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Der griechische Polizeistaat marschiert auf: Und kann das Gedenken an 1973 nicht stoppen

Uni Athen Polizeiangriff„… Zwischen dem 15. und dem 18. November sind Zusammenkünfte von mehr als drei Personen verboten. Das gab am Samstag (14.11.) die Polizei bekannt. Diese Entscheidung wurde angesichts der bevorstehenden Feierlichkeiten des Studentenaufstandes im Athener Polytechnikum getroffen. Damit soll einer weiteren Ausbreitung des Coronavirus entgegengewirkt werden. Sollte es dennoch zu Kundgebungen kommen, drohen den Organisatoren Geldstrafen zwischen 3.000 und 5.000 Euro; Teilnehmer müssen mit Bußgeldern in Höhe von 300 Euro rechnen. Der Aufstand der Studenten des Athener Polytechnikums am 17. November 1973 war gegen die damalige Militärdiktatur (1967-1974) gerichtet und leitete deren Sturz ein. Er gilt als Symbol für die Wiederherstellung der Demokratie. Traditionell findet an diesem Tag ein Protestmarsch bis vor die Athener US-Botschaft statt. Drei Oppositionsparteien stellen sich gegen die Regierungsentscheidung, die Gedenkkundgebungen in diesem Jahr zu canceln: das Bündnis der Radikalen Linken (SYRIZA), die kommunistische Partei (KKE) sowie MeRa25. Die Vorsitzenden dieser drei Parteien – Alexis Tsipras, Dimitris Koutsoumbas und Janis Varoufakis – nahmen bereits telefonisch Kontakt miteinander auf. Es handle sich um eine „antidemokratische Entscheidung der konservativen Regierungspartei Nea Dimokratia“, heißt es in einem gemeinsamen offenen Brief an die Staatspräsidentin, den Premierminister, dem Parlamentspräsidenten sowie an die Parlamentsparteien. Die Unterzeichner vertreten darin die Ansicht, dass ein Demonstrationsverbot zum 17. November oder zum Maifeiertag nicht rechtmäßig sei. Außerdem hätten die jeweiligen Träger, die solche Demonstrationen organisieren, bereits hinlänglich bewiesen, dass sie sich klar an die vorgeschriebenen Maßnahmen zum Schutz gegen das Coronavirus halten...“ – aus dem Artikel „Proteste gegen Kundgebungsverbot zum Tag des Studentenaufstandes“ von Elisa Hübel am 16. November 2020 in der Griechenland-Zeitung externer Link worin die Ausgangs-Situation vor dem Demonstrationstag zusammen gefasst wurde. Siehe dazu auch einen Hintergrundbeitrag zur Rechtsregierung, sowie vier aktuelle Beiträge über Freiheiten für Klerikalfaschisten und Repression gegen Demokraten – und den Hinweis auf unseren ersten Beitrag zu diesem Jahrestag 2020:

„Griechenland: Keine Demos, keine Intensivbetten mehr und eine heilige Leugnung“ von Wassilis Aswestopoulos am 16. November 2020 bei telepolis externer Link fasst die aktuelle Politik der Rechtsregierung so die Leugnerei der Kirchenfürsten zu fördern und bei anderen die Polizeitruppen loszulassen so zusammen: „… Mit dem Metropoliten von Langadas, Ioannis, ist am Sonntag das erste Mitglied der Ständigen Heiligen Synode an Covid-19 verstorben. Der knapp 62-jährige Kirchenfürst war bei einer wahrscheinlich zum Superspreader-Event gewordenen Messe in Thessaloniki am 26. Oktober anwesend und gehörte zu den Bischöfen, die zu Ehren des Stadtpatrons, des heiligen Dimitrios, die Messe zelebrierten. Covid-19-positiv ist auch ein weiterer damals anwesender Bischof, der Metropolit von Ierissos. Eigentlich wollte Ioannis an seinem Todestag eine Messe gegen die Pandemie feiern. Am Freitag jedoch wurde er mit hohem Fieber in Hospital gebracht. Ioannis gehörte zu den Kirchenfürsten, die mit Vehemenz die Ansteckbarkeit mit Covid-19 beim Heiligen Abendmahl leugnen. Mutmaßlich bei der Messe am 26. Oktober steckte sich auch der Metropolit von Veria, Panteleimonas, an. Die Geistlichen hatten seinerzeit keinerlei Abstands- und Hygieneregeln eingehalten und trugen keine Masken. Ein weiterer Leugner, der emeritierte Metropolit von Kalavryta Amvrosios, wurde positiv getestet, verließ aber gegen den Rat der Ärzte das Krankenhaus. Gestützt wird die Leugnung einer möglichen Ansteckung in der Kirche ausgerechnet von einer der Virologinnen der staatlichen Covid-19-Kommission. Professorin Athina Linou meinte im direkt der Regierung unterstehenden Staatsfernsehen ERT am Samstag, dass es „keinerlei Studien“ hinsichtlich der Ansteckung über eine Tröpfcheninfektion bei der Benutzung eines gemeinsamen Löffels und eines gemeinsamen Kelches beim Abendmahl gäbe. Mit einem vom Polizeipräsidenten unterschriebenen Erlass, gilt von „6 h Morgens des 15. Novembers bis 21 Uhr des 18. Novembers“ in Griechenland ein absolutes Versammlungsverbot für Gruppen von vier und mehr Personen. Zuwiderhandelnden werden hohe Strafen angedroht. So müssen Parteien oder Verbände, aka juristische Personen, die zu Versammlungen aufrufen, jeweils 5000 Euro Strafe zahlen. Bei natürlichen Personen, welche den Aufruf verbreiten, sind 3000 Euro fällig. Teilnehmer an verbotenen Versammlungen müssen 300 Euro zahlen. Hintergrund für das Versammlungsverbot ist der Gedenktag für den 17. November 1973, dem blutig niedergeschlagenen Studentenaufstand gegen die damalige Militärregierung. Viele Parteien und Verbände, sowie Autonome, nutzen den Gedenktag, um auch an die Verantwortung der USA für die Obristendiktatur zu erinnern. Rechtskonservativen ist das Gedenken ein Dorn im Auge. Am 1. Mai hatte die kommunistische Partei mitten in der Pandemie und während des ersten Lockdowns eindrucksvoll demonstriert, dass auch unter Beachtung sämtlicher Quarantäne- und Abstandsregeln Demonstrationen möglich sind. Damals griff die Polizei nicht ein. Nun nimmt sie bereits im Vorfeld Personen fest oder leitet Ermittlungen ein. Personen, die öffentlich zur Teilnahme an den Demonstrationen am 17. November aufrufen, werden von der Polizei vorgeladen. Dies betrifft auch diejenigen, die über soziale Netzwerke solche Aufrufe teilen. Yanis Varoufakis und seine MeRA25 (DiEM25), sowie die kommunistische Partei haben bereits frühzeitig angekündigt, trotz eines eventuellen Verbots zu demonstrieren. Varoufakis möchte zur Not mit den übrigen acht Parlamentariern seiner Partei den Weg vom historischen Hauptgebäude der Technischen Hochschule von Athen zur US-Botschaft allein gehen. Für diesen Fall wurde ihm von der Regierung und auch von Premier Kyriakos Mitsotakis bereits die Verhaftung angedroht. Das parlamentarische Asyl, welches Abgeordnete genießen, soll nicht gelten. Das absolute, für das ganze Land ausgesprochene Versammlungsverbot wurde vom Verband der Richter und Staatsanwälte des Landes als verfassungswidrig eingestuft. Eine gerichtliche Entscheidung steht aus, und könnte nur im Eilverfahren erreicht werden…“

„Priest lifts child to kiss corpse of Bishop who died of Covid-19“ am 17. November 2020 bei Keep Talking Greece externer Link berichtet nach dem (oben erwähnten) Tod des klerikalen Leugners von nächsten Verbrechen des Klerus: Priester hievt kleines Kind hoch, um den Leichnam zu küssen. Einmal raten wollen, was die Rechtsregierung bei so einem Verhalten macht? Genau.

„Police fines with €300 lone woman for laying a flower at Polytechnic site“ am 17. November 2020 bei Keep Talking Greece externer Link meldet zum Vorgehen der Polizei, wenn es sich nicht um rechtsradikale Kleriker handelt: Geldstrafe – für Blumen niederlegen…

Eine erste Zusammenfassung des heutigen Tages in Athen – mit einem sehr passenden Titel: „So ehrte die Nea Demokratia die Junta„“ – am 17.November 2020 im Twitter-Kanal von Antikalypse externer Link ist ein Videobericht vom Polizeistaatsaufgebot in Athen an diesem Tag.

17.11.1973: Panzer beenden die Besetzung des Athener Polytechnikums, es gibt viele Tote, wenig später fällt die Junta. Das Gedenken heute ist unter dem Vorwand der Pandemiebekämpfung verboten worden – und soll doch stattfinden. Ich sammele hier die aktuellen Entwicklungenam 17. November 2020 ebenfalls im Twitter-Kanal von Antikalypse externer Link ist eine Sammlung von Meldungen und Videoberichten aus verschiedenen anderen Städten Griechenlands von den trotz aller Repression stattgefundenen zahlreichen Protesten

Kurzlink: https://www.labournet.de/?p=181496
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