Solidaritätsdemonstrationen mit Black Lives Matter: In Deutschland gibt es keine rassistische Polizeigewalt. Außer vielleicht in Berlin. Oder Hamburg. Na ja, und in Stuttgart oder Dortmund, Leipzig oder Halle. Und dann noch in Klein-Freidersheim und Nieder-Lauingen und…
Die massiven Demonstrationen am Wochenende, an denen sich mindestens 200.000 Menschen quer durch die BRD beteiligten, fanden in Solidarität mit „Black Lives Matter“ in den USA statt – aber eben nicht nur: Sondern sie brachten auch immer und immer wieder rassistische Polizeigewalt in der BRD in den „sichtbaren Bereich“ (frei nach Will Smith: „Der Rassismus in den USA nimmt nicht zu – aber er wird heute gefilmt“). Dann muss sich ein NRW-Innenminister (RWE-Beauftragter für Bäume abräumen) peinlicherweise hinstellen und vor allen Kameras behaupten, es gäbe keinen Rassismus in „seiner“ Polizei. Klar, mal eben den falschen Mann im Gefängnis verbrennen lassen und dann die Beweise beseitigen, wie es seine Truppe getan hat, hat ja nichts mit Rassismus zu tun, oder? Ein bisschen „verdachtsunabhängig“ in „Problemzonen“ Menschen festnehmen dürfen ist ja auch kein Zeichen von Polizeistaat, hat man schon gehört. Dass diverse gutbürgerliche Medien unterschiedlicher parteipolitischer Couleur nahezu dieselbe Überschrift zu den Polizei-Überfällen auf die Demonstrationen in Berlin und Hamburg hatten – ist selbstverständlich nicht dem Wirken der Polizei-Pressedienststellen zu „verdanken“. Sondern reiner Zufall. Insbesondere dann, wenn es um die weltberühmten friedlichen Proteste geht: Womit niemals die Polizei gemeint ist, die sich irgendwo vielleicht mal ausnahmsweise friedlich gezeigt haben könnte, sondern immer DemonstrantInnen. Die den Kaffee auf haben. Siehe dazu unsere aktuelle kleine Materialsammlung „Am Tag der Proteste gegen rassistische Polizeigewalt auch in der BRD – wird sie deutlich“ vom 08. Juni 2020 worin auch einige Hintergrundbeiträge zu finden sind:
„Am Tag der Proteste gegen rassistische Polizeigewalt auch in der BRD – wird sie deutlich“
(08. Juni 2020)
„Trotz Polizeifäusten, Festnahmen und Wasserwerfern: 200.000 demonstrieren gegen Rassismus“ von Suphi Toprak am 07. Juni 2020 bei Klasse gegen Klasse ist einer der Versuche, einen Überblick über die Aktionen des Tages im ganzen Land zu geben, in dem unter anderem zu Polizei-Kameradschaften hervor gehoben wird: „… In über 20 Städten Deutschlands kamen gestern 200.000 Menschen zusammen, vor allem Jugendliche, um gegen den staatlichen Rassismus und die Ermordung von George Flyod zu protestieren. Allein in München waren 30.000 Personen auf den Straßen. In Hamburg und Berlin wurden Demonstrant*innen massiv von der Polizei angegriffen. Nach München fanden die größten Demonstrationen in Berlin mit 25.000, in Düsseldorf und Hamburg mit jeweils 15.000, in Köln, Freiburg, und Hannover mit jeweils 10.000 Menschen statt, die trotz der Corona-Beschränkungen gegen den staatlichen Rassismus protestierten. (…) Auch die sogenannte Gewerkschaft der Polizei (GdP, ein polizeilicher Berufsverband wie die DPolG und keine Gewerkschaft) ist nicht besser. Erst vor wenigen Tagen forderte die GdP NRW, keine Polizist*innen mehr nach Berlin zu verschicken, weil sie das neue Antidiskriminierungsgesetz in Berlin ablehnt und befürchtet, es könnte auf ihre Beamt*innen angewandt werden. Damit zeigt die GdP einmal mehr, dass