So geht Polizeistaat praktizieren: Massenhafte Durchsuchungen beim Roten Aufbau mit bombastischem SEK-Einsatz
Und es soll jetzt niemand sagen „ist ja nur der Rote Aufbau“ – weil, was immer man für oder gegen den RA sagen kann, will oder, von uns auch, soll: Die Polizeistaats-Aktion wurde organisiert, nicht wegen irgendwelcher Spezialitäten dieser Gruppierung, sondern, betrachtet man die bisher bekannten Begründungen, sind sie eindeutig gegen jegliche linken Aktivitäten verschiedenster Art gerichtet. Wohlgemerkt: Gegen linke Aktivitäten. Denn der versuchte „Sturm auf das Symbol unserer Demokratie“ (so nannten mehrere Medien den Reichstag – den können sie von uns aus behalten) mit Reichskriegsflaggen führte nicht zu vergleichbaren Polizeiaktionen. (Den Vergleich „Hanau-Berlin“ wollen wir erst gar nicht nochmals anstrengen). Eine Gedankenstütze auch vielleicht für jene, die da ständig härteres polizeiliches Vorgehen gegen Nazis und Rechte fordern mögen, als ob die uniformierten Einzelfälle nicht zur Rechten gehören würden. Zur Polizeiaktion gegen den RA vier weitere aktuelle Beiträge zu Begründungen, Ablauf und Bedeutung der Aktion – und, selbstverständlich, zur Solidarität:
- „Rote Hilfe e.V. verurteilt Razzia gegen Roten Aufbau“ am 31. August 2020 bei der Rote Hilfe e.V. ist eine Pressemitteilung des Bundesvorstandes, worin es unter anderem heißt: „… Heute morgen fanden in Hamburg, Schleswig-Holstein, Niedersachsen und Nordrhein-Westfalen insgesamt 28 Hausdurchsuchungen statt. Schwerpunkt der Razzien war Hamburg, deren Staatsanwaltschaft das Ermittlungsverfahren betreibt. Den Beschuldigten wird vorgeworfen, Mitglieder der linken Gruppe Roter Aufbau zu sein und eine kriminelle Vereinigung nach Paragraf 129 gebildet zu haben. Bereits im Vorfeld der Proteste gegen den G20-Gipfel war es zu Durchsuchungen gekommen. Hierbei gingen auch in der Vergangenheit die Polizeikräfte mit martialischem Auftreten inklusive SEK Einsatz vor. Nun werden den Genoss*innen laut Medienberichten schwere Straftaten vorgeworfen. Die Gruppe soll angeblich das Ziel verfolgt haben, Straftaten vom Landfriedensbruch, über Sachbeschädigung bis hin zur Aufforderung zur Begehung von Straftaten zu begehen. Hierzu erklärt Anja Sommerfeld, Mitglied im Bundesvorstand der Roten Hilfe e.V.: „Bei den Razzien handelt es sich um die größten Angriffe der letzten Jahre auf organisierte linke Strukturen. Nur zwei Tage nachdem Neonazis die Stufen des Reichstages erklimmen konnten, ohne nennenswert daran gehindert worden zu sein, haben die Repressionsbehörden nichts Besseres zu tun, als eine aktive linke Gruppe zu kriminalisieren. Als Begründung wird einmal mehr der Gesinnungs- und Strukturermittlungsparagraf 129 angeführt. Es handelt sich offenkundig um einen gezielten Einschüchterungsversuch gegen die gesamte linke Bewegung...“
- „Spontandemonstration gegen Hausdurchsuchungen in Hamburg „ am 31. August 2020 bei der ANF berichtet vom Vorgang und von erstem Protest: „… Am Montagmorgen gegen sechs Uhr wurden die Wohnungen von zahlreichen Hamburger Antifaschist*innen sowie der Stadtteilladen „Lüttje Lüüd“ (hamburgisch „Kleine Leute“) von der Polizei, teilweise mit Sondereinsatzkommandos (SEK) durchsucht. Gegen 24 Personen, die größtenteils aus dem Umfeld der Gruppe „Roter Aufbau“ stammen sollen, läuft offensichtlich ein Verfahren nach