Corona-Infektionen: Politiker kritisieren Ausbeutung in Schlachthöfen – Verschärfung der Arbeitsschutzgesetze gefordert

Dossier

Coronavirus, die Hetze und der Ausnahmezustand: China im Shitstorm“… Fachpolitiker in der SPD-Bundestagsfraktion denken bereits über eine Verschärfung der Arbeitsschutzgesetze nach. „Tausende Werk- und Saisonarbeiter schuften unter zweifelhaften Bedingungen und werden in engen Sammelunterkünften untergebracht“, sagten die Fraktionsvizes Katja Mast und Matthias Miersch. „Wir haben 2017 zusätzliche gesetzliche Standards für die Fleischwirtschaft definiert – wenn das nicht reicht, müssen wir auch gesetzlich nochmal ran“, sagte Mast der Nachrichtenagentur AFP. Arbeitsminister Hubertus Heil (SPD) forderte seine Länderkollegen in einem Schreiben dazu auf, den Arbeitsschutz für Saisonarbeiter in der Fleischindustrie streng zu kontrollieren. „Besonderes Augenmerk ist dabei auf die Situation in Sammelunterkünften und beim Personentransport zu legen“, heißt es in dem Schreiben, aus dem NDR und WDR zitieren. Neben den Politikern fordern auch Gewerkschaften schärfere Kontrollen und bessere Arbeitsbedingungen in Schlachthöfen. „In Schlachthöfen muss deutlich mehr unternommen werden, um die Risiken für Sicherheit und Gesundheit der Beschäftigten zu reduzieren“, sagte Anja Kiel, Vorstandsmitglied des Deutschen Gewerkschaftsbunds DGB. Gerade jetzt käme es auf verstärkten Arbeitsschutz an, der für alle Beschäftigten gelten müsse. Der Vizevorsitzende der Gewerkschaft Nahrung-Genuss-Gaststätten (NGG), Freddy Adjan, sagte, Mitarbeiter von Schlachthöfen würden häufig auch über Werkverträge mit dubiosen Subunternehmen rücksichtslos ausgenutzt. „Diese Krise macht deutlich, wie überfällig es ist, auf Stopp zu drücken und den ruinösen Preiskampf beim Fleisch zu beenden.“ Schlachthofbetreiber sollten das Schlachten demnach nicht an billige Fremdfirmen auslagern dürfen.“ dpa-Meldung vom 09.05.2020 in der Zeit online externer Link, siehe mittlerweile speziell zum Thema Werkverträge unser neues Dossier Fallen Werkverträge (leider nur) in der Fleischindustrie Corona zum Opfer? und hier zu den Arbeitsbedingungen in der Schlachtindustrie in Corona-Zeiten allgemein:

  • Corona im Schlachthof: Bislang Hunderte Fälle als Arbeitsunfall anerkannt New
    “Nach den massenhaften Corona-Ausbrüchen unter Schlachthofarbeitern im vergangenen Jahr sind bislang mehrere Hundert Infektionen als Arbeitsunfall eingestuft worden. Das berichtet die „Neue Osnabrücker Zeitung“ (NOZ) unter Berufung auf Angaben der zuständigen Berufsgenossenschaft Nahrungsmittel und Gastgewerbe. Ein Sprecher teilte der „NOZ“ auf Anfrage mit: „In 603 Fällen der Fleischwirtschaft wurde festgestellt, dass ein Arbeitsunfall im Zusammenhang mit SARS-CoV-2 vorliegt.“ Für die Betroffenen kann das bedeuten, dass Behandlungs- und Reha-Kosten von der gesetzlichen Unfallversicherung übernommen werden. Ist die Arbeitsfähigkeit infolge der Infektion dauerhaft eingeschränkt, besteht Anspruch auf eine Erwerbsminderungsrente. (…) Wie viele der anerkannten Arbeitsunfälle auf Tönnies zurückgehen, ist unklar. Die Berufsgenossenschaft machte dazu unter Verweis auf den Datenschutz keine Angaben. Nur so viel: Es seien Fälle aus dem gesamten Bundesgebiet anerkannt worden. Dabei sei jeder Fall einzeln geprüft worden. Für die Anerkennung müssen gewisse Voraussetzungen erfüllt sein. So muss nachweislich ein Kontakt zu einer sogenannten Indexperson im beruflichen Umfeld stattgefunden haben. Allerdings kann als Nachweis auch die Arbeit in einem Betrieb mit einer Vielzahl an Infizierten dienen.“ Meldung vom 22.02.2021 der Neuen Osnabrücker Zeitung im Presseportal externer Link
  • Regierung fehlt der Überblick zu Infektionen in Schlachthöfen
    “Schlachthöfe gehörten früh zu den Corona-Hotspots. Die Bundesregierung lobt sich für ihre Gegenmaßnahmen – dabei hat sie bis heute keine Informationen über die Infektionen in solchen Betrieben. Die Bundesregierung hat sich immer noch keinen Überblick darüber verschafft, wie viele Menschen sich in Schlachthöfen, in Gärtnereien oder in landwirtschaftlichen Betrieben dieses Jahr mit dem Coronavirus angesteckt haben. Das geht aus einer Antwort auf eine Kleine Anfrage der Linksfraktion im Bundestag hervor, die dem SPIEGEL vorliegt. „Zu den Fragen (…) liegen der Bundesregierung keine Informationen vor“, heißt es knapp im Antwortschreiben aus dem Gesundheitsministerium. Die Linksfraktion hatte detailliert wissen wollen, wie viele Menschen in welchen Bundesländern sich in welchen Betrieben in der Landwirtschaft, dem Gartenbau und der Nahrungsmittelverarbeitung angesteckt haben. Zudem wurde erfragt, wie viele Personen erkrankten und wie die Krankheiten verliefen. Die Linksfraktion wollte zudem wissen, wie viele Erntehelfer aus dem Ausland betroffen waren. Nichts davon konnte die Regierung beantworten. Dabei waren Schlachthöfe schon im Frühjahr sogenannte Hotspots, in denen sich teils Hunderte Menschen infizierten. Immer wieder breitete sich das Coronavirus in den Betrieben aus, in denen Menschen oft in kalter Luft nah beieinander arbeiten und laut rufen müssen, um sich zu verständigen. Dazu leben Arbeiter, die nicht fest angestellt sind, häufig mit mehreren Personen in Räumen. (…) Dass nach eigenen Angaben kein Wissen über die Infektionen vorhanden ist, hält das Gesundheitsministerium allerdings nicht davon ab, zu behaupten, der Arbeitsschutz trage „umfassend zur Reduzierung des Infektionsgeschehens in Deutschland bei“. Das gelte auch für das Konzeptpapier, das Empfehlungen für Hygieneregeln für Betriebe mit Saisonarbeitern enthielt. Es habe „einen wesentlichen Beitrag für die Eindämmung des Infektionsgeschehens geleistet“…“ Artikel von Jonas Schaible vom 30.10.2020 beim Spiegel online externer Link
  • Neuordnung der Arbeitsbeziehungen in der Fleischindustrie – Das Ende der „organisierten Verantwortungslosigkeit“? 
    Billigproduktion unter unsäglichen Arbeitsbedingungen – das Geschäftsmodell der deutschen Fleischindustrie. Das Arbeitsschutzkontrollgesetz könnte viele Missstände beheben. Dringend nötig außerdem: eine flächendeckende Tarifbindung in der Branche…“ Analyse von Serife Erol und Thorsten Schulten als WSI Report 61 vom Oktober 2020 externer Link
  • Fett fürs Schweinesystem: Fleischbarone machen mobil gegen »Arbeitsschutzkontrollgesetz«. Regierung lässt Schlachthöfe weniger kontrollieren
    Sie versuchen alles. Fleischmagnaten wollen das von der Regierung angekündigte »Arbeitsschutzkontrollgesetz« kippen, mindestens aufweichen – kurzum: Ausbeutung im »Schweinesystem« soll nicht begrenzt werden. »Bisher konnten die Lobbyisten der Fleischindustrie noch jeden Gesetzentwurf auf Kosten der Beschäftigten verwässern«, ärgerte sich Jutta Krellmann, Sprecherin für Mitbestimmung und Arbeit der Linksfraktion im Bundestag, am Freitag im jW-Gespräch. (…) Nach Coronawellen in Schlachthöfen und Schweinepestfällen können sich Tönnies und Co. auf Bundesagrarministerin Julia Klöckner (CDU) verlassen. Die will die Zahl der »Routinekontrollen« in den Unternehmen senken, um mehr Kapazitäten für »Problembetriebe« zu haben. Ein durchsichtiges Manöver. (…) In Stellung bringt sich die Branche insgesamt. Der Bundesverband der Deutschen Fleischwarenindustrie (BVDF) forderte am Freitag »Öffnungsklauseln« und will, »dass die Wursthersteller vom Arbeitsschutzkontrollgesetz ausgenommen werden«. Nicht nur das: Von allgemeinverbindlichen Tarifwerken hält der BVDF nichts, will es bei Betriebsvereinbarungen belassen. Freimütig erklärte dessen Geschäftsführer Thomas Vogelsang gleichentags auf jW-Nachfrage: Der Abschluss allgemeinverbindlicher Tarifverträge »könnte den Interessen und Strukturen unserer Branche entgegenstehen«. Solche Verträge indes will die Gewerkschaft Nahrung, Genuss, Gaststätten (NGG) durchsetzen. »Tarifverhandlungen müssen auf dem Arbeitsschutzkontrollgesetz aufbauen«, betonte NGG-Pressesprecherin Karin Vladimirov am Freitag gegenüber jW. Das wiederum will der mit dem BVDF konkurrierende Verband der Ernährungswirtschaft (VdEW) nicht. Die Folge: Kurzerhand sagten die Gewerkschafter die Tarifgespräche ab. (…) Vertreter des »fleischindustriellen Komplexes« beklagen »Eingriffe in wirtschaftliche Freiheiten«. Advokaten der Konzernbosse dürften längst ihre Schriftsätze gegen das Arbeitsschutzkontrollgesetz in der Schublade haben. Darauf ist auch der DGB eingestellt…“ Artikel von Oliver Rast in der jungen Welt vom 21.09.2020 externer Link, siehe auch: foodwatch-Petition: “Weniger Lebensmittelkontrollen – ja geht’s noch, Frau Klöckner?!”- auch Kontrolleure protestieren
  • Petition an NRW-Arbeitsminister Laumann: System Tönnies: Schlachthof-Sumpf austrocknen! 
