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Nigerianische Gewerkschaften rufen zum Streik – und setzen ihn auch wieder aus: Weil die Regierung die Tariferhöhungen bei Strom und Benzin (für 14 Tage) ausgesetzt hat…

Nigeria: Demonstration in Lagos im Juli 2016 gegen InflationEs sind vor allem zwei soziale Probleme, die aus dem Leben der Menschen Nigerias immer wieder auch bis in das Ausland dringen: Der langandauernde Kampf um einen ausreichenden Mindestlohn – und die fast alljährliche Auseinandersetzung um die Erhöhung der Preise für Strom und Transport, anders gesagt, um die Reduzierung staatlicher Preisförderung. So auch 2020 – und wieder einmal riefen die beiden großen Gewerkschaftsverbände zum Streik gegen die Preiserhöhungen. Und setzten ihn aus, als die Regierung die Erhöhung aussetzte. Mancher mag nun versucht sein zu sagen, das sei ohnehin egal: Denn auch in Afrikas bevölkerungsreichstem Land, dem Öl-Staat Nigeria, arbeitet die große Mehrheit der Bevölkerung ohnehin im informellen Bereich, wie in so vielen anderen Ländern auch. Dennoch: Der gewerkschaftliche Kampf um einen ausreichenden Mindestlohn und gegen Teuerung ist unter anderem eben auch ein Kampf um die Festlegung gesellschaftlicher Rahmenbedingungen und deswegen für alle arbeitenden Menschen von Interesse, nicht nur für die unmittelbar Betroffenen. Und wenn dann zwei Gewerkschaftsverbände einen Streik beschließen und ihn wieder absagen, ist dies eben dann auch von allgemeiner Bedeutung. Zumal – einmal mehr – beide Beschlüsse ausschließlich von Funktionärsgremien gefasst wurden (und es auch Einzelgewerkschaften gab, die sich gleich eilfertig öffentlich vom Streikaufruf distanzierten – und welche, die diese Absagen nicht befolgten). Zur Bedeutung dieser aktuellen Entwicklung für Nigeria und die Gewerkschaftsbewegung eine kleine Materialsammlung vom 04. Oktober 2020:

„Why we shelved strike“ von Sodiq Oyeleke am 29. September 2020 bei Punch Nigeria externer Link ist ein Bericht über die gemeinsame Pressekonferenz der beiden Verbandsvorsitzenden (inklusive der Vertreter der wichtigsten Einzelgewerkschaften aus der Ölbranche) – bei der sie ihre Gründe für die Absage (offiziell: Verschiebung) des Streiks darlegten. Sie stellten dabei das Joint communique on the resolution of trade dispute between the Federal and the organised Labour represented by the Nigeria Labour Congress (NLC) and Trade Union Congress (TUC)“ vor, worin eben die „Verschiebung“ des Streiks begründet wurde, der eigentlich am Vortag hätte beginnen sollen. Wesentliche inhaltliche Begründung sind dabei die Zusagen der Regierung „palliative“ Mittel einzusetzen, um die Auswirkungen der Teuerung (und, was aktuell ebenfalls auf der Tagesordnung der Regierung steht, der Privatisierung der Öl-Weiterverarbeitung) auf die Bevölkerung zu minimieren. Worüber man offensichtlich (wie es auch geschieht) sehr lange streiten kann – nicht aber über die selbstherrlich-bürokratische Attitütde, bei der nicht einmal in Erwägung gezogen wird, vielleicht wenigstens zu behaupten, die Mitgliedschaft habe den Streik beschlossen und auch seine „Verschiebung“, nein, das wollen diese Herrschaften unter sich ausmachen…

„Nigeria: NNPC Boss Hails Labour for Suspending Planned Strike“ am 28. September 2020 im Vanguard externer Link (hier dokumentiert bei AllAfrica) war die Meldung über die allererste Reaktion auf die Streikabsage: Mele Kyari der Topmanager der Nigerian National Petroleum Corporation (NNPC) war begeistert von der „verantwortungsvollen Haltung“ der Gewerkschaften.

