Rassistische Polizeigewalt in der BRD: Tatsachen statt Scheindebatten
„… Als Bündnispartner der „Death in Custody“ Kampagne teilen wir die Pressemitteilung zu rassistischen Todesfällen in Gewahrsam. Seit 1990 sind bis jetzt nachweislich 159 Menschen in Deutschland ums Leben gekommen. Auch daran zeigt sich wie systematisch und tödlich Polizeigewalt auch außerhalb der USA ist. Jedoch gehen Teilweise immer noch Leute auf die Straße wegen des Mordes an George Floyd und sehen das Problem in einzelnen Polizist*innen, welche ihre Macht missbrauchen. Bestätigt fühlen sich diese oft durch beispielsweise kursierende Bildern von knieenden Cops, als sogenanntes Zeichen der Solidarität zu den Protesten. So sollen dann auch die Demos selbst am besten friedlich, ja gar ruhig verlaufen und bloß nichts kaputt machen. Diese Menschen haben sowohl die Funktionen des Polizeiapparates als auch den repressiven Charakter nicht verstanden. Vielleicht sind sie von diesem auch nicht (in)direkt betroffen. Doch das Hauptproblem bei Oury Jalloh, Hussam Fadl, George Floyd und den unzähligen anderen sind nicht einzelne, besonders rassistische und faschistische Bullen, sondern die gesamt Struktur dahinter. Als Rote Hilfe Berlin fordern wir auch alle Genoss*innen auf, sich nicht in „gute“ friedliche und „böse“ militante Proteste spalten zu lassen. Wenn Ihr wirklich solidarisch seid, dann distanziert ihr euch nicht von Genoss*innen, nur weil sie zu anderen Mitteln greifen. Solltet ihr bei Protesten und anderen politischen Aktionen Stress von und mit den Bullen bekommen oder Geldstrafen erhalten, kommt zu unseren Beratungen vorbei oder kontaktiert uns. Wir stehen euch als Antirepressionsstruktur solidarisch zur Seite! Gemeinsam gegen Polizeigewalt, ob in den U.S.A., Hong Kong, Deutschland oder weltweit“ – dies ist der einleitende Kommentar der Roten Hilfe Berlin zu ihrer Dokumentation der Presseerklärung von „Death in Custody“ am 12. Juni 2020
über Polizeigewalt im Vollzug und ihre rassistische Struktur. Zu rassistischer Polizeigewalt in der BRD eine kleine Sammlung aktueller Beiträge – die auch von den verschiedenen „Verteidigungsstrategien“ des Korpsgeistes und seiner Freunde handeln:
„Über die Kampagne“ am 08. Juni 2020 bei Death in Custody ist die genannte Presseerklärung, in der es unter anderem einleitend heißt: „… Die bundesweite Kampagne „Death in Custody – Aufklärung von Tod in Gewahrsam jetzt!“ veröffentlicht – anlässlich der Ermordung von George Floyd in Minneapolis – ihre bisherigen Rechercheergebnisse zu Todesfällen von Schwarzen Menschen und Menschen of Color in Gewahrsamssituationen in Deutschland seit 1990. Muster institutionellen Rassismus werden hierbei erkennbar. Immer wieder sterben auch in Deutschland Schwarze und People of Color in Gewahrsam von Polizei und anderen staatlichen Institutionen. Eine der Hauptursachen ist institutioneller Rassismus. Die Todesfälle in der letzten Zeit – Hussam Fadl, Amad Ahmad, Matiullah Jabarkhil, Rooble Warsame, William Tonou-Mbobda, Aman A., Adel B. legen nahe, dass Schwarze Menschen und Menschen of Color auch in Deutschland in besonderem Maße gefährdet sind, in staatlicher „Obhut“ ihr Leben zu verlieren oder durch die Polizei getötet zu werden. Allein zwischen 1990 und 2020 hat die Kampagne bislang 159 Fälle in der BRD recherchiert (Stand Juni 2020). Diese Fälle umfassen u.a. Todesfälle durch Polizeischüsse, durch unterlassene Hilfeleistungen und Todesfälle in Gewahrsam, die von den Behörden als „Suizid“ angegeben werden. Die Kampagne wertet auch diese Fälle als „death in custody“, da unserer Auffassung nach in einer totalen Institution kein freier Wille zur Beendigung des eigenen Lebens gebildet werden kann; außerdem zeigen z.B. die Todesumstände von Oury Jalloh, dass dem behördlichen Narrativ der Selbsttötung nicht ohne Weiteres geglaubt werden darf...“
„Recherche“ bei Death in Custody ist die zeitliche und namentliche Dokumentation der Todesfälle zwischen 1990 und 2020.