    Warum greifen die Behörden in NRW nicht durch? Sind Mietwucher, Schein-Werkverträge, Lohnraub und Sozialabgabenbetrug etwa Kavaliersdelikte? Wir machen jetzt Druck! Erste Unterschriften-Übergabe: Freitag, 11. September 2020 in Düsseldorf…“ Unterschriftensammlung der Aktion gegen Arbeitsunrecht externer Link
  • [Kommentar zur Fleischindustrie] Einhegung fraktioneller Sonderinteressen
    „… Zur richtigen Einschätzung der aktuellen Haltung der offiziellen Politik gegenüber der deutschen Fleischindus- trie im Allgemeinen und Tönnies im Besonderen sollte man sich ferner mindestens drei historische Fakten in Erinnerung rufen. Erstens haben in der Vergangenheit wiederholt Politiker aus den Reihen der bürgerlichen Einheitsfront im Bundestag den Fleischmagnaten öffentlich die Leviten gelesen und ihnen trotzdem freies Geleit gewährt. Ein gewisser Sigmar Gabriel (SPD) – zwischen März und Mai 2020 wohldotierter Tönnies-Berater – sagte als Bundeswirtschaftsminister 2015 über das Ausbeutungssystem in der Fleischindus- trie, es sei eine „Schande für Deutschland“. Anschließend ließ er Tönnies, Vion, Westfleisch und Co mit einer freiwilligen „Selbstverpflichtung der Unternehmen für attraktivere Arbeitsbedingungen“ davonkommen, die nichts an den bekannten Problemen änderte. Zweitens hat Bundeslandwirtschaftsministerin Julia Klöckner (CDU) im vollen Wissen um die Arbeits- und Wohnbedingungen der Werkvertragsarbeiter gleich zu Beginn der Corona-Pandemie die Fleischindustrie als „systemrelevant“ eingestuft, so dass die Konglomerate trotz Lockdown fleißig weiter Profit machen konnten. Schließlich haben Grüne bis FDP den Niedriglohnsektor in Deutschland und die Anwerbung von Niedriglohnarbeitskräften aus der EU-Peripherie ebenso implementiert und Zeit ihres Bestehens im Kern nicht angetastet wie die agrobusinessfreundliche EU-Agrarpolitik oder die Exportförderung für die Fleischindustrie. Mit anderen Worten: Dieselben politischen Kräfte, die Tönnies heute medienwirksam Standpauken halten, sind aufgrund ihrer Politik nicht nur mitverantwortlich für die Verbreitung des SARS-CoV-2-Erregers in den Fleischwerken des Landes. Sie haben das „System Tönnies“ mit ermöglicht und es seit Jahrzehnten erfolgreich protegiert. Von ihnen Abhilfe zu erwarten, ist wie zu glauben, der FC Bayern leiste freiwillig Verzicht auf die deutsche Fußballmeisterschaft. Denn, und das weiß das etablierte politische Personal nur allzu gut, das „System Tönnies“ infrage zu stellen bedeutete weitaus mehr als „faire Werkverträge für die deutsche Wirtschaft“ (Tönnies) oder „klare Regeln gegen Werkverträge“ (DGB). Selbstverständlich gehören Werkvertrags- und Leiharbeit sofort und auch vollständig verboten – statt nur „fair gestaltet“. Aber das System, das in der Fleischindustrie praktiziert wird, ist weder auf die verheerenden Arbeits- und Lebensverhältnisse der Lohnabhängigen aus der Peripherie oder auf die Fleischproduktion und -verarbeitung als Branche eingrenzbar. Noch ist es ein Relikt aus den bösen, überkommenen Zeiten des Kapitalismus oder auf das Fehlverhalten von Einzelkapitalisten wie Tönnies, der freilich eine leitende und verantwortliche Rolle spielt, zu reduzieren. Es mit der deutschen Fleischindustrie wirklich aufzunehmen hieße, an den Grundfesten des Modells kapitalistischer Entwicklung im imperialistischen Deutschland zu Beginn des 21. Jahrhunderts zu rütteln, dessen Konturen man in der Fleischherstellung wie durch ein Brennglas erkennen kann…“ Kommentar von Christian Stache aus der kommenden September-Ausgabe der „Z. Zeitschrift Marxistische Erneuerung“ externer Link (vorab online veröffentlicht)
  • Schlachthöfe profitieren seit Jahren von laxer Kontrolle
    „… Eine Regierungsantwort auf eine Kleine Anfrage der Grünen zeigt aber, dass schon in der Vergangenheit bei Kontrollen regelmäßig zahlreiche Verstöße gegen Arbeitsschutzregeln aufgedeckt wurden. Trotzdem wurden die Kontrollen erst jetzt, in der Corona-Pandemie, intensiviert. Beate Müller-Gemmeke, Sprecherin für Arbeitnehmerrechte der Grünen-Fraktion, hatte nach der Zahl der Kontrollen von 2014 bis 2019 gefragt – und zum Vergleich nach der seit März dieses Jahres, dem Beginn der Pandemie hierzulande. Die Antwort des Bundesarbeitsministeriums zeigt zunächst einmal, dass dem Bund keine eigenen Daten vorliegen. Zuständig seien „zunächst die Länder“. Doch auch die Länderdaten stellen laut Ministerium „keine Vollerhebung dar und geben nur einen teilweisen Überblick über die Situation in der Fleischindustrie“; zudem seien sie nicht miteinander vergleichbar. (…) Dort, wo es Zahlen gibt, sprechen sie jedoch eine eindeutige Sprache: In Thüringen etwa gab es zwischen 2014 und 2019 keine einzige Kontrolle, die nicht mindestens einen Verstoß ans Licht gebracht hätte. Die Zahl der Kontrollen aber wurde nicht erhöht – sie sank. Geändert hat sich das erst mit der Pandemie: Während für 2019 nur 20 Kontrollen verzeichnet sind, waren es dieses Jahr von März bis Anfang Juli schon 27…“ Artikel von Henrike Roßbach vom 17. August 2020 in der Süddeutschen Zeitung online externer Link
  • Die seuchenbedingte Neuauflage des alten Fleischskandals … 
    „… Seit Upton Sinclair vor 120 Jahren die Fleischfabriken von Chicago besucht und der Welt berichtet hat, wie verdorben eine profitlich betriebene Fleischverarbeitung in den modern times des technischen Fortschritts ausschaut, führen sie Beschwerde über die üblen Zustände in dieser Industrie. Zwar hat kaum jemand ihnen und ihren frei gewählten, durchaus disparaten Gesichtspunkten je widersprochen, was sich an der Branche in Sachen Leiharbeit, Tierquälerei oder Gammelfleisch zu ändern hätte, damit sie Teil der besseren Welt sein kann, die sie sich vorstellen. Doch sie mussten stets die Erfahrung machen, dass die Nachfrage nach ihren Parolen gegen die „Ausbeutung von Mensch und Tier“ sich doch arg in Grenzen hält, im praktischen Gang der Dinge auf jeden Fall nichts von ihren Einwänden abhängig gemacht wird. Jetzt aber, in der Corona-Krise, erfahren sie eine ungeahnte Aufmerksamkeit, und alles Übel, das sie schon immer anprangern, wird quer durch Deutschlands Leitmedien zusammengetragen und als „Schweinesystem“ (DER SPIEGEL 27/2020) abgeurteilt – weil es sich anlässlich der Ausbrüche bei Westfleisch, Tönnies, Wiesenhof usw. als epidemischer Seuchenherd, als eine Gefährdung der Volksgesundheit, herausstellt. Wenn ein paar Tausend von ihnen infiziert sind, ist das Schicksal einer aus Elendsgestalten rekrutierten, mies bezahlten und untergebrachten Belegschaft gut für einen mittelschweren Fleischskandal, nach dem es mit dem „brutalen Geschäft mit dem Billigfleisch“ so nicht weitergehen kann: „Vielleicht ist es der eine Skandal zu viel.“ (Ebd.) Endlich wird ihren Beschwerden ein breites Interesse an Aufklärung und Skandalisierung zuteil; sogar bei der Instanz, die in der Demokratie für praktische Veränderungen zuständig ist. Die schlechte Nachricht für alle guten Menschen folgt auf dem Fuße: Die angerufenen zuständigen Instanzen des Allgemeinwohls sind es dann auch, die die verbindlichen Vorgaben machen, was an der Branche und ihren Verfehlungen, die immerhin anlässlich einer Volksseuche in den Blick gerückt sind, zu korrigieren ist. Politik und Öffentlichkeit führen es vor, ganz gemäß der in der demokratisch regierten Klassengesellschaft herrschenden Arbeitsteilung…“ Beitrag von Peter Decker vom 14. August 2020 bei Telepolis externer Link (Peter Decker ist Redakteur der politischen Vierteljahreszeitschrift ‚GegenStandpunkt‘, wo dieser Beitrag ebenfalls erschien)
  • Fleischindustrie: Kreis Dithmarschen begrenzt Leiharbeit 
    Der Kreis Dithmarschen hat wegen der Corona-Krise Auflagen für Betriebe verschärft, die Fleisch und Fisch verarbeiten. Mit einer Allgemeinverfügung begrenzte Landrat Stefan Mohrdieck (parteilos) am Montag den Einsatz von Leiharbeitnehmern und Beschäftigten von Werkunternehmen. Beschäftigte mit aktuellem negativen Corona-Test sind ausgenommen von der Maßnahme, die zunächst bis zum 30. August gilt. Der Landrat begründete den Schritt mit einer hohen Fluktuation bei den erwähnten Arbeitnehmern und der damit verbundenen Gefahr, die Verbreitung des Coronavirus zu begünstigen…“ Meldung vom 10.08.2020 beim NDR externer Link
  • [Noch ein deutsches Exportmodell] Schlachthöfe in Europa: Billiges Fleisch, unhaltbare Zustände 
    “… Begonnen hat die systematische Ausbeutung von Arbeitsmigranten in deutschen Fleischfabriken – und sie hat sich in weiten Teilen Europas ausgebreitet. (…) Der Dachverband der europäischen Nahrungsmittelgewerkschaften EFFAT hat genau Buch geführt. Die mit Abstand meisten COVID-19-Fälle gab es bislang in Deutschland. Danach kommt Irland mit 950 positiv getesteten Arbeitern knapp vor den Niederlanden, und dahinter, mit einigem Abstand Frankreich, Belgien, Spanien und Polen. Enrico Somaglia ist stellvertretender Generalsekretär von EFFAT in Brüssel. Er beobachtet seit Jahren, wie sich das Sozial-Dumping in den Schlachthöfen von Deutschland aus auf die ganze Europäische Union ausgedehnt hat. „Das Geschäftsmodell, das vor Jahren in Deutschland entwickelt wurde und das auf billigem Fleisch und auf der Ausbeutung der Arbeiter beruht, auf der Reduzierung von Arbeitskosten und auch auf der Verantwortungslosigkeit der Unternehmer, dieses Modell hat in ganz Europa einen Wettlauf nach unten ausgelöst, hin zu immer niedrigeren Löhnen und zu immer schlechteren Arbeitsbedingungen in den Schlachthöfen.“ Nach der Osterweiterung der EU begannen vor allem die großen Schlachthöfe in Deutschland die angestammte Belegschaft Schritt für Schritt durch billige Arbeitskräfte aus Polen, Rumänien und Bulgarien zu ersetzen. Das bevorzugte Instrument waren die so genannten Werkverträge mit Subunternehmern in Polen, Rumänien und Bulgarien. (…) Dieses System brachte den Schlachthöfen in Deutschland erhebliche Einsparungen bei den Personalkosten – und befeuerte die Gier nach immer größeren Gewinnspannen und Marktanteilen. Nicht nur zwischen den Schlachthöfen, auch zwischen den Subunternehmen entbrannte ein wilder Preiskampf. (…) Wie es anders geht, das zeigen die nordischen Länder Dänemark, Schweden und Finnland. In Dänemark zum Beispiel liegen die Löhne der Fleischarbeiter zwischen 20 und 27 Euro die Stunde. Die Regierung achtet darauf, dass die Leute in anständigen Wohnungen leben und ordentlich sozialversichert sind. Das gilt für alle Arbeiter, egal wo sie herkommen, betont Jim Jensen von der dänischen Nahrungsmittelgewerkschaft NFF. Deshalb hätten sie in dänischen Schlachthöfen auch keine Probleme mit COVID-19-Infektionen (…) Leidtragende sind nicht nur die Arbeiter, sondern auch die kleineren, regionalen Schlachthöfe, die nicht einfach in Billigländer ausweichen können. Sie kommen durch die schmutzige Konkurrenz noch mehr unter Druck und werden irgendwann endgültig vom Markt verdrängt. (…) Weitergehende Regelungen lehnen auch die meisten osteuropäischen Regierungen ab. Zwar haben Bukarest und Sofia inzwischen mehrfach gegen die schlechte Behandlung rumänischer und bulgarischer Staatsbürger in den europäischen Schlachthöfen protestiert. Aber allzu weit dürfe die Gleichstellung der Arbeitsmigranten mit den lokalen Arbeitern auch nicht gehen. (…) Wenn im Europaparlament neue Gesetze diskutiert werden, die sich auf die Arbeitskosten für polnische, rumänische oder bulgarische Arbeitsmigranten auswirken, dann taucht immer der Verdacht des Protektionismus auf. Die westlichen Länder, so die Befürchtung, wollten ihre Unternehmen vor osteuropäischer Konkurrenz abschotten…“ Beitrag von Alois Berger vom 22.07.2020 beim Deutschlandfunk externer Link zur EFFAT-Studie: EFFAT meat sector report: poor conditions to blame for spread of Covid-19 externer Link
