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Die grundlegende Reform des niederländischen Gewerkschaftsbundes: Weil sie der Erhöhung des Rentenalters zustimmten, mussten extreme SozialpartnerInnen ihren Hut nehmen und die Demokratisierung des Verbandes hinnehmen

Streikplakat des FNV vor Daf/Eindhoven am 28.9.2015„…Es wird der längste Streik der Nachkriegsgeschichte. Die Streikenden setzen ihre Forderungen durch. Die Reinigungskräfte sind nur ein Beispiel für eine bemerkenswerte Entwicklung, die sich in der niederländischen Gewerkschaftsbewegung vollzogen hat. Obwohl die Anzahl von Streiktagen pro Arbeitnehmer*in im Vergleich mit Belgien und Frankreich noch niedrig ist, hatten die Niederlande seit 30 Jahren keine so hohe Streikrate wie in jenen Tagen zu verzeichnen – und das in einem Land, das für seinen Korporatismus bekannt ist. Allein im letzten Jahr gab es Streiks bei den Grundschullehrer*innen, der Supermarktkette Jumbo, in der Taxibranche, bei den Fahrer*innen von Krankenwagen, beim Kabinenpersonal der Airline KLM und bei den Eisenbahner*innen. Im Jahr 2017 streikten nach Angaben des Statistischen Bundesamtes CBS 147.000 Arbeitnehmer*innen in 32 Streiks. Bemerkenswert sind die Forderungen der Streikenden. Nicht die steigenden Löhne standen im Vordergrund, sondern man verhandelt generell um bessere Arbeitsbedingungen; ein Strategiewechsel, für den die Kämpfe der Reinigungskräfte bahnbrechend waren. Wenige Beobachter*innen hätten diese Entwicklung vorhergesehen. Tatsächlich bangte man 2011 noch um das bloße Bestehen des Gewerkschaftsbundes (FNV). (…) Doch anstatt zu zerfallen, erfindet sich der FNV in diesem Moment neu. Im Jahr 2012 müssen Jongerius und der Vizevorsitzende der Föderation, Peter Gortzak, zurücktreten. Im selben Jahr wird auf einer Konferenz der FNV eine drastische Umstrukturierung der Gewerkschaftsföderation beschlossen. Statt des Föderationsrates, in dem die Gewerkschaftsvorsitzenden unter sich berieten, wird ein Mitgliederparlament zum höchsten Gremium des Bundes. Insgesamt entsenden die Mitgliedsgewerkschaften 100 Delegierte, die anfänglich sechs Mal im Jahr, mittlerweile beinahe monatlich tagen. Das Parlament erhält das Mandat, die*den Vorsitzende*n zu ernennen und zu entlassen. Alle Delegierten erledigen diese Arbeit ehrenamtlich, ohne dafür bezahlt zu werden. Ein weiteres Zeichen für die Demokratisierung: Der Nachfolger von Jongerius, der Ex-Polizist Ton Heerts, wird direkt von den Mitgliedern gewählt...“ – aus dem Beitrag „Wie der niederländische Gewerkschaftsbund sich aus der Krise rettete“ am 01. August 2018 bei der Rosa Luxemburg Stiftung Brüssel externer Link – der nicht nur deutlich macht „wie weit weg“ zumindest die Gewerkschaftsbewegung im Nachbarland ist (Vorstellung verboten: Wer für die Riester-Rente war, muss gehen…) sondern eben auch den Zusammenhang zwischen Organisationsreform und Streikbewegungen thematisiert.

Kurzlink: https://www.labournet.de/?p=173830
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