Auf den Terroranschlag in Wien folgt EU-Verschlüsselungsverbot
Dossier
„… Der Terroranschlag in Wien wird im EU-Ministerrat dazu benützt, um ein Verbot sicherer Verschlüsselung für Services wie WhatsApp, Signal und viele andere im Schnellsiedeverfahren durchzusetzen. Das geht aus einem mit 6. November datierten internen Dokument der deutschen Ratspräsidentschaft an die Delegationen der Mitgliedsstaaten im Rat hervor, das ORF.at vorliegt. Das sollte nun unter den „weiteren Schritten gegen den Terrorismus“ zu verstehen sein, die Frankreichs Präsident Emmanuel Macron mit Bundeskanzler Sebastian Kurz (ÖVP) im Rahmen einer Videokonferenz zu Wochenbeginn besprechen will. Der Beschluss ist bereits so weit akkordiert, dass er in der Videotagung der Innen- und Justizminister Anfang Dezember ohne weitere Diskussion verabschiedet werden kann. (…) Mittlerweile wird zwar immer klarer, dass offenbar haarsträubende Ermittlungsfehler im BVT den Anschlag erst ermöglicht hatten und nicht fehlende digitale Überwachungsbefugnisse. Ob irgendein solcher Zusammenhang zur Tat besteht, ist allerdings unerheblich. In Brüssel wird so ein Anlass seit 25 Jahren mit schnöder Regelmäßigkeit dafür missbraucht, längst geplante Überwachungsvorhaben durchzusetzen.(…) Diese Resolution des Ministerrats ist laut Dokument – da wird um allfällige letzte Einwände gebeten – nicht nur fast fertig ausformuliert. Sie ist im Rat offenbar auch bereits fertig abgestimmt. Am 19. November soll sie dann in der Ratsarbeitsgruppe zur Kooperation im nationalen Sicherheitsbereich (COSI) verabschiedet werden, am 25. ist die Vorlage im Rat der ständigen Vertreter der EU-Mitgliedsstaaten (COREPER) geplant. Dort hat der Ratsbeschluss bereits den Status eines I-Items, damit kann er ohne weitere Diskussion passieren…“ Beitrag von Erich Moechel vom 9. November 2020 bei Radio FM4 ORF.at und erster Widerstand:
- #PrivacyIsNotACrime – Keine Schwächung vertraulicher Kommunikation!
„Der EU-Ministerrat hat einen raschen Vorstoß unternommen, in dem er Zugriff auf jegliche Kommunikation, auch verschlüsselte, zur besseren Aufklärung von Straftaten fordert. Konkret bedeutet dies, dass beim Einsatz von Verschlüsselungstechnologie, wie sie etwa WhatsApp und Signal anbieten, Generalschlüssel bereitgehalten werden müssen, mit denen jegliche Kommunikation der Nutzenden entschlüsselt werden kann. Dadurch werden schwere Eingriffe in die Privatsphäre, die in Artikel 12 der Allgemeinen Erklärung der Menschenrechte als Menschenrecht definiert ist, ermöglicht. Die informationelle Selbstbestimmung und die Wahrung des Postgeheimnisses werden gegen internationale Konventionen ausgehebelt (Art. 17 Zivilpakt, Art. 8 EMRK, Art. 7, 8 GRCh). Die Privatsphäre der Bevölkerung soll zur angeblichen Terrorbekämpfung geopfert werden, dabei sind die Anschläge der Vergangenheit durch Fehler in der Polizeiarbeit erst möglich geworden. (…) Das Einführen von Generalschlüsseln stellt ein enormes Sicherheitsrisiko dar, da diese von allen verwendet werden können, die Zugriff auf sie haben. Eine derart geschwächte Verschlüsselung wäre damit de facto wertlos. Ein Verbot sicherer Verschlüsselung ließe sich außerdem von versierten Akteur·innen umgehen, indem vorhandene, sichere Verschlüsselungstechnik auf privaten Diensten genutzt wird. Wir fordern daher einen sofortigen Stopp der Verhandlungen auf europäischer Ebene. Vorhandene Befugnisse die das Umgehen von Verschlüsselungen ermöglichen, wie etwa Staatstrojaner, müssen EU-weit untersagt werden. Weiter fordern wir eine europäische Initiative für ein Grundrecht auf Verschlüsselung. (…) Der Enwurf wurde inzwischen formal fertig verhandelt, und wurde am 14. Dezember in der Ratssitzung der Justiz- und Innenminister beschlossen. Dadurch wird die Europäische Kommission beauftragt, die Resolution in EU-Recht umzusetzen. Danach kann das EU-Parlament zustimmen oder ablehnen…“ Erklärung vom 4. Januar 2021 der Liga für Menschenrechte- Siehe auch die Kampagnenseite mit weiteren Informationen und Mobilisierungsmaterial
