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„Das ist erst der Anfang“ – Massenproteste gegen die slowenische Rechtsregierung und ihr Diktat „Tut nichts – außer malochen“

Linker Protest gegen Corona-Diktatur in Slowenien„… Obwohl die Regierung sechs Monate an den Hebeln der Macht saß, versäumte sie es in der epidemiologischen Pause zwischen den Wellen für weitere medizinische Kapazitäten zu sorgen. Sie bevorzugte es in der Sonne zu baden, während über den Köpfen der Menschen Militärflugzeuge flogen und die Regierung versuchte lediglich ihre Machtmittel auszubauen. Anstatt öffentliches Geld, für den Langzeitschutz für die Verletzlichsten der Gesellschaft, während dieser sich langsam wieder entwickelnden Krise bereitzustellen, wird es für riesige Waffenkäufe der Armee eingesetzt. Anstatt den Leuten zu zugestehen sich zu organisieren und politisch frei zu handeln, werden sie schikaniert, bestraft, attackiert und eingeschüchtert durch die Regierung. Anstatt die am Gefährdetsten zu schützen, dies beinhaltet Wohnungs- und Obdachlose, Geflüchtete, migrantische und arme Menschen, werden diese Menschen in Lager eingesperrt, gejagt wie Tiere und von den Straßen in den Städten und entrechtet. (…) Als Gesellschaft haben wir in der ersten Welle verantwortungsbewusst und besorgt umeinander reagiert und die Folgen der Epidemie nach besten Kräften begrenzt. Als Gesellschaft gewöhnen wir uns jetzt daran, dass die Krankheit unter uns ist, wir akzeptieren sie und wir kämpfen erneut, um ihre Folgen so weit wie möglich zu begrenzen. Aber unsere Hände sind oft gebunden, da wir trotzdem zum Arbeiten in Fabriken, Büros, Lagern, auf Märkten, in Schulen, Geschäften und vielen anderen Institutionen und Unternehmen gehen müssen, um unseren Lebensunterhalt zu verdienen. Aber es gibt einen Ort, an den wir ihrer Meinung nach nicht gehen sollten: zu den Protesten gegen ihre autoritäre Politik. Derselbe Arbeiter, der jeden Tag in eine abgeschlossene und schlecht belüftete Halle gehen muss, um seinen miserabel bezahlten Job zu behalten, darf am Freitagabend nicht an die frische Luft gehen, um zu protestieren. Dieselbe Arbeitnehmerin, die jeden Tag in einem Supermarkt arbeiten muss, wo sie mit Hunderten von Kunden in Kontakt steht, darf am Freitagabend nicht mit Mitgliedern ihres Haushalts protestieren, selbst wenn sie dieselbe Schutzmaske trägt wie bei der Arbeit und auch wenn sie Abstand zu anderen Menschen hält, sie es auch bei der Arbeit tut. Es ist klar, dass die Belästigung von Menschen durch die Polizei nichts mit der Sorge um ihre Gesundheit zu tun hat, sondern ausschließlich damit mit der Angst der Behörden vor politischen Aktionen, die nicht unter ihrer Kontrolle sind. Die Tatsache, dass sich die Menschen zum Wohle der Arbeit zusammenschließen müssen und sich gleichzeitig aufgrund einer regierungskritischen Politik nicht zusammenschließen dürfen, bestätigt, dass die erste Loyalität dieser Regierung auch gegenüber dem Kapital liegt…“ aus „Statement der Anarchistischen Initiative Ljubljana“ am 19. Oktober 2020 bei Sunzi Bingfa externer Link zur menschenfeindlichen Politik einer Rechtsregierung, die alles verbieten will, außer natürlich, wie alle Rechten, der Maloche für den Kapitalismus.  Zu den Protesten in Slowenien eine weitere aktuelle Meldung und drei Hintergrundbeiträge über ihre Gründe und ihre Entwicklung:

  • „Corona-Proteste in Slowenien: „Lasst uns die Regierung unter Quarantäne stellen”“ am 02. Oktober 2020 im Lower Class Magazine externer Link ist ein Interview von David Rojas Kienzle mit einer anarchistischen Aktivistin aus Ljubljana – hier im ersten Teil über die Entstehung der Protestbewegung in Slowenien, wozu sie unter anderem ausführt: „… Wir sind jetzt ja schon im fünften Monat des Protests. Am 12. März verhängte Slowenien wegen Covid19 den Pandemiestatus. Noch in derselben Nacht übernahm Janez Janša die Regierung und wurde Premierminister, nachdem der ehemalige Premierminister Marjan Šarec zurücktrat. Janša ist ein rechtsextremer Politiker, dem Verbindungen zum Waffenhandel in den Balkankriegen in den 1990er Jahren nachgesagt werden. Er war auch der Premierminister, als 2012/2013 der große, sechs Monate andauernde Aufstand stattfand. Damals musste er unter dem Druck der Proteste zurücktreten. So begann der Pandemiezustand bei uns: Mit einem rechtsextremen Ministerpräsidenten und vielen Fragen, wie man sich als soziale Bewegung in einer Situation, in der Kollektivität verboten ist, organisieren kann. Es gab auch eine verpflichtende Quarantäne mit all den damit verbundenen Problemen und dem Slogan #stayathome: Dadurch gab es die Gefahr, dass diese Zuhause