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Frauenstreik gegen neues, familienfeindliches Schichtsystem: Solidarität mit den Arbeiterinnen bei Yoox in Bologna

Dossier

Frauenstreik-Plakat Yoox Bologna seit dem 25.11.2020Yoox ist ein weltweit stark wachsendes Online-Handelsunternehmen, das mit Vorliebe ein Image pflegen möchte als menschlicher, moderner Laden mit multikultureller Belegschaft, darunter vielen jungen Müttern. Und gerade diese setzen sich seit dem 25. November 2020 – dem Tag des Kampfes gegen Gewalt gegen Frauen – zur Wehr: Gegen ein neues Schichtsystem, das mit der Epidemie eingeführt wurde, und das es alleinstehenden Müttern unmöglich macht, ihre Kinder zu betreuen, mit einer Frühschicht, die um 5.30 Uhr beginnt und einer Spätschicht, die um 22.30 Uhr endet. An jenem Tag sind sie in den Streik getreten, ein größerer Teil der weiblichen Belegschaft in der Niederlassung in Bologna – Frauen mit und ohne italienische Papiere, ein bedeutender Teil ohne, weswegen es auch naheliegt, dass neben der ohnehin in der Logistik beachtlich vertretenen Basisgewerkschaft SI Cobas auch die Frauen der MigrantInnenkoordination diesen Streik unterstützen. Die öffentliche Solidaritätskampagne mit dem Streik zeigt Wirkung: Hatte das Unternehmen zunächst so getan, als sei nichts geschehen, so nimmt es inzwischen Stellung zu dem Protest: Indem die Verantwortung für die Arbeitsbedingungen auf die diversen Subunternehmen geschoben wird, die in der Niederlassung Bologna präsent sind. Weswegen es umso wichtiger ist, diese Solidarität weiter zu stärken – indem sowohl die Nachricht verbreitet wird, als auch dazu aufgerufen (und getan) die Solidaritätserklärung zu unterzeichnen, die seit einigen Tagen im Netz ist und bisher von rund 1.500 Menschen unterstützt wurde – wozu auch LabourNet Germany aufruft! Siehe dazu u.a. die Erklärung der Streikenden, die gleichzeitig Solidaritätsaufruf und Petition ist (inklusive E-Mail zur Unterzeichnung), sowie einen kurzen Videobericht zum Streik und einen basisgewerkschaftlichen Unterstützungsbeitrag:

  • Italien: Arbeiterinnen setzen sich gegen unmenschliche Schichtzeiten beim Mode-Konzern Yoox durch – «Auch hier muss man kämpfen!» New
    Jahrelang haben Arbeiterinnen der Firma Yoox in Bologna gegen frauenfeindliche Arbeitsbedingungen gekämpft. Mit grossem Erfolg. (…) Eine Reihe von Aktionen, darunter auch Streiks, brachten erste Verbesserungen. Aber erst ein Gerichtsurteil verbesserte die Situation nachhaltig. Eleonora Bortolato ist Gewerkschafterin bei Sicobas. Sie erklärt: «Am 31. Dezember 2021 erklärte das Arbeitsgericht Bologna Doppelschichten, wie sie Laila und Liuba arbeiten mussten, für unrechtmässig.» Das Urteil besagt eindeutig, dass die Tagesschicht von 8.30 bis 16.30 Uhr für alle Arbeitnehmenden mit Kindern unter 12 Jahren wieder eingeführt werden müsse. Die Kategorie der erwerbstätigen Mütter dürfe nicht länger benachteiligt werden. Maurizio Lunghi von der Gewerkschaft CGIL hat das Urteil überrascht, denn seit Jahren sei die Doppelschicht in der Branche die Norm. Er sagt: «Auf jeden Fall muss die Entscheidung des Gerichts nun umgesetzt werden, und wir werden einige Vereinbarungen, die wir in der Vergangenheit mit mehreren Unternehmen getroffen haben, neu diskutieren.» (… ) Wer sich wehrt, lebt nicht verkehrt. Laila ist stolz auf das, was sie erreicht haben: «Unsere Löhne haben sich jetzt fast verdoppelt, Mutterschaftsurlaub und Stillen wurden voll anerkannt.» Sie konnten sich auch gegen Fälle von Belästigung und Missbrauch wehren. Ebenfalls ein Riesenerfolg: Die italienischen Medien sind auf die mutigen Yoox-Arbeiterinnen aufmerksam geworden. Sie sind jetzt nicht mehr unsichtbar. Und sie haben Solidarität erfahren: Einige Politikerinnen und Politiker unterstützten ihre Forderungen. Und die Gleichstellungsbeauftragte der Region Emilia-Romagna brachte ihren Fall vor Gericht. Vor jenes Gericht, das schliesslich das bahnbrechende Urteil über diese unmenschlichen Schichtarbeitszeiten erliess. Kein Wunder, sind die Frauen stolz!Artikel von Mattia Lento am 21. Januar 2022 in der work online externer Link (Zeitung der schweizerischen DL-Gewerkschaft unia)
  • Wer im größten italienischen Gewerkschaftsbund CGIL mit den gegen das neue Schichtmodell streikenden Frauen von Yoox in Bologna solidarisch ist, bekommt Schwierigkeiten – schließlich hat die „zuständige“ Einzelgewerkschaft das Abkommen unterschrieben… 
    Eliana Como ist Sprecherin der organisierten Opposition im Gewerkschaftsbund CGIL (der Strömung „#RiconquistiamoTutto“) und hat, wie so viele andere Gewerkschafterinnen und Gewerkschafter und demokratische Gruppierungen und Personen auch, die Solidaritätsresolution mit den streikenden Frauen bei Yoox in Bologna unterzeichnet. Woraus ihr die Gewerkschaftsbürokratie jetzt versucht, „einen Strick zu drehen“: Sie sei solidarisch mit einer (angeblichen) Hetzkampagne der Basisgewerkschaft SI Cobas gegen die Vertreter der Filmcams, der zuständigen Einzelgewerkschaft der CGIL bei Yoox. Como unterstreicht dagegen zum Einen, dass dies nicht zutreffe, sie habe sich nicht mit dem – ihr im konkreten unbekannten – Vorgehen von SI Cobas solidarisiert, sondern mit dem Streik gegen das neue Schichtmodell, gegen das sich die Frauen zur Wehr setzen. Ein Schichtmodell, das die CGIL-Gewerkschaft unterschrieben hat und mit trägt, was die eigentliche Ursache der Gegenoffensive der Gewerkschaftsbürokratie sei, die sich zur Verteidigerin des Unternehmens gegen die streikenden Frauen aufschwinge. In dem Beitrag „Sul caso Yoox“ am 21. Dezember 2020 bei Il sindicato è un’altra cosa externer Link unterstreicht Como, dass gegen sie bisher nur Stimmung gemacht werde, während eine Gewerkschaftssekretärin aus Bologna, die ebenfalls die Petition unterzeichnet habe, bereits mit Entlassung bedroht werde. Es sei das gute Recht jeder Gewerkschafterin, kämpfende Kolleginnen zu unterstützen, unterstreicht sie abschließend, was sie bisher getan habe und weiterhin tun werde, wie viele andere auch. Eine, wie wir finden, für GewerkschafterInnen selbstverständliche Haltung, eigentlich…
  • Die mediale Hetzkampagne gegen den Frauenstreik bei Yoox in Bologna bleibt ohne Wirkung: Die Solidarität wächst beständig 
    Gegen den Streik der Frauen von Yoox wird eine regelrechte mediale Hetzkampagne orchestriert, in der alle Register der Verleumdung und Falschdarstellung gezogen werden. Der Tenor dabei ist eindeutig: Die Selbstdarstellung des Online-Versandhändlers als ein Unternehmen der besonders sozialen Art wird als Basis der Kampagne benutzt. Beispielhaft werden in dem Beitrag „“Noi, schierate con Yoox Sciopero Cobas sbagliato““ von Francesco Zuppirolli am 16. Dezember 2020 bei Il Resto del Carlino externer Link nichtstreikende Kolleginnen aus der Niederlassung Bologna zitiert, die sowohl behaupten, der ganze Streik sei nur eine Art Abenteuer der Basisgewerkschaft SI Cobas, als auch, dass die Schichtveränderungen, die die Ursache des Streiks sind, sowohl lange vorher ohne weitere Einsprüche angekündigt worden, als auch keineswegs besonders antisozial seien, wie es die Streikenden behaupten würden. Siehe dazu auch vier weitere aktuelle Beiträge, darunter ein weiterer, der die Position des Unternehmens verbreitet, eine Stellungnahme der Basisgewerkschaft sI Cobas zu Streik und Antikampagne, sowie zwei Berichte über das weitere Anwachsen der Solidaritätsbewegung mit dem Streik:

  • „Women Who are not Scared. Solidarity with Yoox Workers on Strike“ am 15. Dezember 2020 beim Transnational Strike.info externer Link ist die Erklärung der streikenden Frauen von Bologna, in der sie die (oben knapp zusammen gefassten) Gründe für den Streik darlegen und ihre Entschlossenheit bekräftigen, bis zu einer Veränderung weiter zu kämpfen – sowie kritische Anmerkungen machen zum Gegensatz zwischen der Imagepflege des Unternehmens und der Realität ihrer Arbeits- und Lebensbedingungen.
Kurzlink: https://www.labournet.de/?p=183305
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