- Crypto-Wars: EU-Staaten wollen Zugang zu verschlüsselten Nachrichten
„Die EU-Innenminister:innen haben in einer Resolution den Zugriff auf verschlüsselte Nachrichteninhalte etwa bei Messengerdiensten wie WhatsApp und Signal gefordert. Es müsse für Behörden die Möglichkeit für einen „rechtmäßigen Zugang zu Daten für legitime und klar definierte Zwecke im Rahmen der Bekämpfung schwerer und/oder organisierter Kriminalität und Terrorismus“ geben, heißt es in einer heute verabschiedeten Ratsresolution . Die langjährige Debatte um möglichen Zugriff auf verschlüsselte Inhalte hatte durch geleakte Entwürfe der Resolution in den vergangenen Wochen neue Fahrt aufgenommen. Der Ruf nach „rechtmäßigem Zugang“, so fürchten Netzaktivist:innen, bedeutet, dass Ende-zu-Ende-verschlüsselte Dienste zum Einbau von Hintertüren in ihre Verschlüsselung verpflichtet werden könnten. Die EU-Kommission hat erst vergangene Woche eine neue Initiative zur Verschlüsselung angekündigt und dabei eine Schwächung der Verschlüsselung durch Hintertüren nicht ausgeschlossen. (…) Ein breites Bündnis aus Wissenschaft und Zivilgesellschaft befürchtet, dass mögliche Hintertüren in Verschlüsselungssoftware für Massenüberwachung und Menschenrechtsverletzungen in autoritären Staaten genutzt werden könnten. Vor wenigen Tagen hatte eine Gruppe von Wissenschaftler:innen die EU-Staaten und die Kommission in einem offenen Brief daran erinnert, dass starke Verschlüsselung ein wichtiges Mittel zum Schutz der freien Meinungsäußerung ist und zur IT-Sicherheit beiträgt. (…) Mit Spannung wird nun erwartet, welche konkreten Vorschläge die Kommission beim Thema Verschlüsselung vorlegen wird. Die zuständige Innenkommissarin Ylva Johansson gilt als Hardlinerin, die auf Behördenzugriff für die Bekämpfung von organisierter Kriminalität und Terrorismus drängt. Von der Haltung der Kommission wird abhängen, wie es um die Zukunft verschlüsselter Kommunikation steht.“ Beitrag von Alexander Fanta vom 14. Dezember 2020 bei Netzpolitik.org , siehe auch:- Crypto Wars: EU-Staaten beschließen Resolution zu Entschlüsselung
„… Die Innenminister der EU-Mitgliedsstaaten haben die heftig umstrittenen Schlussfolgerungen zu „Sicherheit durch Verschlüsselung und Sicherheit trotz Verschlüsselung“ des Rats bei ihrer virtuellen Sitzung am Montag ohne weitere Aussprache angenommen. Sie billigten damit trotz massiver Proteste aus Wirtschaft, Wissenschaft und Zivilgesellschaft den finalen Entwurf der deutschen, Ende des Jahres auslaufenden Ratspräsidentschaft. (…) Kernpunkt der endgültigen Version vom 24. November ist der Gedanke, dass für Sicherheitsbehörden eine Form des außergewöhnlichen Zugriffs auf verschlüsselte Daten im Klartext möglich sein sollte und könnte. Diese Idee haben unter anderem Geheimdienste wie die NSA und das GCHQ über den sogenannten Five-Eyes-Verbund sowie das FBI in den laufenden Crypto Wars propagiert. Grundlegende Sicherheitsmängel für alle anderen Nutzer eines Dienstes oder einer Technologie sollen laut der seit Jahren geführten Debatte