die das Gesetz vorsieht. (…) Die Politik sieht einen riesigen Erneuerungsbedarf in der deutschen Wirtschaft, was viele Arbeitnehmer ihr Einkommen kosten dürfte. Das alles muss natürlich sein, damit Deutschlands Stellung als Exportweltmeister und Wirtschaftsmacht gesichert wird – im Kampf mit ökonomischen Konkurrenten und politischen Rivalen. Diesen Umwälzungsprozess im Innern friedlich zu gestalten, da sind die Betriebsräte neu gefordert. So soll die deutsche Sozialkultur gesichert werden auf Kosten vieler Arbeitnehmer. (…) DGB-Gewerkschafter wollen wegen der Abhängigkeit der Belegschaften vom Erfolg des Unternehmens diesen mitgestalten und die negativen Folgen für die Arbeitnehmer mitverwalten. So erklärte DGB-Chef Reiner Hoffmann („Für mehr Demokratie im Betrieb“, 31.03.21) zur geplanten Modernisierung, dass „Arbeitgeber, die lautstark ein Moratorium fordern, nichts anderes (wollen) als Stillstand. Den können wir angesichts des rasanten Wandels in der Arbeitswelt nicht gebrauchen.“ Dass der Erfolgskurs der deutschen Wirtschaft ins Stocken geraten könnte, ist für den DGB-Chef wohl der größte anzunehmende Unfall…“ Artikel von Suitbert Cechura vom 09. April 2021 bei Telepolis externer Link
  • Betriebsräte stärken. Berlin: Beschäftigtenvertreter diskutieren online über Mitbestimmung
    Beschäftigte sind oft machtlos, der Unternehmerwillkür ausgesetzt. Ihnen fehlt betriebliche Mitbestimmung, sprich: ein engagierter Betriebsrat. Unter dem Motto »Betriebsräte stärken, aber richtig!« veranstaltete die Bundestagsfraktion von Die Linke am Mittwoch nachmittag eine Onlinepodiumsdiskussion. Jutta Krellmann, Linke-Sprecherin für Mitbestimmung und Arbeit, Thomas Sielemann, Betriebsrat der Thalia-Buchhandlungen Berlin, Fachanwältin Sirkka Schrader und Franziska Foullong vom Fachbereich Handel im Verdi-Bezirk Berlin diskutierten über Aufbau und Behinderungen von Beschäftigtenvertretungen. (…)  Wenn ein Unternehmen die Belegschaft samt Betriebsrat kurzerhand ohne Konsultationen vor vollendete Tatsachen stelle, gebe es bislang keine rechtliche Handhabe, dagegen vorzugehen, erläuterte Thalia-Betriebsrat Sielemann. Damit werde eine betriebliche Mitbestimmung regelrecht ausgehebelt. Es gibt ein weiteres Problem: Die Kapitalseite kann stattfindende Verhandlungen in Sachen Interessenausgleich für gescheitert erklären. Das heißt, für »Arbeitgeber« besteht kein Zwang, mit dem Betriebsrat eine Einigung zu erzielen. Für sie sind Gesprächsrunden über einen potentiellen Interessenausgleich kaum mehr als eine lästige Pflichtübung, die ergebnislos bleiben kann. Aber selbst ein Unterlassungsanspruch würde eine Ad-hoc-Umstrukturierung eines Unternehmens nicht gänzlich verhindern können, fürchteten die Diskutanten. Zumal Betriebsänderungen gerne als Ausdruck »unternehmerischer Freiheit« ausgewiesen würden. Deshalb brauche es die Option, unternehmensübergreifend Betriebsräte installieren zu können, um etwa bei Ausgliederungen von Firmenbereichen oder Filialen mitzubestimmen…“ Artikel von Oliver Rast in der jungen Welt vom 09.04.2021 externer Link
  • Aufruf an Bundesarbeitsminister Hubertus Heil (SPD): Betriebsräte effektiv stärken! Betriebsräte und Betriebsratsgründer*innen schützen! Union Busting als Wirtschaftskriminalität erkennen und konsequent bekämpfen! 
    „Worum geht es? Laut § 119 Betriebsverfassungsgesetz ist Betriebsratsbehinderung eine Straftat. Leider wird sie bislang kaum erfasst, ermittelt und geahndet. Am 30. März 2021 brachte Bundesarbeitsminister Hubertus Heil (SPD) einen Gesetzentwurf zur „Erleichterung der Gründung und Wahl von Betriebsräten“ durch das Bundeskabinett. Der Entwurf des SPD-Arbeitsministeriums war leider mangelhaft. Er setzte jahrzehntelangem Union Busting (professionelle Bekämpfung von Betriebsräten & Gewerkschaften) fast nichts entgegen. Zentrale Forderungen von Betriebsräten, Union Busting-Opfern und ihren Unterstützer*innen bleiben unberücksichtigt. Wir begrüßen prinzipiell jede Verbesserung zum Schutz von Betriebsratsgründer_innen, halten die geplanten Änderungen im „Betriebsrätemodernisierungsgesetz“ aber für nicht ausreichend. Wir wollen auf die ausscheidende Regierung noch einmal Druck ausüben. Wir schreiben unsere Forderungen auch kommenden Regierungen und ihren Arbeitsminister(innen) ins Stammbuch. Die Aktion gegen Arbeitsunrecht und die Stiftung ethecon fordern gemeinsam mit Betriebsräten, Union Busting-Opfern und ihren Angehörigen, Arbeitsrechtler*innen & Gewerkschafter*innen: – Schwerpunktstaatsanwaltschaften für Wirtschaftskriminalität / Sonderabteilungen für Arbeitsbeziehungen – Strafmaß erhöhen: Betriebsratsbehinderung als Offizialdelikt! – Verpflichtendes Melderegister für Betriebsratswahlen!“ Aufruf der Aktion gegen Arbeitsunrecht & Stiftung etheco an Arbeitsminister Heil (SPD) vom 4. April 2021 externer Link zum Mitunterzeichnen – LabourNet Germany gehört zu den Erstunterzeicher*innen
  • [Betriebsrätemodernisierungsgesetz] Das Bundeskabinett hat am Mittwoch das Gesetz zur Stärkung von Betriebsräten beschlossen 
