Der 8. Mai: Feiern, bis der Arzt kommt – und weiter kämpfen
Die Kapitulation der Wehrmacht (der Wehrmacht, wohlgemerkt und nicht nur der NSDAP) – nach einer letzten Mordorgie in den Wochen der absehbaren historischen Niederlage – brachte es ans Tageslicht: Kaugummi kauende amerikanische „Dekadenzlinge“ und jüdisch-bolschewistische „Untermenschen“ hatten der deutschen „Herrenrasse“ dermaßen in die Fresse gehauen, dass sie sich jahrzehntelang fast nur noch in der nicht-öffentlichen Meinung zu Wort meldeten (und ansonsten ihre Netzwerke bauten und behielten – samt deren Außenstellen in Bundeswehr, Behörden, Unternehmen und Politik). Selbstverständlich ein Grund zum Feiern, ein Grund zum Gedenken an ihre Opfer, ein Grund, diesen Tag zum Feiertag zu erklären, zu machen. Aber, da war doch was in Hanau, oder? Und in Halle, und in Neukölln und, und, und… in Waldkraiburg. Jeden Tag ist „etwas“ – von rassistischen Mordanschlägen über Polizeischutz für antisemtische Hetzparolen, bis hin zur Verfolgung jeder Kritik an Repressionsorganen, die sich nicht auf die Addition der endlosen Einzelfälle beschränkt. Nicht nur „Wer vom Kapitalismus nicht reden will, soll vom Faschismus schweigen“ (das sowieso), sondern auch „Die Mitte war noch nie nazifrei“ sind die Leitlinien, die diesen 8. Mai zu einem aktuellen Kampftag machen, weit über den Gedenktag hinaus. Auch gegen die Versuche, die mörderischen Praktiken wieder „salonfähig“ zu machen. Die kommen ja nicht immer so ungelenk daher, wie es ein gewisser Herr Gauleiter (oder so ähnlich) unternommen hat, der meinte, die Niederlage hätte ja „Gestaltungsmöglichkeiten“ zerstört. Ja: Wer nicht feiert hat verloren! (Herrn Himmlers Bestellung von Blümchentapeten für Dachau ist auch nicht mehr bedient worden). Siehe dazu unsere aktuelle Materialsammlung „8. Mai – Feiertag, Gedenktag, Kampftag“ vom 08. Mai 2020:
„8. Mai – Feiertag, Gedenktag, Kampftag“
(08. Mai 2020)
„Un recorrido por la liberación de los campos nazis hasta Mauthausen, el – último campo liberado“ von Rosa Toran am 07. Mai 2020 bei kaosenlared steht hier gleich für zwei Belange: Zum einen die Befreiung vom Übelsten (und Mauthausen war das letzte, das befreit wurde), das die Menschheitsgeschichte je gesehen hat – die KZ, oftmals vorschnell als Vergleich genutzt, bleiben unvergleichlich, wo sich der traditionelle deutsche Antisemitismus durch die Nazi-Ideologie zum industriellen Massenmord entwickelte. Zum anderen aber auch als Erinnerung daran, dass auch außerhalb der BRD die Nazi-Verbrechen nach wie vor nicht vergessen sind.
„Das Vorspiel der Schlacht um Berlin – Der Luftkrieg“ von Ingar Solty am 07. Mai 2020 bei der Freiheitsliebe unter anderem zur politischen Bedeutung einer Mordserie am Abgrund: „… An diesem Tag begann die Schlacht um Berlin. Der Krieg, den Deutschland begonnen und im Osten als Vernichtungskrieg geführt hatte, kehrte als Bumerang an seinen Ursprung zurück. Schon drei Monate zuvor hatten die Zivilistinnen in Ostpreußen hierfür den höchsten Preis aller Deutschen entrichtet. Die Schlacht um Berlin war verloren, noch ehe sie begann. Mehr noch: Den Durchhalteparolen der Nazis oder Durchhaltefilmen wie Veit Harlans „Kolberg“ zum Trotz war der Krieg schon seit Monaten verloren. (…) Die Schlacht um Berlin zögerte das Unvermeidliche hinaus, verlängerte Kriegsmorden, den Holocaust und die Endphaseverbrechen der Nazis, mit denen diese einer Nachkriegsrevolution wie jener nach dem Ersten Weltkrieg vorbeugen wollten, indem sie ihre Gegner systematisch ermordeten. Hunderttausende bezahlten all das mit ihrem Leben; Hunderttausende in den Konzentrationslagern und Gestapogefängnissen ersehnten die Befreiung, die auch für viele Städter durchaus eine Befreiung vom Bombenkrieg war. Die Befreiung aber kam von außen...“
