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Die Demonstrationen in Belarus gehen weiter – begleitet von einer wachsenden Streikbewegung, die beginnt, eigene Positionen zu entwickeln
Trotz aller Einschüchterungsversuche samt militärischer Drohungen gehen die Proteste gegen das Lukaschenko-Regime in Belarus weiter – auch am Sonntag, 23. August 2020 waren in Minsk und allen anderen großen Städten des Landes Hunderttausende auf den Straßen. Die Polizei marschierte zwar ebenfalls auf, verzichtete aber an diesem Tag weitgehend darauf, das „französische Modell“ des Umgangs mit Demonstrationen anzuwenden, also das ganze Arsenal moderner Repressionskräfte einzusetzen. Was auch damit zu tun haben dürfte, dass die Streikbewegung, die im ganzen Land weiter wächst, ja auch zahlreiche Menschen mobilisiert, die bisher eher zu Anhängern (oder „Duldern“) des Regimes gehörten, zunehmend eigene Positionen entwickelt, die sich von jenen der liberalen Opposition im Sinne der EU immer deutlicher unterscheiden. Siehe in der Materialsammlung zur Entwicklung der Streikbewegung und ihrer Hintergründe, Vorgeschichte und Ursachen einige aktuelle Beiträge:
„Demos, Streiks und Repression“ von Ute Weinmann am 20. August 2020 in der jungle world (Ausgabe 34/2020) unter anderem zur Situation der Streikbewegung vor dem Wochenende der neuen Großdemonstration: „… Lukaschenko versucht, mit Gewalt an der Macht zu bleiben, löste nicht Angst und Schrecken aus, sondern steigerte eher das Selbstbewusstsein. In der vergangenen Woche kündigten gleich mehrere bekannte Moderatoren des belarussischen Staatsfernsehens. Am schlagkräftigsten aber agieren Beschäftigte großer Unternehmen, auf deren Unterstützung Lukaschenko einst zählen konnte. Bereits kurz nach den Wahlen trat ein Teil der Belegschaft des Metallwerks in Schlobin in den Streik. Nach und nach schlossen sich weitere Betriebe Aufrufen zum Generalstreik an. Seit Montag steht das Werk in Schlobin mit 11 000 Beschäftigten komplett still, auch die Belegschaft von Belaruskalij, einem der weltweit größten Düngemittelhersteller, trat in einen unbefristeten Streik. Im ganzen Land wird gestreikt, überall entstehen Streikkomitees. Auch wenn politische Losungen wie Neuwahlen und die Freilassung aller Gefangenen im Vordergrund stehen, finden sich auf den Flugblättern der Streikenden immer mehr soziale Forderungen – nach einer Rücknahme der Arbeitsrechtsreform, der Sicherung von Arbeitsplätzen, unabhängigen Gewerkschaften und dem Verbot der Privatisierung staatlicher Betriebe. Mit einem Generalstreik ließe sich das öffentliche Leben zum Stillstand bringen. Lukaschenko signalisiert nicht einmal Verhandlungsbereitschaft, die Verschärfung repressiver Maßnahmen ist zu erwarten. Angekündigt hatte er bereits, Einkünfte aus dem Ausland einer stärkeren Kontrolle zu unterziehen und den in den vergangenen Jahren geförderten nichtstaatlichen IT-Sektor kurz zu halten. Aber ökonomisch dürfte er diesen Kurs nicht lange durchhalten können...“
„Abertausende gegen die Diktatur“ von Bernhard Clasen am 23. August 2020 in der taz online fasst am Sonntagabend zu den Demonstrationen ohne weitere Berücksichtigung sozialer Anliegen zusammen: „… Bereits eine halbe Stunde nach Beginn der Demonstration meldete das Portal der belarussischen Menschenrechtsorganisation Charta 97 eine TeilnehmerInnenzahl von weit über 200.000 Menschen. Noch um 14 Uhr hatten Milizionäre KundgebungsteilnehmerInnen per Megafon aufgefordert, den Platz zu verlassen. „Haut doch ihr ab“, schallte es ihnen entgegen. (…) Auch in anderen Städten Weißrusslands waren Zigtausende auf die Straßen gegangen. In Gomel, der