der strukturelle Rassismus der Polizei nicht reformierbar ist und dieser Berufsverband nichts in den Reihen der Arbeiter*innen und im Gewerkschaftsbund verloren hat. Sie sollte nicht zum DGB gehören, denn sie ist eine „Gewerkschaft“, die andere Gewerkschaftsmitglieder mit Schlagstöcken, Wasserwerfern, Pfefferspray angreift und festnimmt, wenn diese demonstrieren gehen oder streiken. Während die Polizei-„Gewerkschaften“ mehr Lohn und bessere Aufrüstung für die Polizei fordern, damit diese besser und gesättigt auf die Jugendlichen einschlagen können, glänzen die Gewerkschaften wie Verdi, NGG, IG Metall oder GEW durch ihre Abwesenheit, wenn ihre Mitglieder gegen den Rassismus aufstehen. Warum ist es aber so?...“
„Aufstehen in Würde“ von Erik Peter am 07. Juni 2020 in der taz online berichtet aus Berlin unter anderem: „… Es war kein gewöhnlicher Protest, der am Samstag den Alexanderplatz füllte: keine Kundgebung, von der nur die TeilnehmerInnenzahl und ihr politisches Anliegen bleibt, sondern ein Zusammenkommen, das vor allem Würde ausstrahlte. Berlins kommende Generation, so vielschichtig wie nie, vereint in dem Bewusstsein, es einmal besser zu machen. Der Alex war in diesen Stunden ein Ort der Zukunft, die Idee einer besseren Welt ohne Rassismus und Diskriminierung. Es waren die 16- bis 25-Jährigen, die das Bild prägten. Sie gedachten im Schweigen und in aufbrausendem Beifall des durch Polizisten ermordeten schwarzen US-Amerikaners George Floyd. Stundenlang, konzentriert, konfliktfrei. Sie forderten „Black Lives Matter“ und meinten damit vor allem auch sich und alle Umstehenden. Viele der Teilnehmenden waren womöglich nie zuvor auf einer Demonstration, nicht für die Opfer des Anschlags von Hanau, nicht für die Aufklärung des Todes von Oury Jalloh. Doch das Bewusstsein über das Gift Rassismus innerhalb der Gesellschaft und ihrer staatlichen Institutionen tragen sie mit sich. Es war eine der größten antirassistischen Demonstrationen der Geschichte Berlins. Schon zum eigentlichen Kundgebungsstart war der Alex so überfüllt, dass es nicht mehr vor noch zurück ging. Außen strömten weiter Tausende und verteilten sich vom Rotem Rathaus bis weit die Alexanderstraße hinauf. Hätten die OrganisatorInnen 100.000 Teilnehmende gemeldet, niemand hätte sich gewundert. Weil sie nichts sagten, blieben die 15.000 der Polizei, von den meisten Medien kritiklos übernommen – aber weit entfernt von der Realität. Warum jetzt, kann man sich fragen: Warum wirkt ein Mord an einem schwarzen Mann so weit weg von hier so mobilisierend? Ganz einfach: Es spielt keine Rolle mehr, ob Halle oder Minneapolis, die sozialen Medien machen die Entfernung unsichtbar. Für heute 18-Jährige, für die die AfD und die mit ihr einhergehende rechte Gefahr zu ihrer Lebensrealität gehört, seit sie elf sind, ist es einfach eine neue Drohung. Eine zu viel, um weiter zu schweigen. Die gelebte ist unendlich weit entfernt von den alten Kontinuitäten strukturell rassistischer Gesellschaften. Es gibt keinen Grund, das länger hinzunehmen…“
