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Von Corona „nur“ beschleunigt: Was sich in den USA in den letzten 10 Jahren wohl mehr entwickelt hat: Die Armut, der Mindestlohn – oder das Vermögen der 400 reichsten Unternehmer?

Anti-Trump-Farbanschlag auf eine LimoDie Entwicklung des Mindestlohns im Bund ist – regierungsunabhängig – recht leicht nachzuvollziehen: Er betrug im Jahr 2009 exakt 7,25 Dollar/Stunde. Und beträgt im Jahr 2020 exakt: 7,25 Dollar/Stunde. Und in jenen Bundesstaaten und Orten, in denen er inzwischen höher liegt – und deren Zahl wächst weiter – ist dies nur und ausschließlich Ergebnis des Kampfes der Betroffenen und war nirgends ein Geschenk irgendwelcher Regierenden. Die Entwicklung der kapitalistischen Vermögen ist weitaus weniger klar (zumal es ja noch diverse Steuerparadiese und zahlreiche weitere Rettungsanker für vom Kommunismus verfolgte US-Milliardäre gibt), aber selbst aus den offiziellen Zahlen wird deutlich, dass die es nicht sind, die aktuell Probleme haben, ihre Miete zu bezahlen. Verfügten sie im Jahr 2009 über 1.270.000.000.000 Dollar so stieg diese Summe bis 2020 auf 3.200.000.000.000 (heißt das eigentlich Billiarde – oder ist das ein paar Nullen nachher?). Zur aktuellen Entwicklung der sozialen Lage in den USA drei aktuelle Beiträge, eine Statistik zum Verhältnis von Mindestlohn und Vermögen, sowie ein Beitrag, der die Frage nach (möglichen, bisher zumindest kaum tatsächlichen) gewerkschaftlichen Reaktionen auf diese Entwicklung stellt:

  • „Abstieg auf Raten“ von Lotta Sutter am 25. Oktober 2020 im Freitag online externer Link (Ausgabe 43/2020) zur aktuellen sozialen Krisenentwicklung: „… Das Vermögen der über 600 US-Milliardäre nimmt ständig zu. Aber andererseits erhält fast die Hälfte aller Werktätigen keine existenzsichernden Löhne. In den USA lebten schon vor Ausbruch der Corona-Pandemie viele Menschen wie in Entwicklungsländern: ohne sauberes Wasser, ohne sanitäre Einrichtungen und ohne die Gewissheit, am nächsten Tag noch ein Dach über dem Kopf zu haben. Wer chronisch Not leidet, wer durch Krankheit, Armut oder andere widrige Lebensumstände belastet ist, wer sich also bereits in einer Ausnahmesituation befindet, den trifft eine Katastrophe wie der Corona-Ausbruch besonders hart. Wenige Wochen nach Beginn der Pandemie fehlte Millionen von US-AmerikanerInnen bereits das Nötigste zum Überleben. Die Essenausgabestellen, sogenannte food banks, waren vom Ansturm hungriger Familien überwältigt. Wer noch einen Job hatte, ging auch hustend zur Arbeit, weil es in den USA keine gesetzlich garantierten und damit bezahlten Krankheitstage gibt. Tausende starben deshalb am Covid-19-Virus, weil ihr lokales Gesundheitssystem zusammenbrach. „Es ist wie in einem Drittweltland. Das soziale Netz des Staates funktioniert nicht“, bewertete der US-Ökonom Joseph Stiglitz Ende April die Situation. (…) Auf der anderen Seite sind in den USA Millionen Menschen neu unter das Existenzminimum gerutscht. Besonders schnell nimmt die Armut bei People of Color zu. Denn sie arbeiten überdurchschnittlich oft in Sektoren, die man nicht via Telekommunikation erledigen kann, sondern vor Ort ausüben muss. Diese Jobs sind von der Corona-Krise stark betroffen. Von denjenigen Angestellten, die pandemiebedingt ihre Stelle verloren haben, können 40 Prozent höchstens einen Monat von ihrem Ersparten leben. Etwa ein Viertel der Bevölkerung ist auf Nahrungsbeihilfen von staatlicher, aber auch privater Seite angewiesen. Schon vor der Corona-Krise wurden in den USA jeden Tag rund 30 Millionen Gratismahlzeiten an knapp die Hälfte aller Schülerinnen und Schüler an den öffentlichen Schulen ausgegeben. Für ein Drittel aller Erwachsenen ist es schwierig, die monatlichen Ausgaben für die Haushaltsführung aufzubringen. Viele US-AmerikanerInnen sind deshalb mit ihren Rechnungen im Verzug und schreiben Bittbriefe an die Vermieter ihrer Wohnung, an die Elektrizitätsunternehmen, an die private Wasserversorgung: Man möge ihnen bitte nicht den Strom und das Wasser abstellen oder sie mitten in der Pandemie aus der Wohnung werfen. In manchen Fällen wird ein Aufschub der Schulden gewährt – aber fast nie eine Entschuldung…“