über Vorder- und Hintertüren sowie Universal- oder Nachschlüssel nach offizieller Lesart nicht geschaffen werden. Techniker verweisen eine solche „magische Lösung“ aber ins Reich der Märchen, da es „ein bisschen verschlüsselt“ nicht gibt. (…) Der Rat will nun trotzdem auf die Beihilfe von Dienstanbietern wie Apple, Facebook, Google, Threema, Signal oder WhatsApp beim Entschlüsseln elektronischer Kommunikation setzen. „Verschlüsselung ist ein notwendiges Mittel zum Schutz der Grundrechte und der digitalen Sicherheit von Regierungen, Industrie und Gesellschaft“, heißt es in der Entschließung. Gleichzeitig müsse die EU aber sicherstellen, dass die „zuständigen Behörden im Bereich Sicherheit und Strafjustiz“ – inklusive Geheimdiensten – ihre „gesetzlichen Befugnisse“ ausüben und „sowohl online als auch offline unsere Gesellschaften“ und Bürger schützen können. (…) Die EU-Kommission hat sich mit ihrer Anti-Terror-Agenda bereits hinter die Ratserklärung gestellt. Sie will nun vor allem im Kampf gegen die Verbreitung von Missbrauchsdarstellungen Lösungen für den Zugang zu Nachrichten im Klartext ausloten, die IT-Sicherheitsexperten aber bislang als untauglich einschätzen. Hintertüren schließt sie bei dem von ihr für möglich erachteten „Mittelweg“ nicht aus. Europol betreibt schon eine Plattform zur Entschlüsselung nach dem Vorbild der deutschen Hackerbehörde Zitis.“ Beitrag von Stefan Krempl vom 14. Dezember 2020 bei heise online
- Crypto Wars: EU-Staaten beschließen Resolution zu Entschlüsselung
- IT-Sicherheitsgesetz 2.0: „Mittelfinger ins Gesicht der Zivilgesellschaft“
„Das Innenministerium hat nach wenigen Tagen den nächsten Entwurf für die Reform des IT-Sicherheitsgesetzes vorgelegt – mit einer Kommentarfrist von 24 Stunden. Bei Verbänden und anderen Interessensvertretern wächst der Unmut über das Hauruck-Verfahren, mit dem die Bundesregierung während der Corona-Pandemie kurz vor Weihnachten brisante Gesetzesvorhaben durchbringen will. Bei der seit Jahren umstrittenen Novelle des IT-Sicherheitsgesetzes platzte Experten der AG Kritis jetzt der Kragen angesichts der Aufforderung, den jüngsten Entwurf binnen 24 Stunden zu kommentieren: „Eine so kurze Frist ist der ministerielle Mittelfinger ins Gesicht der Zivilgesellschaft!“ (…) Das Bundesinnenministerium (BMI) schickte die vierte, nun weitgehend mit den anderen Ressorts abgestimmte Version des umfangreichen Gesetzesentwurfs am Mittwochvormittag an Branchenvertreter. Dazu kam der Hinweis, man möge eine Stellungnahme zu den 108 Seiten bitte bis Donnerstag um 14 Uhr einreichen. Ein von einem Anwalt publizierter Abgleich mit dem vorherigen, am 2. Dezember verschickten Entwurf zeigt aber schon beim Überfliegen, dass das BMI noch signifikante Änderungen vorgenommen hat. „Deutlicher kann das BMI nicht mehr hervorheben, dass es nicht wirklich um eine Beteiligung der Zivilgesellschaft geht, sondern eigentlich nur ein Durchwinken vorgesehen wird“, moniert die AG Kritis. Auch bei der Veröffentlichung des dritten Entwurfs habe das Ressort zunächst nur 2,5 Werktage Zeit für Kommentare gegeben. Der neue Anlauf lege nahe, dass die Initiative „trotz durchgängig kritischer Stimmen“ noch unbedingt am kommenden Mittwoch das Bundeskabinett passieren solle. Ähnliche Bedenken meldete der eco-Verband der Internetwirtschaft an. (…) Die betroffenen Verbände und Organisationen seien völlig zu Recht „auf der Zinne“, erklärte der Grünen-Fraktionsvize Konstantin von Notz gegenüber heise online. „Das Gesetz ist seit Jahren überfällig. Es kam nie. Nun muss es plötzlich ganz schnell gehen.“ Gerade mit Blick auf die vielen anderen aktuellen Referentenentwürfe wie etwa zur Novelle des Telekommunikationsgesetzes dränge sich der Eindruck auf, „das Vorgehen hätte System“. Dies sei gerade in verfassungsrechtlich heiklen Feldern „schlicht inakzeptabel“. Die Fristen kämen „einem faktischen Ausschluss von Beteiligung gleich“…“ Beitrag von Stefan Krempl vom 10. Dezember 2020 bei heise online - „Five Eyes“ hinter den Entschlüsselungsplänen des EU-Ministerrats
