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[Spendenkampagne „Lila Solidarität“] LabourNet Germany und das re:volt magazine rufen zu Spenden für die Basisaktivistinnen von Mor Dayanısma in der Türkei auf

Dossier

Logo von Mor DayanışmaErst zum zweiten Mal in der über 20jährigen Geschichte des LabourNet Germany rufen wir hiermit unsere Leserinnen und Leser zu über unser Vereinskonto vermittelten Spenden für eine Initiative in einem anderen Land auf: Für Mor Dayanışma, feministisch-gewerkschaftliches Netzwerk in der Türkei. Wir tun dies unter dem Stichwort „Lila Solidarität“ gemeinsam mit dem re:volt magazine externer Link und weiteren Unterstützerinnen – und mit sehr guten Gründen. Mor Dayanışma hat unter vielen anderen Aktionen auch den langen Kampf der Arbeiterinnen von Flormar (Yves Rocher) unterstützt, über den auch LabourNet Germany mehrfach berichtete. Das selbstorganisierte und bewusst selbst finanzierte Frauenprojekt ist durch die Corona-Epidemie in der Türkei – und die dadurch entstandenen Einkommensverluste gerade für Arbeiterinnen – in einen überlebensbedrohenden finanziellen Engpass geraten, den wir mit dem Spendenaufruf helfen wollen, zu überwinden: Um die Fortdauer einer Arbeit in vielen Orten der Türkei weiterhin zu sichern, die in dieser (vielfältigen) Form sicher einzigartig ist und vor allem: Wichtig und erfolgreich. Siehe dazu den konkreten 1. Spendenaufruf mit allen nötigen Angaben und weitere Informationen über die Arbeit von Mor Dayanışma und nun einen erneuten, 2. Spendenaufruf für Erdbebenhilfe (bereits über 3 Tausend Euro überwiesen!) und Berichte:

  • [Mor Dayanışma und internationale Erdbebenhilfe] İpek Yüksek vernetzt Solidarität für die Türkei New
    „»Ich bleibe erst einmal in Istanbul, wir sammeln hier Hilfsgüter. Am Dienstag fahre ich nach Antakya«, schreibt İpek Yüksek mir in der zweiten Woche nach den starken Erdbeben in der Türkei und Syrien. İpek stammt aus der Region Samandağ, einer Stadt an der Küste der Provinz Hatay im Südosten der Türkei. Vor drei Jahren zog sie nach Graz in Österreich, wo sie eine Ausbildung zur Journalistin macht. »Als ich von dem Erdbeben in meiner Heimatstadt erfuhr, versuchte ich meine Familienmitglieder und Freundinnen zu erreichen. Doch von vielen erhielt ich keine Antwort. Da ahnte ich, wie schlimm es Samandağ getroffen haben muss«, erinnert sich İpek. Die 25-Jährige hatte für ihr erstes Studium Hatay verlassen und war nach Ankara gezogen. Dort fand sie schnell Anschluss an die feministische Organisation Mor Dayanışma – Lila Solidarität – und deren Studentinnengruppe, die Campushexen. Der Umzug nach Österreich war für İpek keine Unterbrechung ihrer politischen Aktivität. In der migrantischen Selbstorganisation Patika kämpft sie mit Aktivist*innen aus der Türkei und anderen Ländern gegen Rassismus in Österreich, gegen Femizide und für eine soziale Stadtpolitik. Im Nachbarland Schweiz finden Aktivist*innen von Mor Dayanışma Zuflucht, die aufgrund ihrer politischen Aktivitäten die Türkei verlassen müssen. »Noch Tage nach den Beben wusste ich nicht, wo meine Freundinnen waren. Ich konnte nichts tun, um ihnen zu helfen«, erzählt İpek wütend und traurig zugleich. »Dann fasste ich den Entschluss, selbst nach Samandağ zu fahren. Ich wusste, dass es vor Ort keine Infrastruktur mehr gibt und die Anreise nicht leicht sein würde. Doch ich vertraute auf meine Genoss*innen vor Ort.« Kurzerhand richtet İpek ein Spendenkonto ein. Das Geld wird genutzt, um in Istanbul Hilfsgüter zu besorgen, die per Lastwagen nach Antakya gebracht werden. (…) Was als improvisierte Hilfsstruktur begann, wurde schnell zu einem Ort der Solidarität und der demokratischen Selbstorganisierung. »Obwohl es hier immer wieder Nachbeben gibt und nach wie vor jegliche staatliche Unterstützung fehlt, verlassen viele Menschen ihre Heimat nicht. Sie wollen unsere Region wieder aufbauen.« Für İpek ist auch das praktische feministische Solidarität. Sie selbst unterstützt den Wiederaufbau aus der Ferne.“ Artikel von Svenja Huck vom 3. März 2023 in Neues Deutschland online externer Link
  • Im Frauenzelt: »Te Büsik İydik Ya Hayti« – Bericht über die Arbeit von Mor Dayanışma in der vom Erdbeben zerstörten Region Hatay – den Spenden sei Dank 
    Lebenswichtige Frauensolidarität: Wie die feministische Organisation Mor Dayanışma in der vom Erdbeben zerstörten Region Hatay kollektive Solidaritätsstrukturen für alle aufbaut. Ein Bericht von İrem Kayıkçı vor Ort.
    Im Frauenzelt: »Te Büsik İydik Ya Hayti«
    »Te Büsik İydik Ya Hayti« ist arabisch für »Lass mich deine Hand küssen, Schwester.« Es war der elfte Tag nach dem Erdbeben in Samandağ in der Provinz Hatay (Türkei), als eine ältere Frauen diesen Satz zu mir sagte. Mangels Fahrzeugen war sie zu Fuß aus einem abgelegenen Viertel gekommen, um Lebensmittel zu holen. In ihrer Hand hielt sie nur eine Plastiktüte. Ich küsste sie auf den Kopf. Unsere Tränen vermischten sich, als unsere Hände sich berührten. Was auch immer wir tun, wie sehr wir uns auch bemühen, es wird nicht ausreichen, es wird das Verlorene nie wieder zurückbringen – das wissen wir. Und dennoch: Unsere Bemühungen wachsen und werden immer stärker, indem wir die Hände der hayti – der Schwestern – halten, welchen den Frauen der überwiegend arabisch-alevitischen Bevölkerung von Samandağ zur Seite stehen. Im Namen derjenigen von uns, die am ersten Tag des Erdbebens vom 6. Februar 2023 in Samandağ ankamen und die Solidaritätsstruktur sowie die Zelte für die Frauen aufbauten, möchte ich euch von unseren Aktivitäten berichten. Davon, wie wir unsere Schwestern hier erreicht haben, um ihnen zu sagen: „Wir sind hier, wir sind zusammen und wir gehen nicht weg“. (…) In Istanbul wurde nach dem Solidaritätsaufruf von Mor Dayanışma (Lila Solidarität) am Montag unser erster Lastwagen innerhalb weniger Stunden gefüllt. Zusammen mit zwei Transportern voller Lebensmittel machten wir uns auf den Weg, um zunächst Antakya und anschließend Samandağ zu erreichen. Nach dem wir den