„Gemeinsam stark“ von Daniel Lücking und Moritz Wichmann am 07. Juni 2020 in neues deutschland online berichten aus Hamburg: „… Nicht zuletzt die große Zahl von Menschen sorgte für den Vorwurf einer Verletzung der Coronaregeln. In der Hansestadt ging die Polizei am Samstag schließlich mit Wasserwerfern und Pfefferspray gegen demonstrierende Jugendliche vor. Alles sah zunächst nach einer deeskalierenden und zurückhaltenden Polizeistrategie aus. »Es stellt sich die Frage, warum die Polizei diese Linie nicht durchgezogen hat«, so der innenpolitische Sprecher der Linksfraktion der Hamburger Bürgerschaft, Deniz Celik, im Gespräch mit dem »nd«. Die Hamburger Polizei spricht auf ihrem Twitter-Account von maximal 825 erlaubten Teilnehmer*innen an zwei Plätzen, die einen antirassistischen Bezug haben. Am Rathausmarkt geht es um Solidarität mit den Geflüchteten aus Lampedusa. Die Demonstration am Jungfernsteig kam unter dem Motto »Nein zu Rassismus! Gemeinsam sind wir stark!« zusammen. Schon gegen 14 Uhr zeichnete sich ab, dass diese Zahlen weit übertroffen werden. Rund 6000 Menschen waren vor dem Hamburger Rathaus zusammengekommen. Deutlich mehr, als die von den Veranstaltern dort angemeldeten 300 Personen. Nach Polizeiangaben hatte es am Nachmittag aus einer Gruppe von 200 vermummten Personen heraus Angriffe auf die Polizei gegeben, woraufhin Pfefferspray eingesetzt wurde. In den Abendstunden nahm die Polizei dann mehrere Jugendlichen sowie ein Kind fest. Laut der Pressemeldung wurden 27 Erwachsene sowie 20 Minderjährige festgenommen, unter denen sich auch ein 13-jähriges Kind befand. In den sozialen Netzwerken teilen Aktivist*innen ein Video, das mehrere Jugendliche zeigt, die nach Angaben der Aktivist*innen über mehrere Stunden am Hamburger Bahnhof festgesetzt wurden. Andere Videos zeigen, wie die Polizei in eine Menge demonstrierender Jugendlicher rennt. »Wie absurd: Eine Demo gegen Polizeigewalt mit Polizeigewalt aufzulösen«, kommentiert der Chefredakteur der »Frankfurter Rundschau«, Thomas H. Kaspar, das Geschehen...“
„Hamburgs Jugend gegen Rassismus“ von Sarah Zaheer am 07. Juni 2020 in der taz online aus Hamburg berichtet über Teilnahme und einen gescheiterten Anbiederungsversuch: „… Schon vor dem offiziellen Beginn erklärt die Polizei die Versammlung für aufgelöst, denn statt der angemeldeten 525 seien 9.000 Menschen vor Ort. Der Jungfernstieg ist voll, die vorgeschriebenen Corona-Sicherheitsabstände sind nicht einhaltbar. Die Polizei versucht, den Zustrom von Menschen zu begrenzen. „We won’t move“, brüllen die Demonstrant*innen. Die Teilnehmer*innen knien sich auf den Boden und halten eine Schweigeminute ab. Dann stehen sie auf und rufen „Black Lives Matter“ und „No justice no peace“. Auch am Rathausmarkt teilt die Polizei über Lautsprecher mit, die Versammlung sei beendet, da sich zu viele Menschen versammelt hätten. Doch die Kundgebung geht wie geplant weiter. Redner*innen fordern Gerechtigkeit für die Opfer rassistischer Polizeigewalt – auch in Deutschland. Die Polizei zählt 14.000 Demonstrierende im Bereich der beiden Kundgebungen. Unter ihnen sind Menschen aller Hautfarben und jeden Alters. Doch es fällt auf, dass besonders viele People of Color und junge Menschen da sind, die sonst weniger auf Demos anzutreffen sind. Die Polizei hatte zuvor getwittert: „Rassismus darf in unserer Gesellschaft keinen Platz haben. Wir sind an eurer Seite.“ Daraus wird am Abend schließlich doch noch die Gegenseite: Demonstrierende bedrängen am Jungfernstieg Polizisten, bis die komplett eingekesselt sind…“
