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Gewerkschafter verklagen Bolsonaro in Den Haag: Brasiliens Staatschef werden Verbrechen gegen die Menschlichkeit in Coronakrise vorgeworfen

Gewerkschafter verklagen Bolsonaro in Den Haag: Brasiliens Staatschef werden Verbrechen gegen die Menschlichkeit in Coronakrise vorgeworfenStellvertretend für das brasilianische Gesundheitspersonal hat ein Zusammenschluss von Gewerkschaften den Internationalen Strafgerichtshof in Den Haag angerufen, eine Untersuchung gegen Brasiliens Präsidenten Jair Bolsonaro wegen dessen Umgang mit der Corona-Krise einzuleiten. Die Arbeitnehmervertreter werfen dem rechtspopulistischen Staatsoberhaupt Verbrechen gegen die Menschlichkeit vor, wie aus dem am Montag beim IStGH eingereichten Schriftsatz hervorgeht. Die Gewerkschaften beschuldigen Bolsonaro, »kriminell fahrlässig mit der Covid-19-Pandemie umgegangen zu sein und dabei das Leben von Angehörigen des Gesundheitswesens und der brasilianischen Gesellschaft aufs Spiel gesetzt zu haben«. Der Gewerkschaftsverbund gibt an, mehr als eine Million brasilianische Angehörige des Gesundheitssektors zu vertreten. Der Gerichtshof in Den Haag ist nicht automatisch verpflichtet, sich derartiger Anliegen anzunehmen. Nach Angaben der Gewerkschaften handelt es sich um die erste derartige Aktion gegen eine Regierung »wegen eines Massensterbens aufgrund von Versäumnissen im öffentlichen Gesundheitswesen«. Die Regierung von Bolsonaro »sollte für ihre gefühllose Reaktion auf die Pandemie zur Rechenschaft gezogen werden«, sagte Marcio Monzane von der Organisation Uni Americas, die die Klage anführt…“ Agentur-Meldung vom 28. Juli 2020 in neues Deutschland online externer Link, siehe weitere Informationen:

  • die Meldung der UNI global union vom 27.7.2020 externer Link: Queja ante el Tribunal Penal Internacional afirma que la respuesta del gobierno brasileño al Covid-19 es un crimen contra la humanidad
  • Bolsonaros Corona-Politik: Gewerkschaften rufen Internationalen Strafgerichtshof an
    Brasiliens Präsident Bolsonaro steht wegen seines Umgangs mit der Coronakrise in der Kritik. Vertreter des Gesundheitspersonals werfen ihm Verbrechen gegen die Menschlichkeit vor – und schalten Den Haag ein…“ Meldung vom 27.07.2020 beim Spiegel online externer Link
  • Siehe zum Hintergrund auch: Offener Brief von Frei Betto: „In Brasilien geschieht ein Genozid“
    Nur Druck aus dem Ausland kann den Genozid stoppen, der unser geliebtes und wunderbares Brasilien heimsucht“. Liebe Freunde und Freundinnen, in Brasilien geschieht ein Genozid! Heute, am 16. Juli, hat Covid-19, das hier seit Februar existiert, schon über 76.000 Personen getötet. Zwei Millionen sind infiziert. Bis Sonntag, den 19. Juli, werden wir 80.000 Todesopfer haben. Wenn Du diesen dramatischen Appell liest, sind es vielleicht schon 100.000. (…) Dieser Genozid ist nicht auf eine Gleichgültigkeit der Regierung Bolsonaro zurückzuführen. Er ist beabsichtigt. Bolsonaro vergnügt sich am Tod anderer. Als Bundesabgeordneter sagte er in einem TV-Interview: „Mit Wahlen änderst du nichts in diesem Land, nichts, rein gar nichts. Das wird sich leider erst ändern, wenn wir eines Tages in einen Bürgerkrieg ziehen und die Arbeit erledigen, die das Militärregime nicht gemacht hat: 30.000 zu töten.“ (…) Von Beginn an erklärte er, wichtig sei es, die Wirtschaft zu retten, nicht Leben. Daher seine Weigerung, einen Lockdown zu verhängen, die Orientierungen der WHO zu akzeptieren und Beatmungsgeräte und individuelle Schutzausrüstungen zu importieren. Deshalb musste das Oberste Gericht diese Verantwortung an Gouverneure und Bürgermeister übertragen. Bolsonaro akzeptierte nicht einmal die Autorität seiner eigenen Gesundheitsminister. Seit Februar hatte Brasilien zwei, beide traten zurück, weil sie sie sich weigerten, die Position Bolsonaros zu übernehmen. Jetzt steht General Pazuello dem Ministerium vor, der nichts von Gesundheitspolitik versteht. Dafür versuchte er, die Opferzahlen der Pandemie zu verheimlichen. Er berief 38 nicht qualifizierte Militärs auf wichtige Posten des Ministeriums und schuf die täglichen Presseauftritte ab, die bis dahin der Bevölkerung zur Orientierung dienten. (…) Die Gründe für die kriminelle Absicht der Regierung Bolsonaro sind offensichtlich. Die Alten sterben lassen, um Sozialausgaben zu sparen. Menschen mit Vorerkrankungen sterben zu lassen, um Kosten im öffentlichen Gesundheitswesen einzusparen. Die Armen sterben zu lassen, um Kosten von Bolsa Familia und anderen Sozialprogrammen für die 52,5 Millionen in Armut und die 13,5 Millionen in extremer