    Auf der Zielgeraden gab es noch einmal eine Namensänderung: Aber das Betriebsrätemodernisierungsgesetz, das als „Betriebsrätestärkungsgesetz“ gestartet war, ist nach längerem Koalitionsstreit am Mittwoch vom Bundeskabinett verabschiedet worden. Kernpunkt ist eine Erleichterung des Wahlverfahrens für Betriebsräte. (…) Künftig soll es in Betrieben mit bis zu 100 Beschäftigten obligatorisch sein und in Betrieben mit bis zu 200 Arbeitnehmern vereinbart werden können. „Die kurzen Fristen des vereinfachten Wahlverfahrens können auch einen Beitrag zur Reduzierung der Behinderungen von Betriebsratswahlen in kleineren Betrieben leisten“, heißt es im Gesetzentwurf, der dem Handelsblatt vorliegt. Außerdem sollen Betriebsratsmitglieder auch per Video oder Telefon an Sitzungen teilnehmen können, wenn das in der Geschäftsordnung vorgesehen ist und nicht mindestens ein Viertel der Mitglieder widerspricht. Gestritten hatten die Koalitionsparteien zuletzt noch über die Frage, wie weit der Kündigungsschutz für die Organisatoren von Betriebsratswahlen ausgeweitet wird und welche Rechte Betriebsräte beim Einsatz Künstlicher Intelligenz (KI) im Unternehmen haben sollen. Künftig genießen nicht nur drei, sondern sechs Beschäftigte, die zur Wahl eines Betriebsrats einladen, Kündigungsschutz. Dieser gilt auch schon vor Einberufung der Wahlversammlung, wenn die Initiatoren eine öffentlich beglaubigte Erklärung abgegeben haben, dass sie einen Betriebsrat gründen wollen. Beim KI-Einsatz sollen Betriebsräte externen Sachverstand einholen können…“ Artikel von Frank Specht vom 31.03.2021 im Handelsblatt online externer Link
  • »Gebt den Entwurf ans Parlament«. Vorfeldinitiatoren betrieblicher Mitbestimmung sollen geschützt werden. Fraglich, ob es 2021 dazu kommen wird 
    „… Im Kabinett konnte man sich nicht auf alle Themen verständigen. Ein strittiger Punkt ist der Schutz der Vorfeldinitiatoren bei der Bildung von Betriebsräten. Da halte ich die Passagen in dem Entwurf auch für zu kompliziert. Die CDU/CSU-Arbeitnehmergruppe im Deutschen Bundestag hatte hierzu schon vor drei Jahren ein Konzept entwickelt, das die Initiatoren in der sensiblen Phase bis zum Wahlvorstand schützen soll und trotzdem unbürokratisch ist. Darüber sollten wir im Parlament sprechen. (…) Zunächst ist der Initiatorenschutz kein Problem. Initiatoren sind der Wahlvorstand für einen BR, und die Zahl der vom Kündigungsschutz betroffenen Personen wird von drei auf sechs verdoppelt. Nun geht es eben um die erwähnten Vorfeldinitiatoren. Wir schlagen als CDU/CSU-Arbeitnehmergruppe eine neutrale Stelle vor, die über die geplante Initiative informiert wird. Diese Stelle bescheinigt das Vorhaben, so dass auch bei dieser Personengruppe der Kündigungsschutz greift. (…) Betriebsräte sind keine feindlichen Agenten, sondern Komanager im Unternehmen. Sie entlasten auch die Arbeitgeber, indem sie die Interessen der Belegschaft bündeln, deren Vertrauen erwerben und – wie im Betriebsverfassungsgesetz formuliert – vertrauensvoll mit dem Arbeitgeber zusammenarbeiten. Wird das Recht auf einen Betriebsrat behindert, ist das eine Straftat, die heute schon geahndet wird. Allerdings ist es dann eigentlich zu spät. Besser ist es, wie betont, die Vorfeldinitiatoren bis zur Wahl eines Betriebsrates zu schützen. [Reizwort »Komanagement«: Ist es nicht ein Problem, wenn Betriebsräte als verlängerter Arm der Geschäftsführung auftreten, gewissermaßen die Seiten wechseln?] Was für Sie ein Reizwort ist, ist für mich eine Chance: Betriebsräte managen auch das Unternehmen. Die Gewerkschaften fordern richtigerweise, dass Betriebsräte bei zentralen Entscheidungen über Arbeitsplätze und der Arbeitsorganisation einbezogen werden. Die Verkürzung der Gewerkschaft als »Gegenmacht und Kampfinstrument« führt im Kern nicht weiter. Die Mitgestaltung im Interesse der Beschäftigten ist das wesentliche Ziel. (…) Wir wollen auch die klassische betriebliche Mitbestimmung, die seit 1920 besteht, mit der neuen digitalen Welt verbinden. Dazu gehört dann beispielsweise auch die Rechtssicherheit bei Onlinewahlen – wie sie heute schon von einigen Betriebsräten praktiziert werden. Wann sollte es besser gelingen als in einem Wahljahr, wo aufgrund der Pandemie und des Strukturwandels in den Unternehmen Beschäftigte zu Recht Sicherheit und Mitwirkung erwarten. Deshalb erneut mein Appell an das Kabinett: Gebt den Gesetzentwurf jetzt an das Parlament! Wir werden ihn weiter verbessern.“ Streitgespräch von Oliver Rast in der jungen Welt vom 16.02.2021 mit Uwe Schummer, Vorsitzender der Arbeitnehmergruppe der CDU/CSU-Bundestagsfraktion
  • Betriebsrätestärkungsgesetz gescheitert. Mehr Schutz für Betriebsräte: Unionsministerien lehnen Gesetzentwurf ab 
    Der DGB-Vorsitzende Reiner Hoffmann kritisiert, dass das Betriebsrätestärkungsgesetz nicht wie geplant vom Kabinett beraten wurde. Der Grund: Von der Union geführte Ministerien weigern sich, den Kündigungsschutz für InitiatorInnen von Betriebsräten zu stärken. Das ist ein Affront und ignoriert die wichtige Rolle, die Betriebsräte unter anderem in der Corona-Pandemie wahrnehmen…“ DGB-Mitteilung vom 09.02.2021 externer Link
  • Betriebsrätestärkungsgesetz: zahmer Entwurf unzureichend 