„Nicht leise, sondern kämpferisch“ am 07. Juni 2020 bei Dem Volke Dienen berichtet aus Köln unter anderem: „… Am 06.06.2020 fand anlässlich des Mordes an George Floyd eine Kundgebung an der Deutzer Werft in Köln statt. Laut Veranstalter sollen über 10.000 Teilnehmer teilgenommen haben. Die Kundgebung hat sich nicht in die reformistischen „silent protests“ eingereiht, sondern man hat sich für einen kämpferischen Charakter entschlossen in bewusster Abgrenzung zum „stillen Protest“. Statt Stille wurde vor allem der Wut auf die ganzen Morde und der alltäglichen Unterdrückung von Schwarzen Platz gegeben. Die Kundgebung wurde zum größten Teil von schwarzen Massen besucht. Diese haben sowohl den imperialistischen Chauvnismus des Yankee-, als auch des deutschen Imperialismus öffentlich denunziert…“
„Polizei nimmt Dutzende fest“ vom 07. Juni 2020 ist eine dpa-Meldung (hier in der taz) (deutsche polizei agentur?) die – wieder einmal – die Leiden und Zwänge der bedauernswerten Polizei exemplarisch vorgibt: „… Bei dem Polizeieinsatz anlässlich der anti-rassistischen Demonstrationen am Samstag in Berlin sind 93 Menschen festgenommen und 28 Polizeibeamte leicht verletzt worden. Drei von Ihnen hätten nach ambulanter Behandlung vom Dienst abtreten müssen, teilte die Polizei in der Nacht zum Sonntag mit. Demnach erfolgten die Festnahmen wegen Landfriedensbruchs, Widerstandes gegen Vollstreckungsbeamte und tätlichen Angriffs auf Vollstreckungsbeamte, versuchter Gefangenenbefreiung, Verstößen gegen das Infektionsschutzgesetz sowie Hausfriedensbruchs. Es befanden sich laut Polizei rund 800 Polizisten im Einsatz. Nach einer friedlich verlaufenen Demonstration am Alexanderplatz kam es laut Polizei zu einem Gewaltausbruch zwischen dem Bahnhof Alexanderplatz und dem Berolinahaus. Polizisten und Passanten seien aus einer größeren Gruppe heraus mit Steinen und Flaschen beworfen worden, nachdem ein Mann wegen Sachbeschädigung eines Einsatzfahrzeuges festgenommen worden war. Auch ein Pressefotograf sei verletzt worden. (…) Die Kundgebung auf dem Alexanderplatz sei störungsfrei verlaufen, aber wegen der großen Menschenmenge vorzeitig beendet worden, hieß es in der Polizeimitteilung. Danach sei zusätzlich zu den ursprünglich 14 geplanten Versammlungen in der Innenstadt noch eine 15. genehmigt worden. Auch in Hamburg demonstrierten am Samstag tausende Menschen friedlich gegen Rassismus und Polizeigewalt. Die Polizei sprach von 14.000 Teilnehmern – erlaubt waren wegen der Coronamaßnahmen zusammen nur gut 800. Im Anschluss gab es dann noch Auseinandersetzungen mit einer kleinen Gruppe von 300 bis 400 Demonstranten…“
„Dieser SEK-Polizist in Berlin trägt hier im Einsatz ein T-Shirt des US-Versandes „grunt style“ – beliebt unter white supremacists und US-Rechten“ am 07. Juni 2020 im Twitter-Kanal des Lower Class Magazins (LCM) ist eine der „passenden“ kleinen Meldungen zu den Leitlinien der Einsatztruppen in Berlin, die die obige dpa-Meldung irgendwie vergessen hat, zu erwähnen…
„Polizeigewalt gestern bei blacklivesmatterberlin – Genoss*innen schickten uns dieses Video zu und betonten, dass die Berliner Polizei gestern gezielt (!) migrantische und nicht-weiße Jugendliche angriff“ ebenfalls am 07. Juni 2020 im Twitter-Kanal des LCM ist eines dieser so vielen Video-Dokumente, die der Polizei in so vielen Ländern das Leben (und Prügeln?) schwerer machen…Wobei abschließend noch ein Hinweis hinzu gefügt wird, dass es in diesem Berlin ja eine Landesregierung gibt, die…was eigentlich?