Paragraph 129 StGB (Bildung einer kriminellen Vereinigung). Welche konkreten Vorwürfe gegen die Beschuldigten im Raum stehen, ist nicht bekannt. Offensichtlich liegen aber manche Ereignisse, mit denen die Durchsuchungen begründet wurden, schon Jahre zurück. „In einigen der Wohnungen standen SEKler mit gezogenen Maschinenpistolen direkt vor den Betten der Wohnungsinhaberinnen,“ berichtete ein Freund eines Betroffenen. In einer Erklärung der Beschuldigten auf Facebook heißt es: „Es wurde jegliche Technik und Notizen mitgenommen, sowie einzelne Kleidungsstücke. Wir wissen, dass der 129 StGB berühmt ist als Schnüffelparagraph. Selten kommt es überhaupt zur Anklage, weil das primäre Ziel ist unsere Strukturen zu durchleuchten. Getroffen hat es uns, gemeint ist aber die gesamte radikale Linke. Wir rufen auf, heute sich mit Abstand und Masken vor der Roten Flora um 19 Uhr zu treffen. Dies ist der bisher gängige Umgang in Hamburg mit solch schweren Angriffen auf Teile der Bewegung. Wir würden uns freuen, wenn wir viele werden und eine kollektive Antwort darauf gehen! Wir lassen uns von solchen Maßnahmen nicht abbringen von unserer Praxis, wir bleiben antagonistisch dem Klassenstaat gegenüber!“ Dem Aufruf folgten mehrere hundert Menschen, die spontan durch den Stadtteil demonstrierten...“
- „Razzia beim „Roten Aufbau““ von André Zuschlag am 31. August 2020 bei der taz online zu offiziellen Begründungen der Polizei-Aktion unter anderem: „… Neben Wohnungen und Geschäftsräumen in Hamburg wurden auch Objekte in Niedersachsen, Nordrhein-Westfalen und Schleswig-Holstein durchsucht. Bei den Durchsuchungen setzte die Polizei auch das SEK ein. Die 24 Personen sollen mit dem „Roten Aufbau“ eine „kriminelle Vereinigung“ bilden. „Grundlage der Durchsuchung ist der Vorwurf nach Paragraph 129“, bestätigt Frombach. Außerdem sollen sie in unterschiedlichen Konstellationen verschiedene Straftaten begangen haben. Unter anderem geht es um Sachbeschädigung und Landfriedensbruch. Eine Straftat werfen die Ermittler*innen Teilen der Gruppe vor, die bereits vor vier Jahren passiert ist: Im Herbst 2016 wurden die Privatautos eines Hamburger Polizisten angezündet. Dieser war damals Leiter der Task Force „Drogen“, die gegen die Dealer*innen in St. Georg, St. Pauli und im Schanzenviertel vorging. Der Polizist sei ebenfalls mit operativen Aufgaben beim damals anstehenden G20-Gipfel betraut gewesen. Der Fall hatte dieses Jahr erneut für Aufsehen gesorgt, da Anfang Juni die Ermittler*innen mit der Bitte um Hilfe aus der Bevölkerung ins Fernsehen gingen. Bei „Aktenzeichen XY… ungelöst“ präsentierten sie neue Hinweise, die eine Beteiligung des „Roten Aufbaus“ nahelegen sollten. Seit November wird bereits gegen die Gruppe ermittelt. Laut Staatsanwaltschaft seien diverse Beweismittel sichergestellt worden. Angaben zu Details könne sie nicht machen. Auch die Wohnung von Halil S., bekanntestes Gesicht der Gruppe, wurde in den Morgenstunden durchsucht. „Das SEK hat die Tür eingetreten und hat die Wohnung mit Maschinengewehr betreten“, sagt S. der taz. Alle seine technischen Geräte seien mitgenommen worden. Für ihn nichts Neues: Schon unmittelbar vor dem G20-Gipfel führte die Hamburger Polizei eine Razzia bei ihm durch...“