„Polizei in Deutschland erschoss vergangenes Jahr 14 Menschen“ am 14. Juni 2020 bei Spiegel online meldet: „… Nicht nur in den USA sterben Menschen bei Polizeieinsätzen. Auch in Deutschland sind dabei im vergangenen Jahr 14 Menschen erschossen worden. Wie die „Bild am Sonntag“ unter Berufung auf Statistiken der Bundesländer sowie der Bundespolizei berichtet, verletzten Polizisten 29 weitere Menschen mit ihrer Dienstwaffe. Insgesamt schossen Polizeibeamte laut dem Bericht im vergangenen Jahr 67 Mal auf Menschen. Hinzu kamen demnach 63 Warnschüsse. Im Jahr 2018 hatte es der Zeitung zufolge landesweit elf Tote durch Polizeischüsse gegeben. Die Zahlen sind damit deutlich geringer als in den USA. Zur Einordnung: Die Vereinigten Staaten haben ungefähr viermal so viele Einwohner wie Deutschland, dort sterben jedes Jahr aber ungefähr tausend Menschen durch Schüsse von Polizisten. Allerdings gibt es auch in Deutschland Diskussionen über rassistische Tendenzen in der Polizei…“
„„Zahl der anlasslosen Kontrollen der Bundespolizei stark angestiegen““ am 12. Juni 2020 bei FFM online dokumentiert einen Beitrag vom Mediendienst Integration, worin es unter anderem heißt: „… Anlasslose Kontrollen durch die Bundespolizei im Rahmen der „Schleierfahndung“ in Grenzgebieten sowie in Zügen, an Bahnhöfen und an Flughäfen haben im vergangenen Jahr stark zugenommen. Das geht aus der Antwort der Bundesregierung auf eine Anfrage der Linksfraktion hervor. Demnach führte die Bundespolizei 2019 insgesamt rund 2,3 Millionen Personenkontrollen in Grenzregionen durch – ein Anstieg von etwa 41 Prozent gegenüber dem Vorjahr. In etwa 15.000 Fällen wurde dabei eine unerlaubte Einreise festgestellt, in ca. 2.500 Fällen der unerlaubte Aufenthalt. In Zügen, an Bahnhöfen und an Flughäfen wurden 250.000 Kontrollen durchgeführt – in nicht einmal einem Prozent der Fälle wurden Verstöße gegen Einreisebestimmungen oder das Aufenthaltsgesetz festgestellt. Zivilgesellschaftliche Organisationen kritisieren die Kontrollen seit langem. Sie werfen der Polizei vor, sogenanntes Racial Profiling zu betreiben – also Menschen aufgrund ihres äußeren Erscheinungsbildes zu verdächtigen. Die Zahl der Beschwerden wegen Diskriminierung bei Polizeikontrollen ist zwar angestiegen, liegt mit 51 Fällen allerdings auf niedrigem Niveau. Fachleute erklären das damit, dass es in Deutschland kaum unabhängige Beschwerdestellen gibt. Betroffene müssen Beschwerden bei der Polizei einreichen – meist mit wenig Erfolg…“
„Vom Aufklärer zum Straftäter“ von Michael Schütte am 13. Juni 2020 bei telepolis über „Risiken und Nebenwirkungen“ bei Beschwerden über die Polizei – beziehungsweise der Dokumentation ihrer Gründe unter anderem: „… Batmans höflich, aber bestimmt vorgetragener Wahlspruch steht auch bei der bundesdeutschen Polizei hoch im Kurs. Foto- und videografiert zu werden waren ihr schon immer ein Dorn im Auge. Weit vor allgegenwärtigen Smartphones in unserem Alltag haben Polizist*innen immer wieder das Recht am Eigenen Bild (Paragrafen 22/23 und 33 Kunsturhebergesetz) bemüht, um gegen unliebsames Fotografieren mit