zweitgrößten Stadt von Belarus, war der zentrale Lenin-Platz voll mit Demonstrierenden. In Mosyr hatten sich Tausende unter einem Transparent mit der Aufschrift „Wir haben keine Angst mehr“ versammelt. Auch in Grodno und Schodino hatten sich Tausende versammelt. Überall prägten die Demonstrationen weiß-rote Flaggen. Diese Flagge war bis zum Regierungsantritt von Lukaschenko Nationalflagge und ist jetzt das Erkennungszeichen der Opposition. Seit 15 Tagen demonstriert die Opposition in Belarus bereits gegen den Präsidenten und die Wahlfälschungen vom 9. August 2020. Die letzten Tage waren vor allem von Menschenketten mit Frauen in weißer Kleidung in den Städten geprägt. „Blumen statt Gewehrkugeln“ war eines der Mottos dieser Menschenketten. Ihre Taktik war es, immer nur für kurze Zeit an bestimmten Straßen zu stehen und sofort den Ort zu wechseln, sobald die Polizei aufkreuzte. „Die Veränderungen in Belarus haben ein weibliches Gesicht“, sagte eine der Veranstalterinnen gegenüber dem russischen Portal lenta.ru. Unterdessen nimmt die Rhetorik von Präsident Lukaschenko und Vertretern seiner Regierung gegenüber den Demonstrierenden immer härtere Züge an. Am Samstag hatte Lukaschenko erklärt, er habe die Truppen von Belarus in Alarmbereitschaft versetzt…“
„Vorbeugende Drohungen“ von Reinhard Lauterbach am 24. August 2020 in der jungen welt zur Reaktion und den Perspektiven des Regimes unter anderem: „… Lukaschenkos martialische Rhetorik hat noch eine dritte Dimension. Indem er die Proteste geopolitisch auflädt, sucht er einer Entwicklung zuvorzukommen, die noch eintreten könnte, wenn man die Dinge jetzt laufenließe: Dass die Opposition dasselbe tut und die Unzufriedenheit mit der wirtschaftlichen Lage im Lande und mit dem Wahlergebnis ihrerseits in antirussische Bahnen zu lenken sucht. Anzeichen dafür gibt es: die Allgegenwart der weiß-rot-weißen Fahne der kurzlebigen »Belarussischen Volkrepublik« von 1918, die die »weißruthenischen« Nazikollaborateure während der Besatzungszeit und nach 1991 die belarussischen Nationalisten wieder ausgruben. Außerdem hatten drei der sieben Mitglieder von Swetlana Tichanowskajas »Koordinationsrat für die Machtübergabe« im Frühsommer ein nationalistisches Manifest unterzeichnet, das den Seitenwechsel von Belarus in Richtung EU und NATO nach ukrainischem Vorbild forderte. Tichanowskaja hat sich zwar davon distanziert – noch ist der Bruch mit Russland in Belarus wohl nicht mehrheitsfähig…“
„»Diesmal ist alles anders«“ von Mascha Malburg am 23. August 2020 in nd online zu Besonderheiten gegenüber früheren Protesten: „… Denn bei den vorherigen Wahlen hat die Regierung zwar die Ergebnisse manipuliert – »gewonnen hätte Lukaschenko aber vermutlich auch so«, erklärt Jeanna. Eine Mehrheit der Belarussen stand jahrelang hinter ihrem »Batka«, ihrem Vater, der zwar mit harter Hand regierte, aber eben auch für Stabilität und Ordnung sorgte, den Industrie- und Agrarsektor subventionierte und enge Wirtschaftsbeziehungen zu Russland pflegte. Zuletzt hatte es der starke Mann sogar geschafft, sich im Westen zu etablieren: Im Februar dieses Jahres war Belarus das erste Mal zur Münchner Sicherheitskonferenz eingeladen. Dieses Bild zerbrach in der Coronakrise. Da tat der in die Jahre gekommene »Papa« erst das Virus als Psychose ab, dann empfahl er Wodka und Banja (russische Sauna) gegen die Ansteckung. Während Lukaschenko im Fernsehen Hockey spielte, als sei nichts, wussten sich seine »Kinder« selbst zu helfen: Seit April haben sich in Belarus Hunderte Regionalgruppen gebildet, die sich über Telegram und Facebook koordinieren: Freiwillige tauschen