Belen-Pass bei İskenderun überquert hatten, blickten wir auf die Stadt Antakya: Sie war in völlige Dunkelheit gehüllt, in Erwartung eines Geräusches, in Erwartung von Hilfe. Als wir in die Stadt kamen, hörten wir keine Frauen- oder Kinderstimmen. Die Straßen und Gassen waren voller Männer, die ebenfalls auf Hilfe warteten. Und ich hatte das Gefühl, dass der anfänglich stumme Schmerz und die Revolte der Frauen genau an dort ihren Anfang nahmen. Bestätigt wurde dies durch die Worte, die wir auf der Straße hörten: „Die Frauen sind bei den Trümmern mit den Kindern, den Kranken und den Alten“. (…) In den ersten drei Tagen besuchten wir zahlreiche Stadtteile von Samandağ, darunter Atatürk, Çiğdede, Cumhuriyet, Yeni, Kurt Deresi, Deniz, Çevlik, Zeytuni, Sutaşı, Kuşalanı, Çöyürlü, Tekebaşı, Değirmenbaşı, Uzunbağ, Fidanlı und Yaylıca. Dorthin brachten wir die solidarisch gesammelten Lebensmittel, Decken und Hygieneartikel, während täglich mindestens 700-1000 Frauen aus diesen Vierteln unseren Treffpunkt aufsuchten. Obwohl Hıdırbey, Yoğunoluk, Karaköse und Sinanlı sehr abgelegene Orte sind, kamen Frauen auch aus diesen Gebieten zu unserem Solidaritätort, der sich an der Durchgangsstraße befindet. Die Nachricht sprach sich schnell herum, wurde von Frau zu Frau weitergegeben. Es gab zwar kein Internet und keinen Handyempfang, doch als das Geflüster stärker wurde wuchs auch unsere Frauensolidaritätsgruppe. (…) Die Anlaufstelle der Frauensolidarität, die wir ab dem 10. Februar im Yeni-Park im Atatürk-Viertel aufgebaut haben, war anfangs nur ein kleines Zelt. Direkt gegenüber brachten wir die Frauen und Kinder aus dem Viertel in vier Schlafzelten unter, die wir auf einer größeren, ebenen Fläche aufgebaut hatten. Wir sitzen mit ihnen jeden Abend zusammen, sprechen über ihre Bedürfnisse und sorgen gemeinsam mit den Mitgliedern und Freiwilligen von Mor Dayanışma für ihre Sicherheit. Und dieser Raum, dieses Solidaritätsnetzwerk wuchs, mit jeder Frau, die zu uns kam und sagte: „Ich möchte auch helfen“. (…) Durch die anhaltenden Aufrufe zur Solidarität, die unsere Mitglieder und Freiwilligen seit dem ersten Tag in zahlreichen Städten (vor allem in Istanbul, Izmir, Ankara, Adana, Mersin, Antalya, Muğla und Denizli) verbreiteten, konnten wir bis zum Ende des elften Tages hunderten Frauen ein Minimum an Hilfsgütern bereitstellen. Haben wir dabei nur frauenspezifische Hilfsgüter und Unterstützung von den Nichtregierungsorganisationen, Gemeinden, Verbänden oder Kommunen erhalten, die sich an uns wandten? Nein. Jeder Lastwagen, jede Verteilaktion und jedes Viertel, in dem wir als Feministinnen tätig sind, hat gesehen, dass wir uns um alle kümmern. Die Frauen handelten solidarisch und wurden zu Koordinatorinnen der Aktionen. Wohin gingen die Lastwagen und die Lebensmittel, die von den Feministinnen und solidarischen Unterstützer*innen aus dem In- und Ausland geschickt wurden? Sie gingen an unsere Schwestern in den Vierteln, die wir mit Autos und Motorrädern erreichten, an die Frauensolidaritäts-Strukturen, wo sie verteilt und persönlich abgeholt wurden, an LGBTQ+, an unser mobiles Team von Kindertheatern mit freiwilligen Psycholog*innen, Schauspieler*innen und Kindererzieher*innen. (…)
    Vom Frauenzelt zu frauenfreundlichen Städten
    Es sind die Umstände des brutalen jahrhundertealten patriarchalen Kapitalismus und der Menschenfeindlichkeit, die nochmals besonders laut und deutlich in den letzten zehn Tagen von den regierenden Parteien AKP und MHP, sowie allen faschistischen Strukturen und Organisationen, gezeigt wurden. Diese männerdominierte, profitorientierte, diebische, schamlose Ordnung muss gestürzt werden. Trifft das auch für die lokalen Verwaltungen zu? Dann müssen auch dort die politischen Verantwortlichen abgesetzt werden! Sind die Bauunternehmen auch so? Dann müssen sie beseitigt werden! Ist die Regierung so? Dann muss sie gestürzt werden! Denn: Das Sicherheitsgefühl der Frauen entstand nicht durch ein Stück Papier, das vom Staat beschrieben wurde. Es entstand durch ein Frauenzelt, auch wenn dessen Wände nicht dicker als Papier waren. Die Kraft, die Nachbarschaft, den Ort und die Grünflächen für sich zu beanspruchen, kam von den Frauen, die sagen: „Gebt uns Container und Zelte, wir bleiben hier“…“ Umfangreicher und unbedingt lesenswerter Bericht von İrem Kayıkçı am 22. Februar 2023 im re:volt magazine externer Link, siehe auch:

    • Feministinnen rufen zur Solidarität für Hatay auf
      Feministinnen, die einen Lila Truck nach Adıyaman geschickt haben, sammeln nun Hilfsgüter für Hatay. In dem Aufruf der Feministischen Solidarität für die Katastrophe heißt es: „Lasst uns gemeinsam den Bedarf sammeln, den wir direkt nach Hatay liefern werden, lasst uns unsere feministische Solidarität ausbauen„…“ türkischer Bericht vom 24.2.2023 in Kadın İşçi externer Link
    • Wir haben bereits über 1.100,00 Euro überwiesen und sammeln weiter!
  • [2. Spendenaufruf] Solidaritätskampagne „Lila Solidarität“ für die Arbeit von Mor Dayanışma für die Menschen in den Erdbebengebieten in der Türkei
    Solidaritätskampagne „Lila Solidarität“ für die Arbeit von Mor Dayanışma für die Menschen in den Erdbebengebieten in der TürkeiViele von euch kennen die jahrelange Arbeit von Mor Dayanışma: Ob in Arbeitskämpfen, in Stadtteilen, politisch, aktivistisch oder als öffentliche Sprecherinnen für Frauen und LGBTIQ-Menschen im Land – sie sind eine wichtige feministische und kritische Kraft in der Türkei. Wir haben ihre Arbeit in den letzten Jahren immer wieder unterstützt.
    Jetzt sind Ortsgruppen von Mor Dayanışma im ganzen Land seit Tagen und auf unabsehbare Zeit damit beschäftigt, ihre gesamten Ressourcen auf die Erdbebengebiete auszurichten. Aktuell werden dort unter anderem Zelte und Behausungen aufgebaut, die dem besonderen Schutz von Frauen* und Kindern dienen. Damit wird die Gemeinschaft der Überlebenden gestärkt, Raum für gemeinsame Trauer und Wut geschaffen und der Zugang zu dringend benötigten Materialien und Lebensmitteln erleichtert. Mitglieder von Mor Dayanışma sind aus vielen unterschiedlichen Provinzen in das Erdbebengebiet gekommen, um zu unterstützen. Um einen Eindruck in ihre Arbeit zu erhalten, schaut auf der Instagram-Seite der Organisation externer Link vorbei.
    Aus Europa, aus Deutschland können wir die unersätzliche Arbeit unserer Freund*innen am besten finanziell unterstützen. Es gibt schon einige Spendenaufrufe für Mor Dayanışma, die über private Hände sicher und schnell direkt vor Ort ankommen. Etwa aus der Schweiz, von der befreundeten “Lila Solidarität”, gibt es einen Aufruf externer Link und auch auf anderen Unterstützungs-Listen ist Mor Dayanışma aufgeführt.
    Bei Internationaler Solidarität gibt es aber kein “zuviel”:  Wir reaktivieren hiermit unsere Spendenkampagne “Lila Solidarität”. Über unsere gemeinsame Kampagne kommt das Geld direkt bei den Genoss*innen vor Ort an, zusätzlich kann auch eine Spendenbescheinigung dafür ausgestellt werden. Jeder Euro zählt.
    Wir kämpfen Seite an Seite gegen die Auswirkungen der mörderischen und menschenverachtenden Politik, die sich angesichts dieser Katastrophe nur noch deutlicher zeigen. Dem türkischen Staat sind die Menschen egal. Dem Regime um Präsident Erdoğan geht es derzeit ausschließlich darum, den politischen Fallout vom totalen Staatsversagen und der jahrelangen neoliberalen Baupolitik zu begrenzen. Das Erdbeben ist zwar ein Naturereignis, aber Staat und Kapital sind für das Ausmaß von Zerstörung und Leid verantwortlich. Solidarität mit allen betroffenen Menschen, Solidarität mit den feministischen Strukturen, die lebenswichtige Arbeit leisten, ist notwendig.
    LabourNet Germanydas re:volt magazine und viele andere Unterstützer*innen rufen zu Spenden für Mor Dayanışma auf:
    Spendenkonto: Labournet e.V.:
    IBAN DE 76430609674033739600
    BIC: GENODEM1GLS
    Verwendungszweck “Lila Solidarität”