    Nur bescheidene Verbesserung geplant. Zentrale Punkte zum Schutz von Betriebsräten bleiben im Gesetzentwurf von Hubertus Heil (SPD) unberücksichtigt. Aktion gegen Arbeitsunrecht fordert Schwerpunktstaatsanwaltschaften, Betriebsratsbehinderung als Offizialdelikt, verpflichtendes Betriebsratsregister. (…) Das vereinfachte Wahlverfahren hat schlicht eine irreführende Bezeichnung. Es würde besser „beschleunigtes Wahlverfahren“ heißen. Einfacher und unkomplizierter ist es gegenüber dem normalen Wahlverfahren leider nicht. Beim Vereinfachten Wahlverfahren können Beschäftigte innerhalb von 10-14 einen Betriebsrat gründen. Beim normalen Verfahren dauert der Vorgang leicht 10-12 Wochen. Der Vorteil liegt auf der Hand: bei einem schnelleren Wahlverfahren haben aggressive Unternehmen und ihnen zuarbeitende Union Busting-Kanzleien weniger Zeit gegen Mitglieder des Wahlvorstands und Betriebsrats-Kandidaten zu intrigieren und sie aus dem Team der Gründungswilligen herauszubrechen. Es gilt jedoch bei beiden Verfahren: bevor Betriebsratsgründer:innen öffentlich in Erscheinung treten sollten sie sich gut informieren und möglichst rechtssicher in das Verfahren starten. Es gilt unter anderem Formfehler zu vermeiden, die Unternehmen und Union Buster sonst zum Anlass nehmen, die Betriebsratswahl anzufechten und die Initiatoren zu diskreditieren. Die Anfechtung von Betriebsratswahlenl gehört zum Standard-Repertoire von Union Bustern. (…) Wir fordern die Schaffung von Schwerpunktstaatsanwaltschaften für Arbeitsrechte und Arbeitsbeziehungen. Eine effektive Strafverfolgung ist an Kompetenzen und Ressourcen gebunden. Wenn beides nicht aufgebaut wird, kann der Staat hier seiner Aufsichtsfunktion nicht gerecht werden. Schwerpunktstaatsanwaltschaften könnten für eine dringend nötige Schubumkehr sorgen. (…) §119 BetrVG zum Offizialdelikt erklären und auch den Versuch strafbar machen. Meldepflicht durch Staatsanwaltschaften. Es ist nicht einzusehen, warum bislang nur Betriebsratsgremien und Gewerkschaften Verstöße gegen §119 BetrVG zur Anzeige bringen können. Die Behinderung und gezielte Beeinflussung von Betriebsratsarbeit und Betriebsratswahlen muss zu einem Offizialdelikt werden. Außerdem dürfen diese Delikte nicht länger als Vergehen, sondern müssen als Straftat bewertet werden. Auch der Versuch muss strafbar sein (bislang gilt Behinderung als Erfolgsdelikt, das nur bestraft wird, wenn die kriminelle Absicht erfolgreich durchgeführt werden konnte). (…) Um Betriebsräte schützen zu können, müssen wir sie erfassen und ihre Entwicklung (nach)verfolgen können. Ein verpflichtendes Melderegister kann der notwendigen Debatte um Betriebsräte und deren Rechte ein solides Fundament geben und Fehlentwicklungen aufzeigen…“ Kommentar von Jessica Reisner vom 23. Januar 2021 bei Arbeitsunrecht externer Link
  • Arbeitsrechtler fordern Verbesserungen am Betriebsrätestärkungsgesetz / auch der IG Metall gehen die Pläne noch nicht weit genug 
    • Arbeitsrechtler fordern Verbesserungen am Betriebsrätestärkungsgesetz
      Der Arbeitskreis Arbeitsrecht der Vereinigung Demokratischer Juristinnen und Juristen (VDJ) begrüßt grundsätzlich den aktuellen Referentenentwurf externer Link  (Bearbeitungsstand 21. Dezember 2020) aus dem BMAS für ein Gesetz zur Förderung der Betriebsratswahlen und zur Stärkung der Betriebsräte (Betriebsrätestärkungsgesetz). Dazu zählt der Arbeitskreis vorrangig die Förderung und Vereinfachung von Betriebsratswahlen, einschließlich des verstärkten Schutzes von Initiatoren und Wahlbeteiligten, sowie die Erweiterung der Mitbestimmung aus § 87 Abs. 1 BetrVG auf den Themenkomplex „Mobile Arbeit“. (…) Einige wichtige Ansätze dazu finden sich nach Ansicht der beratenden Arbeitsrechtler*innen im Entwurf, andere Punkte fehlen jedoch oder sollten zumindest deutlich weiterentwickelt werden. Dazu gehört aus ihrer Sicht auch die „echte Mitbestimmung“ des Betriebsrats bei Qualifizierungsthemen…“ Pressemitteilung vom 15.1.2021 zur Stellungnahme des Arbeitskreises zum aktuell vorliegenden Referentenentwurf des Betriebsrätestärkungsgesetzes externer Link
    • Betriebsratsgründung soll leichter werden – der IG Metall gehen die Pläne noch nicht weit genug
      „… [Arbeitsminister Hubertus Heil (SPD)] will das vereinfachte Wahlverfahren ausweiten. Außerdem sollen Beschäftigte bereits dann vor Kündigung geschützt sein, wenn sie eine Betriebsratswahl vorbereiten – und nicht erst ab der Einladung zur Wahlversammlung. Bei mobiler Arbeit sollen Betriebsräte ein Mitbestimmungsrecht erhalten. Auch bei Maßnahmen zur Berufsbildung soll die Mitbestimmung gestärkt werden, bei IT-Themen soll das Hinzuziehung von Sachverständigen erleichtert werden. Ob die Vorschläge tatsächlich Gesetz werden, ist offen. In der Union gibt es Widerstand gegen die Pläne. (…) Aus Sicht der IG Metall steht fest: Der Gesetzentwurf geht in die richtige Richtung – aber nicht weit genug. Die Veränderung der Arbeitswelt erfordert eine Runderneuerung der Mitbestimmung. Die letzte grundlegende Modernisierung der Mitbestimmungsrechte gab es im Jahr 1972. Damals war von Digitalisierung, Globalisierung und Transformation der Industrie keine Rede. „Wir werden die Parteien an ihren Vorschlägen für die Mitbestimmung messen,“ sagt Christiane Benner, Zweite Vorsitzende der IG Metall. Die IG Metall hat dazu die „Initiative Mitbestimmung“ ins Leben gerufen. Damit wollen wir die Mitsprache der Beschäftigten im Betrieb stärken und das Thema Mitbestimmung in den Bundestagswahlkampf tragen. (…) Auch die Unternehmensmitbestimmung wollen wir ausbauen. Das heißt: Die Arbeitnehmerseite soll bereits in Unternehmen ab 1000 Beschäftigten die Hälfte der Aufsichtsratsposten besetzen. Bisher gilt das erst bei Unternehmen ab 2000 Beschäftigten. Außerdem soll die Unternehmensmitbestimmung auch für Unternehmen mit ausländischer Rechtsformen gelten. Und Unternehmen sollen Rechtsformen wie die „Europäische Aktiengesellschaft“ (SE) nicht mehr zur Umgehung von Mitbestimmung nutzen können…“ Kommentar der IG Metall vom 15. Januar 2021 externer Link