Strafanzeigen wegen möglicher Verletzung von Persönlichkeitsrechten und dann vor allem mit sofortiger Beschlagnahme der jeweiligen Aufnahmegeräte vorgehen zu können. Einen wirksamen Rechtsschutz gegen eine solche Praxis musste man sich erstmal leisten können – immerhin reichen Entscheidungen in der Sache zuletzt bis hin zum Bundesverfassungsgericht. Was bedeutet, dass die Polizei hier über viele Jahre weitgehend unbehelligt in ihrem Sinne agieren konnte, denn die allermeisten solchermaßen zu Straftätern gemachten können sich einen wirksamen Rechtsschutz eben nicht leisten und bei den hier relevanten Tatvorwürfen unter Vorsatz hilft in der Regel auch keine Versicherung oder Betroffene waren am Ende vielleicht auch nur froh, ihr zur Beweissicherung und Verhinderung beschlagnahmtes Aufnahmegerät überhaupt irgendwann nach Wochen oder gar Monaten der Auswertung wieder zurück zu erhalten. Viele Anzeigen und Opfer solcher immer schon fragwürdigen Kriminalisierung später setzte sich allerdings eine Rechtsprechung durch, die der Polizei vor allem den Weg der sofortigen Beschlagnahme des Aufnahmegerätes versperrte. Mit der bloßen Anfertigung einer Aufnahme liegt nämlich noch gar keine Verletzung des Persönlichkeitsrechts vor. Eine solche würde erst mit einer tatsächlichen Veröffentlichung des Werkes eintreten und davon könne zum Zeitpunkt der Anfertigung einer Aufnahme nicht notwendigerweise und ohne Weiteres ausgegangen werden. Zudem war vielfach fraglich, ob Aufnahmen, die ein Geschehen im öffentlichen Raum in seiner Gesamtheit erfassen und abbilden, überhaupt geeignet sein können, ein Persönlichkeitsrecht von Polizisten im Einzelfall zu verletzen. Jedenfalls war das Kind aufgrund dieser letztgültigen Entscheidungspraxis für die Polizei zunächst einmal in den Brunnen gefallen, denn wo kein Tatbestand, da auch keine Möglichkeit zur sofortigen strafprozessualen oder ersatzweise gefahrenabwehrenden Beschlagnahme von Aufnahmegeräten. Heute in Zeiten allgegenwärtiger Smartphones besonders bitter, denn der eigentliche Zweck des konstruierten Tatverdachts lag schon immer darin, in Kiezen und Quartieren oder bei Demonstrationen über die Jahre auch deutlich über den Einzelfall hinaus klar zu machen, dass foto- und videografieren von Einsatzkräften der Polizei gar nicht gern gesehen und im Zweifel auch unterbunden wird…“
„Zweierlei Maß: wie Zivilcourage zum tätlichen Angriff umgedeutet wird“ von Michèle Winkler am 13. Juni 2020 beim Grundrechte-Komitee ebenfalls zum Thema polizeilicher Umdeutungspraxis (samt ihrer medialen Hilfskräfte): „… Seit der Einführung des neuen Straftatbestands „Tätlicher Angriff gegen Vollstreckungsbeamte“ im Mai 2017 gab es schon zahlreiche Verfahren und Verurteilungen – insbesondere im Zusammenhang mit den G20-Protesten. Für welch abstruse Verfahren dieser neue Straftatbestand eingesetzt wird, um zivilgesellschaftliches Engagement und Proteste zu unterminieren, zeigte sich beispielhaft an einem Prozess in Detmold gegen einen Mitarbeiter der Flüchtlingshilfe Lippe. Dieser hatte sich vor über zwei Jahren bei einem Abschiebeversuch in der