  • Schimmel, Ungeziefer und undichte Dächer… 1900 Fälle in Fleischindustrie: Schlimmste Befürchtungen werden bestätigt 
    Ein Bericht für den Landtag in NRW zeigt schockierende Details, wie schlecht Arbeiter in der Fleischindustrie untergebracht sind: Es geht um Schimmel, Ungeziefer und undichte Dächer. Erstaunlich gut sei dagegen die Lage der Erntehelfer. Bei einer großangelegten Kontrolle von 650 Sammel- und Gemeinschaftsunterkünften oder Werkswohnungen in Nordrhein-Westfalen, in denen insgesamt 5300 Personen leben, die bei Werkvertragsunternehmen der Fleischwirtschaft arbeiten, stellten die Prüfer bis Ende Mai – also noch vor dem Fall Tönnies – rund 1900 „mittlere und gravierende“ Mängel fest. „Die Bandbreite der Beanstandungen beginnt bei fehlenden einfachen Hygienemaßnahmen wie fehlendem Desinfektionsmittel oder fehlenden Reinigungsplänen in Kombination mit Überbelegungen“, heißt es in dem Bericht wörtlich. „In extremen Fällen sind Schimmelpilzbefall, Einsturzgefahr, undichte Dächer, katastrophale Sanitäreinrichtungen, Ungezieferbefall und Brandschutzmängel festgestellt worden.“ Vier Wohnungen in Gütersloh, Espelkamp und Bochum mussten wegen erheblicher Baumängel sowie Gesundheitsgefahren geräumt werden. (…) In der Corona-Pandemie gilt das Infektionsschutzgesetz, weshalb die Behörden anders als bisher überhaupt erst die Möglichkeiten haben, neben den Betrieben auch die Unterkünfte systematisch unter die Lupe zu nehmen…“ Artikel von Reiner Burger vom 08.07.2020 bei der FAZ online externer Link
  • Das System Tönnies ist das System Kapital – Fragen und Antworten 
    Am 26. Juni 2020 verkündete die Landwirtschaftsministerin Julia Klöckner auf einem „Fleisch-Gipfel“ die „Fleisch-Wende“. Der Milliardär Clemens Tönnies Clemens war per Video zugeschaltet. Für Klöckner gibt es „keinen Weg mehr zurück“. Das klingt so, als ob die Politik jetzt durchgreife, eben eine echte „Wende“ hinlege. Antwort: Erneut bewegt sich das, was die Bundesregierung zum Tönnies- und Fleischwirtschafts-Skandal sagt, weitgehend auf einer falschen Ebene. Man will beim Verbraucher mit einer „Tierwohl-Abgabe“ ansetzen. Da folgert dann Bild (26.6.): „Fleisch und tierische Produkte könnten schon bald teurer werden. […] Denkbar wären über eine Verbrauchsteuer Aufschläge von 40 Cent pro Kilogramm Fleisch und Wurst, 2 Cent pro Kilo für Milch und Frischmilchprodukte.“ Dazu werde, so Klöckner, auch „der Staat Geld in die Hand nehmen“, um den „tiergerechten Umbau der Stallungen“ mitzufinanzieren. Kann man Kerker artgerecht gestalten? Vor allem aber heißt das: Die Verantwortung für all die Schweinereien wird bei den Discountern angesiedelt. Die soeben verkündete Mehrwertsteuersenkung soll durch eine neue Verbrauchersteuer kassiert werden. Dabei sind die Fleischkonzerne hochprofitabel. Sie müssen zur Kasse gebeten werden…“ Artikel von Winfried Wolf aus dem FaktenCheck:CORONA 2 externer Link
  • Fleischbetriebe müssen Beschäftigte zweimal pro Woche testen
    Nordrhein-Westfalen hat die Infektionsschutzvorschriften für die Fleischindustrie verschärft. In Schlachtbetrieben soll sich das Virus nicht mehr so schnell verbreiten. Fleischbetriebe in Nordrhein-Westfalen müssen in Zukunft Beschäftigte auf eigene Kosten mindestens zweimal pro Woche auf das Coronavirus testen. Das teilte das NRW-Ministerium für Arbeit und Gesundheit mit. Die neue Vorgabe gelte ab 1. Juli für Schlachthöfe, Zerlegebetriebe und vorrangig fleischverarbeitende Betriebe mit mehr als 100 Beschäftigten und unabhängig davon, ob es sich um eigene Beschäftigte oder Werkvertragsnehmer handele. In der entsprechenden neuen Allgemeinverfügung heißt es: „Es dürfen nur Personen in der Produktion eingesetzt werden, die mindestens zweimal pro Woche auf Kosten des Betriebsinhabers auf eine Infektion mit dem Coronavirus SARS-CoV-2 durch PCR-Verfahren getestet werden und dabei ein negatives Testergebnis haben.“ Die Auswertung müsse durch ein anerkanntes Labor erfolgen, die Test-Nachweise seien in dem Betrieb vorzuhalten. Die Betriebe würden zudem verpflichtet, die Namen und Wohn- beziehungsweise Aufenthaltsadressen sämtlicher Personen auf dem Betriebsgelände zu erheben und für vier Wochen aufzubewahren, um sie gegebenenfalls den Behörden verfügbar machen zu können…“ Agenturmeldung vom 27. Juni 2020 in der Zeit online externer Link
  • Fleischindustrie: Schlachthöfe verstoßen gegen Arbeitsrecht
    “… Der Zoll hat bei bundesweiten Kontrollen in der Fleischindustrie erhebliche Verstöße gegen das Arbeitsrecht festgestellt. In mehr als 600 Fällen prüfe die Finanzkontrolle Schwarzarbeit des Zolls derzeit, ob Straftaten oder Ordnungswidrigkeiten vorliegen, sagte der Leiter der Behörde, Tino Igelmann, der Welt. Bislang habe die Behörde deshalb 21 Strafverfahren und 15 Ordnungswidrigkeitsverfahren eingeleitet. Rechtsverstöße seien bei großen, namhaften Unternehmen ebenso aufgefallen wie bei mittelständischen Firmen, sagte Igelmann. Es gehe um Schwarzarbeit, Urkundenfälschungen, illegalen Aufenthalt von Arbeitern in Deutschland und Verletzungen der Aufsichtspflicht. Für die Schwerpunktprüfung kontrollierten dem Bericht zufolge rund 1.400 Beamte die Arbeitsbedingungen der Arbeiter in 150 Betrieben der fleischverarbeitenden Industrie. Auch Mitarbeiter kommunaler Gesundheits- und Arbeitsschutzbehörden waren demnach beteiligt. Zum Teil sei zudem die Unterbringung von Mitarbeitern in Massenunterkünften überprüft worden…“ Agenturmeldung vom 26.06.2020 in der Zeit online externer Link
  • DGB-Vorstand Piel kritisiert „Fleischgipfel“ als Show-Veranstaltung
    DGB-Vorstand Anja Piel kritisiert den für heute einberufenen „Fleischgipfel“ von Bundeslandwirtschaftsministerin Julia Klöckner als Show-Veranstaltung. Erst auf Nachhaken und in letzter Minute seien Vertreter der Beschäftigten eingeladen worden. „In jedem Fall setzen wir darauf, dass das Verbot von Werkverträgen und Leiharbeit in der Fleischwirtschaft endlich kommt“, so Piel. „Die Zahl der Beschäftigten, die sich in Fleischbetrieben mit Covid 19 angesteckt haben, steigt täglich.  Die Bundeslandwirtschaftsministerin lädt aber zu einem Spitzentreffen ein, zu dem erst auf Nachhaken  in letzter Minute Vertreter der Beschäftigten dazu gebeten werden“, so Piel gegenüber der Neuen Osnabrücker Zeitung. „Offenbar ist Frau Klöckner nur an einer Show-Veranstaltung interessiert, bei der die nachhaltige Verbesserung der Arbeitsbedinugungen der Beschäftigten der Branche eben nicht im Vordergrund steht. Darauf kommt es aber an.“ „Ob das Ende der Ausbeutung tatsächlich zu höheren Fleischpreisen führt, oder einfach nur dazu, dass weniger Subunternehmen an der Ausbeutung verdienen, ist noch nicht geklärt“, so Piel weiter. „In jedem Fall setzen wir darauf, dass das Verbot von Werkverträgen und Leiharbeit in der Fleischwirtschaft endlich kommt. Die Eckpunkte des Bundesarbeitsministers müssen schnell und rechtssicher umgesetzt werden. Dafür müssen sich auch Frau Klöckner und der Wirtschaftsflügel der Union einsetzen.“ Zur Ankündigung mehrerer Unternehmen der Fleischindustrie, künftig auf Werkverträge verzichten wollen, sagte Piel: „Das sind Nebelkerzen. Ankündigungen und Versprechen gab es bereits genug. Das haben wir alles schon einmal gehört – passiert ist jedoch nichts. An einer gesetzlichen Regelung gegen Werkverträge in der Fleischindustrie führt nichts vorbei. Nur so bekommen wir die Probleme ansatzweise in den Griff, die durch jahrelangen Missbrauch entstanden sind.““ DGB-Pressemitteilung vom 26.06.2020 externer Link
  • Der Fall Tönnies und das asoziale EUropa
    Wenn es um den Fall Tönnies geht, dann ist die EU noch langsamer als das Land NRW. Erst jetzt beginnt sich Brüssel für den Skandal zu interessieren – doch Taten lassen weiter auf sich warten. Das “soziale Europa” bleibt ein leeres Versprechen. (…) Das zugrundeliegende soziale Problem – die systematische Ausbeutung und “Lagerhaltung” von Leiharbeitern aus Rumänien und Bulgerien – streiften die Europa-Parlamentarier nur am Rande. Immerhin hat sich dazu nun EU-Sozialkommissar Nicolas Schmit geäußert. “Saisonarbeiter müssen gleichberechtigt zu allen anderen Arbeitskräften behandelt werden”, sagte Schmit dem “Spiegel” externer Link. Wenn sie unter die EU-Entsenderichtlinie fielen, sei ihre Situation eindeutig: “Gleicher Lohn für gleiche Arbeit am gleichen Ort.” Sollte dagegen verstoßen werden, könne es Vertragsverletzungsverfahren geben. Allerdings ist dies keine “Drohung”, wie der “Spiegel” behauptet. Denn wie das Blatt selbst schreibt, fällt der Fall womöglich gar nicht unter die Entsenderichtline. (…) Von der Leyen hat bisher auch nichts getan, um die Sozialagenda voranzutreiben, die sie von ihrem Amtsvorgänger Jean-Claude Juncker geerbt hat. Im Gegenteil. Unter dem fadenscheinigen Hinweis auf Corona wurde diese Agenda vertagt, Sozialkommissar Schmit wurde ausgebremst. Dabei schreit gerade Corona nach Sozialpolitik, wie der Fall Tönnies zeigt. (…) Und es geht darum, osteuropäische Länder wie Bulgarien oder Rumänien endlich als vollwertige EU-Mitglieder zu behandeln, und nicht als “Standorte” für ein Reserveheer von Billigarbeitern. Der Fall Tönnies hat ein “asoziales EUropa” offenbart – wann greift Brüssel endlich durch?Kommentar von Erc Bonse vom 25. Juni 2020 in seinem Blog LostinEU externer Link
  • Berichte aus Deutschland: EU-Sozialkommissar „entsetzt“ über Missstände in Schlachthöfen 
    “EU-Sozialkommissar Nicolas Schmit hat sich entsetzt über die Missachtung von Arbeitnehmerrechten in deutschen Fleischfabriken geäußert. Falls nötig werde man mit einer neuen Richtlinie eingreifen (…) Das Problem gebe es aber nicht nur in Deutschland, sondern beispielsweise auch bei Saisonarbeitern in Südeuropa. (…) „Wir müssen also sehen: Brauchen wir eine Richtlinie – da bin ich ganz dafür – oder müssen wir nur einfach sicherstellen, dass sich Sozialrecht und Arbeitsrecht auf diese Menschen appliziert und dass Kontrollen stattfinden“, sagte Schmit. „Das werden wir sehr eng verfolgen und auch sehen, dass es hier keinen arbeitsrechtlichen Leerraum geben darf. Das sage ich für Deutschland, das sage ich aber auch für alle anderen Mitgliedsstaaten, die viele Saisonarbeiter haben.“ Agenturmeldung vom 15.6.2020 in der FAZ online externer Link – abwarten….