  • Demokratisierung der Wirtschaft – nur ein Placebo
    „… Jetzt will die SPD die betriebliche Mitbestimmung, geregelt im Betriebsverfassungsgesetz (BetrVG) (ursprünglich von 1952), novellieren. (…) Das heute gültige Betriebsverfassungsgesetz (BetrVG), das für alle Betriebe ab fünf Beschäftigte Anwendung findet, wird mit den vorgesehenen Novellierungen substanziell nicht verbessert. Dies wäre nur der Fall, wenn die von Anfang an nicht im Gesetz verankerte paritätische wirtschaftliche Mitbestimmung endlich eingeführt würde. Betriebsräte und Wirtschaftsausschüsse, die sogar erst in Unternehmen ab 100 Beschäftigte gebildet werden können, haben, wenn es um Investitionen, Beschäftigung, Produktionsverlagerungen, Betriebsverkäufe und -zukäufe sowie Gewinnverteilungen geht, nichts zu sagen. So wie die abhängig Beschäftigten auf ein Arbeitsentgelt reduziert werden und für die Kapitaleigner den Mehrwert produzieren müssen, so werden Betriebsräte/Wirtschaftsausschüsse auf eine Scheinmitbestimmung restringiert. Das Betriebsverfassungsgesetz gewährt den von der Belegschaft demokratisch gewählten Betriebsräten lediglich Mitwirkungs– aber keine Mitbestimmungsrechte. (…) Notwendig und wichtig wäre hier deshalb eine eindeutig im Gesetz festgelegte gleichberechtigte (paritätische) Mitbestimmung in allen wirtschaftlichen Angelegenheiten und insbesondere bei der quantitativen und qualitativen Personalbedarfsplanung, in der übrigens Weiterbildung in der Betriebswirtschaftslehre ein immanenter Bestandteil und eine Selbstverständlichkeit ist. Hier ist realiter von Mitbestimmung im Gesetz aber so gut wie keine Spur. (…) Weiter ist eine Novellierung des Einigungsstellenverfahrens (§ 76 BetrVG) ganz wichtig, indem es heute zu keinem Interessenausgleich zwischen Kapital und Arbeit nach § 111 BetrVG kommen muss. Die Einigungsstelle wird zwar zwischen Kapital und Arbeit paritätisch besetzt. Bei einer Pattsituation entscheidet aber ein „neutraler“ Vorsitzender, auf den sich beide Seiten einigen müssen, durch einen Spruch. (…) Läßt sich am Ende eines Einigungsstellenverfahrens z.B. ein betriebsbedingter Personalabbau nicht verhindern, so wird grundsätzlich ein erzwingbarer Sozialplan, eine Abfindungszahlung, für die Entlassenden nach § 112 BetrVG fällig. Kommt es hier nicht zu einer freiwilligen (konsensualen) Vereinbarung zwischen Kapital und Arbeit, so ist der Sozialplan durch Spruch der Einigungsstelle festzulegen. Dabei ist klar, dass zu einem wirtschaftlichen Nachteilsausgleich, für den Verlust des Arbeitsplatzes, der beste Sozialplan nicht in der Lage ist. Und weil das so ist, kann es wie heute überhaupt nicht sein, dass der Entlassene seine Abfindungszahlung auch noch versteuern muss und der Unternehmer den Sozialplan voll als Personalaufwand steuerrechtlich und damit gewinnsteuersparend geltend machen kann. Diese Asymmetrie ist durch eine Steuerfreistellung von Abfindungszahlungen aufzuheben und dafür die Absetzbarkeit als Betriebsausgabe für den Unternehmer ersatzlos zu streichen. (…) Auch der in der Praxis ständig auftretende Streit über die monetäre Höhe des Sozialplans muss durch eine allgemeinverbindliche Regelung im Gesetz aufgehoben werden. (…) Von alldem dringend Notwendigen, steht nichts in dem geplanten „Betriebsrätestärkungsgesetz“. (…) Politisch gewollt und rechtlich festgeschrieben zählt hier im Ergebnis das Eigentum an Produktionsmitteln mehr als der arbeitende Mensch und das in ihm gebundene Arbeitsvermögen, das er als abhängig Beschäftigter und eigentumsloser an Produktionsmittel zwanghaft an Kapitaleigner verkaufen muss. Hier stört (unterminiert) paritätische Mitbestimmung die einseitig zugestandenen Verfassungsrechte der Kapitaleigentümer (insbesondere durch die Art. 12 und 14 GG). Deshalb gibt es bis heute auch keine echte paritätische wirtschaftliche Mitbestimmung…“ Beitrag von Heinz-J. Bontrup vom 12. Januar 2021 beim OXI-Blog externer Link
  • Kanzleramt stellt sich gegen mehr Mitbestimmung für Betriebsräte beim Thema Homeoffice 