das Zuhause zu einem Schauplatz patriarchaler Gewalt werden, und patriarchale Werte gestärkt werden. Es wurde viel gegen Dating, gegen Geselligkeit, geredet. Im Prinzip wurde die Idee propagiert, dass der einzig sichere Ort die Familie sei, ohne darüber zu sprechen, was in den Familien passiert, die nicht bilderbuchmäßig sind, wo es zum Beispiel viel häusliche Gewalt gibt. In dem Diskurs wurden auch „die Anderen“, sprich Migrant*innen als schmutzig, gefährlich und als Krankheitsträger dargestellt. Wir wussten, dass diese Quarantäne nur denjenigen zur Verfügung steht, die sie sich leisten können, weil viele Menschen einfach nicht zu Hause bleiben können. Entweder, weil sie infolge der Gentrifizierung kein Zuhause haben und im Allgemeinen auf der Verliererseite der kapitalistischen Ausbeutung stehen, und natürlich, weil viele Menschen in der Industrie oder in Lieferdiensten und Geschäften dazu gezwungen sind, weiter zu arbeiten, damit andere Menschen zu Hause bleiben können. (…) Ich denke, es ist die Tatsache, dass wir während des Aufstands von 2012 und 2013 wirklich die Idee etabliert haben, dass man Politikern nicht trauen kann, weil sie gegen die Interessen der Menschen arbeiten. Und auch wenn sich damals die sozialen Unruhen gelegt haben und die Eliten eine Person geopfert haben, um sich als Ganzes zu erhalten, glaube ich, dass diese Regierung bei ihrem Amtsantritt wenig Vertrauen hatte. Deshalb wurden Maßnahmen, die ja auch in anderen Ländern ergriffen wurden, als eine Art Trick angesehen, den die Regierung benutzte. Die Leute sind skeptisch, denn sie haben sehr strenge Sparmaßnahmen erlebt, eine ideologische Übernahme des Wohlfahrtsstaates. Sie rechnen mit der Privatisierung des Bildungswesens und der öffentlichen Gesundheit. Sie rechnen mit Einschnitten in die Sozialstaatsstrukturen. Und sie erwarten, dass diese Regierung bald ideologische Themen wie das Recht auf Verhütung und Abtreibung in Angriff nehmen wird. Dazu kam die Tatsache, dass es offensichtlich war, dass die Regierung versuchte, einige Maßnahmen einzuführen, die nichts mit der Pandemie zu tun hatten, sondern damit, Dissens in der Gesellschaft zu verhindern. Zum Beispiel wollte die Regierung diese Pandemie sofort mit militärischer Gewalt bekämpfen, indem sie dem Militär Autorität über die Zivilbevölkerung gab...“
  • „Infoshop: Wachsende Unruhe gegen rechte Regierung mit autoritären, neoliberalen und nationalistischen Absichten in #Slowenien“ am 12. Juli 2020 bei Enough is Enough externer Link zum damaligen Stand der Proteste und  ihrer Perspektiven: „… Noch immer versammeln sich jeden Freitag rund 10.000 Menschen in der Hauptstadt und in mehr als 25 anderen Städten; aber auch zu anderen Anlässen, die vor allem mit Umwelt und Kultur verbunden sind oder zum Beispiel aus Solidarität mit Menschen, die in den USA gegen Rassismus kämpfen. Meistens nicht mehr auf Fahrrädern. Es gibt 3 größere Gruppierungen – einen antikapitalistischen, kulturellen und Umweltblock, die solidarisch zusammenarbeiten. Alle lokalen/autonomen Gruppen der anarchistischen Föderation – Federacija za anarhistično organiziranje (FAO) sind beteiligt. Nach Angriffen der Regime-Medien auf die Demonstrant*innen, individuelle und allgemeine Repression, instrumentalisieren die Polizei-Behörden neonazistische Gruppierungen, um den Protestierenden entgegenzutreten. Aber als Anarchistinnen bleiben wir stark und bei den Menschen! Wir haben nicht zugelassen, dass dieses Regime die Demonstrantinnen in Gut und Böse spaltet – einmal kamen viele schwarz gekleidete Demonstrant*innen, um sich mit dem antikapitalistischen Block zu solidarisieren, der zuvor ins Visier genommen worden war. Wir schaffen es, der Repression zu widerstehen – es gibt große solidarische Unterstützung mit den Unterdrückten; auch fanden ziemlich große und vielfältige Proteste vor der zentralen Polizeistation in der Nacht, als die Polizei nur wenige Menschen in Gewahrsam nahm, statt. Und der letzte Versuch, regierungsfreundliche Proteste mit Nazi-Gruppierungen (die als Symbol gelbe Westen trugen) zu etablieren, wurde erfolgreich abgewehrt – mit unserer Anstrengung und auch der Anstrengung der liberalen zivilgesellschaftlichen Öffentlichkeit, die nationalistische Manifestationen als solche ablehnte – nur 40 Nazis zeigten sich auf ihrem Protest, gegen mehrere tausend Menschen, die sich gemeinsam gegen sie stellten. Und einer der sehr wichtigen Orte der Koordination unter den Protestierenden sind Offene Vollversammlungen, die von den Anarchist*innen initiiert wurden...“
Kurzlink: https://www.labournet.de/?p=179913
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