  • Schlachthof-Verträge teilweise rechtswidrig
    “… Arbeitsverträge, die dem NDR Schleswig-Holstein vorliegen, zeigen, wie streng der Arbeitgeber die Verschwiegenheitspflicht definiert: „Die Verschwiegenheitspflicht erstreckt sich auch auf die in diesem Arbeitsvertrag getroffene Vergütungsvereinbarung sowie die Einzelheiten des Vertrages.“ Heißt: Ein Arbeitnehmer darf nicht über seinen Arbeitsvertrag sprechen – oder sich Rat holen, etwa von einem Anwalt oder einer Gewerkschaft. Professorin Christiane Brors vom Institut für Arbeitsrecht an der Uni Oldenburg sagt: „Das ist alles rechtswidrig, so weitgehende Rechte hat der Arbeitgeber nicht.“ Sie meint, die Klausel sei darauf angelegt, den Arbeitnehmer einzuschüchtern. Denn er verliert ein Monatseinkommen – das als Schadenersatz an den Arbeitgeber geht. DSZ teilt auf Anfrage schriftlich mit, eine solche Verschwiegenheitspflicht sei nicht rechtswidrig. Der Mitarbeiter könne sich selbstverständlich Rat bei einem Rechtsanwalt einholen. Außerdem gebe es die Möglichkeit, im Betrieb anonym Kritik zu äußern. Doch auch Dr. Clemens Latzel vom Münchener Zentrum für Arbeitsbeziehungen und Arbeitsrecht sieht Einschüchterungstendenzen in dem Passus: Denn die Verschwiegenheitspflicht sei zu pauschal formuliert – und damit unwirksam, so Latzel. (…) Die beiden Mitarbeiter hatten gehofft, für den harten Job im Schlachthof gut bezahlt zu werden. Doch auch hier wurden sie offenbar enttäuscht. In den Arbeitsverträgen, die dem NDR Schleswig-Holstein vorliegen, ist die Rede von einer Wochenarbeitszeit von 40 bis 50 Stunden. Beide Mitarbeiter berichten, dass sie in der Regel deutlich länger arbeiten. „Wir haben noch nie so wenige Stunden gemacht. Von Montag bis Freitag zwölf Stunden pro Tag. Das sind 60 Stunden. Normalerweise.“ Und: bezahlt bekämen sie die Überstunden nicht, berichten sie. Die Folge: Der Mindestlohn wird zwar auf dem Papier eingehalten – tatsächlich gezahlt wird er aber nicht. „Natürlich arbeiten wir unter Mindestlohn“, sagt einer der Arbeiter. „Das ist ein Unding“, findet die Arbeitsrechtlerin Brors. „Das ist letztlich Ausbeutung. Das ist ein Rückfall in frühkapitalistische Zeiten.“ (…) Der Schlachthofbetreiber Vion teilte auf unsere Anfrage mit, dass er von Überschreitung von Arbeitszeiten und nicht gezahlten Überstunden keine Kenntnis habe. Für Arbeitsrechtlerin Brors sind die Arbeitsbedingungen bei DSZ dennoch „eine Art moderner Sklaverei.“  Beitrag von Constantin Gill, Christian Schepsmeier, Philipp Eggers vom 09.06.2020 bei NDR1 externer Link, siehe auch: Eine Art „moderner Sklaverei“? externer Link
  • Armes Schwein – „Saubillig“: Preiskrieg ums Fleisch von Aldi, Lidl & Co.
    “Nur wenige Tage nachdem bei Westfleisch in Coesfeld Hunderte Mitarbeiter positiv auf Covid-19 getestet wurden und die Presse (zum wiederholten Mal!) über die skandalösen Bedingungen in vielen deutschen Fleischfabriken berichtete, startete Aldi eine neue Preisrunde. Ungeachtet der neuerlichen Diskussion um die Fleischbranche fordert Aldi rasche Preissenkungen beim Schweinefleisch. Passend zur Eröffnung der Grillsaison wird also Billigfleisch auf den Markt geworfen. Dies sei schließlich ganz im Interesse der Verbraucher, argumentieren die Händler. Der Deutsche brutzelt nun mal gerne, er gibt viel Geld aus für seinen Grill, und möglichst wenig für das was oben drauf kommt. Hauptsache billig. Stimmt das? Wollen die Deutschen wirklich immer mehr Billigfleisch – auf Teufel komm raus? Geht es Aldi, Lidl & Co. tatsächlich darum den „König Kunde“ mit Tiefpreisen zu verwöhnen. Oder geht es ihnen um ganz andere, weniger noble Ziele? Welchen „Preis“ hat dieses billige Fleisch eigentlich? Betroffen sind ja nicht nur die armen Schweine in den Mastfabriken und die Arbeiter bei Tönnies, Vion, Westfleisch & Co. Betroffen sind letztendlich auch die Verbraucher, denn der Verzehr von billig produziertem Fleisch ist alles andere als gesundheitsfördernd… (…) Mitverantwortlich für die Missstände sind die Großen Vier des Lebensmittelhandels: Aldi, Lidl, Edeka und Rewe. Zusammen kontrollieren sie 85 Prozent des gesamten Lebensmittel-Einzelhandels. Mit ihrer enormen Nachfragemacht beherrschen sie die gesamte Lieferkette, setzen Zulieferer und Hersteller massiv unter Druck und senken so die Einkaufspreise. Es geht ihnen – im wahrsten Sinne des Wortes – um die Wurst! Nämlich darum, ihren Marktanteil noch weiter auszubauen. Das wichtigste Instrument dabei ist der Preis. Aldi und Lidl kämpfen um die Preisführerschaft im Discountsegment. Ein wichtiges „Kampffeld“ ist Fleisch, und billige Schnitzel und saubillige Bratwürste sind die Lockvögel. Die Folgen für Dritte interessieren dabei recht wenig! Die Abläufe sind immer die gleichen: Einer prescht vor, die drei anderen ziehen nach. Eine neue Runde im Preiskrieg ist damit eröffnet. Das Ziel ist Marktanteile zu gewinnen. Ein Mittel dabei ist Billigfleisch. Händler schieben gerne den Verbraucher vor, dieser verlange halt nach diesen billigen Angeboten. Aber nicht der Kunde macht den Preis, sondern Aldi, Lidl & Co. Und sie sind auch verantwortlich für die Folgen dieser Politik! Dumpingwettbewerb über Fleischwaren ist eine Schweinerei. Solche Preiskriege finden auf dem Rücken von Mensch und Tier statt. Zu guter Letzt: Es ist wohl kein Zufall, dass die drei Reichsten hierzulande Eigentümer von Aldi-Nord, Aldi-Süd und Lidl sind. Die beiden Aldi-Stämme und Dieter Schwarz (Lidl) haben zusammen ein Vermögen von über 70 Milliarden US-Dollar angehäuft (forbes-Liste 2020). Ein Riesenvermögen, entstanden durch scharfes Kostenmanagement, brutalen Verdrängungswettbewerb und ständige Preiskriege. Die negativen Folgen tragen die Anderen! Ein Teil dieses gigantischen Vermögens ist dadurch entstanden, dass Fleisch (und somit Tiere) regelrecht verramscht werden. So kann es nicht weitergehen! Die Preiskriege zu Lasten von Mensch und Tier müssen aufhören. Höchste Zeit, dass die superreichen Discount-Könige auch einmal etwas Gutes tun! Zum Wohl von Tier und Mensch. Wäre das nicht eine saugute Idee!“ Beitrag von Jürgen Glaubitz vom Juni 2020 bei ver.di Handel NRW externer Link
  • Auf der Strecke bleibt der Mensch
    „„Und an manchen Tagen dringen durch diese kleinen Öffnungen auch mal ein paar Sonnenstrahlen ins Innere. Dann, wenn im schleswig-holsteinischen Flachland die Sonne ihre Kraft entfalten kann. Vielleicht kitzelt in solch einem Moment einer der Strahlen eine der Schweinsnasen ein erstes und gleichzeitig letztes Mal, bevor das Tier wenig später als Schlachtvieh endet, als Zahl der täglichen Schlachtquote.“ Ein Artikel über die Arbeits- und Lebensbedingungen in Schlachthöfen unter dem Diktat der Profitlogik im Neoliberalismus. Ein „Schweinesystem“, das es schafft, Mensch und Tier gleichermaßen unwürdig zu behandeln…“ Artikel von Erika Harzer vom 12.6.2020 bei Hinter den Schlagzeilen externer Link
  • Corona und die Fleisch-Industrie
    Studie von Wiebke Claussen vom 3.6.2020 bei Eine Welt Netz externer Link
  • Kundgebung am Samstag, den 6.6. in Kiel: „Ausbeutung und unwürdige Arbeitsbedingungen“ in Coronazeiten – Bericht und Fotos 
    Die Grundprobleme sind nicht neu und die Arbeitsbedingen in den Schlachthöfen sind bereits seit Jahren bekannt, doch vieles verschärft sich während der Pandemie und rückt in den Fokus des öffentlichen Interesses. Kiel wurde als Ort des Protests gewählt, weil die Landesregierung SH 2019 die skandalösen Zustände an den Schlachthöfen durch den Verzicht auf Kontrollen ermöglicht hat, während im gleichen Jahr bei Kontrollen in NRW in 30 Schlachthöfen in 26 Betrieben gravierende Arbeitsschutzmängel aufgedeckt wurden. Deshalb lautet eine unserer zentralen Forderungen, dass es nicht genügt, die Verbesserung der Arbeitsbedingungen erst zum 1.1.2021 umzusetzten, sondern es sofort geschehen muß! Die bekannt gewordenen Arbeits- und Wohnbedingungen der Schlachthofbeschäftigten sind nicht nur unwürdig, sondern insbesondere in Cornazeiten lebensbedrohlich. Der Schutz der osteuropäischen Arbeitskräfte darf nicht warten. Die öffentliche Diskussion und die politischen Konsequenzen betreffen fast ausschließlich die Schlachtbetriebe, obwohl bei den Erntehelfern, den migantischen Beschäftigten der Bauindustrie, der Logistik und auch im Pflegebereich skandlöse Bedingungen herrschen. Wir fordern das Verbot der Werkverträge und Leiharbeit auf weitere Branchen auszuweiten und insgesamt prekäre Arbeitsverhältnisse abzuschaffen, indem das für die Schlachthöfe gesetzte Ziel „ein Betrieb – eine Belegschaft!“ für die gesamte Wirtschaft zu gelten hat und damit Soloselbstständigkeit, Outsorcing und dem System der Sub-Subunternehmen dem Boden entzogen wird. In den Redebeiträgen kommen Betroffene und Aktivisten zu Wort. Neben den Kampf um die Arbeitsbedingungen auf den Schlachthöfen, wird es auch um die Pflegebranche, um die Logistik und um Migration und Rassismus gehen. Protestkundgebung am 6.6. ab 14°° auf dem Asmus-Bremer-Platz, Kiel (10 min zu Fuß vom HBF). Siehe auch Infos bei Jour Fixe der Gewerkschaftslinke Hamburg externer Link und neu:

  • Kritik von EU-Gewerkschaften: Deutsche Fleischindustrie als Jobkiller
    “Als die Bundesregierung ankündigte, Werkverträge in Schlachtbetrieben abzuschaffen, drohten die Hersteller, ins EU-Ausland abzuwandern. Doch Deutschland hat mit seinen Billiglöhnen dort Jobs vernichtet, sagen Kritiker. Auf dem Höhepunkt der Corona-Krise, als in deutschen Schlachthöfen Hunderte Arbeiter infiziert wurden, wollte Kristjan Bragason wissen, ob die Arbeitsverhältnisse auch in anderen EU-Ländern so schlimm sind. Bragason ist Generalsekretär des Europäischen Gewerkschaftsverbandes für den Bereich Ernährung und Landwirtschaft. Fast überall gehe es besser zu als in deutschen Schlachthöfen, so lautete die Antwort aus den nationalen Verbänden. Aber es kam auch noch eine andere kritische Rückmeldung: „Viele unserer Mitglieder kritisieren heftig die Art, wie Deutschland gehandelt hat“, sagt Bragason. Mit Dumpinglöhnen seien Jobs in vielen Nachbarländern zerstört und nach Deutschland geholt worden. Viele Jobs gingen in Ländern wie Belgien, Frankreich, den Niederlanden und Dänemark verloren. (…) Dass die reichste Volkswirtschaft Europas in der Fleischwirtschaft ein Billiglohnland ist, ärgert nicht nur den europäischen Gewerkschaftsverband. „Deutschland hat eine extreme Situation an den Schlachthöfen im europäischen Vergleich, das muss man wirklich sagen“, sagt der Europaabgeordnete Martin Häusling. (…) Vor allem beim Schweinefleisch hat die deutsche Niedrigpreispolitik den Markt in Europa verändert. In den letzten 20 Jahren stieg die Zahl der Schlachtungen in Deutschland um fast die Hälfte. Gleichzeitig ging sie in anderen Ländern zurück. Das hat nicht nur eine Marktkonzentration auf wenige große Firmen zur Folge, mit dem Marktführer Tönnies an der Spitze…“ Beitrag von Helga Schmidt vom 03.06.2020 bei tagesschau.de externer Link, wir erinnern an den Beitrag von 2016: Deutsche Fleischindustrie – das Schmuddelkind Europas
  • Corona in deutschen Schlachthöfen! Zustände jetzt plötzlich ein Skandal! Und in den letzten Jahrzehnten war alles in Ordnung?? 