    Ein Entwurf aus dem BMAS will die Rechtsstellung von Betriebsräten beim Thema Homeoffice stärken. Doch ein zusätzliches Mitbestimmungsrecht in Sachen mobiles Arbeiten will die Union nicht: Das Kanzleramt besteht auf Streichung der Regelung. Das Thema Homeoffice und mobiles Arbeiten hat in Zeiten der Pandemie Hochkonjunktur, entzweit die Koalition jedoch bei den Rechtsfragen immer weiter.  Nachdem die Union bereits vor einigen Monaten einen arbeitsrechtlichen Anspruch des Arbeitnehmers auf Homeoffice abgelehnt hatte externer Link und daher jetzt nur noch darüber diskutiert wird, ob die Beschäftigten nicht zumindest das Recht bekommen sollen, über das Thema Homeoffice und mobile Arbeit mit der Arbeitgeberin zu reden externer Link, droht Arbeitsminister Hubertus Heil nun bei diesem Thema die nächste Blockade durch den Koalitionspartner. Wie LTO aus der CDU/CSU- Bundestagsfraktion bestätigt wurde, will das Bundeskanzleramt den jüngsten Entwurf eines Betriebsrätestärkungsgesetzes aus dem BMAS noch gehörig zurechtstutzen. Heil hatte den Entwurf kurz vor Weihnachten in die Ressortabstimmung und Verbändeanhörung gegeben. Er sieht u.a. – wie teilweise auch schon im Koalitionsvertrag vereinbart – Erleichterungen und mehr Rechtssicherheit bei Betriebsratswahlen, eine weitergehende Mitwirkung der Betriebsräte bei Qualifikationsmaßnahmen für Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer, aber eben auch mehr Rechte für den Betriebsrat bei der Ausgestaltung von mobiler Arbeit vor.  Hierzu soll, wie schon in einem Gesetzentwurf aus dem BMAS vom Oktober vorgesehen, § 87 Abs. 1 Betriebsverfassungsgesetz (BetrVG), der die Mitbestimmungsrechte des Betriebsrates auflistet, um eine zusätzliche Ziffer 14 „Ausgestaltung von mobiler Arbeit“ ergänzt werden. Damit soll laut Ministerium mobile Arbeit zum einen stärker gefördert, zum anderen aber auch damit verbundene Gefahren, wie etwa einer drohenden Entgrenzung von Arbeits- und Privatleben, zum Schutz der Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer besser begegnet werden. In der Begründung des Entwurfs heißt es: „Die Rechte der Betriebsräte im Hinblick auf mobile Arbeit werden zu einem Mitbestimmungsrecht bei der Ausgestaltung von regelmäßiger wie auch anlassbezogener mobiler Arbeit ausgebaut. Eine Vereinbarung der mobilen Arbeit auf betrieblicher Ebene ist im Interesse der Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer, weil diese einheitlich verbindliche und auf den Betrieb zugeschnittene Regeln zu mobiler Arbeit schafft und zugleich dazu beiträgt, die mit mobiler Arbeit verbundenen Gefahren zu reduzieren. Dazu gehört insbesondere die Entgrenzung von Arbeits- und Privatleben.“ Doch dass die gewählten Betriebsräte künftig bei möglichen individuellen Homeoffice-Belangen ein Wörtchen mitreden sollen, geht der Union, die traditionell eher die Interessen von Arbeitgebern vertritt, deutlich zu weit. „Die Erleichterungen zur Betriebsratswahl sind Bestandteil des Koalitionsvertrages und werden von der Union begrüßt. Ein erweitertes Mitbestimmungsrecht bei Homeoffice steht nicht im Koalitionsvertrag. Deshalb besteht schon das Kanzleramt auf einer Streichung dieses Passus“, bestätigt Peter Weiß MdB, arbeitsmarktpolitischer Sprecher der CDU/CSU-Fraktion im Bundestag. Dass sich am Ende bei dieser Frage eher Angela Merkel durchsetzen wird, gilt als ausgemacht – und damit dann auch der nächste Tiefschlag beim Thema Homeoffice für Arbeitsminister Heil und die SPD…“ Artikel von Hasso Suliak vom 07.01.2021 bei lto.de externer Link

  • Mitbestimmung: Kampf um besseren Schutz für Betriebsräte
    “Die Zahl der Betriebsräte in deutschen Firmen sinkt – möglicherweise auch, weil Arbeitgeber versuchen, betriebliche Mitbestimmung zu verhindern. Laut einer Studie ist zuletzt jede sechste Betriebsrats-Neugründung behindert worden. Die Bundesregierung will das Problem nun angehen – mit einem neuen Gesetz. (…) Starbucks ist bei weitem nicht das einzige Unternehmen, dem Arbeitnehmervertreterinnen und -vertreter vorwerfen, mit unlauteren Mitteln den Betriebsrat von seiner Arbeit abzuhalten. Auch bei Möbelhäusern, Automobilzulieferern, einer vor kurzem gegründeten Online-Bank und einer Friseurkette beschweren sich die Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer. Das Problem ist der Politik bekannt. (…) Dabei beruft sich das Bundesarbeitsministerium auf eine Studie von Martin Behrens vom Wirtschafts- und Sozialwissenschaftlichen Institut der gewerkschaftsnahen Hans-Böckler-Stiftung. Behrens hat für seine Untersuchung lokale Gewerkschaftsfunktionärinnen und –funktionäre von IG Metall, IG Bergbau Chemie Energie und der Gewerkschaft Nahrung-Genuss-Gaststätten befragt. Die Gewerkschafterinnen und Gewerkschafter berichteten von 185 Betrieben, in denen die Geschäftsführung versucht habe, eine Betriebsratswahl zu be- oder verhindern. Das ist zwar nur ein kleiner Teil aller Unternehmen, in denen Betriebsräte gewählt werden. Guckt man sich diese Fälle genauer an, sieht man jedoch: Dort, wo es versucht wird, scheitert mehr als jede vierte Wahl eines Betriebsrats. (…) „Immer dann, wenn der Betriebsrat in die Nähe der Gewerkschaft rückt, wird es oft ein bisschen unangenehmer, weil dann wieder so platitüdenhaft Interessen vertreten werden, die so ein bisschen an, sagen wir mal, den Flächentarif und an die Klassenkampf-Ideen der IG Metall anknüpfen, nun hat sich die IG Metall auch verändert. Aber auf der anderen Seite müssen die natürlich auch versuchen, über ihre Mittel dann auch die Mitglieder für sich zu gewinnen. Dann wird es ungemütlich, und dann muss ich ganz ehrlich sagen, denkt man auch schon mal ‚Mann, ohne wäre es einfacher‘“, sagt Johannes Huxol. Er ist Geschäftsführer von Trilux, einem mittelständischen Leuchtenhersteller aus dem nordrhein-westfälischen Arnsberg. (…) Dass ein Unternehmen mit Betriebsrat besser durch die Krise kommt als eines ohne, wie das der Deutsche