„Nigeria: Fuel Price, Electricity Tariff – Labour Succumbs to Pressure, Shelves Nationwide Strike“ von Idowu Isamotu, Balarabe Alkassim, Muideen Olaniyi, Lami Sadiq und Abdullateef Aliyu am 28. September 2020 im Daily Trust externer Link ist ein Beitrag, in dem sehr konkret die Auswirkungen der Regierungsmaßnahmen dargestellt werden – und, vor allem, die konkreten Zusagen an sozialen Erleichterungen, die den Gewerkschaftsverbänden gegeben worden seien. Das sind viele Zahlen – aber bei genauem durchlesen wird dennoch deutlich, dass, allen Zusagen zum Trotz, die „Sache“ für die Menschen in Nigeria immer noch teuer werden wird…

„Anger as labour leaders abort strike, mass protest“ am 29. September 2020 im Vanguard externer Link ist ebenfalls ein (redaktioneller) Beitrag, der genau die Zusagen dokumentiert, die die Regierung gemacht hat – aber auch ihre Verkündungen über ihre antisozialen Maßnahmen sofort im Anschluss. Und hier werden auch mehrere Kritiken an den konkreten Vereinbarungen berichtet.

„Nigeria: IPMAN Backs Fuel Hike, Says Members Will Not Be Part of NLC Strike“ am 26. September 2020 im Daily Trust externer Link ist als ein Beispiel eine der Meldungen im Vorfeld der Streikabsage über diverse Organisationen, die sich öffentlich von dem Streikaufruf distanzierten und die Teuerung befürworteten.

„Nigeria: Again, ASUU Vows Not to Call Off Strike“ von Kemi Olaitan am 01. Oktober 2020 bei This Day externer Link berichtet über die „andere Seite der Opposition“ – die Universitätsgewerkschaft ASUU weigerte sich rundweg, den vorbereiteten Streik abzusagen und mobilisiert weiter – und , ersten Berichten zufolge, sehr erfolgreich.

„Nigeria: How Organised Labour Deceived Nigerians“ von Reuben Abati am 29. September 2020 in der Premium Times externer Link ist ein sehr ausführlicher und ausgesprochen lesenswerter Artikel zur ganzen aktuellen Auseinandersetzung. Worin er nicht nur die diversen Vorstöße verschiedener Regierungen seit 2012 in den beiden wesentlichen Fragen der aktuellen Auseinandersetzung nachzeichnet, sondern auch darauf verweist, dass es erst massive Proteste, inklusive solcher vor Gewerkschaftszentralen, gewesen seien, die dazu geführt hätten, dass die Funktionäre einen Streik verkündet hätten. Und auch, dass es erneut solche Proteste nach seiner Absage gab. Außerdem macht er eine ganze Skizze der Entwicklung der Gewerkschaftsbewegung in Nigeria, die nun wahrlich nichts Gutes verheißt – begonnen nach dem Ende der Militärdiktatur mit der Rolle von Adams Oshiomhole dem damaligen Chef (wörtlich) der Textilgewerkschaft, der vor rund 20 Jahren seine Karriere begann – die ihm zweimal zum Gouverneur eines wichtigen Bundestaates machte – eine Entwicklung die heute von vielen versucht werde, nachzuahmen. Was aber daran scheitere, dass das kritische Potenzial auch in den Gewerkschaften heute viel größere sei, als damals, vor 20 Jahren…

„Labour under attack“ am 29. September 2020 im Nigeria Guardian externer Link ist ein landesweiter Überblick über die Reaktionen von verschiedenen Redaktionsmitgliedern aus verschiedenen Orten – wobei sich die Überschrift nicht etwa auf die Politik von Unternehmen oder der Regierung bezieht, sondern auf die regelrechte Welle von Kritik von Seiten sozialer Bewegungen, Einzelgewerkschaften und offensichtlich beachtlicher Teile der Gewerkschaftsbasis. Wobei es zu massiven Protestdemonstrationen in Ibadan und Benin gekommen sei, die von zahlreichen GewerkschaftsaktivistInnen organisiert worden seien – stets auch mit Kritik an einer Regierung, die – was nun wirklich keine nigerianische Besonderheit ist – an ihre Wahl-Versprechungen (etwa keine Verteuerung der Energie) nicht mehr erinnert werden mag…

„SPN Condemns Suspension of Strike by NLC and TUC Leadership“ am 29. September 2020 beim Democratic Socialist Movement Nigeria externer Link steht hier als Beispiel zahlreicher linker Kritiken an der Streikabsage. Hier unterstreicht die Socialist Party of Nigeria (SPN), dass sie die Meinung der Mehrheit der Gewerkschaftsmitglieder und der ärmeren Bevölkerung des Landes teile, dass diese Absage unumwunden negativ zu beurteilen sei, weil die Zusagen ohnehin „nichts wert“ seien.

Siehe ähnlich vom 30. Mai 2016 bereits: Streik gegen die Treibstoff-Preiserhöhung der nigerianischen Regierung abgebrochen: Erstmals kein einziges Zugeständnis…

Kurzlink: https://www.labournet.de/?p=179069
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