    “… Zu dem Buch gab es seit 2006 etliche Veranstaltungen und Lesungen, so auch am 15.11.2012 eine Podiumdiskussion in Oldenburg mit Matthias Brümmer von der NGG Oldenburg, wo der Saal mit 300 Plätzen bei weitem nicht ausreichte. Wo Adrian Peter bedauerte „dass sich trotz jahrelanger Debatte die Verhältnisse in der Branche seit dem Erscheinen seines Buchs „Die Fleischmafia“ 2006 kaum verändert hätten“. Adrian Peter hatte 2006 schon einen Doku-Film gedreht: Die Fleisch-Mafia. (ausgestrahlt im WDR). Seit 2013 ist Pfarrer Peter Kossen, zusammen mit seinem Bruder, dem Arzt Florian Kossen aktiv gegen die Zustände der Fleisch-Industrie, gegen das Werkvertragssystem mit seinem Subunternehmertum. Auch schon in 2013 hat Inge Bultschnieder, zusammen mit einigen MitstreiterInnen in Rheda-Wiedenbrück, dem Sitz des Tönnies-Konzerns, die Initiative gegründet: IG Werkfairverträge. In Gütersloh (direkt angrenzend an Rheda-Wiedenbrück), entstand 2017 das „Bündnis gegen die Tönnies-Erweiterung“. In Kellinghusen (Holstein) gibt es seit 2016 die Initiative Saustarkes Kellinghusen gegen den Konzern Tönnies, der dort die Schlachterei Thomsen aufgekauft hatte und den Betrieb vergrößerte. 2018 entstand ebenfalls in Kellinghusen der Stützkreis, der es sich zum Ziel machte, die Arbeits- und Lebensverhältnisse der WerkvertragsarbeiterInnen bei Tönnies zu verbessern. Alle diese Initiativen und Personen skandalisierten die Zustände bei Tönnies und in den Großschlachtereien, vor Ort und allgemein. Am wirksamsten war wohl Pfarrer Peter Kossen mit seiner klaren und scharfen Kritik am System Tönnies – er bewirkte einige Aufmerksamkeit. (…) Clemens Tönnies reagierte nach der aktuellen Stunde im Bundestag prompt! Man konnte sehr verblüfft sein, als man beim WDR am 15.5. von einem Rainer Striewski in einem Artikel „Lockerungen nun auch im Kreis Coesfeld“ ganz nebenbei im letzten Satz erfuhr: „Clemens Tönnies habe sich laut Laumann in einem Brief auch für die Abschaffung der Werkverträge ausgesprochen – wenn die Regelung für alle gelte“. Was bezweckt Clemens Tönnies mit seiner Kehrwendung um 180°? Mit seinem früheren Weg, der Selbstverpflichtung der Schweinebarone von 2014/15 ist er ja gut durchgekommen. Sie brauchten nichts liefern, konnten aber immer auf die Selbstverpflichtung verweisen. Und speziell Clemens Tönnies bot, immer wenn Kritik aufkam, Runde Tische an. Mit mehr oder weniger Erfolg. Er setzte erfolgreich auf Zeit! Der Corona-Virus und die Infizierung in den Schlachthöfen machten ihm einen Strich durch die bisherige Rechnung, die er zweifellos noch etliche Jahre fortgesetzt hätte. Die massenhaften Corona-Fälle in etlichen Schlachthöfen wurden Medienereignisse, am 13.5. im Bundestag behandelt. Jetzt schaltete er blitzschnell um, es zeigt sich, daß er nicht umsonst der Primus der Schweinebarone ist! Den BürgerInnen der Republik werden innerhalb weniger Tage Begriffe wie Werkvertragssystem und Subunternehmer sehr geläufig, die Ausbreitung von Corona wird darauf zurückgeführt. Viele Abgeordnete von SPD, Grünen, Linkspartei, CDU sprechen sich gegen das Werkvertragssystem aus, bis hin zur Abschaffung. Tönnies bezweckt zweierlei: Einmal will er das Thema, die Zustände in der Fleisch-Industrie, möglichst schnell aus der medialen Schußlinie nehmen, zweitens will er mit am Tisch bei der Modellierung des Werkvertragsgesetzes für die Fleischindustrie sitzen. Denn er weiß natürlich, daß es zu einem Kompromiß kommt, trotz der radikalen Sprüche einiger Politiker oder Minister. Und er strebt natürlich an, daß die großen Fleisch-Konzerne bei dem Kompromiß besser wegkommen als die kleineren Schlachtereien. Das nennt man Marktbereinigung. Ist Tönnies doch gerade bestätigt worden, daß er systemrelevant sei!…“ Beitrag von Dieter Wegner vom 23.05.2020 bei Jour Fix-Gewerkschaftslinke Hamburg externer Link
  • Risikogruppe Dienstleistungsproletariat. Das Geschäftsmodell der sechs großen Fleischkonzerne ist die Ausbeutung. Dass das Seuchenausbreitung befördert, weiß man seit 150 Jahren
    “Vom Après-Ski in den Maschinenraum: Die Hotspots der Corona-Pandemie verlagern sich. Fast 1.000 Fälle in Schlachthöfen, 80 in einem Paketzentrum bei Heinsberg, knapp 70 im Amazon-Versandlager bei Hamburg. Während sich die Öffentlichkeit über ihr Freizeitverhalten die Köpfe heißredet, wird langsam klar, dass ein schnell wachsender Teil der Infektionen einen direkten Bezug zu Arbeitsplatz und Wohnsituation hat. (…) Auf die Spitze getrieben wurde dieses Modell von der Fleischindustrie. Sechs große Konzerne beherrschen den deutschen Markt – zwei Drittel ihrer rund 90.000 Beschäftigten werden aus Osteuropa angeworben, oft von dubiosen Subunternehmern: Zerlegekolonnen, die im Akkord Schwerstarbeit leisten und weder in den Schlachthöfen noch in ihrer desolaten Wohnsituation grundlegende Hygieneregeln einhalten können. Ein Versäumnis? Nein: Das Geschäftsmodell der großen Fleischkonzerne ist genau darauf gegründet. Den politisch Verantwortlichen in Bund und Ländern ist die Situation seit vielen Jahren bekannt. Doch statt verbindliche Schutzstandards zu erlassen, setzte man lieber auf Selbstverpflichtungen der Industrie. Jetzt ist die Aufregung groß – aber nur, weil plötzlich ganze Landkreise von Ausgangssperren bedroht sind. Ob es zum großen „Aufräumen“ kommt, wie SPD-Bundesarbeitsminister Hubertus Heil angekündigt hat, wird sich zeigen. Denn es geht um viel mehr als nur die besonders widerliche Fleischbranche: Auch auf Großbaustellen, in Agrarindustrie und Logistikzentren drohen weitere Ausbrüche. Deutschlands Dienstleistungsproletariat ist eine Risikogruppe…“ Artikel von Jörn Boewe vom 23.05.2020 im Freitag online externer Link
  • Solidarität mit den Arbeiter*innen in der Tierindustrie! Aufruf vom Bündnis Gemeinsam gegen die Tierindustrie zu bundesweiten Aktionstagen vom 28.-31. Mai 
    Vom Donnerstag 28. bis Sonntag 31. Mai setzen wir ein Zeichen. Ein Zeichen der Solidarität mit den Schlachtfabrikarbeiter*innen, aber auch allen anderen Arbeiter*innen, die für die Gewinne einiger weniger unter widrigsten Umständen arbeiten müssen. Und wir setzen ein Zeichen unseres Protestes gegen die hemmungslose Ausbeutung von Tieren und der Natur im Namen des Profits. Mit kreativen Aktionen vor Schlachthöfen und an öffentlichen Orten werden wir auf die Situation der Arbeiter*innen aufmerksam machen. Wir werden dabei auf unserer aller Gesundheit achten und Hygienemaßnahmen einhalten, aber nichtsdestotrotz unsere Spuren im öffentlichen Raum hinterlassen. Mit unseren Aktionen verdeutlichen wir, dass jetzt folgende Sofortmaßnahmen dringend erforderlich sind: Die Tierindustrie muss heruntergefahren werden, um eine weitere Ansteckungen mit Corona zu vermeiden. Die Arbeiter*innen müssen bei Betriebsschließungen finanziell, sozial und gesundheitlich abgesichert werden – auf Kosten der Konzerne.  Den Arbeiter*innen muss, nicht nur jetzt, Wohnraum bereitgestellt werden, der eine würdige und den Erfordernissen der Corona-Situation genügende Unterbringung ermöglicht, z.B. in Hotels, Ferienwohnungen oder leerstehenden Wohnungen. Doch die Arbeiter*innen sind nicht nur in Zeiten von Corona krassen Bedingungen ausgesetzt. Vielmehr werden die Arbeiter*innen von der Tierindustrie im Sinne der Profitmaximierung bis zum Äußersten ausgebeutet. Es braucht ein Ende der prekären Anstellung der Arbeiter*innen und damit eine Abschaffung von Werkvertrags- und Leiharbeit! Darüber hinaus ist eine umfassende Agrarwende hin zu einer solidarischen und ökologischen Produktions- und Organisationsweise längst überfällig…“ Aufruf vom 20.5.20 beim Bündnis Gemeinsam gegen die Tierindustrie externer Link und dort zum Protest selbst: „… Zeigt euch solidarisch und macht an verschiedenen Orten auf die Ausbeutung der Arbeiter*innen in der Fleischindustrie aufmerksam: sei es durch das Aufhängen von Schildern und Transparenten, durch Kundgebungen an Orten der Ausbeutung (Schlacht- und Mastfabriken, Supermärkte, etc.), Fahrraddemos oder durch Kreidespuren in der Stadt. Lasst euren Ideen freien Lauf! Ihr könnt uns eure geplanten Aktionen vorab mitteilen, dann machen wir darauf aufmerksam. Und postet gerne auf euren Kanälen unter den Hashtags #GemeinsamGegenTierindustrie und #SolidaritätStattFleischindustrie über eure Aktion! Bilder, Videos oder schriftliche Berichte könnt ihr dann nach der Aktion an unsere E-Mail-Adresse mail@gemeinsam-gegen-die-tierindustrie.org schicken, dann veröffentlichen wir das auch über unsere Kanälen…“ Siehe in diesem Rahmen:

    • online-Podiumsgespräch mit Arbeitsrechtsinitiativen und Gewerkschaften zu den Arbeitsbedingungen in der Fleischindustrie am Donnerstag, 28. Mai, 19 – 21 Uhr