„Gestapo Hausgefängnis“ von Lutz Herden am 04. Mai 2020 im Freitag-Blog zu den letzten mörderischen Wochen: „… Ende April 1945 sind den Gewaltorgien in der Prinz-Albrecht-Straße erst recht keine Grenzen mehr gesetzt, doch bleiben sie nun weitgehend auf diesen Ort beschränkt. Gestapo und Reichssicherheitsdienst (RSD) haben an Spielraum und Möglichkeiten verloren. Seit dem 21. April steht die Rote Armee an der Peripherie der Reichshauptstadt und kommt dem Stadtzentrum unablässig näher und damit den noch verbliebenen, letzten Bastionen des Regimes. Sie lassen sich durch einige wenige Adressen zusammenfassen: die Neue Reichskanzlei in der Voßstraße 4 nahe dem Potsdamer Platz, in deren Bunker sich Hitler verschanzt hält; das Oberkommando der Wehrmacht am Landwehrkanal, Tirpitzufer 72 – 76, wo sich der Stab des Berliner Stadtkommandanten aufhält; das Haus des Rundfunks am Adolf-Hitler-Platz (heute Theodor-Heuss-Platz) in Charlottenburg, das Reichssportfeld am Olympiastadion im Südwesten Berlins. Und schließlich die durch Luftangriffe bereits schwer in Mitleidenschaft gezogene Gestapo-Zentrale. Sie liegt in Sichtweite des bereits geräumten, weil evakuierten Prinz-Albrecht-Palais, dem Sitz des Reichssicherheitshauptamts in der Wilhelmstraße 102. Dessen Chef Ernst Kaltenbrunner ist seit Anfang April nach Alt-Aussee in der Steiermark ausgewichen. In der Prinz-Albrecht-Straße sitzen am 23. April 1945 noch 25 Häftlinge, Männer, denen eine Beteiligung am 20. Juli 1944, dem Attentat auf Hitler, zur Last gelegt wird, dazu kommen anderweitig in Ungnade gefallene Militärs und einige Geistliche. In der Nacht zum 24. April werden die Türen der Zellen Nr. 38 bis Nr. 21 vom Wachpersonal aufgerissen: „Heraustreten ohne Gepäck!“ Im südlichen Zellenflur stehen neben anderen Gefangenen zum Abmarsch bereit: der beinamputierte Oberleutnant Ruprecht Gehring, der Arzt Eugen Ense, der Jurist Hans Koch, Mitglied der Bekennenden Kirche, der ehemalige NS-Gauleiter Joseph Wagner. Ein SS-Trupp führt sie über die Wilhelmstraße bis zu der in südlicher Richtung einmündenden Puttkamerstraße. Auf einem Ruinengrundstück dort fallen die Schüsse…“
„Die Autorität der Überlebenden“ von Ingrid Heinisch am 07. Mai 2020 in neues deutschland online erinnert unter anderem daran: „… Dass ehemalige Häftlinge Einfluss auf die bundesdeutsche Politik nehmen konnten, das war nicht immer so. Ganz im Gegenteil. In der frühen Bundesrepublik waren die ehemaligen Häftlinge als unbequeme Mahner nicht gern gesehen. »Nestbeschmutzer« nannte man sie oft. Dass die NS-Verbrechen nicht vergessen wurden, die Orte, wo sie begangen wurden – das ist dem mühsamen Kampf der ehemaligen Häftlinge zu verdanken. Das gilt für Flossenbürg, Dachau und vor allem für Neuengamme. Niemand war dort so lange inhaftiert wie Fritz Bringmann. Und niemand hat wohl so lange für eine Gedenkstätte dort gekämpft. Hamburg war zwar von 1949 an sozialdemokratisch reagiert, aber im Vergessen und Verdrängen waren die Genossen bundesdeutsche Meister. Im bayerischen Dachau gab es schon längst eine Gedenkstätte, da existierte in Hamburg noch nicht einmal ein Mahnmal. Nach fast 40 Jahren endlich ein kleiner Museumsbau außerhalb des Lagergeländes. Dort gab es so gut wie keine Spuren mehr. Stattdessen hatte die Stadt dort zwei Gefängnisse gebaut. Die ehemaligen KZ-Häftlinge empfanden das als Hohn. Ihr Kampf dafür, die Gefängnisse wieder zu entfernen, dauerte lange, war aber letztlich erfolgreich. Unter anderem, weil Fritz Bringmann unangemeldet zu einer entscheidenden der Bürgerschaftssitzung erschien, mit ein paar Kameras im Schlepptau. Dieser schmächtige Mann erreichte, dass der Senat kleinlaut zurückruderte…“