„Wenn die Hamburger Polizei 36 Kinder und Jugendliche mit erhobenen Armen an die Wand stellt, weil sie gegen rassistische Polizeigewalt demonstrieren!“ am 07. Juni 2020 im Twitter-Kanal von Emily Laquer ist ein Video von der Hamburger rassistischen Polizeistaats-Aktion (zeigt nichts und spricht nicht von dabei verletzten Polizisten…)
„Solidarität mit Black Lives Matter! In Lübeck und überall“ am 06. Juni 2020 bei de.indymedia soll hier als Beispiel für die vielen örtlichen Aufrufe zur Teilnahme an den Demonstrationen stehen, die auch in kleineren Städten organisiert wurden. Darin heißt es unter anderem: „… Dabei hat Deutschland nicht erst seit kurzem selbst ein Rassismusproblem: Die Liste der Opfer rassistischer (Polizei-)Gewalt ist lang und wird länger. Die Polizei ist hier ein wichtiges Stichwort: Sie beschützt nicht die Freiheit der Einzelnen, sie beschützt nicht unsere Freiheit; Sie beschützt die Freiheit der Mächtigen. Solange es Macht gibt, solange es Herrschaft gibt, gibt es Rassismus, weil er als Instrument der Autorität dient. Wir können deshalb nicht an die Herrschenden appellieren, sie werden uns unsere Freiheit nicht geben. Wir müssen unsere Freiheit erkämpfen. Der Funke der Hoffnung ist aus den USA inzwischen auf die ganze Welt übergesprungen. Überall nehmen sich Menschen die Straßen, brennen Bullenwachen nieder, kämpfen für ihre Rechte, kämpfen für eine bessere Welt. Grüße gehen raus an all unsere anarchistischen Gefährt*innen. Während gegen Anarchist*innen und militanten Protest Stimmung gemacht wird, lassen wir uns nicht von ihnen vorschreiben, wie unser Protest auszusehen hat…“
„8.000 Menschen demonstrieren gegen rassistische Polizeigewalt“ von Katja Thorwarth am 07. Juni 2020 in der FR online berichtet im Vorfeld aus Frankfurt über den Aufruf der ISM: „… Denn rassistische Polizeigewalt haben die USA nicht exklusiv. Auch in Deutschland werden Menschen aufgrund ihrer Hautfarbe von der Polizei häufig anders und diskriminierend behandelt, wie Racial Profiling oder verdachtsunabhängige Personenkontrollen zeigen. Nach wie vor ist auch der Tod des Asylsuchenden Oury Jalloh, der sich in Gewahrsam befand und im Januar 2005 mit fixierten Händen und Füßen tot in seiner Zelle aufgefunden wurde, nicht geklärt. Der Fall wurde zu den Akten gelegt. Unter dem Hashtag #beiunsauch machen Opferberatungen und Netzwerke Schwarzer Menschen auf die Probleme hier in Deutschland aufmerksam. Im Zuge der Wut nach dem Tod von George Floyd war auch die Aufruhe groß, als sämtliche deutsche Talkshows ausschließlich weiße Gäste einluden, um über das Thema zu sprechen…“
„Demonstration gegen Rassismus und Polizeiterror“ am 06. Juni 2020 bei de.indymedia berichtete am Vorabend über eine Demonstration in Berlin: „… Rassismus und Polizeigewalt sind ein weltweites Phänomen, welches sich auch in der BRD in zahlreichen ungesühnten Morden durch Polizei und Rassisten zeigt. Die Kontinuität des Mordens von Oury Jalloh über den „verwechselten“ Amad A. bis hin zu Maria B. ist dabei kein „Einzelfall“ vermeintlich schlechter Cops. Sie sind das Ergebnis eines Systems welches eine autoritäre Gewaltinstitution wie die Polizei zu seiner eigenen