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Das Abkommen der Regierung Argentiniens mit den Kreditgebern: Gewinn für wen?

Demonstration streikender Gesundheitsbeschäftigter in Corona-Zeiten: Gegen den Lockdown in Argentinien im April 2020„… Zwiespältig. Zwar ist der nominale Schuldenschnitt, der hauptsächlich die zu zahlenden Zinsen betrifft, relativ hoch – auf 100 Dollar des aktuellen Werts der Kapitalschulden sollen knapp 55 Dollar gezahlt werden. Die vereinbarten Rückzahlungen entsprechen aber dem gesamten Kapital plus einer Zinsrate von fast vier Prozent, was am heutigen Kapitalmarkt extrem hoch ist. Die argentinische Regierung behauptete außerdem lange, mehr als 45 Dollar auf 100 Dollar Schulden wären für Argentinien untragbar. Die Absicht des Finanzministers Martín Guzmán, die Verhandlungen nur mit moderaten Forderungen zu beginnen, führten zu einer ziemlich schwachen Ausgangsposition und im Endeffekt zu keinem sehr guten Ergebnis. [Rückendeckung erhielt die argentinische Regierung vom Internationalen Währungsfonds, IWF. Bislang hat dieser eher die Rolle eines Inkassobüros der Gläubiger gespielt und verknüpfte seine Kredite mit Auflagen der Privatisierung und des Sozialabbaus.] Der IWF hat tatsächlich aktiv die Position der argentinischen Regierung unterstützt. Die Motive sind jedoch nicht völlig klar. Handelt es sich angesichts der immensen globalen Schuldenkrise um eine tatsächliche Änderung der IWF-Leitlinien? Oder wollten sie im Falle Argentiniens bloß die eigene »Leiche im Keller« verstecken? Der IWF hatte an den argentinischen Staat 2018 den größten Kredit seiner Geschichte vergeben – in Höhe von über 54 Milliarden US-Dollar. Das verstieß nicht nur gegen alle eigenen Regeln, sondern beschleunigte die immense Kapitalflucht aus dem Land und geschah offensichtlich als Anerkennung für die neoliberale Politik der vorherigen Regierung Mauricio Macris, die die großen Fortschritte ihrer Vorgängerregierung durch Privatisierungen, Sozialabbau und exportorientierte Freihandelspolitik zunichte machte. Hinzu kommt: Je besser der Ausgang der Verhandlungen mit den privaten Gläubigern, um so besser ist die Zahlungsfähigkeit Argentiniens gegenüber dem IWF, dessen Kredit auch umgeschuldet werden muss...“ – aus dem Gespräch „»Ohne ein anderes Wirtschaftsmodell nur gekaufte Zeit«2 am 07. August 2020 in der jungen welt externer Link, das Joachim Jachnow mit dem Ökonomie-Professor Andrés Musacchio führte. Siehe dazu auch zwei weitere – sehr gegensätzliche – Einschätzungen über Bedeutung und Folgerungen dieses Abkommens:

  • „Argentinien wendet Staatsbankrott ab“ am 05. August 2020 bei Blickpunkt Lateinamerika externer Link bewertet das Abkommen ausgesprochen positiv: „… Die Schulden der zweitgrößten Volkswirtschaft in Südamerika galten zu den aktuellen Bedingungen als nicht mehr tragfähig. Deshalb hatte Argentinien von seinen privaten Gläubigern gefordert, auf einen Teil ihrer Forderungen von rund 65 Milliarden US-Dollar (rund 56 Mrd. Euro) zu verzichten. Ohne eine Einigung hätte eine erneute Staatspleite gedroht – es wäre die insgesamt neunte gewesen und die dritte seit 2001. Unter den Gläubigern sind große US-amerikanische Investmentfonds wie Blackrock, Ashmore und Fidelity. Sie haben sich nun bereit erklärt, auf rund 45 Prozent ihrer Forderungen zu verzichten, berichten die Finanzmedien Bloomberg und Wall Street Journal unter Berufung auf Insider. Argentinien steckt in einer schweren Finanz- und Wirtschaftskrise. Die Inflationsrate betrug zuletzt mehr als 50 Prozent. Zusätzlich verstärkt werden die Probleme des Landes durch die Corona-Pandemie. Für das laufende Jahr rechnen Experten des Internationalen Währungsfonds (IWF) mit einem Rückgang der Wirtschaftskraft um mehr als zehn Prozent. Auch in den beiden Vorjahren ist die Wirtschaftsleistung geschrumpft. Gespräche mit dem IWF, bei dem Argentinien mit 44 Milliarden Dollar verschuldet ist, könnten als nächstes anstehen. Argentiniens Präsident Alberto Fernandez, der seit Dezember regiert, hat eine Reduzierung der öffentlichen Schulden in Höhe von 323 Milliarden Dollar zur Priorität erklärt. Gerade in Corona-Zeiten könne das Land nicht weiter 20 Prozent seiner Staatseinnahmen für Zinszahlungen ausgeben, hatte Wirtschaftsminister Martin Guzman im Mai gesagt. Der IWF stimmt dem grundsätzlich zu und hat die Schuldenlast Argentiniens bereits als untragbar bezeichnet. Allerdings ist davon auszugehen, dass der IWF im Gegenzug für eine Umschuldung wirtschaftliche Reformen sehen will, die von den regierenden Peronisten abgelehnt werden...“
Kurzlink: https://www.labournet.de/?p=176464
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