Informationen zu Fallzahlen aus, verteilen Masken und sammeln Geld für die Krankenhäuser. Die Belarussen brauchten plötzlich ihren Vater nicht mehr, der nun auch noch anfing, sich über die Verstorbenen lustig zu machen, einen populären Video-Blogger einsperrte und seine Bürger als »Schafe« beleidigte. »Bei der diesjährigen Wahl musste Lukaschenko mehr als ein paar Prozente für sein Ego nach oben korrigieren«, vermutet Jeanna. Unabhängige Beobachter und vereinzelte Wahllokale, die die Stimmen korrekt ausgezählt haben, legen nahe, dass eine große Mehrheit gegen Lukaschenko stimmte. So ist es diesmal eben nicht nur die Intelligenzija, die es vor lauter Frust über den Wahlbetrug auf die Straße zieht. Es sind auch die Arbeiter, die in der Coronakrise das Vertrauen in ihren Präsidenten verloren. Es sind die jungen Angestellten, deren Jobs in der boomenden IT-Branche von Belarus gefährdet sind, wenn Lukaschenko das Internet abstellt, weil er Angst vor den Bildern hat, die seine Bürger in die ganze Welt verschicken. Es ist die belarussische Diaspora in Prag, Warschau und Berlin, die diese Bilder verbreitet und ihre Lokalpolitiker unter Druck setzt, nicht wegzuschauen. Vor allem aber sind es die Frauen...“
„Belarus – Das Endspiel wird ausgetragen“ von Rob Jones am 22. August 2020 im sozialismus.info zur Streikbewegung und ihren Auswirkungen: „… Einen enormen Aufschwung erlebten die Proteste am Donnerstag und Freitag, als über hundert Fabriken und Betriebe streikten. Von den großen Industriegiganten, die Tausende und manchmal Zehntausende von Arbeiter*innen beschäftigen, bis hin zu Krankenhäusern und dem IT-Sektor. Selbst der staatliche Rundfunk ist inzwischen auf die Seite der Opposition gewechselt. Das passierte in Folge einer Rede von Lukaschenko, in der er alle Demonstrant*innen beschuldigte, „Schafe“ zu sein, die für ausländische Mächte arbeiten würden und „Menschen mit krimineller Vergangenheit und Arbeitslose” seien. Diese ignoranten und provokativen Äußerungen haben nur Öl ins Feuer gegossen. Als Reaktion darauf produzierten Arbeiter*innen der riesigen Minsker Traktorenfabrik ein großes Transparent mit der Aufschrift „Wir sind keine Schafe, keine Rinder, keine Unmenschen – Wir sind die Arbeiter der MTF. Wir sind nicht 20, sondern 16.000” und marschierten damit am Freitag in Massen zum Parlamentsgebäude im Stadtzentrum. Bei ihrer Ankunft senkte die OMON-Bereitschaftspolizei, die das Gebäude umzingelt, ihre Schilde. Unter den ersten Protestierenden waren auch Beschäftigte aus dem Gesundheitsbereich. Einige hielten Plakate mit der Aufschrift „Patient Nr. 1 ist todgeweiht!” Berichten zufolge haben die Beschäftigten Polizist*innen, die in den ersten Tagen zur Behandlung ins Krankenhaus gingen, bewusst falsche, schwerwiegende Diagnosen gestellt, um sie daran zu hindern, weiter auf die Straßen zu gehen. Sanitäter*innen schlossen sich der wachsenden Zahl von streikenden Industriebetrieben an. Das passierte meistens in Form von Massenversammlungen in Werken, wo die Beschäftigten gefragt wurden, ob sie für Lukaschenko gestimmt hätten – niemand antwortete, dann schossen Hände hoch, als die Alternative angeboten wurde – eine Stimme für Tichonowskaja. IT-Mitarbeiter, die normalerweise in kleineren Betrieben arbeiten, schlossen sich auf den Straßen zusammen, um ihre Solidarität zu bekunden. Die Art dieses Aufstandes änderte sich im Laufe der Woche. Zu Beginn gab es im ganzen Land Massendemonstrationen, die in der Regel von der Bereitschaftspolizei angegriffen wurden. Über 6.000 Menschen wurden verhaftet und diejenigen, die inzwischen wieder freigelassen wurden, sprechen von einer