Aufrechterhaltung zwingend benötigt. Rassistische Nazibullen werden dabei bewusst im Polizeiapparat geduldet, schließlich werden Sie im Ernstfall, wenn den kapitalistischen Eliten die Kontrolle zu entgleiten droht, als gehorsame Schläger benötigt. Der Ort der Demonstration in Neukölln wurde dabei nicht unbewusst gewählt. Rassistische Gewalt bei Wegschauen bis Förderung durch die Polizei hat hier eine blutige Tradition. Der ungeklärte Mord auf offener Straße an Burak Bektaş, der ebenfalls auf offener Straße durch den Hitler-Verehrer Rolf Z. erschossene Luke Holland sind dabei nur die Spitze des Eisbergs. Seit vielen Jahren verüben Nazis in Neukölln Anschläge und Hetze. Erst am Vorabend der Demonstration wurden erneut migrantische und linke Läden in Nordneukölln mit Naziparolen beschmiert. Die mutmaßliche Tätergruppe rund um Sebastian Thom (NPD) und Thilo Paulenz (AfD) residiert derweil weiter unbehelligt in Südneukölln. Mit LKA-Beamten trifft man sich zum feuchtfröhlichen Stelldichein. Lasst euch nichts einreden von Staatsschutzschreiberlingen und weltfremden Pazifisten. Getroffen hat es ausschließlich Banken, Filialen großer Ketten, Jobcenter und ein paar überdimensionierte Spritschleudern. Wäre es um möglichst großen Sachschaden gegangen hätte die Demonstration nicht hier stattgefunden wo die Zahl an Zielen begrenzt ist...“
„Wie rassistisch ist die deutsche Polizei?“ von Ben Knight am 06. Juni 2020 bei der Deutschen Welle signalisiert nicht nur, dass das Thema immerhin sogar schon „dort angekommen“ ist, sondern versucht sich auch an „Ausgewogenheit“: „… Dies mögen Skandalfälle gewesen sein, die in der Öffentlichkeit hohe Wellen geschlagen haben. Für Menschen mit dunkler Hautfarbe sind sie aber nur besonders krasse Beispiele ihrer Alltagserfahrung, dass sie allein aufgrund ihres Aussehens verdächtigt werden. „Die afrikanische Community hat noch nicht die Erfahrung gemacht, dass die Polizei da ist, um sie zu schützen, sondern sie hat eher den Eindruck, dass die Polizei da ist, um sie zu verdächtigen“, sagt Sylvie Nantcha, Initiatorin und Bundesvorsitzende von TANG (The African Network of Germany). Nantcha ist CDU-Politikerin und in Freiburg im Breisgau erste afrodeutsche Stadträtin Deutschlands. Von den Mitgliedern ihrer Organisation hat sie zahllose Berichte über sogenanntes racial profiling gehört, das heißt, dass Menschen allein wegen ihres Aussehens verdächtigt werden. „Wir wissen, dass unsere Leute öfter von der Polizei kontrolliert werden, als es eigentlich sein sollte. Ich kann von einem Fall erzählen von einem Kollegen, der in einem Zug war, in einem Waggon mit mehr als hundert Leuten. Die Polizei läuft vorbei und sie halten direkt vor dem Kollegen und fragen nach seinem Ausweis. Das sind Sachen, die tagtäglich passieren.“ Die Polizei erfasst solche Vorfälle nicht. Und das bedeutet, sagt Nantcha, dass sie auch nicht wirklich diskutiert werden. Das bestätigt auch Sebastian Bickerich, Sprecher der Antidiskriminierungsstelle des Bundes, in einer E-Mail: „Leider gibt es in Deutschland weder eine systematische Erfassung von Racial-Profiling-Fällen noch klar umrissene Zuständigkeiten und Beschwerdestrukturen.