Gewerkschaftsbund behauptet, sehen die Arbeitgeberverbände naturgemäß anders. Die BDA verweist darauf, dass es auch Alternativen zum Betriebsrat gäbe: runde Tische zum Beispiel, oder Mitarbeiterinnenausschüsse und Belegschaftssprecher. (…) Dass manche Geschäftsführungen kein Interesse daran hätten, ihrer Belegschaft Mitbestimmungsrechte einzuräumen, sei jedoch kein Phänomen, das mit dem Coronavirus aufgetaucht sei, sagt DGB-Vorsitzender Reiner Hoffmann: „In vielen Unternehmen müssen wir seit Jahren allerdings feststellen, dass sie sich einen regelrechten Volkssport daraus gemacht haben. Entweder dort, wo Betriebsräte existieren, Betriebsratsarbeit zu behindern oder dort, wo Gewerkschaften und die Beschäftigten in den Unternehmen versuchen, Betriebsräte zu gründen, dass Arbeitgeber mit Hilfe einer ganzen Anwaltsindustrie versuchen, ihre Unternehmen zu betriebsratsfreie Zonen zu erklären. Das ist regelrechter Gesetzesbruch.“ (…) Arbeitsminister Heils Referentenentwurf für das Betriebsrätestärkungsgesetz verweist auf Zahlen des Instituts für Arbeitsmarkt- und Berufsforschung für Firmen, die mindestens fünf Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter haben und damit groß genug für einen Betriebsrat sind. Demnach haben nur noch neun Prozent dieser Unternehmen im Westen und zehn Prozent der Firmen im Osten einen Betriebsrat. Die Zahl der Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer, die von einem Betriebsrat vertreten werden, ist in den vergangenen 25 Jahren stetig gesunken…“ Beitrag von Laura Eßlinger und Timo Stukenberg vom 08.01.2021 beim Deutschlandfunk externer Link
  • Gebrochene Regel. Bundesarbeitsminister Heil legt Gesetzentwurf zu Reform betrieblicher Mitbestimmung vor. Initiative steht im Zeichen des Vorwahlkampfs. Kritik von Gewerkschaften 
    „… Seit Mitte vergangener Woche kursiert nun ein sogenannter Referentenentwurf des Bundesministeriums für Arbeit und Soziales (BMAS). Der Titel: »Gesetz zur Förderung der Betriebsratswahlen und zur Stärkung der Betriebsräte«, kurz: Betriebsrätestärkungsgesetz. Den 29 Seiten, die jW vorliegen, wurde zweierlei vorangestellt: Betriebsräte (BR) übernehmen wichtige Aufgaben im Unternehmen, und die im Betriebsverfassungsgesetz (BetrVG) geregelte betriebliche Mitbestimmung – Vorsicht: Referentendeutsch – »sieht sich Herausforderungen ausgesetzt«. Dabei ist der erste Paragraph des 1952 in Kraft getretenen BetrVG klar formuliert; keine Kann-, sondern eine Sollbestimmung: »In Betrieben mit mindestens fünf ständigen wahlberechtigten Arbeitnehmern, von denen drei wählbar sind, werden Betriebsräte gewählt.« Soweit die papierne Vorschrift des Regelfalls. (…) Rund 41 Prozent der Beschäftigten im Westen sowie 36 Prozent im Osten werden von einem BR vertreten. Beleg zwei: Gemobbt, zuweilen gekündigt werden Beschäftigte, die an ihrem Arbeitsplatz ein solches Gremium gründen wollen. Die Ministerialbürokratie Heils hat registriert, »dass in manchen Betrieben Arbeitgeber mit zum Teil drastischen Mitteln die Gründung von Betriebsräten verhindern«. Deshalb werde »der Kündigungsschutz zur Sicherung der Wahlen zum Betriebsrat verbessert«. Des weiteren sollen die Regularien für das Wahlverfahren vereinfacht werden. (…) Vize-Vorsitzende der IG Metall (IGM), Christiane Benner, teilte gleichentags über den Kurznachrichtendienst Twitter mit: »Digitalisierung, Globalisierung und Transformation erfordern eine Runderneuerung der Mitbestimmung.« Der vorgestellte Referentenentwurf sei auf Basis des geltenden Koalitionsvertrags formuliert worden. »Eine notwendige, umfassende Reform muss aber weit darüber hinausgehen«, so Benner. Deshalb werde die IGM im Vorfeld der Bundestagswahl 2021 ihre »Initiative Mitbestimmung« starten. Und es zeigt sich: Union Busting ist kein Einzelphänomen. »In 30 Prozent der Betriebsratswahlen in unseren Branchen gab es Behinderungen. Die Staatsanwaltschaften stellen bei Klagen die Verfahren schnell ein. Das geht so nicht«, kritisierte IG-BCE-Vorstandsmitglied Karin Erhard am 21. Dezember via Twitter. Unter anderem deshalb fordern Gewerkschafter ein Verbandsklagerecht und Schwerpunktstaatsanwaltschaften. Letztere, um Verstöße gegen das Betriebsverfassungsgesetz zu ahnden…“ Artikel von Oliver Rast in der jungen Welt vom 28.12.2020 externer Link
  • Schafft er das vor dem „Nichts geht mehr“? Der Bundesarbeitsminister will Betriebsräte mit einem Stärkungsgesetz unter die Arme greifen
    „… Der Schlüsselsatz lautet: „Wir wollen die Gründung und Wahl von Betriebsräten erleichtern.