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Unterstützung für MorDayanışma

Spendenkampagne für die basisgewerkschaftlich orientierte feministische Organisation „Lila Solidarität“ in der Türkei

(Von Johanna Bröse, re:volt, vom 21. Dezember 2020)

Mor Dayanışma unterstützt 2018/2019 Flormar-Arbeiterinnen in der Türkei

Mor Dayanışma hat 297 Tage lang Flormar-Arbeiterinnen unterstützt (2018/2019). Die Belegschaft des Kosmetikkonzerns besteht überwiegend aus Frauen, die entlassen wurden, weil sie Mitglied einer Gewerkschaft wurden. Das Bild zeigt die Frauen vor den Toren der Fabrik

MorDayanışma ist eine arbeitskämpferische Frauenselbstorganisation, die sich in Vierteln, an den Arbeitsplätzen und in den Häusern mit den Problemlagen von Frauen auseinandersetzt. Die feministische Struktur hat derzeit große finanzielle Schwierigkeiten und läuft damit auch Gefahr, ihre Stadtteiltreffs zu verlieren. Die sind aber ein sehr wichtiger Bezugspunkt für die Frauen*, auch und gerade in Covid-19-Zeiten. Daher ist unsere Solidarität nötig!

Die Organisation lebt von einmaligen oder regelmäßigen Spenden, eine staatliche Unterstützung existiert nicht und ist auch politisch nicht gewollt. In der Türkei trifft die Covid-19-Krise auf eine ganze Reihe weiterer sozialer Antagonismen und verstärkt diese: Das betrifft die schwelende Wirtschaftskrise samt rasanter Inflation sowie die autoritären Konsolidierungsversuche Erdoğans ebenso wie die immer wieder aufflammenden Widerstände im Kontext von Chauvinismus und (sexualisierter) Gewalt gegen Frauen*. Die Arbeitslosenquote von Frauen stieg schon vor der Corona-Pandemie in fünf Jahren um 52 Prozent und erreichte 2019 16,6 Prozent (das bedeutet über 1 755000 Frauen ohne Einkommen durch Lohnarbeit). Knapp drei Millionen Frauen arbeiteten derweil mehr als 45 Stunden pro Woche, 34,4 Prozent dieser Frauen waren informell beschäftigt.

Mor Dayanışma unterstützt Protest von Textilarbeiterinnen in der Türkei

Unterstützung des Protests von Textilarbeiterinnen, die vom Unternehmen VIP im Jahr 2019 entlassen wurden, weil sie ebenfalls Mitglied einer Gewerkschaft geworden sind