Armut (offizielle Angaben) zu optimieren. Noch nicht zufrieden mit solchen todbringenden Maßnahmen hat der Präsident jetzt das Veto gegen jenen Teil des Gesetzes vom 3. Juli eingelegt, der zum Tragen von Schutzmasken in Geschäften, Kirchen und Schulen verpflichtet. Er legte auch das Veto ein gegen Strafen für die Nichtbefolgung der Regeln sowie gegen die Verpflichtung für die Regierung, Masken an die Ärmsten – die Hauptopfer von Covid-19 – und Gefängnisinsassen zu verteilen. Doch diese Vetos können die lokalen Bestimmungen für das Tragen von Masken nicht aufheben. Am 8. Juli legte Bolsonaro das Veto gegen Gesetzesbestimmungen des Senats ein, die seine Regierung verpflichtet hätten, die indigenen Dörfer mit Trinkwasser und Hygienematerial, Internetzugang, Essensrationen, Saatgut und anderen Agrargütern zu versorgen. Er belegte auch den Gesundheitsnotfonds für indigene Gesundheit und die Nothilfe während drei Monate von 600 Reais (rund 100 Euro) für Indigene und Quilombolas1 mit einem Veto. Ebenso die Verpflichtung der Regierung für mehr Intensivbetten, Geräte für Beatmung und Messung von Sauerstoff im Blut zugunsten indigener Völker und Quilombolas. Indigene und Quilombolas werden durch die wachsende sozioökologische Zerstörung insbesondere im Amazonasgebiet dezimiert.  Bitte macht dieses Verbrechen gegen die Menschlichkeit so bekannt wie möglich…“ Offener Brief von Frei Betto vom 16. Juli 2020 am 21.07.2020 in der Übersetzung durch Dieter Drüssel und Mario Schenk bei amerika21 externer Link (Frei Betto ist Befreiungstheologe und Autor aus Brasilien)
  • Brasilien ringt um Luft. Pandemie fordert im größten Land Südamerikas weiter viele Opfer. Bischöfe kritisieren Regierung scharf
    Die »kleine Grippe« ist für den Riesen Brasilien längst ein Riesenproblem. Die bei ihrem Übergreifen auf das Land im März von Präsident Jair Bolsonaro so heruntergespielte Coronavirus-Pandemie brachte bisher etwa 2,42 Millionen registrierte Infektionen. Mehr als 87 000 Todesfälle werden auf durch das Virus ausgelöste Covid-19-Erkrankungen zurückgeführt. Die Zahlen lügen, und sicher nicht nur, weil im internationalen Vergleich wenig getestet wird. Offiziell noch mehr Opfer haben nur die USA zu beklagen. Brasilien steht im traurigen Ranking der Corona-Pandemie weltweit auf dem zweiten Platz. Zurückzuführen ist das auf die Arbeits- und Lebensbedingungen vor allem der ärmeren Schichten in den Metropolen, in denen sich vier Fünftel der etwa 210 Millionen Köpfe zählenden Bevölkerung Brasiliens ballen, ein marodes öffentliches Gesundheitssystem und den politischen Zynismus der Regierung Bolsonaro in der Coronakrise. Maßnahmen zur Eindämmung der Seuche wurden vom Staatschef kritisiert und behindert, gesundheitspolitische Erfordernisse als den Interessen der Wirtschaft nachgeordnet behandelt. Zu Hause bleiben nannte er »eine feige Sache«. Statt dessen propagierte Bolsonaro wie sein Geistesbruder im Weißen Haus ein bei Covid-19 nicht hilfreiches Medikament, welches in großen Mengen beschafft wurde. Am vergangenen Sonntag reichte eine breite Koalition von Gewerkschaften des brasilianischen Gesundheitssektors, unterstützt von sozialen Bewegungen, beim Internationalen Strafgerichtshof in Den Haag in den Niederlanden Klage gegen Jair Bolsonaro ein. (…) Drei weitere ähnliche Klagen aus Brasilien gegen Bolsonaro wegen Menschenrechtsverletzungen, unter anderem gegenüber den indigenen Völkern, liegen dem Tribunal bereits vor. Ob es jedoch tätig wird, bleibt abzuwarten. Ein scharfer Gegenwind schlägt der Bolsonaro-Regierung »angesichts der beispiellosen Gesundheitskrise« auch von der katholischen Kirche entgegen. In einer »Brief an das Volk Gottes« genannten Erklärung einer Gruppe von 152 Bischöfen aus dem ganzen Land werfen diese der Regierung Verachtung für Bildung, Kultur und Erziehung, Ignoranz und Apathie gegenüber den Ärmsten sowie überhaupt politische und eine »Unfähigkeit zur Bewältigung von Krisen« vor. Die Gesellschaft benötige einen breiten Dialog und dazu fähige Anführer. Die Kirchenvertreter kritisieren die Vermischung von Staat und Religion. Der Präsident missbrauche den Namen Gottes, um Hassbotschaften zu verbreiten, sich autoritäre Macht zu sichern…“ Artikel von Peter Steiniger vom 28.07.2020 im ND online externer Link
  • Siehe im LabourNet: Während in Millionenstädten das kaputtgesparte Gesundheitssystem kurz vor dem Zusammenbruch steht, verlässt ein rechtsradikaler Richter die brasilianische Regierung – wie war das nochmal mit dem sinkenden Schiff?
Kurzlink: https://www.labournet.de/?p=176094
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