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[14. – 16. August 2020] Ein Wochenende des Widerstandes in Indonesien: Gegen das „Omnibus-Gesetz“ im Dienste „ausländischer Investoren“

Einer der zahlreichen Proteste gegen das Omnibus-Gesetz in ganz Indonesien vom 14. bis 16.8.2020„… In vielen Städten demonstrierten wieder hunderte bis tausende gegen das sogenannte „Omnibus-Law“. Es stand auf der Tagesordnung des Parlaments, ist aber in den September verschoben worden. Es ist ein Regierungsentwurf für ein Gesetzespaket, das Investitionen (vor allem aus dem Ausland) erleichtern soll. Es soll Gesetze und Regelungen in vielen Bereichen ändern: Flexibilisierung der Arbeit, Landrechte, Umweltschutzregelungen. Demos gab es in Jakarta (mehr als 100 Festnahmen), Surabaya, Yogyakarta (da wurde die Demo von unbekannten Schlägern angegriffen), Sukabumi, Kampar (Riau). In Dompu auf der Insel Sumbawa wurde der Sitzungsraum des Regionalparlaments aufgemischt, nachdem der Vorsitzende nicht für ein Gespräch verfügbar war“ so die Meldung 10811 am 14. August 2020 bei Asien Aktuell externer Link über die Demonstrationen vor diesem Wochenende – ein Bestandteil der kontinuierlichen und chronologischen Berichterstattung des Protestes gegen das Omnibus-Gesetz in Indonesien. Siehe dazu zwei weitere aktuelle Meldungen (Demonstrationsvideos) und einen ausführlichen Hintergrundartikel über das Omnibus-Gesetz und seine Wirkung, sowie den Link zu einem dokumentierenden Hashtag:

  • „Das Omnibusgesetz zur Schaffung von Arbeitsplätzen: Wirtschaftswachstum zuerst! – Menschenrechte, Umwelt und Demokratie später?“ am 27. Mai 2020 bei Watch Indonesia externer Link stellte das Gesetzespaket folgendermaßen zusammenfassend vor: „… Nach allen verwaltungsrechtlichen Standards ist es zumindest fraglich ob, das Omnibusgesetz überhaupt als Gesetz bezeichnet werden kann und sich, ebenfalls gemessen an diesen Standards, für eine Abstimmung überhaupt qualifizieren dürfte. Anders als die weithin anerkannte Definition eines Gesetzes, schafft es nämlich keine neuen Bestimmungen, sondern ändert lediglich bestehende. Überdies ermächtigt Artikel 170 des Entwurfs die Regierung dazu, künftig jedes bestehende Gesetz zu ändern, das sie als Hindernis für ihrer Strategien zur Schaffung von Arbeitsplätzen erachtet. Jenseits dieser (formalen) Unebenheiten, erscheint das Omnibusgesetz im Wesentlichen als ein – übrigens ebenso in autoritären Systemen beliebtes – Instrument, Mehrheiten im Parlament auch gegen die Überzeugung der Mehrheit der Abgeordneten zu organisieren – Mehrheiten, die bei Einzelabstimmungen möglicherweise nicht zustande kämen. Darüber hinaus fehlte es an öffentlicher Transparenz. Die Regierung hat es versäumt, das Gesetzgebungsverfahren für legitime und relevante Interessengruppen zu öffnen. So richtete Airlangga Hartarto, der koordinierende Wirtschaftsminister, im Rahmen der öffentlichen Konsultation zum im Dezember 2019 zwar eine Arbeitsgruppe ein. Unter den insgesamt 127 Arbeitsgruppenmitgliedern fanden sich jedoch vor allem Wirtschaftsakteure und Vertreter*innen von Unternehmenskonglomeraten. Ähnlich einseitig gestaltet sich die Ergänzung der im Entwurf gelisteten Investitionshindernisse, für die die indonesische Handelskammer (KADIN) beauftragt wurde. Diese fiel in der Vergangenheit mehrfach durch arbeitnehmerfeindliche Positionen auf – unter anderem sprach sie sich gegen die Anhebung von Mindestlöhnen aus. Die Arbeiter*innenbewegung, Demokratie- und Menschenrechtsgruppen sowie