      Arbeitsrechtsinitiativen und Gewerkschaften machen schon lange auf die massive Ausbeutung der Arbeiter*innen in der Fleischindustrie aufmerksam. Doch durch Corona verschärfen sich die Bedingungen weiter: oftmals migrant*ische Arbeiter*innen mit Werkverträgen sind besonders stark von der Epidemie betroffen. Begleitend zu unseren Aktionstagen werden wir in einem Podiumsgesprächs mit anderen Akteur*innen, die sich gegen die ausbeuterischen Praktiken der Tierindustrie einsetzen, über die Arbeitsbedingungen in der Fleischindustrie diskutieren. Dabei besprechen wir natürlich die aktuellen Arbeitsbedingungen und die tagespolitischen Entwicklungen angesichts von Corona. Wir werden aber auch den Blick weiten und uns dazu austauschen, wie wir über Corona hinaus als Bewegung auf größere Veränderungen hinwirken können. Teilnehmende: aktion ./. arbeitsunrecht, Arbeitslosenselbsthilfe Oldenburg (ALSO), Freie Arbeiterinnen- und Arbeiter-Union (FAU) und Bündnis Gemeinsam gegen die TierindustrieInfo beim Bündnis Gemeinsam gegen die Tierindustrie externer Link – Link und Hinweise zur Technik folgen dort
  • Werkverträge abschaffen alleine reicht nicht
    Damit sich wirklich etwas in der Fleischindustrie bewegt, braucht es auch dauerhaften öffentlich Druck, meint Elmar Wigand (…)Weil sich die Bürger im Kreis Coesfeld eine kollektive Ausgangssperre einfingen – aufgrund einer Infektionswelle bei Westfleisch externer Link -, empörten sie sich auf einmal über katastrophale Arbeitsbedingungen und Wohnverhältnisse von Migranten. Dass in dieser plötzlichen Empörung eine gewisse Heuchelei liegt externer Link, sollten wir derweil großzügig behandeln. Weil das Interesse für Werkverträge eine unverhoffte Chance ist. Zwar sollte das Ausmisten nicht bei der Fleischindustrie halt machen externer Link, aber irgendwo muss man anfangen und da ist es klug, sich den größten und übelsten Sektor heraus zu greifen. Aber wir dürfen nicht vergessen: In der Landwirtschaft, dem Reinigungsgewerbe, dem Bau und vielen Zulieferbetrieben der Autoindustrie ist es nicht viel besser. Osteuropäer*innen sind überall dort anzutreffen, wo es industrielle Drecksarbeit zu machen gibt externer Link. In diesen Branchen sind durch EU-Osterweiterung und Hartz-Gesetze riesige Bereiche ohne Betriebsräte und Tarifverträge, ohne behördliche Kontrollen entstanden. Hier grassiert ein Rechtsnihilismus, von dem die meisten braven Bürger nur eine leise Ahnung haben (wollen). Es ist darüber hinaus sogar sehr gut, dass Heil und Laumann nicht nur von einzelnen »schwarzen Schafen« und »Missbrauch von Werkverträgen« reden – oder wie manche NGOs »WerkFAIRträge« fordern – , sondern die Werkverträge generell abschaffen wollen. Denn rund um das Konstrukt Werkvertrag wuchert ein sozialschädlicher und moralisch verkommener Dschungel aus mafiösen Sub-Unternehmern und betrügerischen Generalunternehmern. Leider haben die wenigsten begriffen, dass es sich bei den so genannten Werkverträgen in Wirklichkeit um ein riesiges Betrugsmanöver handelt. Tatsächlich hätte der Staat den Sumpf auch ohne Gesetze und Sonderregeln längst austrocknen können. Die angeblichen »On-Site-Werkverträge« sind bei Licht betrachtet nur juristisch verbrämte illegale Arbeitnehmerlassung. Weder Clemens Tönnies, der größte Alligator im Schlachthof-Sumpf, noch seine Subunternehmer geben sich große Mühe, diese Tatsache zu kaschieren. Hinzu kommt der Straftatbestand des systematischen Mietwuchers. Hier wird das wahre Problem deutlich: Ermittlung, Strafverfolgung und Kontrollen finden nicht statt. Staatsanwaltschaften bleiben untätig, Arbeitsschutz-Abteilungen der Bezirksregierungen, Gewerbeaufsicht und Zoll sind unterbesetzt. Solange aber einzelne Kriminelle nicht empfindliche Strafen ereilen, ist keine grundlegende Änderung zu erwarten…“ Kommentar von Elmar Wigand vom 20.05.2020 im ND online externer Link
  • Kabinettsbeschluss Strenge Regeln und Verbote für Fleischbranche
    Das Bundeskabinett hat nach den jüngsten Corona-Ausbrüchen in der Fleischindustrie nach Informationen von tagesschau.de ein Verbot von Werkverträgen und Arbeitnehmerüberlassungen in der Branche beschlossen, das von kommenden Jahr an in Kraft treten soll. In der Kabinettsvorlage heißt es: „Ab dem 1.1.21 soll das Schlachten und die Verarbeitung von Fleisch in Betrieben der Fleischwirtschaft […] nur noch von Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmern des eigenen Betriebes zulässig sein. Damit wären Werkvertragsgestaltungen und Arbeitnehmerüberlassungen nicht mehr möglich. […] Für Betriebe des Fleischerhandwerks ist eine gesonderte Betrachtung möglich. […]“ Im Klartext bedeutet das, dass keine Leiharbeiter mit Werkverträgen – auch keine aus Billiglohnländern – mehr zum Einsatz kommen dürfen. Betroffen sein werden allerdings lediglich Unternehmen, deren Kerngeschäft das Schlachten und die Fleischverarbeitung sind: also vor allem Großbetriebe. Das Fleischerhandwerk mit seinen vielen kleinen Betrieben bleibt von der Neuregelung ausgeschlossen. (…)Damit die neuen Vorschriften in der Branche auch eingehalten werden, soll es schärfere und häufigere Kontrollen geben. Wie aus Regierungskreisen verlautete, sollen die Arbeitgeber auch zu einer digitalen Arbeitszeiterfassung verpflichtet werden. Das Bußgeld für Arbeitszeitverstöße wird laut Kabinettsentwurf auf bis zu 30.000 Euro verdoppelt…“ Meldung vom 20.05.2020 bei tagesschau.de externer Link, siehe zuvor:

    • NGG: „Bundesregierung muss endlich handeln!“ – Schlachthöfe: Corona-Kabinett verschiebt Beratungen über Arbeits- und Gesundheitsschutz
      “„Es ist völlig unverständlich, dass das Corona-Kabinett die Beratung über die Lage in deutschen Schlachthöfen verschiebt“, hat Freddy Adjan, stellvertretender Vorsitzender der Gewerkschaft Nahrung-Genuss-Gaststätten (NGG), heute kritisiert. „Sämtliche Fakten über die unhaltbaren und menschenunwürdigen Arbeits- und Lebensbedingungen der mit Werkverträgen in deutschen Schlachthöfen Beschäftigten liegen seit Monaten und Jahren auf dem Tisch. Schlachthöfe sind inzwischen Hotspots der Coronavirus-Pandemie. Die Bundesregierung muss endlich handeln, um Beschäftigte und die Bevölkerung zu schützen.“ Freddy Adjan wiederholte die Forderungen der Gewerkschaft NGG: – Verbot von Werkverträgen im Kernbereich unternehmerischer Tätigkeit. Den Fleischkonzernen muss es unmöglich gemacht werden, Kernaufgaben wie das Schlachten und Zerlegen von Tieren an billige und teilweise dubiose Fremdfirmen auszulagern. Sie müssen gezwungen werden, Verantwortung für das zu übernehmen, was in ihrem Auftrag und auf ihrem Firmengelände passiert. – Einrichtung von Schwerpunktstaatsanwaltschaften für Arbeits- und Gesundheitsschutz. Die Zustände in den Massenunterkünften gehören endlich scharf kontrolliert und die aufgedeckten Missstände effektiv verfolgt. – Für Unterkünfte und Wohnungen von Werkvertragsbeschäftigten müssen klare und bestenfalls bundeseinheitlichen Regelungen gelten. Die Unterkunftskosten müssen nach Maßgabe der Sachbezugsverordnung berechnet werden. – Notwendig ist der Abschluss eines brancheneinheitlichen Mindestlohntarifvertrags, der ein menschenwürdiges Leben und eine angemessene Unterkunft ermöglicht. Die Gewerkschaft NGG unterstütze den Vorschlag, den das Bundesministerium für Arbeit und Soziales dem Corona-Kabinett zum Beschluss vorgelegt habe und der der NGG bekannt sei, ausdrücklich. Es sei dringend nötig, „endlich aufzuräumen“, wie es Bundesarbeitsminister Hubertus Heil angekündigt hat. Adjan erinnerte daran, dass Nordrhein-Westfalens Gesundheitsminister Karl-Josef Laumann (CDU) eine Politik der „Null-Toleranz“ angemahnt habe und „den Sumpf austrocknen“ wolle. Selbst Bundeskanzlerin Angela Merkel habe in der vergangenen Woche im Bundestag von „erschreckenden Nachrichten aus der Fleischindustrie“ gesprochen und Handeln gefordert. „Handeln sie jetzt!“, so die Forderung von Freddy Adjan.“ NGG-Pressemitteilung vom 18.05.2020 externer Link, siehe zum Hintergrund:
    • Corona in der Fleischindustrie – CSU blockiert Konzept für Schlachthöfe
      “Eigentlich wollte die Bundesregierung heute beschließen, wie die Zustände in den Schlachthöfen verbessert und damit die Fleischindustrie stärker reguliert werden kann. In mehreren Schlachthöfen war es in den vergangenen Tagen zu massenhaften Corona-Infektionen der Arbeiter gekommen. Grund: die schlechten Hygienebedingungen und Unterkünfte. Doch das Konzept von Bundesarbeitsminister Hubertus Heil (SPD), das er heute im Corona-Kabinett präsentierte, liegt erst einmal auf Eis. Nach ZDF-Informationen blockiert die CSU. (…) Heil schlägt vor, dass Schlachthöfe und die Unterbringung der Arbeitnehmer häufiger kontrolliert werden. Bußgelder sollen verdoppelt werden. Außerdem sollen die umstrittenen Werkverträge verboten werden: Schlachten und das Verarbeiten von Fleisch sollen nur noch von Mitarbeitenden des eigenen Betriebs erlaubt sein. Damit könnten diese Arbeiten nicht mehr an Subunternehmen vergeben werden. Dumpinglöhne und miserable Unterbringung zu Wuchermieten für Arbeitskräfte, meist aus Osteuropa, sind derzeit die Folge. (…) Die Gewerkschaft Nahrung-Genuss-Gaststätten (NGG) kritisiert die Verschiebung des Beschlusses als „völlig unverständlich“, so der Vize-Vorsitzende Fredy Adjan. Die Fakten über die „menschenunwürdigen Arbeits- und Lebensbedingungen“ lägen seit Jahren auf dem Tisch. „Schlachthöfe sind inzwischen Hotspots der Corona-Pandemie“, sagt Adjan. Die Bundesregierung müsse endlich handeln…“ Beitrag von Kristina Hofmann vom 18.05.2020 beim ZDF externer Link
    • Weiteres speziell zu den Werkverträgen im Dossier: Fallen Werkverträge (leider nur) in der Fleischindustrie Corona zum Opfer?