- „Solidarität mit dem Roten Aufbau!“ am 31. August 2020 bei Dem Volke Dienen gibt einleitend die unterschiedlichen Darstellungen wieder: „… Heute wurde die linke Gruppe Roter Aufbau attackiert vom bürgerlichen deutschen Staat. Die reaktionäre Presse beschreibt dies folgendermaßen: „Wie die Hamburger Staatsanwaltschaft gegenüber WELT erklärte, wurden am Montagmorgen insgesamt 28 Objekte durchsucht, darunter vor allem Wohnungen und Wohnhäuser. Der Großteil der Durchsuchungen fand in Hamburg statt. Es gab allerdings auch je eine Durchsuchung in Niedersachsen, Schleswig-Holstein und Nordrhein-Westfalen. 200 Beamte waren beteiligt. Insgesamt wird gegen 22 Personen ermittelt, die nach WELT-Informationen alle der Gruppe „Roter Aufbau“ angehören sollen, einer anti-imperialistischen Gruppe mit marxistisch-leninistischen Wurzeln, die vom Verfassungsschutz beobachtet wird.“ Die Betroffenen selbst beschreiben es auf ihrer Facebookseite folgendermaßen: „Heute morgen hatten wir und Leute, die sie uns zuordnen, mal wieder Besuch. Teilweise kamen sie wieder mit SEK-Einheiten und haben Leute mit Maschinengewehren aus dem Bett gezogen. Es gibt ein Verfahren gegen unsere Struktur wegen der Bidung einer kriminellen Vereinigung nach Paragraph 129 StGB. Wir können aktuell das Ausmaß der Operation gegen uns nicht überblicken, aktuell gehen wir von 10-15 Hausdurchsuchungen aus. Außerdem wurde der linke Stadtteilladen Lüütje Lüüd durchsucht. Es wurde jegliche Technik und Notizen mitgenommen, sowie einzelne Kleidungsstücke. Wir wissen, dass der 129 StGB berühmt ist als Schnüffelparagraphen, selten kommt es überhaupt zur Anklage, weil das primäre Ziel ist unsere Strukturen zu durchleuchten.“ „Es soll sich gegen 22 Beschuldigte gerichtet haben und 27 Objekte wurden durchsucht. Neben 24 Durchsuchungen in Hamburg sollen jeweils eine Durchsuchung in Niedersachsen, Schleswig-Holstein und Nordrhein-Westfalen vollzogen sein.“ Dieser Angriff des deutschen Staates gegen den Roten Aufbau ist ein Angriff auf die revolutionäre Bewegung in der BRD insgesamt – hier geht es nicht um irgendeine Bande, sondern eine Gruppe innerhalb der revolutionären Bewegung. Viele von unseren Lesern haben bestimmte politische Antipathien gegenüber dieser politischen Gruppe, aber im gegenwärtigen Moment müssen all solche Haltungen zurück gestellt werden und eine gemeinsame Front gegen die Repression des imperialistischen Staates gebildet werden. Dieser Angriff richtet sich gegen die revolutionäre Bewegung insgesamt und es ist kein Zufall, dass er in der gegenwärtigen Situation des Ausnahmezustands statt findet; und besonders in einem politischen Moment, wo das „deutsche Volk“ aufgerufen wird die Reihen gegen die „Antidemokraten“ zu schließen in Hinblick auf die faschistische Provokation am vergangenen Wochenende. Die Provokation dient als Deckmantel in der Öffentlichkeit, um diesen abscheulichen Angriff gegen den Roten Aufbau durchzuführen – in dem Irrglauben, dass es keine große Gegenwehr hervorrufen wird. Aber der imperialistische Staat irrt sich. Wir sind sicher, dass eine große Welle der Solidarität entstehen wird, und wir rufen alle unsere Leser dazu auf, in jeder Stadt der BRD sofort Solidaritätsaktionen zu machen! Sofort Initiative zu zeigen und gemeinsam mit anderen den Schulterschluss der revolutionären Bewegung gegen den bürgerlichen Staat zu zeigen! Solidarität mit dem Roten Aufbau!...“
- Wir erinnern an unsere Rubrik § 129a im LabourNet-Archiv