“ Und genau diesen im Koalitionsvertrag von 2018 niedergeschriebenen Anspruch der GroKo versucht Heil jetzt gesetzgeberisch mit Leben zu füllen. Gleichsam als in Aussicht gestellte weihnachtliche Bescherung (mit Lieferdatum wenn, dann im kommenden Jahr) wurde kurz vor dem Fest 2020 ein Referentenentwurf für ein „Betriebsrätestärkungsgesetz“ bekannt (…) Wie man der Zeitreihe entnehmen kann, lag der Anteil der Betriebe, in denen es einen Betriebsrat gab bzw. gibt, immer schon konstant um die 10-Prozent-Marke. Abgenommen hat in Westdeutschland hingegen die Zahl der Beschäftigten, die in Betrieben mit einem Betriebsrat arbeiten – von über 50 Prozent noch Mitte der 1990er Jahre auf nur noch knapp über 40 Prozent im vergangenen Jahr. Auch in Ostdeutschland gab es seit 1996 eine Abnahme der von einem Betriebsrat erfassten Beschäftigten, allerdings in den beiden letzten Jahren hat sich der Anteil der Beschäftigten in Betrieben mit einem Betriebsrat wieder erhöht. (…) Die insgesamt niedrigen Anteilswerte bei den Betrieben, die einen Betriebsrat haben, werden von der großen Zahl der Kleinbetriebe geprägt, in denen die Existenz eines Betriebsrats eher die Ausnahme ist. Die Betriebsgröße ist von Relevanz und schon vor Jahren wollte man das erreichen, was man nun erneut erreichen möchte (…) Dass sich in den vergangenen Jahren hinsichtlich der quantitativen Größenordnung kaum etwas getan hat, kann man den hier präsentierten Daten entnehmen. Und aus der betrieblichen Praxis kommen immer wieder Berichte, die auf massive Störmanöver seitens einiger Arbeitgeber gegen eine Betriebsratsgründung hinweisen – wobei darauf hinzuweisen ist, dass gerade die nur als enttäuschend zu wertende Nicht-Verbreitung von Betriebsräten in den Kleinbetrieben auch eine mehr oder weniger bewusste Entscheidung der betroffenen Arbeitnehmer sein kann, die – aus welchen Gründen auch immer – keine Notwendigkeit für so ein an sich bedeutsames Gremium der innerbetrieblichen Interessenvertretung sehen. Nicht immer sind es böse Arbeitgeber, die mit legalen, halblegalen oder auch illegalen Methoden versuchen, die Gründung eines Betriebsrates zu verhindern. (…) Auf der anderen Seite muss man aber auch darauf hinweisen, dass die Dichotomie zwischen „bösen Arbeitgebern“ und „guten Betriebsräten“ eine ziemlich unterkomplexe und so auch falsche Zuspitzung darstellt. Es gibt nicht nur sogenannte „gelbe Gewerkschaften“ (vgl. dazu beispielsweise den Beitrag Reale Tarifflucht im Einzelhandel, der Protest dagegen sowie ein Blick auf „unkonventionelle“ Arbeitgeberverbände und „gelbe“ Gewerkschaften externer Link vom 16. Juli 2018), sondern auch Betriebsräte, die teilweise von der Arbeitgeberseite gefördert oder sogar ins Amt gehoben werden, um den Unternehmensinteressen dienlich zu sein. (…) Man kann auf der einen Seite deutlich die Absicht erkennen, den kündigungsschutzrechtlichen Schutzschirm nicht nur quantitativ zu erweitern, sondern diesen auch schon im Vorfeldbereich einer Betriebsratsgründung wirken zu lassen. Damit versucht der Gesetzgeber, auf den immer wieder berichteten Tatbestand von Einschüchterungsversuchen am Anfang des Gründungsprozesses zu reagieren. Insofern ist das sinnvoll und nachvollziehbar…“ Beitrag vom 28. Dezember 2020 von und bei Stefan Sell externer Link – darin auch die Änderungsvorschläge der Grünen und der Linksfraktion
  • BMAS legt Entwurf eines Betriebsrätestärkungsgesetzes vor – Der Wahlkampf hat begonnen!
    Die Weihnachtszeit ist die Zeit der Wohltaten. Dies hat sich offensichtlich auch Bundesarbeitsminister Heil gedacht und drei Tage vor Heiligabend überraschend den Referentenentwurf eines Gesetzes zur Förderung der Betriebsratswahlen und zur Stärkung der Betriebsräte (Betriebsrätestärkungsgesetz) vorgelegt. (…) Eine erste Bewertung: Der erste Eindruck von dem nunmehr veröffentlichten Referentenentwurf ist zwiespältig. So sind einzelne Regelungen dem Grunde nach durchaus zu begrüßen und bedeuten für die Betriebsparteien Rechtssicherheit. Dies gilt insbesondere für die klarstellenden Regelungen hinsichtlich der Rechte des Betriebsrats beim (geplanten) Einsatz von KI und der grundsätzlichen Möglichkeit, Sitzungen mittels Video- und Telefonkonferenz durchzuführen sowie Betriebsvereinbarungen unter Nutzung einer qualifizierten elektronischen Signatur abschließen zu können. Andere Regelungen des Entwurfs schießen demgegenüber – zum Teil deutlich – über das Ziel hinaus. So mag eine Ausweitung des vereinfachten Wahlverfahrens und des besonderen Kündigungsschutzes durchaus geeignet sein, Betriebsratswahlen zu erleichtern und die Verhinderung durch den Arbeitgeber zu vermeiden. Sofern ein Arbeitgeber tatsächlich Betriebsratswahlen verhindern möchte, wird sich aber auch durch die geplanten Neuregelungen wenig ändern. Schließlich stellt die Behinderung einer Betriebsratswahl schon jetzt sogar eine Straftat dar (vgl. § 119 Abs. 1 Nr. 1 BetrVG), ohne dass sich entsprechende Fälle vollständig vermeiden ließen. Und ob die vermeintliche Komplexität des „normalen“ Wahlverfahrens und die vereinzelte Verhinderung von Betriebsratswahlen durch Arbeitgeber Grund für die verhältnismäßig geringe Zahl von Betriebsräten ist, darf bezweifelt werden. Stattdessen werden Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer bei einer Realisierung der geplanten gesetzlichen Regelungen mitunter vermehrt versuchen, Betriebsratswahlen einzig und allein mit dem Ziel einzuleiten, in den Genuss des besonderen Kündigungsschutzes zu kommen. Dieses Phänomen lässt sich schon jetzt – insbesondere bei anstehenden Restrukturierungen – vielfach beobachten…“ Artikel von Thomas Niklas vom 23.12.2020 im ArbRB-Blog externer Link mit guter Darstellung der Pläne:

    • „… Im Wesentlichen enthält der Referentenentwurf des Betriebsrätestärkungsgesetzes folgende Regelungen:
      • Das vereinfachte Wahlverfahren wird sowohl für die Wahl des Betriebsrats als auch für die Wahl der Jugend- und Auszubildendenvertretung ausgeweitet.
