»
Frankreich »
»
»
Frankreich »
»

Nach dem feigen Mord an einem Lehrer in Frankreich: Gewerkschaften gegen jeden Faschismus, ob religiös oder nationalistisch. Das heißt auch gegen Macrons nationale Einheit

SUD Solidaires nach dem Attentat an einem Lehrer in Frankreich im Oktober 2020: Gegen Faschismus jeder Art – und gegen nationale Einheit

Ein „feiger Mord“ – der mangelnde Mut gegen andere vorzugehen, als gegen unbewaffnete Menschen, ist eine der Eigenschaften, die die verschiedenen Faschisten einen – an dem Lehrer Samuel Paty im Großraum Paris wird von der Regierung Macron als Vorlage benutzt, um ihren nächsten Krieg zu beginnen. Nach dem in der Epidemie verschärften Krieg gegen die Bevölkerung zugunsten des Kapitals und jenen vielen Kriegen in Westafrika gegen alle demokratischen Bestrebungen nun also gegen den „politischen Islam“. Die angebliche Verteidigungslinie „Aufklärung“, die dabei postuliert wird, ist auch ohne ihre aktuelle Anwendung (stets gegen Andere, nie bei eigenen Aktivitäten) eine problematische, wird sie weiter gefasst, als es ihre antireligiöse und antifeudale Stoßrichtung tat – und tut. (Und zur Erinnerung: Frankreich gehört immer noch zu den Ländern mit der reichsten Aristokratie). Der „politische Islam“ ist, wie das „politische Christentum“ eine vielschichtige Erscheinung, die weder auf terroristische Strömungen und Akte (die einen etwa mehrfach in Frankreich, die anderen etwa mehrfach in den USA) reduziert werden kann, noch generell über einen Kamm geschert. Sich dabei „einzureihen“, wie es einige Gewerkschaften (und Gruppierungen der parlamentarischen Linken) tun – ist genau das, was sich die Macron & Co von ihrer Aktion versprechen. Sich dagegen zu stellen, ist nicht nur ein demokratischer Akt, sondern auch Ausdruck des antifaschistischen Kampfes – und heißt selbstverständlich keineswegs, verbrecherische Religions-Fanatiker zu verteidigen. Siehe dazu unsere aktuelle Materialsammlung „Gegen Faschismus jeder Art – und gegen nationale Einheit“ vom 23. Oktober 2020:

Gegen Faschismus jeder Art – und gegen nationale Einheit

(23. Oktober 2020)

„Attentat de Conflans: Macron veut plus d’« actes » et moins de paroles“ von Olivier Faye am 21. Oktober 2020 in Le Monde online externer Link ist ein Beitrag, in dem Macrons Forderung nach einem Krieg gegen den politischen Islam berichtet und seine Appell, hierzu müssten jetzt endlich Taten geschehen, ergänzt wird…

„Contre tous les fascismes qu’ils soient nationalistes ou religieux“ vom 18. Oktober 2020 beim Gewerkschaftsbund SUD Solidaires externer Link ist Erklärung und Aufruf der alternativen Föderation aus Anlass des Mordes an Samuel Paty: Gegen jeden Faschismus, ob nationalistisch oder reaktionär – macht deutlich, dass der Kampf sowohl den mörderischen Gottesanbetern gelten muss, als auch jenen, die versuchen, aus deren Verbrechen eigenes Kapital zu schlagen.

„Communiqué unitaire: Face à l’obscurantisme, faisons grandir une société unie et fraternelle“ am 21. Oktober 2020 Syndicollectif externer Link dokumentiert, ist eine gemeinsame Erklärung der LehrerInnen-Gewerkschaften der Verbände CGT, CFDT, FSU, FO, Unsa und SUD gemeinsam mit Menschenrechtsorganisationen und Studierendenverbänden sowie SchülerInnen-Organisationen, in der unterstrichen wird, man werde weiterhin gemeinsam dafür eintreten, dass eine Bildung im kritischen Geist an öffentlichen und laizistischen Schulen stattfinde, für eine Gesellschaft, die sozial, brüderlich und demokratisch sei – weswegen auch jene, die statt des islamischen Fundamentalismus die Moslems bekämpfen wollen, keine Partner in diesem Kampf seien, sondern ebenfalls Gegner.