„Ein frisch geleaktes Dokument des Rats dokumentiert die tiefe Involvierung der Spionageallianz in den Prozess. Die vom britischen GCHQ propagierte Methode, Ende-zu-Ende-Verschlüsselung durch Nach- oder Generalschlüssel auszuschalten, wird offenbar auch von Europol favorisiert. Die Resolution des EU-Ministerrats gegen sichere Verschlüsselung (E2E) hat inzwischen den Rat der ständigen Vertretungen der Mitgliedstaaten (COREPER) passiert. Am 2. Dezember werden sich noch die Justizminister damit befassen, bevor die Innenminister die umstrittene Resolution am 14. Dezember formell beschließen werden. Wie jede Resolution des Rats ist sie nicht bindend, laut Gilles de Kerchove, dem Anti-Terror-Beauftragten der Union, jedoch „ein wichtiger erster Schritt“. Gemeint ist ein erster Schritt zu einer EU-weiten Regulation, die Plattformbetreiber de facto verpflichten wird, Ende-zu-Ende-Verschlüsselung mit einem Generalschlüssel auszuhebeln. (…) Die EU-Mitgliedstaaten „seien entschlossen, in engem Austausch mit den Initiatoren des internationalen Statements ‚Ende-zu-Ende-Verschlüsselung und öffentliche Sicherheit‘ zu bleiben“, wird da versichert. Die aufgelisteten ersten fünf Staaten sind niemand anders als die durch Edward Snowden sattsam bekannte Spionageallianz „Five Eyes“, dazu kommen Japan und Indien. Dieser „enge Austausch“ diene dazu, die verschiedenen Interessen sorgsam auszutarieren, heißt es da. Besonderes Gewicht legt das Papier der deutschen Ratspräsidentschaft dabei auf den permanenten Dialog mit Großbritannien. Das ist wenig verwunderlich, denn von dort kommt das gesamte Konzept für Nachschlüssel her, das von einem hochrangigen Techniker des GCHQ namens Ian Levy stammt…“ Beitrag von Erich Moechel vom 29. November 2020 bei FM4 ORF - Kampagne #PrivacyIsNotACrime
„Der EU-Ministerrat hat nach den Anschlägen in Wien innerhalb kürzester Zeit eine Resolution entworfen, die einen jederzeitigen Zugang für Behörden zu verschlüsselter Kommunikation fordert. Das bedeutet, dass alle digitalen Dienste, zum Beispiel Internetseiten oder Messenger, einen Generalschlüssel vorhalten müssen. Dieser kann jede private Nachricht entschlüsseln. Die aktuelle Resolution markiert den Beginn eines europaweiten Gesetzgebungsverfahrens, an dessen Ende möglicherweise eine europaweite Einschränkung von Privatsphäre steht. (…) Verschlüsselung ist essentiell, um die Vertraulichkeit deiner persönlichen Nachrichten und Dateien sicher zu stellen. Schließlich soll nicht jede·r den Chat mit deinen Verwandten oder die süßen Katzenbilder von dir sehen. Auch nicht der Staat oder deine Krankenkasse, du allein solltest entscheiden, wer deine Daten bekommt. Schwächt man nun Verschlüsselung durch den Einbau einer Hintertür, verliert sie ihren Sinn – den Schutz der Vertraulichkeit deiner Nachrichten…“ Aufruf zu (direkten) Protesten und ein Statement zum Mitzeichnen bei Privacy Is Not A Crime - [Petition] Prevent EU-wide encryption ban to preserve private communication