enormen Überbelegung der Zellen und in vielen Fällen von Folter und Vergewaltigungsdrohungen gegen weibliche Gefangene durch die Polizei. Als sich die Nachricht von staatlicher Gewalt verbreitete, stiegen über Nacht in den Vororten von Minsk, wo die Arbeiter*innenklasse in der Regel lebt, Sprechchöre aus den Wohnungen auf: „skhodi, skhodi“ – „Rücktritt, Rücktritt“. Als sich die Streiks ausbreiteten, war die Polizei nicht mehr zuversichtlich, die Situation unter Kontrolle bekommen zu können und der nationale Polizeichef kündigte an, dass alle Inhaftierten freigelassen werden sollten...“
„Belarus: Es geht um mehr als Wahlmanipulation“ am 20. August 2020 im Jacobin Magazin ist die deutsche Übersetzung (auf die ursprüngliche englische Fassung hatten wir bereits in einer früheren Materialsammlung verlinkt) des Interviews mit Vitaly Schkurin und Ksenia Kunitskaja geführt von Volodymyr Artiukh in der Übersetzung von Astrid Zimmermann, worin es zur Entwicklung der frt sozialen Lage und der Gewerkschaftsbewegung in Belarus heißt: „… Darüber hinaus hat die Regierung den Sozialstaat konsequent abgebaut. Das zeigte sich 2004, als man begann, anstelle von Tarifverträgen Einzelverträge mit den Beschäftigten abzuschließen. Im Jahr 2017 wurde dann noch eine »Steuer auf Arbeitslosigkeit« eingeführt und der Militärdienst, Mutterschaftsurlaub und das Studium aus den Anrechnungszeiten für die Rente gestrichen. Die straffe Geldpolitik der letzten fünf Jahre führte zu einer Stagnation der Löhne, während die Preise aber weiter stiegen. (…) Es gibt nur einen großen nationalen Gewerkschaftsverband in Belarus und der ist Teil des bürokratischen Apparats der Lukaschenko-Regierung. Dessen Aktivitäten belaufen sich hauptsächlich darauf, Feierlichkeiten zu nationalen Feiertagen zu veranstalten und Gutscheine für Pflegeheime auszustellen. Diese »Gewerkschaft« hat mit dem Schutz der Rechte der Arbeitenden nicht zu tun. Die wenigen unabhängigen Gewerkschaften, die im Zuge des Aufschwungs der Arbeiterbewegung Anfang der 1990er Jahre gegründet worden waren, wurden zerschlagen. Es gibt nur noch in wenigen Unternehmen vereinzelt Zellen, die etwa der Unabhängigen Belarussischen Gewerkschaft zugehörig sind. Diese unabhängigen Gewerkschaften ähneln mittlerweile eher NGOs und sind weniger auf die Beiträge ihrer Mitglieder als auf ausländische Zuschüsse angewiesen. Sie leisten hauptsächlich Rechtshilfe für einzelne Arbeitnehmende, die diese beantragt haben. Der letzte große Protest, den die Belegschaft der Minsker U-Bahn im Jahr 1995 initiierte, wurde von Lukaschenko brutal unterdrückt. Seitdem ist von Streiks keine Rede mehr. Jetzt erleben wir die seither erste große Protestbewegung der arbeitenden Klasse. Bislang wirken diese Proteste eher wie Gesprächstermine mit der Unternehmensleitung, den »gelben« Gewerkschaften und den örtlichen Behörden. Doch am 17. August streikten die Beschäftigten von Belaruskali, einem der weltweit größten Kaliproduzenten (dort hat noch eine Zelle einer unabhängigen Gewerkschaft überlebt – deren Vorsitzender wurde bei seiner Verhaftung halb totgeschlagen). Bisher haben die Beschäftigten jedoch nur allgemeine demokratische Forderungen geäußert, die im Einklang mit dem breiten liberalen Protest stehen. Das ist eine neue Entwicklung: traditionelle politische Parteien, ob links oder rechts, spielten in diesem Fall praktisch keine Rolle. Inspiriert wurden die Proteste vielmehr von den Medien im weitesten Sinne, einschließlich der sozialen Medien. Diejenigen, die über eine starke Medienpräsenz verfügen, üben einen großen Einfluss auf die Meinung der Menschen aus. Das sind aber gerade diejenigen, die eine liberale und nationalistische Agenda unterstützen. Und wenn die Arbeitenden davon indoktriniert werden, wo soll dann eine klassenbewusste Arbeiterbewegung herkommen?...“