“ (…) Die GdP Nordrhein-Westfalen legt das Gesetz so aus, dass Polizisten bei Einsätzen, von denen Menschen mit Migrationshintergrund betroffen sind, nachweisen müssten, dass ihr Einschreiten in keinem Zusammenhang mit der Herkunft der Betroffenen stehe. Und der baden-württembergische CDU-Innenpolitiker Thomas Blenke sagt, das neue Gesetz stelle die Polizei und den gesamtenöffentlichen Dienst „unter Generalverdacht, grundsätzlich und strukturell zu diskriminieren“. Blenke betont: „Deutschland ist nicht USA. Wir haben hier kein Rassismus-Problem in der Polizei.“ Auch die Bundesregierung sieht kein systematisches Versagen. Bei einer Pressekonferenz diese Woche räumte Steve Alter, Sprecher des Innenministeriums, zwar ein, es gebe keine Zahlen, doch racial profiling sei kein Problem der Polizei insgesamt…“
„Chronologie Mai 2020“ am 05. Juni 2020 bei Cilip über polizeiliche Aktivitäten des Vormonats, darunter über die Berliner Polizeikampagne gegen „arabische Clans“ (natürlich kein bisschen rassistisch, aber eben so zeitaufwendig, dass für den rechten Terror in Neukölln keine Zeit mehr bleibt – höchstens mal auf ein Bier mit denen): „… 14. Mai: Organisierte Kriminalität (OK): In verschiedenen Berliner Stadtteilen durchsucht die Polizei die Wohnungen und Büros von Mitgliedern eines arabischstämmigen Clans wegen des Verdachts des Drogenhandels und illegalen Waffenbesitz. Eine größere Menge Drogen und fünf Schusswaffen werden sichergestellt; fünf Männer werden festgenommen. Am 25. Mai stellt die Polizei in Berlin ihre Jahresbilanz 2019 der Aktion gegen organisierte Clankriminalität vor. Danach wurden bei 382 Einsätzen insgesamt 702 Objekte kontrolliert, 86 Lokale und Geschäfte wurden geschlossen; 125 Fahrzeuge und 104 Waffen wurden beschlagnahmt. Zudem wurden 35.000 EUR Bargeld, 31.606 unversteuerte Zigaretten und 969 Drogenportionen sichergestellt. In Berlin und Brandenburg durchsucht die Polizei am 27. Mai neun Objekte unter dem Verdacht illegal mit dem flüssigen Schmerzmittel Tilidin zu handeln; größere Mengen des Mittels, Bargeld und scharfe Munition werden beschlagnahmt…“
„Lagebedingtes Systemversagen“ von Gareth Joswig am 23. Mai 2020 in der taz online berichtete über den Tod von Aresteidis L. nachdem er von vier Polizisten „fixiert“ worden war (in Berlin, nicht Minneapolis): „… Das letzte, was L. als freier Mensch von Berlin gesehen hat, war die Filiale einer Bäckerei-Kette in Tempelhof. Der 36-jährige Grieche kollabierte in Polizeigewahrsam, als mehrere Einsatzkräfte ihn in eine Zelle der Gefangenensammelstelle Süd bringen wollten. Nach Berlin war L. gekommen, um Silvester zu feiern. Den Jahreswechsel erlebt er nicht mehr bei Bewusstsein. Sein Tod bleibt eine Randnotiz ohne großen medialen Widerhall. Zwar greift die Deutsche Presseagentur die Meldung auf, aber wie die Ermittlungen enden, wird niemals berichtet – weder von der Polizei noch von Medien. Jetzt, knapp eineinhalb Jahre später, deuten Recherchen der taz darauf hin, dass die Beamt:innen womöglich grobe Fehler machten – der Verdacht der fahrlässigen Tötung steht im Raum, auch wenn das zugehörige Verfahren längst eingestellt ist. Das legen eine