„Un professeur est mort, encore“ am 18. Oktober 2020 bei Le Monde Libertaire externer Link ist eine Erklärung der Anarchistischen Föderation in der zum Kampf sowohl gegen den religiösen Fundamentalismus als auch gegen nationale Einheit aufgerufen wird – getreu dem traditionellen Motto „Weder Gott noch Herr, weder Staat noch Boss“.

„La fédération CGT de l’éducation à République dimanche dernier“ am 20. Oktober 2020 beim Front Syndical de Classe externer Link dokumentiert den kurzen Redebeitrag der CGT Educ’ation bei der Kundgebung am Platz der Republik – worin die Verpflichtung unterstrichen wird, die pädagogische Freiheit „gegen alle Angriffe“ zu verteidigen, egal, woher sie kommen.

„«Unité nationale»: A Paris, la gauche institutionnelle et les directions syndicales se rangent derrière le gouvernement“ von Paul Morao am 19. Oktober 2020 bei Révolution Permanente externer Link kritisiert das Verhalten der Gewerkschaftsvertreter auf dieser zentralen Kundgebung sehr scharf: Sie (und Gruppierungen der parlamentarischen Linken) hätten sich in die nationale Front Macrons eingereiht – durch ihre unkritische Teilnahme an dieser Veranstaltung der Regierung.

«Collabos», «dégagez»: quand les insultes contre l’UNEF révèle le contenu réel de l’ «unité nationale»“ von Esther Tolosa am 20. Oktober 2020 ebbenfalls bei Révolution Permanente externer Link berichtet von den Hasstiraden gegen die Studierenden-Vereinigung UNEF während deren Ansprache bei der Kundgebung am Platz der Republik: Die Kampagne, alle, die eine differenzierte und kritische Sichtweise vertreten als Kollaborateure (des islamischen Faschismus) zu brandmarken, zeige den wahren politischen Gehalt der eingeforderten nationalen Einheit – gegen alle demokratischen und sozialen Bestrebungen.

„Climat islamophobe: Deux femmes voilées poignardées au pied de la tour Eiffel“ von Mica Torres am 20. Oktober 2020 ebenfalls bei Révolution Permanente externer Link steht hier als Beispiel für eine ganze Reihe ähnlicher Meldungen aus den letzten Tagen: Hier sind zwei Frauen mit Schleier vor dem Eiffelturm  angegriffen worden…