Ausländerbehörde einem Polizisten in den Weg gestellt, damit dieser nicht zu der Person gelangen konnte, die in Abschiebehaft genommen werden sollte. Dabei soll er mit seinen Armen eine „hubschrauberartige“ Bewegung gemacht haben, sodass eine Hand den heranlaufenden Polizisten am Oberkörper berührte. Dem Abzuschiebenden gelang durch das Eingreifen die Flucht und die Abschiebung konnte somit nicht durchgeführt werden. Dies nahm die Detmolder Staatsanwaltschaft zum Anlass mit besonderer Vehemenz gegen den Mitarbeiter der Flüchtlingshilfe Lippe vorzugehen und letztlich über mehrere Instanzen hinweg eine Verurteilung wegen „Tätlichen Angriffs gegen Vollstreckungsbeamte“ nach §114 StGB zu erwirken. Wir wollen auf diese Verurteilung hinweisen, weil sie aus vielerlei Gründen grundrechtlich hochgradig bedenklich ist. Die Verurteilung durch das Landgericht Detmold am 28. Mai 2020 war im Grunde nur noch eine reine Formalität. Dem vorausgegangen war die Revision vor dem Oberlandesgericht (OLG) Hamm. Dort konnte sich die Staatsanwaltschaft Detmold durchsetzen, der eine vorherige Verurteilung gemäß §113 StGB (Widerstand gegen Vollstreckungsbeamte) am Amtsgericht und Landgericht Detmold nicht ausreichend war. Ihrer Meinung nach sei die Armbewegung des Sich-in-den-Weg-Stellenden und die daraus resultierende Berührung des Polizeibeamten ein Tätlicher Angriff nach §114 StGB. Das Oberlandesgericht Hamm folgte dieser sehr scharfen Rechtsauffassung, hob das Urteil wegen Widerstands auf und wies das Landgericht an, wegen Tätlichen Angriffs zu verurteilen. Das gesamte Urteil des OLG ist hier nachzulesen. Der „Tätliche Angriff gegen Vollstreckungsbeamte“ war 2017 als neuer Straftatbestand geschaffen worden, mit einer Mindeststrafe von drei Monaten Gefängnis. Vorher war der tätliche Angriff ein Teil des §113 StGB (Widerstand gegen Vollstreckungsbeamte). Der Schaffung dieses neuen Straftatbestandes ging eine Desinformationskampagne der Innenministerien und Polizeigewerkschaften voraus, die eine angeblich immer weiter ansteigende Gewalt gegen Polizist*innen beschwor…“
„Danke für die guten Argumente“ von Gareth Joswig am 12. Juni 2020 in der taz online kommentiert Berliner Polizei-Alltag (auch vor, während und nach den Angriffen auf die BLM-Demonstration): „…Dass es in Behörden ebenso latenten Rassismus gibt wie in der Gesamtgesellschaft, wird deutlich, wenn man sich die Berliner „Einzelfälle“ des vergangenen Wochenendes anschaut. Am Freitag stellte sich da heraus, dass der Berliner Polizist Detlef M. nach dem Anschlag vom Breitscheidplatz tagelang sensible Polizeiinformationen mit einer Telegram-Chatgruppe der AfD geteilt haben soll. Die Staatsanwaltschaft ermittelt wegen Geheimnisverrats gegen den Beamten, der zudem AfD-Mitglied ist. Aber seine Verbindungen reichen noch tiefer ins extrem rechte Milieu: M. hat sich in dem der taz vorliegenden Mailverkehr mit dem mutmaßlichen Rechtsterroristen Tilo R. ausgetauscht, Hauptverdächtiger der Anschlagsserie in Neukölln. In den Schreiben geht es darum, ob AfDler eine antirassistische Veranstaltung in der Neuköllner Buchhandlung