Rekonstruktion der Hergänge und die Einschätzung des renommierten Kriminologen Thomas Feltes nahe, der selbst Rektor einer Polizeischule war und schon länger systematisches Fehlverhalten der Polizei kritisiert. Der Fall von L. zeigt zudem einmal mehr Schwächen bei der Strafverfolgung von Polizist:innen: Die zuständige Staatsanwaltschaft stellte das Verfahren wegen fahrlässiger Tötung gegen die beteiligten Beamt:innen nach nur zwei Monaten im März 2019 ein. Einwände und Beschwerden der Hinterbliebenen wurden abgewiesen. Wie so häufig, wenn Polizist:innen tatverdächtig sind, kam auch in diesem Verfahren nur wenig heraus, als Beamt:innen gegen ihre Kolleg:innen ermittelten. Den Einsatzkräften sei strafrechtlich nichts anzulasten, heißt es von der Staatsanwaltschaft – obwohl nicht einmal alle Beteiligten des Vorfalls vernommen wurden. Die Hinterbliebenen von L. wollen sich nicht damit abfinden, dass ihr Sohn und Bruder bei seinem Berlinbesuch unter ungeklärten Umständen starb. Bis heute wollen sie herausfinden, wie das genau geschah. Die Mutter sagt: „Die Sache ist in einer Schublade gelandet. Es ist absolut nichts passiert und keiner zeigt sich verantwortlich.“ Der Bruder des Opfers trat im Verfahren als Nebenkläger auf. Alle Einwände, die er über seine Berliner Rechtsanwältin Vasiliki Siochou einbrachte, scheiterten jedoch auf juristischem Wege…“
„Endkampf gegen Shishabars“ von Carl Melchers bereits am 27. Februar 2020 in der jungle world (Ausgabe 09/2020) zu den Ergebnissen von Polizei- und Medienkampagnen gegen Kneipen: „… Shishabars genießen keinen besonders guten Ruf in Deutschland. Im vergangenen Jahr konnte man viel in deutschen Medien über sie lesen, wenig davon klang positiv. Wegen zahlreicher Polizeirazzien erschienen sie als Horte des Verbrechens, des Glücksspiels, des Drogenhandels und als Treffpunkt kriminell-mafiöser Clans. Tatsächlich lieferten die Durchsuchungen vergleichsweise magere Ergenisse, oft nur etwas unversteuerten Tabak. Vergleichbar der Berichterstattung über die vermeintlichen »Dönermorde« wurde die sogenannte Clankriminalität zum Synonym für das Treiben krimineller Südländer, die keiner geregelten Arbeit nachgehen und sich dem unproduktiven Müßiggang hingeben. Es ist seit den Morden von Hanau viel darüber geschrieben und diskutiert worden, welcher Religion oder Ethnie die Opfer des Anschlags angehörten und welche Staatsangehörigkeit sie hatten. Der Streit darüber, wer sie in welcher Talkshow und auf welcher Bühne repräsentieren sollte, wurde vor allem in den sozialen Medien geführt und war alles andere als angenehm. Wenn man hingegen die Biographien von Kierpacz, Unvar, Sedat Gürbüz, Gökhan Gültekin, Hamza Kurtović, Kalojan Velkov, Vili Viorel Păun, Said Nesar Hashemi und Fatih Saraçoğlu betrachtet, verbindet die Ermordeten neben der Zuschreibung als »Migranten« vor allem eines: Sie gehören zur westdeutschen, migrantisch geprägten werktätigen Klasse. Sie arbeiteten als Kellner, in Kurierfirmen, als Kammerjäger, machten Ausbildungen zu Maurern und Maschinenführern. Sie gehörten zu jenen Menschen, die meist ihr Leben lang arbeiten, ohne dass ihnen viel vom gesellschaftlichen Reichtum zukäme…“