„Nach dem Mord an einem Lehrer in Frankreich: Gegen Intoleranz und Rassismus!“ am 21. Oktober 2020 bei Solidarität externer Link ist die Übersetzung einer Stellungnahme von Gauche Révolutionnaire, worin unter anderem darauf verwiesen wird: „… “Die Republik wird angegriffen”, sagte [Bildungs-]Minister Blanquer. Das ist eine solche Heuchelei von Seiten eines Ministers, der weiterhin die Entlassung von vier Lehrer*innen in Melle aufrechterhält, weil sie Schüler*innen bei den unfairen E3C-Prüfungen des Abiturs geholfen haben, oder dessen Ministerium monatelang die Hilferufe von Christine Renon, der Schulleiterin in Pantin, die schließlich Suizid beging, ignorierte. Nein, es war ein Lehrer, der angegriffen wurde, einer von denen, die Blanquer ständig gering schätzt. Blanquers Republik ist ungerecht, intolerant und ungleich. Es ist möglich, Fehler, Übertreibungen zu machen, und es sollte die Möglichkeit bestehen, bestimmte Themen im Unterricht mit den Eltern oder unter den Schüler*innen zu diskutieren. Die Meinungsfreiheit gehört unangetatstet. Und die Tür muss immer offen sein für Dialog und Erklärung. Was für eine Heuchelei von Menschen, die behaupten, die Meinungsfreiheit zu verteidigen, sich aber darüber ärgern, dass eine Schülerin bei einer Anhörung ein Kopftuch trägt, obwohl sie das Recht dazu hat. Wie heuchlerisch, dass diese Regierung, die laut Macron Schulen dabei helfen will, „freie Bürger*innen” zu schaffen, aber die Bildungsbedingungen zerstört und Schüler*innen in Klassen einpfercht, ihnen verbietet, die Auswahlmaßnahmen anzufechten, die Tausende von jungen Menschen mit [dem Studienplatzvergabesystem] Parcoursup vom Zugang zur Hochschulbildung ausschließen. Diese Regierung hat gerade versucht, Mitgefühl für das Bildungspersonals zu zeigen, das sie die ganze Zeit mit Geringschätzung und Unterbezahlung behandelt.  „Sie werden nicht durchkommen”, sagte Macron und griff damit ausdrücklich die Losung der Antifaschist*innen während des Spanischen Bürgerkrieges von 1936 bis 1939 auf (des spanischen antifaschistischen Lagers, das von Frankreich und Großbritannien angesichts der faschistischen Horden Francos fallen gelassen wurde). [Die Führerin des Rassemblement National, Marine] Le Pen brauchte nur hinzuzufügen: „Wir müssen ihn mit Gewalt aus unserem Land vertreiben”. Es besteht kein Zweifel, dass das so genannte Gesetz gegen „Separatismus”, das die diskriminierenden Maßnahmen gegen Muslim*innen im Allgemeinen verstärken wird, in diesem schrecklichen Drama eine neue Rechtfertigung finden wird. Wie immer spielen die Terrorist*innen der herrschenden Klasse in die Hände und dies wird sich gegen die große Mehrheit der Muslime und Muslimas wenden. Wir haben genug von diesen Menschen, in der Regierung und in den Medien, die durch ständige Angriffe auf Muslime und Muslimas Öl ins Feuer gießen und dann den Schmerz der Opfer durch islamfeindliche Bemerkungen ausnutzen. Wir haben genug von dieser Regierung, die Schüler*innen und Bildungspersonal geringschätzt und dann mit ihrer Trauer so tut, als ob alles getan werde, um sie zu schützen, während alles getan wird, um die Arbeits- und Lernbedingungen zu zerstören. Wir kämpfen dafür, dass die Lehrer*innen maximal zwanzig Schüler*innen pro Klasse haben, genug, um Unterricht und Debatten mit den Schüler*innen zu führen, aber dazu müssen wir mit der Politik Macrons brechen. Genug von diesem Klima des Hasses, des Rassismus und der Intoleranz! Gegen Rassismus, gegen Fundamentalismus, für eine geschwisterliche und tolerante Gesellschaft! Wahrer Separatismus ist, was Millionen von Menschen zur Armut, zu niedrigen Löhnen verurteilt, während die Milliardäre und Kapitalisten immer reicher werden...“

