Gewerkschaften: „Die Dompteure des Kapitalismus“
„In der Ära des Neoliberalismus haben die Gewerkschaften viel von ihrem Einfluss verloren. Auf den rasanten Wandel der Industriegesellschaft und der Arbeitswelt müssen sie mit neuen Ideen reagieren, wenn sie zu alter Stärke zurückfinden wollen (…) Die Ohnmacht der organisierten Arbeit lässt sich in Zahlen fassen. Nach der Deutschen Einheit verloren die DGB-Gewerkschaften jedes zweite Mitglied. IG Metall, ver.di & Co organisieren heute weniger als sechs Millionen Arbeitnehmer. Das sind nur noch 15 Prozent der Beschäftigten. (…) Die Gewerkschaften sollten sich, vor dem Hintergrund beschränkter Ressourcen, in ihrer Erschließungsarbeit auf die strategisch wichtigen Unternehmen der jeweiligen Branche konzentrieren. Die globalen Wertschöpfungsketten sind aufgrund von Just-in-Time-Beschaffung und -Produktion sehr verletzbar geworden. Häufig reicht ein Streik bei einem gewerkschaftlich gut organisierten kleinen Zulieferer oder Logistiker aus, um die gesamte Produktion lahmzulegen. (…) Bezahlbarer Wohnraum, armutsfeste Renten, kostenlose Gesundheitsversorgung und Klimaschutz sind gesellschaftliche Themen, welche die organisierte Arbeit zukünftig stärker bearbeiten sollte. Das politische Engagement der Gewerkschaften steht in keinem Widerspruch zu ihrem Kerngeschäft der Tarif- und Betriebspolitik. (…) Eine engere Kooperation der gesellschaftlich fortschrittlichen Kräfte ist sogleich ein wirksames Mittel gegen rechts. Mehr soziale Sicherheit, weniger Abstiegsängste und mehr Kontrolle über das eigene Leben sind der beste Impfschutz gegen Fremdenfeindlichkeit und Rassismus…“ Artikel von Dierk Hirschel vom 21.07.20 in FR online