„Nach den Terroranschlägen in Frankreich und Österreich in den letzten Wochen werden die Rufe nach einem Verschlüsselungsverbot für Plattformen und Messenger wie WhatsApp, Signal und Co. wieder sehr laut. Dieses Verbot soll die Betreiber der Plattformen verpflichten eine Backdoor in die Verschlüsselung einzubauen, um die Verfolgung von Terroristen und anderen Straftätern zu erleichtern. Dies bedeutet nicht nur, dass zwangsweise Schwachstellen in die Sicherheitsvorkehrungen der Plattformbetreiber eingebettet werden, sondern auch, dass persönliche Grundrechte wie Meinungsfreiheit und Privatsphäre massiv eingeschränkt werden. Ebenfalls gefährdert werden dadurch politische Arbeit, freier Journalismus und vertrauliche Kommunikattion, egal auf welcher Ebene…“ Petition bei change.org (englisch und deutsch) - Verschlüsselung von Messenger-Diensten nicht aushebeln! Offener Brief an den Rat der Europäischen Union, das Bundesministerium der Justiz und das Bundesministerium des Innern
„Netzwerk Recherche und Reporter ohne Grenzen wenden sich heute in einem offenen Brief gegen das Vorhaben, Messenger-Dienste zu verpflichten, Generalschlüssel zur Überwachbarkeit von verschlüsselten Chats und Nachrichten anzulegen: Sehr geehrte Frau Bundesministerin, sehr geehrter Herr Bundesminister, sehr geehrte Mitglieder des Rats der Europäischen Union, angesichts der jüngsten Terroranschläge hat die deutsche Ratspräsidentschaft einen Resolutionsentwurf vorgelegt , in dem „technische Lösungen“ gefordert werden, um „den zuständigen Behörden im Bereich der Sicherheit und des Strafrechts“ den Zugang zu verschlüsselter Kommunikation zu ermöglichen. Wir schreiben Ihnen, um unsere Besorgnis über die angestrebte Ausarbeitung eines Regulierungsrahmens zum Ausdruck zu bringen, der die Integrität von Ende-zu-Ende-verschlüsselten Messengerdiensten in Frage stellen und damit das Recht auf Privatsphäre und die Vertraulichkeit der Kommunikation von Journalistinnen und Journalisten und ihren Quellen gefährden würde. Die im Resolutionsentwurf des Ministerrates benannte „Sicherheit durch Verschlüsselung und Sicherheit trotz Verschlüsselung“ ist ein Widerspruch in sich selbst. Verschlüsselung funktioniert entweder ausnahmslos, oder sie funktioniert gar nicht. (…) Es ist zu befürchten, dass der im Resolutionsentwurf vorgesehene Zugang zu Daten die Schaffung eines Nachschlüssels für „zuständige Behörden” bedeuten würde, mit Hilfe dessen die Behörden auf die Kommunikation der Bürger zugreifen könnten. Mit „zuständigen Behörden“ sind nicht nur Strafermittler gemeint, sondern offenbar auch die Nachrichtendienste. Eine Hintertür gäbe diesen Diensten die Möglichkeit, nicht nur auf einzelne Chats einiger weniger Personen zuzugreifen und diese zu speichern, sondern den Kommunikationsstrom aller Nutzerinnen und Nutzer von Messengerdiensten auszuforschen. Sollte dies umgesetzt werden, würde die Vertraulichkeit der Kommunikation von Journalistinnen und Journalisten gefährdet, ebenso wie der Schutz der Identität ihrer Quellen. Ende-zu-Ende-verschlüsselte Messengerdienste sind für Medienschaffende im digitalen Zeitalter ein wesentliches Recherche- und Kommunikationsinstrument, das nicht in Frage gestellt werden darf. Die wichtige Kontrollfunktion des Journalismus als unabhängige vierte Gewalt in einer Demokratie hängt von der Fähigkeit ab, sicher und in voller Vertraulichkeit zu kommunizieren…“ Offener Brief am 17.11.2020 bei Netzwerk Recherche - Error: Regierungen planen Angriff auf Verschlüsselung