Und nun, wie überall auf der Welt, haben die Frauen* in der Türkei auch im Zuge der Corona-Krise die meisten Einkommensverluste und die größte Zunahme von Care-Arbeit zu verbuchen. Für die Arbeiterinnen* in den Fabriken und auch im privaten Sektor, in Geschäften und kleinen Betrieben, gibt es viele Probleme in Bezug auf Mobbing und sexuelle Belästigung. Hinzu kommt der Mangel an notwendigen Hygienemaßnahmen an den Arbeitsplätzen; die fortgesetzte Arbeit in Menschenmengen, lange Arbeitszeiten, ungesicherte Arbeit, zunehmende Nachtschichten, Lohnkürzungen und Gefahr von Kündigungen setzen den Frauen zu. In einem aktuell veröffentlichten Survey der Organisation wurde das Ausmaß der Hoffnungslosigkeit deutlich, die Frauen ohne ein aktuelles Arbeitsverhältnis zwischenzeitlich in Bezug auf ein Auskommen und eine ausreichend bezahlte Lohnarbeit artikulieren: Nur 35 Prozent suchen überhaupt noch nach einer Arbeit. Aufschlussreich sind dabei die Notizen, welche die befragten Frauen im Survey-Abschnitt „Was Sie hinzufügen möchten“ geschrieben haben: „Ich habe keinen Ort, an den ich gehen kann, ich habe keine Beschäftigungsmöglichkeiten“, „Schutzräume sollten vermehrt werden“, „Schutzräume und rechtliche Unterstützung sind für Frauen von entscheidender Bedeutung“ und ähnliches. Die Sätze zeigen die Reaktionen der Frauen über das hoffnungslose Klima im Land und ihre Suche nach Lösungen angesichts multipler Problemlagen, die mit den wirtschaftlichen Schwierigkeiten verflochten sind.

Fahrraddemonstration der Kampagne gegen die Verletzungen von Frauenrechten in der Türkei

In Zeiten der Pandemie wurde die Unterstützung teilweise umorganisiert, um die Frauen in der Pandemie zu erreichen. Die Harekete Geç (Komm‘ in Bewegung) -Kampagne entstand zu einer Zeit, als die Verletzungen von Frauenrechten unglaublich zahlreich waren, und entwickelte sich dann zum Güvende Değiliz (Wir sind nicht sicher) – Prozess. Als Ergebnis dieser Kampagne wurde im September 2020 eine Umfragestudie veröffentlicht, die mit 1497 Frauen aus 76 Provinzen durchgeführt wurde. Das Bild zeigt eine Fahrraddemonstration, um die Kampagne sichtbar zu machen.

 

MorDayanışma arbeitet immer wieder mit Frauenplattformen und Initiativen, wie Barkod-KadınDayanışmaAğı, der Arbeiter*innenorganisation Ekmekve Onur oder Basisinitiativen wie #İşçilerBirlikteGüçlü (Arbeiter*innen sind gemeinsam stark) zusammen, um den Frauen* in ihren ausbeuterischen Arbeitsverhältnissen zur Seite zu stehen und gemeinsam dagegen zu kämpfen. Hierzu unterstützen die Frauen* beispielsweise Streiks der Arbeiterinnen* vor den Fabriktoren oder führen Informationsveranstaltungen zu Arbeitsthemen durch.

Die Treffpunkte von MorDayanışma sind inmitten der Viertel angesiedelt, in denen Menschen in prekären Arbeitsverhältnissen, Armut und schlechter gesundheitlicher Versorgung leben. Die Dynamiken der Krise, das möchten wir nochmals hervorheben, betreffen die Frauen*, die sich bei MorDayanisma treffen, in besonderem Maße – und zwar in allen Bereichen des Lebens. Sie benötigen dringend diese Orte des Austauschs, der Organisierung und der kollektiven Herstellung von Handlungsfähigkeit, die sie sich selbst mit so viel Herzblut und Arbeit aufgebaut haben.