Leporello besuchen sollten. Zehn Tage später wurden deren Scheiben eingeschlagen, einen Monat später brannte das Auto des Buchhändlers. Mittlerweile wurde M. wohl in den Innendienst strafversetzt und darf keine Waffe mehr tragen. Bereits zuvor drehte der Sprecher der Deutschen Polizeigewerkschaft (DPolG), Bodo Pfalzgraf, auf Twitter frei, indem er friedlichen antirassistischen Protest schon vor Demobeginn als gewalttätig verunglimpfte und dort unter anderem schreiben ließ: „Die Aggressivität der Berufsempörer & gewaltbereiten Krawallmacher der Polizei gegenüber hat einen neuen Höhepunkt erreicht.“ Ins Bild passt, dass der rechte Lautsprecher Pfalzgraf früher den extrem rechten Republikanern („Das Boot ist voll – Schluss mit Asylbetrug“) angehörte…“
„Der Korpsgeist geht um“ von Jakob Augstein am 11. Juni 2020 im Freitag online hob unter anderem zu einer typischen Debatte hervor: „… Die SPD-Vorsitzende hat ihrer Kritik sogleich hinzugefügt, „die große Mehrheit der Polizeibediensteten stehe solchen Tendenzen aber sehr kritisch gegenüber“. Der Zusatz hat es in sich. Die große Mehrheit? Das ist eine Phrase, die wir jetzt immer wieder hören. Rassismus und Gewalt in Reihen der Polizei seien Einzelfälle, die große Mehrheit der Polizisten verdiene Vertrauen und Respekt. Man stelle sich vor, die Lufthansa würde verkünden, die große Mehrheit der Piloten bringe ihre Passagiere sicher nach Hause. Oder die Betreiber von Kernkraftwerken würden versichern, die große Mehrheit der Angestellten verursache keinen Super-GAU. Oder ein Krankenhaus würde verlautbaren lassen, die große Mehrheit seiner Chirurgen vergesse keine medizinischen Geräte in den Patienten. Wie kommt man auf die Idee, die Ehrenerklärung für „die große Mehrheit“ der Polizisten für eine Beruhigung zu halten? Das ist sie nicht. Im Gegenteil. Es gibt Berufe, da genügt es einfach nicht, wenn die große Mehrheit ihren Dienst tadellos versieht. Die Polizei gehört zweifellos dazu…“ – wobei auch die (zahlreichen und unterschiedlichen) Kommentare lesenswert sind…
„„Die überwältigende Mehrheit der Polizisten hält sich an Recht und Gesetz.“ – so hört man immer wieder. Ich kann meine Freude kaum verbergen. Meistens frage ich mich, ob das ein wahnsinnig guter Scherz ist, den ich einfach nicht verstehe. Dazu mal ein paar Gedanken“ – am 08. Juni 2020 im Twitter-Kanal von Stephan Anpalagan ist ein ausgesprochen lesenswerter Thread eben zum Thema der überwältigenden Minderheit und fügt unter vielen anderen Erinnerungen und Gedanengängen auch an: „Erinnert sich noch einer an „Döner-Morde“? An „Soko Bosporus“? An „Nafris“??? Ein Grundprinzip polizeilicher Ermittlungsarbeit war lange Zeit das Wissen, dass Türken halt kriminell sind. Und man nur lange genug ermitteln müsse, um es ihnen nachzuweisen….“