      • Der besondere Kündigungsschutz für die Initiatoren einer Betriebsratswahl wird ausgeweitet.
      • Die Altersgrenze für Auszubildende bei der Wahl der Jugend- und Auszubildendenvertretung wird gestrichen.
      • Das allgemeine Initiativrecht der Betriebsräte bei der Berufsbildung wird ausgeweitet und die Einschaltung der Einigungsstelle zur Vermittlung ermöglicht.
      • Im Hinblick auf die Einbindung des Betriebsrats beim Einsatz von KI und von Informations- und Kommunikationstechnik im Betrieb wird
        • festgelegt, dass die Hinzuziehung eines Sachverständigen für Informations- und Kommunikationstechnik für den Betriebsrat als erforderlich gilt,
        • klargestellt, dass die Rechte des Betriebsrats bei der Planung von Arbeitsverfahren und -abläufen auch dann gelten, wenn der Einsatz von KI im Betrieb vorgesehen ist,
        • sichergestellt, dass die Rechte des Betriebsrats bei der Festlegung von Auswahlrichtlinien zur Personalauswahl auch dann Anwendung finden, wenn diese Richtlinien ausschließlich oder mit Unterstützung einer KI erstellt werden.
      • Betriebsräte erhalten die Möglichkeit, unter ausschließlich selbst gesetzten Rahmenbedingungen und unter Wahrung des Vorrangs der Präsenzsitzung, Sitzungen mittels Video- und Telefonkonferenz durchzuführen.
      • Es wird klargestellt, dass Betriebsvereinbarungen unter Nutzung einer qualifizierten elektronischen Signatur abgeschlossen werden können.
      • Bei der Verarbeitung personenbezogener Daten durch den Betriebsrat ist der Arbeitgeber der für die Verarbeitung Verantwortliche im Sinne der datenschutzrechtlichen Vorschriften, soweit die Verarbeitung durch den Betriebsrat zur Erfüllung der in seiner Zuständigkeit liegenden Aufgaben erfolgt.
      • In § 87 Abs. 1 Nr. 14 BetrVG wird ein neues Mitbestimmungsrecht bei der Ausgestaltung mobiler Arbeit eingeführt…“
  • [ver.di] Betriebsrätestärkungsgesetz: Mitbestimmung wird entscheidend verbessert – Vorlage nicht abschwächen
    Die Vereinte Dienstleistungsgewerkschaft (ver.di) begrüßt den Entwurf für das Betriebsrätestärkungsgesetz und warnt vor einer Abschwächung der geplanten Regelungen: „Der Entwurf enthält zumindest einige wichtige Schritte zur Verbesserung der Mitbestimmung – wenn er tatsächlich die Arbeit von Betriebsräten stärken soll, darf er allerdings im jetzt beginnenden Gesetzgebungsverfahren nicht verwässert werden“, sagte der ver.di-Vorsitzende Frank Werneke. Am heutigen Dienstag geht der Gesetzentwurf in die Ressortabstimmung und wird den Verbänden zur Stellungnahme vorgelegt. Besonders wichtig sei der erweiterte Schutz bei der Einleitung von Betriebsratswahlen. „Wir erleben immer wieder, wie Arbeitgeber Druck auf Beschäftigte und Wahlvorstände ausüben, sie bedrohen oder gar kündigen, wenn sie von ihrem gesetzlich verbrieften Recht auf Gründung eines Betriebsrats Gebrauch machen wollen. Diesem illegitimen und antidemokratischen Treiben muss endlich ein Riegel vorgeschoben werden“, betonte Werneke.Wichtig sei auch die im Entwurf angekündigte Stärkung der Betriebsräte bei der Ausgestaltung mobiler Arbeit. „Wir brauchen beim mobilen Arbeiten ein starkes Mitbestimmungsrecht der Betriebs- und Personalräte, die sicherstellen, dass die Beschäftigten vor willkürlichen Maßnahmen des Arbeitgebers geschützt werden“, sagte Werneke weiter.Pressemitteilung vom 22.12.2020 externer Link
  • Referentenentwurf des Bundesministeriums für Arbeit und Soziales Entwurf eines Gesetzes zur Förderung der Betriebsratswahlen und zur Stärkung der Betriebsräte (Betriebsrätestärkungsgesetz) externer Link (Bearbeitungsstand: 21.12.2020)
  • Wir erinnern an: Betriebsräte stärken, kriminelle Unternehmer*innen bekämpfen!
    Forderungen und Vorschläge der aktion ./. arbeitsunrecht zur Reform der betrieblichen Mitbestimmung vom 5. Juli 2019 von und bei Arbeitsunrecht externer Link: „… Um Union Busting einzudämmen, müssen Gewerkschaften, Initiativen aus der Zivilgesellschaft und Parteien gemeinsam jene Arbeitsrechte verteidigen, die die Arbeiterbewegung seit ihren Anfangsjahren hart erkämpft hat. Bestehende Gesetze müssen an die veränderten Verhältnisse angepasst werden – hier vor allem Umgehungsstrategien und die Anstiftung zu Rechtsbeugung durch Kanzleien, Agenturen und Berater. Eine Demokratisierung der Wirtschaft und ihrer Arbeitsbeziehungen, ein Schutz von engagierten Beschäftigten, Betriebsräten und Gewerkschaftern gehört auf die Tagesordnung.Daher fordern wir, folgende Punkte als machbare und realistische Sofortmaßnahmen umzusetzen: 1. Verpflichtendes Melderegister für BR-Wahlen (…)2. Schwerpunktstaatsanwaltschaft Arbeitsbeziehungen und Arbeitsrechte (…) 3. Meldepflicht von Staatsanwaltschaften zu Strafanzeigen nach §119 BetrVG (…) 4. Reform des Betriebsverfassungsgesetzes (BetrVG): 4.1. §1 Verpflichtende Wahlen; 4.2. Kündigungsschutz für Betriebsratsmitglieder schärfen; 4.3 §119 BetrVG | Betriebratsbehinderung als Offizialdelikt…“
Kurzlink: https://www.labournet.de/?p=184026
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