„Erste Lehren aus der belarussischen Revolution“ von Boris Kagarlitzky (ursprünglich auf russisch bei Rabkor am 16. August 2020) in deutscher Übersetzung von Reinhard Lauterbach hebt zur aktuellen Entwicklung in Belarus – im Vergleich vor allem zur Ukraine 2014 – hervor:
„Die Staatsmacht in Belarus hatte große Angst vor einem „Maidan“. Seit 2014 waren alle Anstrengungen der Geheimdienste und der Exekutivorgane darauf gerichtet, eine Wiederholung dieses Szenarios zu verhindern. Und man muss sagen: das haben diese Organisationen sehr professionell erreicht. Sie haben alle Erfahrungen der ukrainischen Krise studiert, die richtigen Schlussfolgerungen gezogen und hatten allen Grund für die Annahme, dass auch ernsthafte Proteste nach maximal 2 bis 3 Tagen unter Kontrolle zu bringen wären. Aber sie haben eines nicht bedacht: dass in Belarus kein „Maidan“ herangereift ist, sondern eine Volksrevolution. … Als in Minsk die Unruhen begannen, ging die Staatsmacht davon aus, dass sie mit aggressiver Gewaltanwendung die Straßenproteste unterdrücken und gleichzeitig den sympathisierenden Spießbürger einschüchtern könne. Verrechnet hat sie sich mit der Annahme, sie bekäme es nur mit ein paar tausend Aktivisten in der Hauptstadt zu tun, und nicht mit der Mehrheit des Volkes im ganzen Land. Das Potential sozialer und politischer Unzufriedenheit, das sich seit Jahren oder sogar Jahrzehnten angestaut hatte, musste in der Wirtschaftskrise unweigerlich zum Vorschein kommen, und dass eine revolutionäre Situation heranreifte, war schon während ds Wahlkampfes unübersehbar, als die Leute zu tausenden auf die Kundgebungen der Opposition kamen und die reale Unterstützung der Staatsmacht auf 15 Prozent geschätzt wurde. In dieser Situation haben die Repressionen den Protest nicht nur nicht zum Verlöschen gebracht, sondern ihn sogar noch angeheizt. … Beamte verstehen niemals, dass sich ein revolutionärer Prozess, wenn er einmal begonnen hat, sich mit rein polizeilichen Mitteln nicht aufhalten lässt. … Drei Tage der Konfrontation auf der Straße Führten dazu, dass die Polizeikräfte des Regimes völlig erschöpft und demoralisiert waren. Schon am zweiten Tag musste die Armee zur Hilfe geholt werden, aber … eine Wehrpflichtarmee, die gegen das eigene Volk eingesetzt wird, wird sich nach wenigen Tagen zersetzen und kann teilweise auf die Seite der Protestierenden übergehen. Sofort nach dem Beginn des Militäreinsatzes häuften sich Fälle von Befehlsverweigerung und Sabotage. In dieser Situation war die Staatsmacht klug genug, nicht bis zum Äußersten zu gehen…. Das entscheidende Moment waren aber die Massenstreiks der Arbeiter. … Nach zwei Tagen zwangen sie die Staatsmacht, die Gewaltanwendung einzustellen, und die Kundgebungen Tausender in den Städten werden schon von niemandem mehr auseinandergejagt. So etwas hatte es nicht nur in Belarus, sondern in ganz Osteuropa seit einem Vierteljahrhundert nicht mehr gegeben. Es erklärt sich teilweise damit, dass in Belarus, anders als in Russland und der Ukraine, die industrielle Basis erhalten und ausgebaut wurde und damit die Arbeitskollektive relativ jung und stabil sind. … Am Beispiel von Belarus kann man sehen, was eine wirklich revolutionären Aufstand von einer durch die Eliten organisierten „Farberevolution“ und einem Maidan unterscheidet: die Arbeiter verwandeln sich in eine selbständige politische Kraft, die jede künftige Staatsmacht in Belarus berücksichtigen muss“.