„Die Regierungen der EU-Länder planen mit Hochdruck ein Gesetz für den Zugang zu unseren Kommunikationsinhalten. Das Gegenteil ist nötig: Das Recht auf Verschlüsselung! Onlinedienste sollen Behörden Zweitschlüssel aushändigen. So steht es in dem Entwurf für einen Beschluss des Rats der EU vom 6. November 2020 (PDF auf orf.at ) Es geht im Kern darum, dass WhatsApp, Threema, Telegram, Skype, Signal und Co. mitgelesen werden sollen. Diese Dienste bieten aus guten Gründen Ende-zu-Ende-Verschlüsselung (E2EE) an. Denn Verschlüsselung ist das Fundament des Internets. Ohne vertrauliche Kommunikation geht nichts: kein Online-Banking, keine Online-Behördengänge, keine Verträge, kein Journalismus. (In diesem längeren Text erklären wir Hintergründe zur Bedeutung von Verschlüsselung.) (…) Die Regierungen der EU-Länder, ganz vorn mit dabei die deutsche Bundesregierung, heizen die europäischen Crypto Wars (siehe Wikipedia) an. Was jetzt notwendig ist, ist ein langfristiger und breiter Schulterschluss gegen diese Pläne. Wir benötigen dringend eine Allianz aus allen, die auf vertrauliche, also verlässlich verschlüsselte Kommunikation angewiesen sind. Dazu gehören: die Bevölkerung, Journalist.innen, IT-Dienstleister, Banken, von Industriespionage bedrohte Unternehmen, Sozialdienste, Behörden und Aktivist.innen. Das Abwehren der Pläne der Regierungen wird langfristig nicht reichen. Wir brauchen ein gesetzlich garantiertes Recht auf Verschlüsselung. Außerdem müssen Regierungen endlich verstehen, dass sinnvolle Sicherheitspolitik auf konkrete Gefahren zielt und nicht erhebliche Kollateralschäden für die komplette Gesellschaft billigend in Kauf nimmt. Das Argument für den geplanten Angriff auf Verschlüsselung ist unter anderem die Bekämpfung des islamistischen Terrorismus. Es gibt aber bessere Alternativen: mehr gut ausgebildetes Ermittlungspersonal und Förderung von sozialer Arbeit gegen Radikalisierung...“ Beitrag von Friedemann Ebelt vom 11.11.2020 bei Digitalcourage und dort diverse Stellungnahmen zu den Plänen der EU-Regierungen. - Hintertüren zu verschlüsselter Kommunikation: Wirtschaft und Zivilgesellschaft stellen sich gegen Pläne der EU-Staaten
„Ein Vorschlag des EU-Ministerrats, dass verschlüsselte Kommunikation erheblich geschwächt werden soll, ruft starke Gegenreaktionen hervor. (…) Kritik kam dabei aus Zivilgesellschaft und Wirtschaft gleichermaßen. Susanne Dehmel, Mitglied der Geschäftsleitung im Verband der deutschen Telekommunikationsbranche Bitkom, erklärt: „Wer Verschlüsselungen aufweicht, schwächt die IT-Sicherheit insgesamt. Backdoors sind nicht dauerhaft kontrollierbar und zugleich eine Einladung an Cyberkriminelle und ausländische Nachrichtendienste. (…) Zweifel gibt es auch daran, was eine Schwächung von sicheren Kommunikationslösungen überhaupt etwas bringen würde und ob sich Kriminelle nicht einfach andere Möglichkeiten zur Kommunikation suchen würden. (…) Auch der Bundesverband IT-Sicherheit TeleTrusT macht auf das Problem aufmerksam, dass sich Straftäter Verschlüsselungslösungen ohne staatliche Hintertüren besorgen können, selbst wenn diese verboten werden sollen. Der stellvertretende TeleTrusT-Vorstandsvorsitzende Karsten Bartels mahnt außerdem an, dass es nicht mit der Datenschutzgrundverordnung und dem IT-Sicherheitsgesetz vereinbar sei, auf einen schlechteren Technologiestandard durch ausgehöhlte Verschlüsselung zurückzufallen. Das Forum InformatikerInnen für Frieden und gesellschaftliche Verantwortung FifF weist ebenfalls auf die Datenschutzgrundverordnung hin, durch die sich die EU eine „Signalfunktion in der Welt“ erarbeitet habe (…) Der Präsident der Gesellschaft für Informatik, Prof. Dr. Hannes Federrath, macht deutlich, dass das Vorhaben nicht nur dem Ansehen der EU und vielen Personen schaden würde. Auch Betriebs- und Geschäftsgeheimnisse von Unternehmen seien in Gefahr (…) Auch für die politische Willensbildung und Gestaltung einer freien Gesellschaft sei eine verlässlich vertrauliche Kommunikation notwendig. „Das Grundrecht auf Verschlüsselung ist wichtig für unsere Demokratie – so wie es das Postgeheimnis in der analogen Welt war“, so Federrath weiter. Nicht nur zivilgesellschaftliche Organisationen und Branchenverbände aus Deutschland haben ihre Kritik geäußert. In einem offenen Brief an die deutsche EU-Ratspräsidentschaft fordern verschiedene internationale Organisationen wie der europäische Dachverband der digitalen Bürgerrechtsorganisationen, EDRi, und Access Now, die Pläne zur Schwächung von Verschlüsselung fallenzulassen…“ Beitrag von Anna Biselli vom 11. November 2020 bei Netzpolitik.org - Nächste Schlacht in den CryptoWars: EU-Ministerrat plant Anschlag auf Verschlüsselung
„Der EU-Ministerrat bereitet mit einer neuen Resolution den nächsten Versuch vor, sichere Ende-zu-Ende-Verschlüsselung, beispielsweise in Messengern, für Normalbürger unerreichbar zu machen. Das Papier ist Teil einer internationalen Strategie, die insbesondere von den Geheimdiensten der Vereinigten Staaten und Großbritanniens vorangetrieben wird. Ziel des Vorgehens ist es, Verschlüsselung für Endanwender zu schwächen. Anbieter sollen nach dem Willen des EU-Ministerrats Mechanismen in ihre Produkte einbauen, die auf Anordnung durch MITM-Angriffe und Fremdschlüssel die Verschlüsselung unwirksam machen. Im nächsten Schritt sollen die marktbeherrschenden App-Store-Anbieter wie Apple und Google zur Kooperation gedrängt werden, um unkooperative Messenger auszuschließen. Damit würde für technisch weniger versierte Bürger und Unternehmen der Zugang zu sicherer Ende-zu-Ende-Verschlüsselung faktisch unmöglich. Kriminelle und Terroristen hätten mit geringem Mehraufwand jedoch weiterhin keine Probleme, verschlüsselt zu kommunizieren. Dieser weltweite Angriff auf die allgemeine IT-Sicherheit wird in euphemistische Formulierungen verpackt. (…) Weshalb die jüngst drastisch ausgeweiteten Trojaner-Befugnisse nun schon wieder nicht mehr genügen sollen, begründen die Verschlüsselungsfeinde wie immer nicht. (…) Die Vorstöße des EU-Ministerrats reihen sich ein in eine ganze Serie von weltweiten Angriffen auf Verschlüsselung. So waren zuletzt im Iran und China sichere Varianten des DNS- bzw. TLS-Protokolls blockiert worden. Indien, Japan und die angelsächsische Geheimdienst-Koalition „Five Eyes“ blasen seit Jahren ins gleiche Anti-Krypto-Horn und haben in letzter Zeit wieder begonnen, entschiedener gegen Ende-zu-Ende-Verschlüsselung vorzugehen. Die EU-Kommission plant seit einigen Monaten einen ähnlichen Angriff, der mit dem Kampf gegen dokumentierten Kindesmissbrauch begründet wird…“ Beitrag vom 11.11.2020 beim Chaos Computer Club - Verschlüsselung: Digitale Kommunikation tabu
„Der Deutsche Journalisten-Verband fordert den EU-Ministerrat dazu auf, Pläne zum Aufweichen der sicheren Verschlüsselung digitaler Kommunikation sofort ad acta zu legen…“ djv-Pressemitteilung vom 11.11.2020 - Aushebelung von Ende-zu-Ende-Verschlüsselung trifft die Falschen und leistet der IT-Sicherheit einen Bärendienst
PM vom 10.11.2020 von und beim Forum InformatikerInnen f. Frieden & Verantwortung - Siehe auf Twitter #E2EE #e2eeVerbot #E2E