  • Arbeit in Fleischindustrie: Gewerkschaft beklagt Tricksereien
    Die Arbeitsbedingungen in Schlachtbetrieben stehen in der Kritik. Bisher lag der Fokus auf den engen Wohnverhältnissen der Arbeiter. Nun kommen weitere Probleme zu Tage. Die Gewerkschaft NGG beklagt unter anderem Tricksereien und Abhängigkeiten. Der Streit um die Arbeitsbedingungen in Schlacht-Fabriken ist voll entbrannt. Problematisch ist vor allem, dass ein Großteil der Arbeiter als Werkvertragsbeschäftigte bei Subunternehmen, und nicht direkt bei den Betrieben angestellt ist. Tricksereien bei Lohnauszahlung: Laut Gewerkschaft NGG stellen die Werkvertragsbeschäftigten mancherorts bis zu 80 Prozent der Belegschaft. Die meisten von ihnen kommen aus Osteuropa, und seien für zwei Jahre in Deutschland. Nach einer kurzen Einweisung werden sie hauptsächlich beim Schlachten und Zerlegen der Tiere eingesetzt. Diese Arbeit gilt als körperlich und psychisch besonders belastend. Formal sind die Arbeiter den Subunternehmen unterstellt, und nicht den Fleischkonzernen selbst. Das strukturelle Problem ist laut NGG, dass bei den Subunternehmen nicht immer alles „sauber“ zugeht: So soll es immer wieder vorkommen, dass Überstunden nicht bezahlt werden, weil sie nicht korrekt erfasst werden. Dazu gebe es aktuell Klagen in Ober- und Niederbayern, sagt Mustafa Öz von der Gewerkschaft NGG. Er fordert eine digitale Zeiterfassung, aber viele Betriebe würden sich dagegen sträuben. Ein weiteres Beispiel für die unfaire Behandlung: Will ein Arbeiter vorzeitig aus seinem Vertrag aussteigen, komme es immer wieder vor, dass ihm hohe „Schulungsgebühren“ von seinem Lohn abgezogen werden. Dies sei in den Arbeitsverträgen zwischen den Werkvertragsbeschäftigten und Subunternehmen zwar oft so geregelt, aber immer wieder werde beispielsweise das Einweisen am Fließband als „Schulung“ verstanden. Das Fatale sei laut NGG, dass sich die Männer rechtlich nicht zu wehren wissen. Oftmals sprechen sie kaum Deutsch und haben wenig Kontakt zur hiesigen Gesellschaft außerhalb ihres Betriebs. Damit seien sie den Subunternehmen faktisch ausgeliefert…“ Artikel von Rüdiger Kronthaler vom 19.05.2020 bei BR24 externer Link
  • Das Schweinesystem: Was Insider über die Ausbeutung in der Fleischindustrie verraten
    In deutschen Schlachthöfen werden Menschen und Tiere gleichzeitig ausgebeutet, sagen Insider. Sie berichten von Alkoholsucht, Druck und Gewalt. Eigentlich infiltrieren sie Schlachthöfe, um Misshandlungen von Rindern und Schweinen aufzudecken. Doch was seine Mitstreiter und er bei ihren Undercover-Recherchen in deutschen Schlachthöfen Schockierendes erlebten, gehe weit darüber hinaus, sagt Friedrich Mülln. Da seien zum Beispiel die Arbeiter afrikanischer Herkunft, die für 16-Stunden-Schichten, sechs Tage die Woche, im Monat knapp 700 Euro erhielten. Einer verletzte sich, hatte eine tiefe Schnittwunde an der Hand und erklärte seinem Vorarbeiter, er brauche Hilfe. Der Vorarbeiter schickte ihn blutend zurück auf seinen Posten. Er sagte nur: „Arbeiten! Arbeiten! Zeit ist Geld!“ Friedrich Mülln, 40, ist Gründer des Vereins „Soko Tierschutz“ externer Link. Seine Rechercheure haben selber in den überfüllten Sammelunterkünften gelebt, in Sälen mit Stockbetten geschlafen. „Dort, wo ich war, mussten sich Dutzende Arbeiter eine Kochplatte und eine Toilette teilen“, erzählt er, „die Räume waren schwer verdreckt.“ Nach einer Woche hielt es Mülln nicht mehr aus. Mülln sagt, er habe in den Betrieben beobachtet, wie Menschen und Tiere gleichzeitig ausgebeutet werden: „Beides verstärkt sich gegenseitig.“ (…) Karin Vladimirov war mehrfach selbst in Schlachthöfen zu Besuch. Sie berichtet von Menschen, die „psychische und physische Schwerstarbeit verrichten müssen“. Durch die Farbe ihrer Mützen seien die Werkarbeiter von der Stammbelegschaft leicht unterscheid- und somit separierbar: „Sowohl am Fließband als auch in den Pausenräumen ist ihnen untersagt, sich mit der Stammbelegschaft zu unterhalten.“ Die Unternehmen wollten so verhindern, dass die Werkarbeiter von grundlegenden Arbeitnehmerrechten und Standards erführen, auf die sie sich dann berufen könnten. In manchen Betrieben gebe es extra Sicherheitskräfte, die aufpassten, dass die verschiedenen Gruppen nicht zueinanderfinden…“ Artikel von Sebastian Leber vom 19.05.2020 beim Tagesspiegel online externer Link
  • Tönnies Schlachthof, April 2020. Tausende Arbeiter – null Infektionsschutz.
    Video vom 15.05.2020 bei youtube vom arbeitsunrecht TV externer Link (Quelle: Arbeiter über soziale Netzwerke)
  • „An den Schlachtbändern stehen die Beschäftigten dicht beieinander“. Dominique John von der DGB-Beratungsstelle spricht über Missstände in den Fleischfabriken, die Lage der Arbeiter und mögliche Corona-Ausbrüche auf Baustellen
    Wenn man die Unterkünfte kennt und weiß, wie der Arbeitsalltag der Männer und Frauen in dieser Industrie aussieht – nein, das kann einen nicht überraschen: Drei, vier Personen in einem Zimmer, man teilt sich Kochgelegenheiten und Toiletten, zur Schicht fährt man gemeinsam im Bus. In den Umkleideräumen und an den Schlachtbändern stehen die Beschäftigten dann dicht beieinander. Und wir hören häufig von Überstunden oder Doppelschichten. (…) Es gibt eine Handvoll Unternehmen, die den Markt unter sich aufgeteilt haben. Das Geschäftsmodell läuft so: Die heuern Subunternehmer an, die bekommen Werkverträge und deren Beschäftigte, fast immer aus Osteuropa, arbeiten die Aufträge dann ab. Die Auftraggeber – das sind namhafte Firmen wie Tönnies, Vion oder Wiesenhof – nehmen den Profit mit, die Verantwortung für die Beschäftigten geben sie an die Subunternehmer ab. (…) Jetzt gibt es Landkreise, die wegen des Infektionsgeschehens in den Unternehmen Beschränkungen für die ganze Bevölkerung hinnehmen müssen. Da kommt natürlich die Frage: Ist das noch angemessen? Ich hoffe sehr, dass das große Interesse an dem Thema zu einer Verbesserung der Lebens- und Arbeitsverhältnisse der Beschäftigten führt…“ Interview von Pitt v. Bebenburg vom 16.5.2020 in der FR online externer Link
  • Skandalstück des Bundestages: Coronafälle in Schlachthöfen
    Am 13.5.2020 wurde ein makabres Schauspiel im Bundestag aufgeführt: „Corona-Skandal in den Schlachthöfen“. Makaber ist, daß das Stück jetzt aufgeführt wird. Der Stoff ist eine alte Kamelle. Makaber ist weiterhin, daß die Täter in den Rollen von Kümmerern und Krisenlösern agieren. Ob nicht viele hinter die Masken schauen? Schon 2006 veröffentlichte der ARD-Journalist Adrian Peter das Buch: „Die Fleisch-Mafia. Kriminelle Geschäfte mit Fleisch und Menschen“. Er hatte jahrelang Material gesammelt und markierte die Schuldigen: Das Werkvertragssystem, die Fleischbosse, die Subunternehmer. Das Vorwort hatte die Grünen-Ministerin Renate Künast geschrieben: „Den Fleischmarkt transparent und nachhaltig gestalten“. Seit 2013 skandalisiert Prälat Peter Kossen die Zustände in den deutschen Schlachthöfen. Auch schon 2013 gründete Inge Bultschnieder in Rheda-Wiedenbrück, also am Sitz des Tönnies-Konzerns die Initiative IG Werkfairverträge. (…) Es geht um das System Tönnies, die exorbitante Ausbeutung der WerkvertragsarbeiterInnen durch Subunternehmen. Tönnies ist dabei der Erfolgreichste und Profitabelste, daher der Name: System Tönnies. Zum System gehört auch, daß die Fleisch-Bosse ihre Hände in Unschuld waschen, wenn Mißstände aufgedeckt werden: Die Schuld wird auf die Subunternehmer geschoben. (…) Statt daß es am 13.5. eine Stunde der Wahrheit gab, in der die Akteure bekannten: Wir haben alles gewußt aber wir haben über 20 Jahre lang weggeschaut und alles toleriert, machen sie aus der Tragödie ein Schmierenstück. Minister Laumann attestiert den Akteuren im Bundestag zu Recht: Ihr seid die Täter. In den Hauptrollen des Bundestags-Stückes waren Kanzlerin Merkel, die von „erschreckenden Nachrichten“ aus der Fleischindustrie sprach. Ihr Arbeitsminister Heil (SPD) sagte: „Wir werden aufräumen mit diesen Verhältnissen.“ Und Hofreiter von den Grünen verlautete: „Die Betriebe müssen häufiger und besser kontrolliert und die Hauptverantwortlichen der Konzerne konsequenter zur Rechenschaft gezogen werden“. Für alle, die die Zustände in den Schlachthöfen kennen, sind diese Aussprüche und Zitate unglaubhaft. Für sie ist die Aufführung der Staatsschauspieler nur makaber. Für sie ist es eine Tragödie, die sich seit über 20 Jahren abspielt. Aktuell gibt es zwar viele Infizierte, die in Quarantäne müssen, aber wirkliche Opfer gibt es seit Jahrzehnten: Verletzte, Verätzte, körperlich und psychisch Kaputte! Das Stück am 13.5. im Bundestag hatte kein happy end. Dies hätte es gehabt, falls der Bundestag die Abschaffung des Werkvertragssystems auf den Weg gebracht hätte!...“ Beitrag von Dieter Wegner vom 16.05.2020 beim Jour Fixe der Gewerkschaftslinke Hamburg externer Link
  • Corona und die Tierindustrie
    Entstehung von Viren und Pandemien und die Bedeutung der Tier- und Agrarindustrie. Special beim Bündnis Gemeinsam gegen die Tierindustrie externer Link
  • Coronafälle in der Fleischindustrie: Den Deutschen sind die Rumänen einfach egal
    Dass der Aufschrei über die Fleischindustrie jetzt so groß ist, hat nur zum Teil mit aufkommender Empathie für die Arbeiter in der Corona-Pandemie zu tun, kommentiert Manfred Götzke. Die Ausbeutung von Arbeitern aus Osteuropa habe System und werde von der Politik geduldet…“ Beitrag von Manfred Götzke vom 13.05.2020 beim Deutschlandfunk externer Link
  • Hotspot Fleischindustrie: Bei Krankmeldung droht Kündigung
    Der WDR hat darüber mit Szabolcs Sepsi von der DGB-Beratungsstelle Faire Mobilität in Dortmund gesprochen. Er berät Menschen aus Mittel- und Osteuropa. Denn bis zu 90 Prozent der Belegschaft in der industriellen Fleischproduktion kommt von Subunternehmen – die Mitarbeiter stammen aus Bulgarien, Polen, Rumänien, Ungarn. (…) Gerade in der Corona-Krise klagen die meisten über die vielen unbezahlten Überstunden. Viele haben keine Lust mehr und sagen: „Wenn die Grenzen wieder öffnen, wollen sie wieder weg und sich einen anderen Job suchen.“ Wir kennen Betriebe, die im Moment sieben Tage die Woche durcharbeiten und das bis zu 14 Stunden am Tag. Das Ganze ist ein Knochenjob. Wenn dann mal jemand krank wird, drohen die Subunternehmer ganz schnell mit einer Kündigung. (…) Die Leute stehen unter Druck. Generell gilt: Wer sich wehrt, wird gekündigt. Sie haben ganz einfach Angst ihren Job zu verlieren. In diesem Subunternehmer-System wird eine „Hire and Fire“-Politik geführt und das führt zu einer riesigen Mitarbeiter-Fluktuation. (…) Der Ursprung des Problems ist das kostengünstige Subunternehmer-System. Die Schlachthöfe beschäftigen die Mitarbeiter nicht selbst, sondern beauftragen Subunternehmer und die schieben die Leute ständig hin und her. Der einzige Ausweg ist, dass die Schlachthöfe die Zusammenarbeit mit den Subunternehmern beenden und die Mitarbeiter selbst beschäftigen. Mit einem unbefristeten Arbeitsvertrag können die Mitarbeiter dann auch eine eigene Wohnung anmieten und die Massenunterkünfte wären Geschichte…“ Interview von Isabell Zillmer vom 13.05.2020 beim WDR externer Link
  • Heil will in Fleischbranche „aufräumen“
    Schlachthöfe als Corona-Hotspots, prekär untergebrachte Leiharbeiter: Die Bundesregierung macht Druck auf die Fleischbranche. Arbeitsminister Heil kündigte neue Regeln an, auch Kanzlerin Merkel äußerte Kritik. Nach den Coronavirus-Infektionen in mehreren Schlachtbetrieben hat Arbeitsminister Hubertus Heil Konsequenzen angedroht. „Wir werden aufräumen mit diesen Verhältnissen“, sagte der Sozialdemokrat in einer Aktuellen Stunde im Bundestag. Das Corona-Kabinett werde am kommenden Montag neue Maßnahmen beschließen. Heil kritisierte die oft prekären Arbeits- und Wohnbedingungen ausländischer Leiharbeiter in der Fleischwirtschaft: „Wir dürfen als Gesellschaft nicht weiter zugucken, wie Menschen aus Mittel- und Osteuropa in dieser Gesellschaft ausgebeutet werden.“ Der Minister betonte, das derzeitige Subunternehmertum in der Branche sei die „Wurzel des Übels“. Er warb dafür, grundsätzlich über die weit verbreiteten Werksverträge nachzudenken. Darüber hinaus machte sich Heil für bundesweit verbindliche Kontrollquoten stark…“ Meldung vom 13.05.2020 bei tagesschau.de externer Link – abwarten….