Zur Struktur der Plattform:

Basar von Mor Dayanışma in einer Nachbarschaft beim Verteilen der "Wir sind nicht sicher"-Kampagnenbroschüre in der Türkei

Ein Foto vom Basar in einer Nachbarschaft beim Verteilen der „Wir sind nicht sicher“-Kampagnenbroschüre. Sie erklärt, warum wir nicht sicher sind und was wir gemeinsam tun können: „Zum Beispiel können sich Frauen uns anschließen, um in Frauenversammlungen mitzuarbeiten und zu organisieren oder in verschiedenen Arbeitskommissionen wie Recht, soziale/psychologische Unterstützung, Kunst, Gesundheit und so weiter mitzuarbeiten

MorDayanışma wurde 2014 im Geist der Gezi-Proteste in der Türkei gegründet. Seither gibt es Stadtteil- und Regionalstrukturen der Organisation von Edirne bis Şırnak, von Istanbul bis Hatay. Im Laufe der Zeit entstanden in vielen Städten Zentren und Orte der Zusammenkunft, in denen sich Frauen* weiterbilden, politisch aktiv werden und sich gemeinsam gegen das patriarchale kapitalistische System zur Wehr setzen, welches eine ganz besondere Herrschaft über die Arbeit, Identität und Körper von Frauen* ausübt. Die Frauen* treffen sich für kostenlose Fortbildungen, etwa, was Arbeitsschutz und gesundheitliche Vorsorge angeht; sie können über die Basis-Organisation anwaltliche, gewerkschaftliche oder psychologische Unterstützung finden, oder gemeinsam Schmuck und Handwerkskunst herstellen, welches ihnen ein eigenes oder zusätzliches Auskommen ermöglicht. Aus basisgewerkschaftlicher Perspektive ist zentral, dass durch die Netzwerke der Frauen* untereinander die Möglichkeit von Arbeitskämpfen diskutiert und kollektiv nach Lösungen gesucht werden. Dadurch erfahren die Frauen das Gefühl der Selbstwirksamkeit und fangen an, sich auch in politischen und gewerkschaftlichen Kontexten zu organisieren. Das ist insbesondere deshalb so wichtig, weil viele der Frauen* bei MorDayanışma informell beschäftigt und somit von vielen institutionell verankerten Rechten ausgeschlossen sind. MorDayanışma ist dafür auch mit anderen Basisorganisationen verknüpft und versucht, in den Medien (etwa durch kontinuierliche Präsenz in den Sozialen Medien sowie zahlreichen Online-Angeboten der Mitglieder) und auf der Straße mit ihrer feministischen Arbeit aktiv zu sein.

Solidaritätsbotschaft von İrem Kayıkcı, Sprecherin von Mor Dayanışmain Istanbul:

Liebe Freundinnen und Freunde,

inmitten der pandemischen Entwicklung in der Türkei, in der Gewalt gegen Frauen*, Rechtsverletzungen und wirtschaftliche Ausbeutung von Frauen zunehmen, bin ich dankbar für eure Unterstützung. Wir versuchen, uns überall Gehör zu verschaffen, von den Stadtvierteln bis zu den Fabriken, und kämpfen für Frauen, die in vielen verschiedenen Arbeitsbereichen und Haushalten unterschiedlichen Formen der Ausbeutung ausgesetzt sind. Ihre Unterstützung wird uns helfen, uns weiter zu organisieren und den Kampf für die Befreiung der Frauen weiter zu stärken.
Mit meinen aufrichtigen Wünschen und meiner Solidarität,
İremKayıkçı

LabourNet Germany, das re:volt magazine und viele andere Unterstützer*innen rufen zur Spenden für Mor Dayanışma auf:

Spendenkonto: Labournet e.V.:
IBAN DE 76430609674033739600
BIC: GENODEM1GLS
Verwendungszweck “Lila Solidarität”
(für eine e-mail an verein@labournet.de samt Adresse kann eine Spendenquittung ausgestellt werden)

  • Neu am 11.2.2021: Spendenkampagne „Lila Solidarität“ kurz vor der ersten Überweisung! 
    Seit unserem Aufruf am 22. Dezember 2020 sind bisher 1.165 Euro eingegangen – wir danken (ausnahmsweise stellvertretend)! Am Wochenende ist die erste Überweisung geplant – noch besteht die Chance, die Summe aufzustocken!

Weitere Informationen:

Kurzlink: https://www.labournet.de/?p=183663
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