  • „Hungersnot im reichen Land“ von Moritz Wichmann am 24. Oktober 2020 in nd online externer Link zur selben Entwicklung: „… Schon vor der Coronakrise gab es viel soziale Not in den USA. 34 Millionen Menschen lebten unter der Armutsschwelle. In den letzten Monaten sind laut Berechnungen von Forschern der Columbia University noch einmal acht Millionen Menschen dazugekommen – zum größten Teil seit dem Auslaufen des Extra-Coronakrisen-Arbeitslosengeldes des Bundes Ende Juli. Sie brauchen nicht nur Lebensmittel. Es fehlt sogar an Geld für die Beerdigungen verstorbener Angehöriger, so Williams. Und mit dem nahenden Winter werde die Abschaltung von Strom und Heizung wegen unbezahlter Rechnungen und die Beschaffung warmer Kleidung zum Problem werden. Zudem »müssen die Leute entscheiden, ob sie die Miete bezahlen oder Geld für Essen ausgeben«, sagt sie. Wer die Miete nicht begleicht, landet schnell auf der Straße – oder im nahe gelegenen Isaiah House, einem Obdachlosen-Shelter mit Lebensmittel-Tafel. »Als die 600 Dollar Extra-Arbeitslosengeld Ende Juli weggefallen sind, haben sich plötzlich deutlich mehr Leute gemeldet, die ihre Mieten nicht mehr bezahlen können«, erzählt Mitarbeiterin Julia Hismeh. (…) Neben Lebensmittel-Tafeln und Sozialeinrichtungen wie dem Isaiah House sind überall im Land außerdem Gruppen entstanden, die Hilfe auf Gegenseitigkeit anbieten. Darin engagieren sich sowohl Bürger, die in Facebook-Gruppen aktiv sind, als auch linke Aktivisten wie Jeff. Er ist Mitglied der Gruppe Democratic Socialists of America im Norden von New Jersey. Mit anderen Freiwilligen boten die DSA-Aktivisten schon vor der Pandemie Lebensmittelhilfe in einem Stadtviertel von Newark mit hoher Obdachlosigkeit an. Zu Beginn der Pandemie wurde dies aus Infektionsschutzgründen eingestellt, nun werden Bedürftige per Lieferung versorgt, rund 200 Mal bisher. In die Präsidentenwahlen Anfang November setzt Jeff keine Hoffnungen. »Die Not im Land wird sich nicht ändern, nur weil wir vielleicht bald einen anderen Präsidenten haben«, sagt er mit Verweis auf einen möglichen Wahlsieg von Joe Biden von der Demokratischen Partei. Mit der steigenden Zahl der Corona-Infektionen werde man mit neuen Einschränkungen oder gar einem erneuten Lockdown »bald wieder da sein, wo wir im April waren...“
  • „Die objektiven Ursachen der sozialen Ungleichheit“ von Nick Beams am 19. Oktober 2020 bei wsws externer Link zum entsprechenden Langzeit-Trend unter anderem: „… Das Time-Magazin berichtete am 14. September ausführlich über eine Studie der traditionsreichen US-Denkfabrik RAND Corporation, in der die massiven Auswirkungen der wachsenden sozialen Ungleichheit in den USA während der letzten 45 Jahre aufgezeigt werden. Die RAND Corporation kam zu dem Ergebnis, dass in diesem Zeitraum fast 50 Billionen Dollar von den unteren 90 Prozent der Einkommensbezieher an die oberen 10 Prozent umverteilt wurden. Der Großteil ging das oberste 1 Prozent. Wenn die Einkommen heute noch so verteilt wären wie im Zeitraum 1945 bis 1975, wäre das Gesamteinkommen der unteren 90 Prozent der amerikanischen Arbeiterklasse laut der Studie im Jahr 2018 um 2,5 Billionen Dollar höher gewesen. Dazu heißt es im Time-Magazin: „Das entspricht fast zwölf Prozent des BIP. Das wäre genug, um das Medianeinkommen um mehr als das Doppelte anzuheben. Es wäre genug, um den Monatslohn jedes amerikanischen Arbeiters in den unteren neun Dezilen Jahr für Jahr um 1.144 Dollar zu erhöhen. Monat für Monat, Jahr für Jahr.“ Der Begriff „Klasse“ kommt in dem Bericht nicht vor. Das ist nicht verwunderlich, steht doch die New York Times an der Spitze der Bestrebungen, alle gesellschaftlichen Probleme ausschließlich auf die Hautfarbe zurückzuführen. Da ist das Wort „Klasse“ natürlich tabu. Dennoch geht aus den Daten der RAND-Forscher Carter C. Price und Kathryn Edwards eindeutig hervor, dass die Klassenzugehörigkeit der entscheidende Faktor bei der Einkommensverteilung ist. Sie schreiben: „Unabhängig von Hautfarbe, Geschlecht, Bildungsgrad oder Einkommen zeigen die Daten, dass bei der unablässigen Umverteilung der Einkommen von unten nach oben seit 1975 diejenigen geblutet haben, deren Einkommen unterhalb des 90. Perzentils liegt.“ Das Time-Magazin erwähnt eine weitere Studie der Denkfabrik American Compass, laut der ein männlicher Arbeiter, der das Medianeinkommen erhält, im Jahr 1985 30 Wochen im Jahr arbeiten musste, um die Kosten für Wohnung, Gesundheitsversorgung und Bildung für seine Familie bezahlen zu können. Im Jahr 2018 ist dieser Wert auf 53 Wochen angestiegen, d.h. auf mehr als ein Jahr…“
Kurzlink: https://www.labournet.de/?p=180109
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