Kein bisschen Einzelfall: Mit fünf Schüssen abschlachten soll Notwehr sein. Weswegen einmal mehr Staatsanwälte keinen Grund sehen, ihre uniformierten Gesinnungsgenossen anzuklagen, weder bei Aman Alizada, noch bei Hussam Fadl

Stoppt Polizeigewalt„… Das Leben des Aman Alizada endete am 17. August 2019, an jenem Abend wurde der junge Afghane bei einem Polizeieinsatz in einer Stader Flüchtlingsunterkunft von einem Polizisten erschossen. Fünf Kugeln wurden abgefeuert, mindestens eine war tödlich. Jetzt hat die Staatsanwaltschaft in Stade die Ermittlungen eingestellt: „Glasklare Notwehr“, sagt Oberstaatsanwalt Kai Thomas Breas der Süddeutschen Zeitung, keine Anklage gegen den Schützen. Andere stellen sich immer mehr Fragen. Für die Stader Staatsanwaltschaft ist der Fall eindeutig: Ein Mitbewohner rief die Polizei, in Todesangst. Der aus Afghanistan geflüchtete Aman Alizada habe laut Breas „massive psychische Probleme“ gehabt und sei polizeibekannt gewesen. Und ein junger Türke habe sich von Alizada bedroht gefühlt. Von Alizadas Rachegefühlen ist die Rede, weil seine frühere Liebe türkisch zwangsverheiratet worden sei. Zwei Streifen mit vier Beamten trafen nach dem Notruf ein, Alizada hatte eine Eisenhantel in der Hand. 1,20 Meter lang, 6,5 Kilo schwer. Pfefferspray zeigte keine Wirkung. Er habe „im Pfefferspray gebadet“, heißt es. Weg mit der Stange, sonst schieße man, habe die Polizei gewarnt. Dann sollten sie halt schießen, soll Alizada gerufen haben und weiter mit der Hantel gedroht haben. Ein Polizist schoss fünfmal. „In letzter Konsequenz“, so Oberstaatsanwalt Breas, „und das war auch in Ordnung.“...“ – aus dem Bericht „Fünf Kugeln, viele Fragen“ von Peter Burghardt am 24. Juni 2020 in der SZ online externer Link – der nicht ganz zufällig an einen ganz alten Witz der südafrikanischen Anti-Apartheid-Bewegung erinnert: „Als der Kommissar die Leiche sah – staunte er: 21 Messerstiche – so einen Selbstmord habe ich noch nie gesehen…“ Siehe dazu einen weiteren aktuellen Beitrag zu den Todesschüssen in Stade – und einen Bericht über einen ebenfalls ohne Anklage gebliebenen weiteren solchen – älteren – Fall aus Berlin, die tödlichen Schüsse auf Hussam Fadl, deren Verjährung kurz bevor steht:

  • „Polizist tötet Geflüchteten mit fünf Kugeln: Staatsanwalt stellt Ermittlungen ein“ von Bastian Schmidt am 25. Juni 2020 bei Klasse gegen Klasse externer Link ergänzt unter anderem: „… Doch Oberstaatsanwalt Breas hält das für ”in Ordnung”. Selbst ein Gutachten über den Einschusswinkel einer Kugel, das die Anwältin Dierbach von Alizadas Bruder zumindest als auffällig erachtet, schien ihn nicht zu interessieren. Zwar hat Die Anwältin Beschwerde gegen die Entscheidung der Staatsanwaltschaft eingelegt. Dennoch zeigt sich hier erneut, dass die Justiz nicht gewillt ist, Polizeigewalt bis hin zu Mord aufzuklären, und dass die Aussagen von Polizist*innen vor Gericht nicht in Frage gestellt werden. (…) Deshalb dürfen wir die Aufklärung nicht dem Staat und seinen Organen überlassen. Ganz im Gegenteil brauchen wir vom Staat unabhängige Untersuchungskommissionen, die solche Fälle wie in Stade untersuchen, aufarbeiten und die Verantwortlichen zur Rechenschaft ziehen…“
  • „GERECHTIGKEIT FÜR HUSSAM FADL“ bei der KOP externer Link (Kampagne für Opfer rassistischer Polizeigewalt) ist ein Demonstrationsaufruf für den 04. Juli 2020 – eine Aktion, mit der unter anderem die Verjährung der Tat verhindert werden soll. Darin heißt es: „…  Hussam Fadl wurde am 27.09.2016 von Berliner Polizei von hinten erschossen. Bisher gibt es keine Anklageerhebung gegen die Todesschützen. Es bleibt nur noch ein gutes Jahr, dann wird der Fall verjährt sein, und alle Aussicht auf ein juristisches Verfahren damit zunichte. Das würde wieder einmal bedeuten, dass die Polizei ohne strafrechtliche Konsequenzen einen Menschen getötet hat. Deshalb müssen wir den Druck auf die Ermittlungsbehörden erhöhen, und die öffentliche Aufmerksamkeit auf den Fall lenken. Kommt zur Kundgebung, bringt eure Freund*innen, Nachbar*innen, Schwestern, Opas, Kolleg*innen und alle anderen mit und fordert mit uns: Lückenlose Aufklärung der Erschießung von Hussam Fadl! Anklageerhebung der Staatsanwaltschaft und ein Strafverfahren gegen die Polizeibeamten, die auf Hussam Fadl geschossen haben! Die sofortige Suspendierung der beschuldigten Polizisten!
Kurzlink: https://www.labournet.de/?p=174564
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