„Terror in der Vorstadt“ von Bernard Schmid am 22. Oktober 2020 in der jungle world externer Link (Ausgabe 43/2020) zu Ablauf und Umständen des Mordes und anschließender Argumentationslinien: „… Chnina begann eine Kampagne gegen Paty. An dieser beteiligte sich auch der bekannte französisch-marokkanische Islamist Abdelhakim Sefrioui. Er wurde 2004 als Gründer der Gruppe »Collectif Cheikh Yassine« bekannt, benannt nach einem früheren Anführer der palästinensischen Terrororganisation Hamas. Sefrioui gehörte auch zu den Unterstützern des antisemitischen Komikers Dieudonné M’bala M’bala. In einem Video, das Sefrioui in den sozialen Medien verbreitete, bezeichnen Chnina und Sefrioui Paty als »Ganoven« und forderten seine Entlassung aus dem Schuldienst. Sie beschwerten sich auch bei der Schulleitung über Paty. Die zuständige Schulbehörde in Versailles hörte Paty daraufhin an und versuchte sich an einer Mediation. Es trifft nicht zu, dass die Behörde Paty mit einer Disziplinarstrafe belegte. Dies wird seit dem Wochenende wiederholt auf islamistischen und rechtsextremen Websites behauptet. Islamisten sind um den Nachweis bemüht, Paty habe anerkanntermaßen Verfehlungen begangen. Rechtsextreme behaupten, die Behörde habe sich auf die Seiten der Islamisten geschlagen – beides ist falsch. Anzorov erhielt über das Internet Kunde von dem Konflikt. Er selbst hatte sich, Aussagen von Freunden und Familienangehörigen zufolge, die die jihadistische Ideologie erkennbar nicht teilen, seit einem guten halben Jahr dem Jihadismus zugewandt und begonnen, sich von früheren Sozialkontakten abzukapseln. Seine Eltern lebten, seit er sechs Jahre alt war, als anerkannte politische Flüchtlinge in Frankreich. Zusammen mit einem Freund und dessen Vater fuhr er am Wochenende vor dem Mord nach Rouen. Dort kaufte er in einem Fachgeschäft ein Messer, angeblich als Geschenk für seinen Großvater; sein Freund wunderte sich, dass Anzorov die Schachtel, in der sich das Messer befand, öffnete. Am Freitag voriger Woche ließ er sich von einem Bekannten im Auto von Évreux aus in den Raum Paris mitnehmen. Die Ermittlungen haben ergeben, dass Anzorov ­Chnina und Sefrioui vor der Tat kontaktiert hatte. Dass er ihnen seine Mordpläne mitteilte, ist unwahrscheinlich. An dem fraglichen Freitag hielt er sich in der Nähe der Schule auf und bot einem 14jährigen Schüler einen Geld­beitrag von mehreren Hundert Euro an, um zu zeigen, wer Samuel Paty sei. Der Schüler und seine Freunde halfen, den Lehrer bei Dienstschluss zu iden­tifizieren, wohl im Glauben, Anzorov wolle ihn zur Rede stellen und ihn dabei filmen. Insgesamt 15 Personen, darunter mehrere Familienmitglieder und Freunde Anzorovs sowie Chnina und Sefrioui, wurden seit Freitagabend ­vergangener Woche in Gewahrsam genommen und vernommen. Da ein ­Zusammenhang zu einer Terrorstraftat besteht, kann der Gewahrsam ausnahmsweise bis zu 96 Stunden dauern, die Vernehmungen hielten bis Dienstagabend an. Die Polizei nahm am Montag Hausdurchsuchungen bei mehreren Dutzend Personen vor. Am selben Tag kündigte sie an, die Moschee in Pantin bei Paris ab Mittwoch für sechs Monate zu schließen. Der Imam der Moschee hatte das Video von Sefrioui im Internet weiterverbreitet. Die Regierung kündigte auch an, 51 muslimische Vereine auflösen zu wollen, darunter das »Collectif contre l’islamophobie en France« (Kollektiv gegen Islamophobie in Frankreich, CCIF). Der französische Innenminister Gérald Darmanin begründete das Vorgehen gegen den CCIF im Gespräch mit dem Radiosender Europe 1 damit, dass Chnina »sich sehr deutlich auf diese Vereinigung bezieht«...“

„@ccif“ ist der Twitter-Kanal des Collectif Contre l’Islamophobie en France externer Link – eine der Gruppierungen, die die französische Regierung im Zuge ihres Krieges gegen den politischen Islam verbieten will: Wer die Meldungen und nicht zuletzt die aktuell dokumentierten Solidaritätserklärungen liest, kommt nicht umhin, rege Zweifel daran zu hegen, dass es sich dabei um eine islamistsche Vereinigung handeln soll. 

„À propos d’Abdelhakim Sefrioui et du collectif Cheikh Yassine“ am 20. Oktober 2020 bei La Horde externer Link ist ein Betrag über eine der Gruppierungen bzw. Netzwerke, die bei der Hasskampagne gegen Samuel Paty „mitgewirkt“ haben – und worin unter anderem Parallelen mit Faschisten anderswo beim Einsatz der sozialen Medien unterstrichen werden, wie auch die Entwicklung der wachsenden Übereinkunft rechter und rechtsradikaler islamistischer Bestrebungen nachgezeichnet.

„Le soutien de l’impérialisme à l’islamisme radical … une vieille histoire !“ am 19. Oktober 2020 beim Front Syndical de Classe externer Link erinnert, in der aktuellen Situation in Frankreich keineswegs überflüssig, dass der (auch französische) Imperialismus bei der Entstehung und Stärkung des islamischen Fundamentalismus eine wesentliche Rolle gespielt hat – her, in dem ein Beitrag von 1998 im Nouvel Observateur dokumentiert und kommentiert wird.

Kurzlink: https://www.labournet.de/?p=180004
nach oben