Umweltverbände haben die Heimlichkeit, mit der der Entwurf dem Parlament vorgelegt wurde sowie die mangelnde Beteiligung der Öffentlichkeit immer wieder scharf kritisiert. Eine solche Vorgehensweise steht auch in Widerspruch zu Indonesiens menschenrechtlichen Verpflichtungen. Artikel 25 des Internationalen Pakts über bürgerliche und politische Rechte, den Indonesien 2006 unterzeichnet hat, verpflichtet die indonesische Regierung das Recht der Bürger*innen auf Beteiligung an Entscheidungsfindungen, einschließlich der Politikgestaltung, zu garantieren und Gesetzgebungsverfahren unter Beteiligung der Öffentlichkeit durchzuführen. Für Usman Hamid, Exekutivdirektor von Amnesty International Indonesien, widerspricht der Entstehungsprozess sowohl indonesischen als auch internationalen menschenrechtlichen Grundprinzipen. Nicht zuletzt wird die Aushöhlung des Autonomiegesetzes befürchtet. Der Entwurf sieht vor entscheidende Genehmigungsverfahren in Jakarta zu zentralisieren und die Entscheidungsmacht regionaler Behörden zu schwächen. In der Praxis soll die Entscheidungsgewalt über die Landzuweisung von den Lokalregierungen auf die Zentralregierung übertragen und die Verwaltung der Stromversorgung wieder auf staatliche Unternehmen verlagert werden. Eine solche Rezentralisierung führt zu einer Umkehr der während der Demokratisierung mühsam erkämpften Stärkung der Regionen. Diese Beschneidung der bereits in den Anfängen der Demokratisierung mühsam errungenen Stärkung der Regionen, erscheint nicht nur Umweltschützer*innen und Indigenenvertreter*innen wie eine Rückkehr in die Zeiten, in denen eine ausgewählte Riege von regierungstreuen Oligarchen, gemeinsam mit Militärs und der politischen Elite, mit der Kanalisierung von Naturschätzen und Erträgen nach Jakarta, quasi alle Regionen außerhalb Javas ausgeblutet haben. Die geplanten Eingriffe in das Arbeitsrecht tragen zu weitreichender Prekarisierung von Arbeitsverhältnissen bei und nehmen Arbeitgeber*innen in etlichen Bereichen aus der Pflicht. Würden sie rechtskräftig, wären Arbeitssicherheit, betriebliche Sozialleistungen und die Aussicht auf faire Löhne drastisch reduziert. Zu den einschlägigen Bestimmungen gehört beispielsweise die Umstellung des Lohnsystems auf ein Stundenlohnsystem, was zwangsläufig zu Änderungen der bestehenden Mindestlohnvorschriften führen wird, sprich: die Reduzierung von Mindestlöhnen. Andere sind darauf ausgelegt, die maximale Wochenarbeitszeit und das Überstundenkontingent zu erhöhen. Die allgemeinen Ansprüche auf Abfindungszahlungen, die über eine Grundversorgung hinausgehen, werden entweder reduziert oder ganz gestrichen. Die geplante Aufhebung jeglicher Einschränkungen für Leiharbeit und der regionalen Mindestlöhne in arbeitsintensiven Industrien lässt nicht nur Lohndumping und Einkommensunsicherheit, sondern auch eine Verschärfung der hire-und-fire-Mentalität erwarten. Im Übrigen sollen bezahlte Sonderurlaubstage, wie sie z.B. für Heirat oder Todesfälle existieren, komplett abgeschafft werden. Die bisherige Verpflichtung für Unternehmen, bezahlten Mutterschutz zu gewährleisten, soll abgeschafft werden. Eine Ersatzleistung ist nicht in Sicht. Der Entwurf sieht ebenfalls vor, bestehende Umweltschutz- und Umweltmanagementstandards obsolet zu machen...“
  • #omnibuslaw externer Link ist der Hashtag auf dem Twitter-Meldungen (allerdings, nahe liegend: Meist auf Bahai) dokumentiert werden
Kurzlink: https://www.labournet.de/?p=176913
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