„Polizeigewalt und Rassismus: Es muss ums Ganze gehen!“ am 09. Juni 2020 beim Lower Class Magazin ist ein Gastbeitrag des Musikers Disarstar, der unter anderem hervor hebt: „… Immer wenn man sich abfällig über die Polizei äußert heißt es, man würde von den Handlungen einiger weniger Cops auf alle schließen. Das ist falsch. Ich glaube nicht, dass alle Polizist*innen wegen der Handlungen einiger weniger schlecht sind. Ich weiß, dass alle Bullen schlecht sind, weil alle Bullen als Grundvoraussetzung für ihre Arbeit schwören, alle geltenden Gesetze durchzusetzen, einschließlich der Gesetze, die ganz offensichtlich ungerecht und/oder grausam sind. Nicht der*die Polizist*in ist der bestimmende Faktor in der Gleichung, sondern die Aufgabe, die ein jede*r Polizist*in geschworen hat, zu erfüllen. Es ist moralisch vollkommen inakzeptabel, als selbstverständlich hinzunehmen, dass Polizist*innen beim Ausüben ihrer Arbeit Moral und Vernunft ausschalten, um den Willen einiger (in Form von geltendem Recht) gegen alle in der Nachbarschaft durchzusetzen. Alle Polizist*innen in diesem System sind schlecht, aber nicht wegen der Handlungen einiger weniger. Es gibt gute Leute. Und es gibt Polizis*innten, die sonst gute Leute sind, aber sie sind keine „guten“ Polizist*innen. Die gibt es hier nicht. Die Disbalance zwischen geltendem Recht und Gerechtigkeit liegt alltäglich auf der Hand. Die Aufgabe der Polizei ist es, mit Gewalt durchzusetzen, dass die gegenwärtigen Verhältnisse fortbestehen. Verhältnisse die (insbesondere global betrachtet) für einige wenige nützlich sind, die große Masse der Bevölkerung jedoch an der dauerhaften Befriedigung ihrer Bedürfnisse hindern. Die Aufgabe der Polizei ist es, den Armen zu bestrafen, der sich durch Diebstahl das Nötige beschafft, das er durch Kauf nicht erwerben kann. Ihre Aufgabe ist es, Arbeiter*innen auf die Straße zu jagen, der die von ihren Vermieter*innen (Erpresser*innen) geforderten Summen nicht mehr aufbringen kann. Ihre Aufgabe ist es, den Obdachlosen zu vertreiben und zu bestrafen, der in eine leerstehende Spekulationswohnung einbricht, um sich zu wärmen. Ihre Aufgabe ist es, jene Flüchtlingsfamilie zum Flughafen zu prügeln und in Elend und Tod zu deportieren, die die politischen Vertreter der Bourgeoisie als volkswirtschaftlich überflüssig eingeschätzt haben. Die Aufgabe der Polizei ist es, den den Rotstift ansetzenden Manager*innen vor der Wut der von ihm entlassenen Arbeiter*innen zu schützen. Ihre Aufgabe ist es, demonstrierende Linke zu drangsalieren und einzuschüchtern, die für die Überwindung dieses per se schlechten, per se ungerechten, per se grausamen Systems werben. Ihre Aufgabe ist der notfalls gewaltsame Schutz eines Systems, in dem eine parasitäre Minderheit über die von ihr ausgebeutete arbeitende Mehrheit herrscht. Die Bullen sind Leibgarde der Bonzen, nicht in dem Sinne, dass sie die Interessen des konkreten Kapitalisten A oder B vertreten, sondern indem sie die universelle Gültigkeit der Regeln erzwingen, unter denen Kapitalist*in A und B reich sein und die Arbeiter*in X und Y auf dem Arbeitsamt und in der Gosse landen müssen. Und ja, die Polizei rettet Kätzchen von Bäumen. Der aktuelle Diskurs ist immens wichtig. Er darf nicht oberflächlich sein. Er muss die Strukturen angreifen. Unser Widerspruch und Widerstand darf nicht gelegentlich bleiben…“
- Siehe zum Hintergrund auch unser Dossier: Racial Profiling