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Sozialhilfe als Zwang und Diskriminierung: «Diese widerliche Inszenierung von Wohltätigkeit»

Prozesskostenhilfe adé?In der Coronakrise offenbaren sich krasse Mängel im schweizerischen System der sozialen Sicherheit. Zeit für eine allgemeine Existenzsicherung:  Ergänzungsleistungen für alle, die es nötig haben, findet Véréna Keller, emeritierte Professorin für soziale Arbeit. (…) Der Hauptgrund liegt darin, dass die Sozialhilfe hochgradig entwürdigend, bürokratisch und unfreundlich ist. Ich dachte: Jetzt, in einer solchen Krise, wird die Sozialhilfe als unterstes Netz besonders wichtig, trifft Krisenmassnahmen, erleichtert den Zugang und erweitert die Leistungen. So wie man das anderswo ja gemacht hat, insbesondere in der Arbeitslosen- und Erwerbsausfallversicherung sowie für Selbstständige. Der schöne Slogan «schnell und unbürokratisch» wäre in der Sozialhilfe besonders wichtig gewesen. Man hätte die Kontrollen auf ein absolutes Minimum beschränken und den Leuten einen etwas höheren Betrag auszahlen können. Der Jura ist meines Wissens aber der einzige Kanton, der in dieser Zeit eine höhere Pauschale gewährte, auch mit dem Ziel einer Vereinfachung für die Sozialdienste. Andernorts mussten die Leute meist wie vor der Krise alle möglichen Anträge ausfüllen, Angaben zur persönlichen Situation machen und Belege vorweisen. Dabei sind viele Leute darunter, etwa Raumpflegerinnen, die nicht jeden Monat einen Lohnausweis haben, manchmal nicht mal einen Vertrag. (…) Es gibt diesen schönen Satz, der Pestalozzi zugeschrieben wird: «Wohltätigkeit ist das Ersaufen des Rechts im Mistloch der Gnade.» Das ist diese Wohltätigkeit, mit der man bestimmten Menschengruppen den Überfluss der Normalbürger schenkt – und das noch als Solidarität darstellt. Denen, die es dringend benötigen, gibt man kein Geld – sondern stellt sie in Schlangen, macht Fotos von ihnen und bringt das immer wieder in die Zeitungen…“ Interview von Adrian Riklin in der Woz vom 05.11.2020 externer Link

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