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»Wir sind dreifach unsichtbar«. Verein »Mujeres unidas entre Tierras« für papierlose Haushaltshilfen in Spanien

Verein »Mujeres unidas entre Tierras« für papierlose Haushaltshilfen in Spanien„… Anspruch auf Arbeitslosengeld oder eine andere Unterstützung habe ich nicht. Ich bekomme mein Geld bar auf die Hand, ich arbeite »schwarz«. Es war ein Riesenglück, dass ich mitten in der Pandemie die Frau gefunden habe, für die ich jetzt arbeite. 800 Euro bekomme ich für fünf, sechs Stunden täglich, von Montag bis Sonntag. (…) [Frage:] Anfang Februar haben Sie mit ein paar Kolleginnen den Verein »Mujeres unidas entre Tierras« (MUET, etwa »Vereinte Frauen zwischen den Welten«) gegründet. Was wollen Sie erreichen? [Vanessa Motiño:] Wir wollen den Frauen zeigen, wie sie sich gegen Ausbeutung wehren können und sie über ihre Rechte aufklären: Wenn ihre Arbeitgeber ihnen rechtmäßige Verträge geben, dann können sie eine Aufenthaltsgenehmigung beantragen, so wie ich das gerade versuche. Von den 600 000 Frauen, die in Spanien als Haushaltshilfen arbeiten, haben 24 000 keine Papiere…“ Aus dem Gespräch von Julia Macher mit Vanessa Motiño vom 25. Juli 2020 in neues Deutschland online externer Link – Vanessa Motiño arbeitete mehrere Jahre ohne Papiere als Haushaltshilfe in Barcelona. Jetzt unterstützt sie andere Frauen, sich gegen Ausbeutung zu wehren, siehe Kontakt zu MUET und einen weiteren Verein:

  • Care-Arbeit in Spanien: »Hinter jeder Mutter, die es pünktlich ins Büro schafft, steht eine illegale Haushaltshilfe« New
    „Spaniens Wirtschaft wächst. Viele Frauen arbeiten in Vollzeit und in Führungspositionen. Möglich ist das auch deshalb, weil ihnen irregulär beschäftigte Haushaltshilfen den Rücken freihalten. Ist das so verwerflich? (…)
    Spanien mag stolz sein auf die folgenden Zahlen, sie als Beweis für Emanzipation und Gleichberechtigung sehen: Fast 80 Prozent der berufstätigen Spanierinnen arbeiten in Vollzeit, 35 Prozent der Führungspositionen sind von Frauen besetzt. Aber es sind in Städten wie Barcelona, Sevilla und vor allem Madrid häufig noch immer nicht die Männer, die sich um den Haushalt kümmern oder den Nachwuchs, wenn ihre Frauen zur Arbeit aufbrechen, die ihnen den Rücken freihalten. Sondern preisgünstige Nannys ohne gültige Papiere.
    »Hinter jedem gebügelten Hemd eines Mannes, hinter jeder Mutter, die es pünktlich ins Büro schafft, steht in Spanien eine illegale Haushaltshilfe«, so drückt es Girón aus.
    Natürlich, es gibt auch Hausangestellte, die nicht im Haus ihrer Arbeitgeber leben. Die wohnen in kleinen, angemieteten Zimmern, meist im Vorort der Stadt, mit einer Tür, die sie schließen können, wo niemand sie stört nach Feierabend. Doch für die Familien ist es praktischer, wenn die Frauen bei ihnen leben, als sogenannte Interna. Und sei es in einem kleinen Verschlag im Keller. Dann können sie sich nachts um ein Kind kümmern, das weinend aufwacht. Können früh morgens bereits das Frühstück vorbereiten, während die Familie noch im Bett liegt. Können auf Knopfdruck zur Verfügung stehen. »Ich hatte drei Leben«, sagt Girón. »Mein eigenes, das als Schwester und Tochter meiner eigenen Familie, an die ich Geld schickte, und vor allem das Leben der anderen.« (…)
    Sedoac, eine Zusammensetzung aus dem spanischen Servicio Doméstico Activo, annähernd übersetzt mit »Aktive Hilfe für Haushaltskräfte«, ist ein Verein, der allen Angestellten in Haushalts- und Pflegeberufen eine Stimme verschaffen will. Aber ganz besonders denen aus Lateinamerika. Denen ohne Aufenthaltspapiere. Frauen wie Girón. Die Hoffnung hält diese Haushaltshilfen gefangen. Sie wissen: Nach drei Jahren könnten sie in Spanien einen Antrag auf einen legalen Aufenthaltstitel stellen. Wenn sie einen gültigen Arbeitsvertrag vorweisen können. Das Problem ist nur: Die meisten Frauen beginnen ihren Job als »sinpapeles«, also ohne gültige Aufenthaltspapiere und damit fast immer ohne Vertrag. Und wie Girón es darstellt, ist es eine Art Gnadenakt, wenn die Familie ihrer Interna nach Jahren der Arbeit nachträglich einen ausstellt, weil das mehr Aufwand und höhere Kosten bedeutet. (…)
    Wie viele Internas es in Spanien gibt, weiß auch Girón nicht. Mehr als die 400.000 offiziell bei der Sozialversicherung registrierten Hausangestellten seien es ganz sicher. Schwarzarbeit hat auch in Spanien eine hohe Dunkelziffer.
    Die Spanierinnen wollen Karriere machen
    Vor allem, sagt Girón, versiege das Angebot nicht. Die Lebensbedingungen, sei es in Ecuador, Venezuela oder Honduras, würden immer schlechter: kaum Arbeit, kaum Einkommen, dafür hohe Inflation, Korruption und Gewalt. Während die Männer Richtung Norden, auf die Obstplantagen oder in die Schlachthäuser der USA aufbrechen, drängen viele Frauen nach Europa, nach Spanien, dessen vergleichsweise lockeren Einwanderungsbestimmungen auch ihnen längst bekannt sind, wo es keine Sprachbarrieren gibt und gut vernetzte, lokale Communitys. Doch auch die Nachfrage bleibe konstant, sagt Girón. Weil die Spanierinnen Karriere machen wollen – warum sollten sie nach langer Ausbildung oder teurem Studium als Hausfrau arbeiten? Und weil die Spanierinnen arbeiten müssen – noch immer hat das Land die Folgen der Covid-Krise nicht ganz überwunden, zudem reicht der Lohn nur eines Partners in großen Städten wie Barcelona oder Madrid zu selten zum Leben aus. (…)
    Die spanische Regierung hat 2022 immerhin eine Verbesserung der Arbeitsbedingungen für Haushaltshilfen durchgesetzt. Seitdem haben diese etwa ein Anrecht auf Kündigungsschutz und Arbeitslosengeld. Allerdings: Das Gesetz greift nicht für Frauen, die ohne Papiere eine Stelle antreten
    …“ Reportage von Patrick Witte vom 31.08.2024 im Spiegel online externer Link mit vielen Fotos

Siehe dazu:

Kurzlink: https://www.labournet.de/?p=176010
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