  • Fleischindustrie: „Sie übernehmen für die Arbeitskräfte praktisch keine Verantwortung“
    In der Fleischindustrie häufen sich die Covid-19-Fälle. Dominique John berät oft aus Osteuropa stammende Arbeiter. Sie seien schon vor Corona ausgebeutet worden. (…) In der Fleischindustrie lässt sich das System der Arbeitsausbeutung von osteuropäischen Beschäftigten in Deutschland wie unter dem Brennglas beobachten. Körperlich auslaugend ist die Arbeit ohnehin, was für sich genommen schon ein Gesundheitsrisiko darstellt. Hinzu kommt die beengte Unterbringung. In Sachsen-Anhalt habe ich Plattenbausiedlungen gesehen, wo Arbeiter aus der Fleischindustrie in Dreizimmerwohnungen leben, in jedem Zimmer drei Personen. Man kann davon ausgehen, dass so eine Unterbringung an den meisten Standorten immer noch die Regel ist, trotz Corona. Und in dieser Enge steigt das Infektionsrisiko natürlich immens. (…) Die großen Fleisch verarbeitenden Betriebe arbeiten in der Produktion größtenteils nicht mit eigenen Beschäftigten, sondern vergeben Werkverträge an Subunternehmer, die die Aufträge mit ihren Beschäftigten aus Polen oder Rumänien abarbeiten. Das bedeutet für die Auftraggeber wie Tönnies, Vion oder Westfleisch ein Höchstmaß an Flexibilität. Sie übernehmen für die Arbeitskräfte praktisch keine Verantwortung. (…) Die Infizierten scheinen medizinisch versorgt zu werden, aber genaues wissen wir derzeit nicht. Auch das wirft ein Licht auf die organisierte Verantwortungslosigkeit. Wir fragen die Firmen, wie es den betroffenen Arbeitern geht. Die Firmen verweisen auf die Subunternehmer. Und von denen erhalten wir keine Antwort. Einige Arbeiter haben sich bei meinem zuständigen Kollegen in Dortmund darüber beschwert, dass sie in der Quarantäne nicht ausreichend versorgt würden, etwa mit Lebensmitteln. Ob das wirklich stimmt, konnten wir aber noch nicht überprüfen. (…) Die Kontrollen liegen bei den Gesundheitsämtern, die – so unser Eindruck – sehr unterschiedlich aufgestellt sind. In manchen Regionen kontrollieren sie streng, andernorts scheint kaum etwas zu passieren. Den Gesundheitsämtern kommt damit plötzlich eine entscheidende Rolle zu. Man kann Zweifel daran haben, dass sie darauf eingestellt sind…“ Interview von Merlind Theile vom 12. Mai 2020 in der Zeit online mit Dominique John externer Link, sie leitet Faire Mobilität externer Link, ein Projekt des Deutschen Gewerkschaftsbundes (DGB), das unter anderem durch das Bundesministerium für Arbeit und Soziales (BMAS) finanziert wird. „Faire Mobilität“ unterhält bundesweit neun Beratungsstellen. Dort werden Beschäftigte aus mittel- und osteuropäischen Ländern, die in Deutschland arbeiten, dabei unterstützt, faire Löhne und Arbeitsbedingungen durchzusetzen.
  • Nicht konkurrenzfähig? Und tschüss. Die Fleischindustrie zeigt: Wenn ein Geschäftsmodell auf Ausbeutung gründet, dann muss es eben verschwinden.
    „… Die Dumpinglöhne werden gern damit verteidigt, dass die deutsche Fleischindustrie sonst nicht konkurrenzfähig sei. Vielleicht stimmt das sogar. Genau beurteilen kann das niemand, denn die Firmenverschachtelungen rund um die Schlachthöfe sind außerordentlich undurchsichtig. Der zentrale Punkt ist aber: Beim Mindestlohn darf es keine Ausnahmen geben. Deswegen heißt er ja Mindestlohn. Wenn Branchen nicht mehr konkurrenzfähig sind, sobald sie auf die Ausbeutung ihrer Beschäftigten verzichten – dann müssen sie leider verschwinden. Die Textilindustrie ist ein gutes Vergleichsbeispiel: Einst waren die Bekleidungsfirmen der wichtigste Industriezweig der Bundesrepublik, sogar wichtiger als der Kohlebergbau. Doch spätestens in den 1970er Jahren war es damit vorbei, weil andere Weltregionen billiger waren. Heute stammen viele T-Shirts aus Bangladesch oder auch aus der Türkei. Niemand würde jedoch fordern, dass Beschäftigte in Deutschland so wenig wie in Bangladesch verdienen sollen, damit es hier wieder eine T-Shirt-Industrie geben kann. Oder anders gesagt: Der Exportüberschuss von Deutschland ist schon groß genug. Da müssen wir nicht auch noch geschlachtete Schweine ausführen, wenn dies verlangt, dass Beschäftigte ausgebeutet werden. Es wäre jedenfalls einfach, die Missstände in der Fleischindustrie zu beenden. Entscheidend wäre, dass die Schlachthöfe keine Subunternehmer mehr beschäftigen dürfen – sondern für ihre Beschäftigten direkt verantwortlich sind. Dann ließe sich bei jeder Betriebskontrolle sehr schnell erkennen, ob die Mindestlöhne gezahlt werden. Die Bundesregierung müsste nur zwei Paragrafen im BGB ändern, um das Subunternehmertum zu beenden…“ Kommentar von Ulrike Herrmann vom 12.5.2020 in der taz online externer Link
  • Corona-Ausbruch in Schlachthöfen: „Das ist das traurige Resultat eines kranken Systems.“
    Zu den hohen Infektionszahlen bei Beschäftigten mehrerer deutscher Schlacht- und Zerlegebetriebe erklärte Freddy Adjan, stellvertretender Vorsitzender der Gewerkschaft Nahrung-Genuss-Gaststätten (NGG): „Die in der Schlachtindustrie über Werkverträge mit oft dubiosen Subunternehmen beschäftigten Menschen werden seit vielen Jahren rücksichtslos ausgenutzt. Die Arbeitgeber lagern nicht nur die Arbeit, sondern auch jede Verantwortung bequem an Subunternehmen aus. Das System ist krank: Werkverträge für die Kernaufgabe eines Unternehmens zu vergeben, muss verboten werden. Ein Schlachthofbetreiber sollte das Schlachten nicht an billige Fremdfirmen auslagern dürfen. Die Corona-Fälle sind trauriges Resultat des extremen Preisdrucks beim Fleisch. Diese Krise macht deutlich, wie überfällig es ist, auf Stopp zu drücken und den ruinösen Preiskampf beim Fleisch zu beenden. Ich hoffe, Politik und Behörden nehmen diese schlimme Krise endlich zum Anlass, konsequent gegenzusteuern und die Beschäftigten vor Ausbeutung zu schützen. Dazu gehören auch flächendeckende Kontrollen und Regeln für die Unterkünfte der Beschäftigten.““ NGG-Pressemitteilung vom 9. Mai 2020 externer Link
  • Hohe Infektionszahlen: Corona-Alarm im Schlachthof
    “In mehreren Fleischbetrieben in ganz Deutschland häufen sich die Corona-Fälle. Die Politik ist alarmiert. Und die Branche fürchtet unter Generalverdacht zu geraten. (…) In den vom Bund im Rahmen der Corona-Krise angepassten Arbeitsschutzstandards heißt es unter anderem, dass die gleichzeitige Nutzung von Fahrzeugen durch mehrere Mitarbeiter möglichst zu vermeiden sei. In der Landwirtschaft und der Lebensmittelbranche werden osteuropäische Arbeitskräfte aber oft gemeinsam mit Bustransfers von den Sammelunterkünften zum Betrieb gebracht. Außerdem heißt es in den Regeln: „Grundsätzlich ist eine Einzelbelegung von Schlafräumen vorzusehen.“ Auch das dürfte in der Praxis nicht überall so eingehalten werden. „Das ist vielleicht gut gemeint, aber wo sollen plötzlich die zusätzlichen Schlafräume herkommen“, fragt Thomas Bernhard, der in der Gewerkschaft Nahrung-Genuss-Gaststätten (NGG) das Referat Fleischwirtschaft leitet. Kontrolliert würde die Umsetzung der Regeln in den Ländern ganz unterschiedlich. „Nach unserem Wunsch müsste es da eine bundesweite Regelung auch für Kontrollen geben. Die Unterkünfte sind seit Ewigkeiten ein Problem“, sagt Bernhard. Die Gewerkschaft kritisiert, dass es in vielen Wohnungen Überbelegungen gebe, schlechte sanitäre Verhältnisse und große Gemeinschaftsküchen. „Die Subunternehmen achten nur auf möglichst viel Gewinn und kümmern sich nicht um die Wohnungen“, sagt Bernhard. „Was die Arbeitsbelastung angeht, ist die Situation miserabel. Durch den hohen Krankenstand und die gleichzeitig gestiegene Nachfrage sind die verbliebenen Mitarbeiter noch erschöpfter als vorher. Und wer erschöpft ist, denkt nur noch daran, ins Bett zu kommen und nicht mehr an Hygienevorschriften“, sagt Bernhard. (…) Immerhin eine gute Nachricht gibt es aber auch: Ein Risiko für die Verbraucher sehen die Landratsämter nicht. Sie verweisen auf das Bundesinstitut für Risikobewertung, nach dessen Aussage  kein einziger Fall bekannt sei, bei dem das Coronavirus über Lebensmittel weitergegeben worden wäre. „Da die Viren hitzeempfindlich sind, kann das Infektionsrisiko durch das Erhitzen von Lebensmitteln zusätzlich verringert werden“, heißt es aus dem Enzkreis.“ Artikel von Jonas Jansen und Julia Löhr und Susanne Preuss vom 08.05.2020 in der FAZ online externer Link
  • Siehe die „Einzelfälle“ im LabourNet:
Kurzlink: https://www.labournet.de/?p=172196
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