Sozialgarantie 2021: Spahn macht Beitragszahler zu Zahlmeistern der Corona-Pandemie

Dossier

Medizin und Ökonomie„… „Mit dem Vorschlag zur Finanzierung der Sozialgarantie 2021 will das Bundesministerium für Gesundheit die Versicherten und die gesetzlichen Krankenkassen zu Zahlmeistern für die Folgekosten der Corona-Pandemie machen. Der Vorschlag spricht der Idee einer Sozialgarantie blanken Hohn, denn garantiert wird hier nur eines: Nach warmen Worten und einer eindrucksvollen Ankündigungsrhetorik des Gesundheitsministers bleibt von den konkreten Maßnahmen zur Stabilisierung des Gesundheitssystems nicht viel übrig. Zwar soll der Bundeszuschuss einmalig um 5 Milliarden Euro aufgestockt werden, doch reicht diese Summe angesichts des Fehlbetrages von 16 Milliarden Euro bei Weitem nicht aus. Die bereits geschröpften Reserven der gesetzlichen Krankenkassen sollen nun zusammen mit einer Anhebung des durchschnittlichen Zusatzbeitrags die restlichen Löcher stopfen, die die Corona-Pandemie gerissen hat. Am Ende zahlen die Beitragszahler für die Krise – und nicht, wie versprochen, der Steuerzahler. (…) Nach den zahlreichen Gesetzen dieser Legislaturperiode, von denen die Versicherten nahezu nichts haben, während die Leistungserbringer oft satte Gewinne einstreichen durften, ist die Finanzlage der gesetzlichen Krankenversicherung (GKV) insgesamt angespannt. (…) Minister Spahn nimmt auch bewusst in Kauf, dass viele Krankenkassen bei deutlichen Ausgabensteigerungen künftig nahezu ohne Rücklagen auskommen müssen. Damit bringt die Politik etliche Kassen bewusst in Schieflage. Das macht nur, wer eigentlich einen vollständig liberalisierten Kassen-Wettbewerb und eine Neuordnung der Krankenkassenlandschaft beabsichtigt…“ DGB-Pressemitteilung 057 vom 16. September 2020 externer Link, siehe auch ver.di dazu:

  • [Gesamtsozialbeiträge] 40 Prozent – eine Abrechnung: Warum ein sozialpolitisches Dogma endlich abgeräumt gehört New
    „Der Sozialstaat stellt in der Corona-Krise einmal mehr seinen Wert unter Beweis. Doch das hat auch einen Preis. Nicht zuletzt in den Sozialversicherungen steigt entsprechend der Finanzdruck, teils klaffen Milliardenlöcher. Ursache sind nicht nur, aber eben auch die Pandemiekosten. Spätestens nach dem obligatorischen Kassensturz der neuen Bundesregierung stellt sich jedoch die Frage, wie die bestehenden und noch kommenden offenen Rechnungen beglichen werden. Aus dem Arbeitgeber(nahen)-Lager ertönen bereits laute Rufe, die in der Sozialgarantie 2021 externer Link gesetzte 40 Prozent-Obergrenze der Gesamtsozialbeiträge auch für die Zukunft festzuzurren. Mitgeliefert werden Sozialkürzungsvorschläge externer Link , mittels derer dies gelingen soll. Dabei sind die Argumente für die 40 Prozent bei Lichte betrachtet erstaunlich schwach. Die Umsetzung der Forderung wäre indes fatal: Ein Überwälzen der Kosten sowie der Verantwortung für soziale Sicherheit auf die Einzelnen und damit ein Schub gesellschaftlicher Entsolidarisierung wären die Folge. Höchste Zeit, das sozialpolitische Dogma der 40 Prozent abzuräumen. (…) Wenn das Schicksal der deutschen Wirtschaft sich also gar nicht an der 40-Prozent-Grenze entscheidet, worum geht es dann? Die Antwort ist schlicht: Im Kern geht es um die gute alte Verteilungsfrage. Die Sozialbeiträge werden paritätisch und damit auch anteilig durch die Arbeitgeber finanziert. Der Ruf nach der Obergrenze 40 zielt darauf, sich mit Blick auf die Begleichung der bestehenden Rechnungen und auch die zukünftige Finanzierung sozialer Sicherung aus der Affäre zu ziehen. Die Beschäftigten und insbesondere die Jüngeren können dies nicht gleichermaßen. Wollen sie bestehende und drohende künftige Lücken sozialer Sicherheit nicht hinnehmen, müssen sie privat vorsorgen – allein. Die durch niedrig gehaltene Beitragssätze vergleichsweise wenigen monatlich ‚hinzugewonnene‘ Euros beim Nettoentgelt müssen sie damit an anderer Stelle teuer bezahlen. Ein schlechtes Geschäft, bei dem nur die Arbeitgeber gewinnen. Gerade vor dem Hintergrund der aktuell wieder zunehmenden Rufe zur Rückkehr zur schwarzen Null und der stetigen Unterfütterung des 40 %-Dogmas gilt es sich auf harte Konflikte vorzubereiten.“ Beitrag von Katharina Grabietz und Stefanie Janczyk vom 29. April 2021 bei SopoInfo – Informationen zur Sozialpolitik der IG Metall externer Link
  • ver.di lehnt Abwälzung von Corona-Kosten auf Versicherte ab – Eingriff in Finanzhoheit der Selbstverwaltung
    „Die Vereinte Dienstleistungsgewerkschaft (ver.di) lehnt die Pläne von Gesundheitsminister Jens Spahn ab, die Folgekosten der Corona-Pandemie auf die gesetzlichen Krankenkassen und die Versicherten abzuwälzen. Die Bekämpfung der Pandemie und ihrer Folgen sei eine originäre Aufgabe des Staates. Dies gelte nicht nur für die Wirtschaft, sondern gerade auch für das Gesundheitswesen: „Wir fordern und erwarten daher einen ausreichenden Bundeszuschuss zur Stabilisierung des Systems der gesetzlichen Krankenversicherung und einen Verzicht auf Eingriffe in deren Rücklagen und Zusatzbeiträge“, betonte ver.di-Bundesvorstandsmitglied Dagmar König am Mittwoch. Zuvor hatte das Bundesgesundheitsministerium die Pläne zur so genannten Sozialgarantie 2021 vorgelegt. Neben einem leicht erhöhten Bundeszuschuss soll vor allem ein Eingriff in die Rücklagen der gesetzlichen Krankenversicherung in Höhe von acht Mrd. Euro sowie eine Anhebung des Zusatzbeitrags um 0,2 Prozentpunkte dazu dienen, die Mehrkosten der Pandemie abzudecken und gleichzeitig die Sozialversicherungsbeiträge unter der von der Großen Koalition verabredeten Grenze von 40 Prozent zu halten. ver.di lehne die vorgeschlagene Inanspruchnahme von Rücklagen der GKV und der zwangsweisen Erhöhung der Zusatzbeiträge entschieden ab. „Die Pläne führen zu einer Gefährdung finanzschwächerer Krankenkassen und greifen massiv in die Finanzhoheit der sozialen Selbstverwaltung ein“, sagte König. Zukünftig dringend benötigte Finanzreserven für bereits jetzt erkennbare Ausgabensteigerungen würden dann nicht mehr zur Verfügung stehen. „Das ist nicht hilfreich, sondern gefährdet die bestehende Krankenkassenvielfalt“, so König.“ ver.di-Pressemitteilung vom 16. September 2020 externer Link
  • Siehe zum Hintergrund unser Dossier: Auch in Deutschland stehen dem Corona-Virus (politisch gewollt) knappe Ressourcen des Gesundheitswesens gegenüber und Dossier: „Schlimmer als die Pandemie“ – Wirtschaftskreise fordern Abkehr von Schutzmaßnahmen: Finanzschlacht [und Klassenkampf] um Covid-19-Profite hat begonnen
Kurzlink: https://www.labournet.de/?p=178215
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