Aufruf »An Kommunisten und Linke in aller Welt« vom August 2020 ist ein Dokument der „Marxisten in Belarus“ von dem R. Lauterbach ebenfalls eine zusammenfassende deutsche Übersetzung angefertigt hat. Darin heißt es unter anderem:
„»Werte Genossen! Wir, die Marxisten von Belarus (MB), vertreten die wichtigsten kommunistischen und linken Zirkel, Organisationen und Parteien, die zusammen die Initiative ›Streik BY‹ gegründet haben. Wir bitten um Eure Solidarität und Unterstützung.
In der Republik Belarus sind Präsidentschaftswahlen abgelaufen, die eine politische Krise herbeigeführt haben. Diese Krise wird sowohl von der Opposition als auch von der Staatsmacht angeheizt. All dies hat zu einem in Belarus noch nie erlebten Ausmaß von Polizeigewalt geführt. In der Gesellschaft hat sich in den vergangenen Jahren der Regierung Lukaschenkos, vor allem aber in den letzten Jahren, Überdruss und Unzufriedenheit angestaut. Willkür von Beamten und Gerichten, Arbeiter- und volksfeindliche Gesetze, die schleichende Privatisierung und das ständige Anwachsen der Privatwirtschaft haben dies gefördert. Die liberale Opposition, die sich auf das internationale Kapital orientiert, nutzt die Unzufriedenheit der Massen (…) unter dem Vorwand friedlicher Proteste. (…) Die Opposition versucht mit allen Mitteln zu siegen, die Staatsmacht ebenso. Vor unseren Augen vollzieht sich der Kampf zwischen dem von Lukaschenko (…) verkörperten staatskapitalistischen System und verschiedenen internationalen imperialistischen Kräften, die von der Opposition vertreten werden. (…) Mit Wahlen ist das nicht zu verändern, sondern nur durch die organisierte Macht der Arbeitskollektive, die hier und jetzt ihre Klasseninteressen verteidigen, zumal die Arbeiterklasse von Belarus sich jetzt ihrer Kraft bewusst wird. Denn sie war es, die die Polizeigewalt zum Stillstand gebracht hat. Und für die Arbeiterinteressen muss man genau jetzt zu kämpfen beginnen, wo die Massen politisiert und zum Handeln bereit sind.« …“ (Das Original unter http://zbstby.org/to-communists-and-left.html )
„Open statement “For free democratic worker Belarus!”“ am 18. August 2020 bei der Unabhängigen Gewerkschaft ‘Labour Defence’ der Ukraine ist eine Stellungnahme der ukrainischen Gewerkschaften, in der die Streikbewegung in Belarus begrüßt und unterstützt wird – und gleichzeitig darauf verwiesen, dass es für Gewerkschaften in Belarus sinnvoll und nötig sein könnte, aus den Erfahrungen der Ukraine zu lernen: Im sogenannten Maidan sei der berechtigte Protest gegen das Janukowitsch-Regime von Rechten und Rechtsradikalen „gekapert“ worden sei, um eine nationalistische-neoliberale Wende zu verwirklichen, was durch die Schwäche der Gewerkschaftsbewegung ermöglicht worden sei.
- Zu den aktuellen Massenprotesten in Belarus zuletzt: „Was die EU wegen der demokratischen Massenproteste in Belarus tun soll? Ihre neoliberalen Polizeistaats-Finger von dem Land lassen“ am 19. August 2020 im LabourNet Germany