Amazon: Streiks mit Beginn der Nachtschicht zum Montag bis Heiligabend an sechs Standorten

Arbeitsunrecht: Der Weihnachtsmann bestellt NICHT bei AmazonBeschäftigte des Versandhändlers Amazon haben mit Beginn der Nachtschicht zum Montag an sechs Standorten die Arbeit niedergelegt. Die Streiks in Werne, Leipzig, Rheinberg, Bad Hersfeld (2 Standorte) und Koblenz sollen bis einschließlich Heiligabend (24. Dezember 2020) andauern. Ver.di rechnet mit rund 1.700 Streikteilnehmerinnen und -teilnehmern. „Die Schließung des stationären Einzelhandels in der vergangenen Woche hat das Bestellaufkommen bei Versandhändlern wie Amazon noch einmal deutlich gesteigert. Während der Konzern seine Milliardengewinne weiter erhöht, verweigert er den Beschäftigten eine tarifvertragliche Bezahlung. Das sind Mindestbedingungen“, kritisiert ver.di-Bundesvorstandsmitglied Stefanie Nutzenberger. „Stattdessen werden unsere Kolleginnen und Kollegen einem noch größeren Druck ausgesetzt, weil Amazon trotz der zusätzlichen Arbeitshetze Lieferversprechungen macht. Das geht unweigerlich auf Kosten der Gesundheit der Belegschaft, gerade jetzt unter den Bedingungen der Pandemie.“ Die Beschäftigten fordern die Anerkennung der Flächentarifverträge des Einzel- und Versandhandels sowie den Abschluss eines Tarifvertrages für gute und gesunde Arbeit…“ ver.di-Pressemitteilung vom 21.12.2020 externer Link -siehe dazu:

  • Amazon-Streiks zu Weihnachten: »Boykott ist eher unproduktiv« New
    Andreas Gangl ist Amazon-Mitarbeiter aus Bad Hersfeld, wo gerade auch gestreikt wird. Im JACOBIN-Interview spricht er über den mangelnden Gesundheitsschutz und die internationale Vernetzung der Angestellten: (…) Wir haben aber auch konkrete, momentane Forderungen. Das ist unter anderem der Schutz unserer Gesundheit. Amazon hat zum Weihnachtsgeschäft viele neue Leute eingestellt, es ist sehr voll in den Fulfillment-Centers und es ist schwierig, die Abstände einzuhalten. Die Fallzahlen sind wieder stark gestiegen, auch wenn immer wieder behauptet wurde, dass sich die Leute im privaten Umfeld anstecken. (…) Bei uns in Bad Hersfeld ist es so, dass wir die ganze Zeit eine Maske tragen müssen, was natürlich auch zu Beeinträchtigungen führt. Die Blöcke zwischen den Pausen sind zweieinhalb Stunden lang, dann bekommen wir eine halbe Stunde Pause. Das heißt, man muss zweieinhalb Stunden unter hoher körperlicher Belastung mit Maske arbeiten, vor allem jetzt, wo die Bestellungen mehr werden. Unsere Forderung ist, dass hier mehr gelüftet werden soll, und diejenigen, die aus gesundheitlichen Gründen keine Maske tragen können, vom Arbeitgeber bezahlt freigestellt werden. Bisher gibt es nur die Möglichkeit, sich krankschreiben oder unbezahlt freistellen zu lassen. (…) Wir in Bad Hersfeld haben ja vor zwanzig Jahren schon den ersten Betriebsrat gewählt, der sehr aktiv und eine echte Vertretung der Arbeiter ist. Andererseits gibt es Fälle wie in Winsen bei Hamburg, wo eine Personalleiterin Betriebsratsvorsitzende ist und der Arbeitgeber praktisch die Kontrolle über den Betriebsrat hat. Betriebsrat ist also nicht gleich Betriebsrat. Die Wahl fand statt, als das Werk gerade ein paar Monate am Netz war und die Leute alle neu waren. Amazon stand damals wegen mangelnder Mitarbeitervertretungen in der Presse in der Kritik. Tatsächlich haben sie damals an allen Standorten Betriebsräte wählen lassen und haben es unterstützt, dass möglichst viele Listen antreten, um undurchsichtige Mehrheitsverhältnisse zu begünstigen und eine starke gewerkschaftliche Vertretung zu verhindern. (…) [ Welche Möglichkeiten gibt es, Euch zu unterstützen, gerade auch im Weihnachtsgeschäft?] Am besten über die Bewegung Make Amazon Pay, auch Spenden für die Vernetzungsarbeit nehmen wir dort gerne an. Ein Boykott von Amazon ist eher kontraproduktiv, den der gefährdet natürlich unsere Arbeitsplätze. Auch Amazon auf den sozialen Medien mitzuteilen, dass man mit der Behandlung der Mitarbeiter und der Umweltbelastung durch die Aktivitäten des Unternehmens nicht einverstanden ist, hilft auf jeden Fall, Druck aufzubauen.“ Interview von Alexander Brentler vom 23.12.2020 im Jacobin externer Link – Andreas Gangl ist Amazon-Mitarbeiter am Standort Bad Hersfeld und Gewerkschafter. Er ist 48 Jahre alt und arbeitet seit 2009 bei Amazon.
  • „Stay-at-home-Streik“ scheint zu wirken: Amazon demonstriert Gelassenheit – zahlt aber Anwesenheitsprämie und offenbart streikbedingte Personallücken 
    “Sonntagnacht, 23.15 Uhr. Streikbeginn. Verdi hat Amazon-Beschäftigte zum Arbeitsausstand bis einschließlich Heiligabend aufgerufen. Bestreikt wurden die logistischen Drehscheiben des Onlineriesen in diesem Jahr bereits mehrmals. An sechs Standorten hierzulande rechnet die Gewerkschaft Verdi mit rund 1.700 Streikenden, die sich auf verschiedene Versandzentren verteilen. (…) Coronabedingt ist es kein typischer Streik. Kein Marsch durch die Lagerhallen samt Protestkundgebung vor den Toren des Versandzentrums. »Wir organisieren einen Stay-at-home-Streik«, sagte Philip Keens, Verdi-Streikleiter am Amazon-Standort Werne im Kreis Unna, am Montag im jW-Gespräch. »250 bis 300 Kollegen dürften sich bei uns beteiligen«, schätzt Keens. Genaueres weiß er erst, wenn ihn die verschickten Streikunterlagen an die Kollegen wieder erreichen. Gewerkschafter beobachten, dass Amazon nichts unversucht lässt, die Streikfront zu schwächen. Mit einer Anwesenheitsprämie für Beschäftigte von zwei Euro extra pro Stunde etwa. In Einzelfällen treten auch unternehmensnahe Betriebsräte auf, um Streikwillige umzustimmen und die Gewerkschaftsarbeit von Verdi schlechtzureden, weiß Keens. Nur: »Betriebsräte hätte Amazon niemals zugelassen, wenn wir nicht permanent Arbeitskämpfe geführt hätten«, betont er. Am Amazon-Standort in Rheinberg bei Duisburg standen am Montag tagsüber Streikposten, berichtete der zuständige Verdi-Streikleiter Tim Schmidt gegenüber jW. »Das sind die Ansprechpartner für unsere Kollegen bei den Schichtwechseln«, so Schmidt. Hinter den Standorttoren seien zudem mehrere Vertrauensleute telefonisch mit der Streikleitung in Kontakt. (…) Die Standortleitung in Rheinberg wirke zunehmend nervös und gereizt. Hektisch seien betriebsintern Leute von einem Posten auf den anderen berufen worden, um streikbedingte Personallücken zu schließen. Des weiteren wurden Lkw auf andere Zentren »umgeroutet«, erzählt Schmidt. Er ist sich sicher: »Wir fügen Amazon seit Monaten Nadelstiche zu, bisweilen richtig schmerzhafte.«“ Artikel von Oliver Rast in der jungen Welt vom 22.12.2020 externer Link: Nadelstiche gegen Amazon. Frohe Botschaft: Verdi ruft Beschäftigte an sechs Standorten erneut zu Streiks für Tarifvertrag auf. Konzern demonstriert Gelassenheit
  • siehe zuvor: [Streik ab 14. Dezember 2020 bei Amazon in Graben] Wir betteln nicht! Wir kämpfen! „Rutenschläge“ statt tariflichem Weihnachtsgeld
Kurzlink: https://www.labournet.de/?p=183590
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