„Olga Benario“ von Judith v. Sternburg am 07. Mai 2020 in der FR online erinnert an eines der Schicksale im internationalen Zusammenhang: „… es wurde also sogleich das nagelneue Hörbuch „Die Unbeugsame“ (Nemu Records) aufgelegt. Ute Kaiser (die das auch konzipiert und inszeniert hat), Gabriela Börschmann und Martin Molitor lesen hier aus den Briefen und Gestapoakten von und zu Olga Benario (1908 in München geboren, 1942 in Bernburg vergast). Einerseits kann man sich über das Leben der deutsch-jüdischen Kommunistin, die 1936 von Brasilien ausgeliefert und zurück nach Deutschland gebracht wurde, auch so leicht informieren. Andererseits bot die Herausgabe und Einordnung der Dokumente durch Robert Cohen (zuletzt in seinem Buch „Der Vorgang Benario. Die Gestapo-Akte 1936-1942“, 2016) doch einen atemberaubenden Einblick in die zähe Natur des Bösen und des Guten, der Hoffnung und des sich heranpirschenden Endes. Auf der CD nun konzentriert auf 76, vollständig unverzierte Minuten. Mit solchen Sätzen (die übrigens begreiflich machen, warum früher gerade ältere Empfindsame die Substantivierungsmanie der deutschen Sprache aufs Schärfste ablehnten): „Das Fortnehmen des Kindes der Benario kann ebenfalls viel zur Ablegung eines Geständnisses beitragen.“ Oder solchen Überlegungen: Man könne ihr ruhig Stricknadeln zugestehen, da sie sich auch ohne das Leben nehmen könne, wenn sie das plane. Das plant sie keineswegs, sie strickt ihrem seinerseits in Brasilien in Haft sitzenden Mann, dem Kommunisten Luis Carlos Prestes, eine Krawatte. Ist es die Krawatte, die im letzten Absatz des Hörbuchs im Nachlass auftaucht? Denn wie die Deutschen Ordnung in allen Lebenslagen schätzen und exekutieren, wird in jedem Moment deutlich. Die Korrektheit zum Tode, sie ist ein Irrsinn, und jetzt erkundigt sich der Leiter des KZ Ravensbrück nach dem Verbleib der Briefmarken, die einem Brief an den weiblichen Schutzhäftling Benario hätten beiliegen sollen, aber nicht beiliegen…“
„»Das Thema würden einige gerne für beendet erklären«“ am 08. Mai 2020 in der jungen welt ist ein Gespräch von Markus Bernhardt mit Willi Hofmeister (Ostermarsch Ruhr), in dem dieser zum Zusammenhang von Faschismus und Krieg ausführt: „… Faschismus und Krieg sind die zwei Seiten ein und derselben Medaille. »Nie wieder!« war ein Grundsatz in den ersten Jahren nach der Nazizeit. Aber durch eine nicht konsequent durchgeführte Entnazifizierung kamen die Kanonenkönige wie Thyssen und Krupp, die Globkes und Oberländer in der Bundesrepublik wieder zu Amt und Würden. Die Regierungspolitik unter Konrad Adenauer setzte auf Remilitarisierung. Alte und neue Nazis konnten wieder offen auftreten und mit der NPD eine legale rechtsextremistische Partei in der BRD gründen. Diese Entwicklung hatte nichts mit dem »Nie wieder« der Nachkriegszeit zu tun. Und mit meinem Eintreten für Frieden und eine gerechte Gesellschaftsordnung wurde ich schon in jungen Jahren in der Friedens- und Antifabewegung aktiv…“
„»Nicht nur aus kühlem Geschichtsinteresse«“ von Wolfgang Hübner am 07. Mai 2020 in neues deutschland online zur Rede des damaligen Bundespräsidenten zum 40. Jahrestag der Befreiung, als auch die Grünen noch keine Kriegszüge führten und die ohne weitere Konsequenzen blieb: „… Weizsäcker bezeichnete in seiner Rede den 8. Mai 1945 als »Tag der Befreiung. Er hat uns alle befreit von dem menschenverachtenden System der nationalsozialistischen Gewaltherrschaft.« Das waren ungewohnte Töne. Befreiung vom Faschismus – das war die in der DDR längst übliche Bezeichnung; im westdeutschen Staat war bis dahin von Befreiung so gut wie keine Rede gewesen, schon gar nicht bei Konservativen. Ohnehin beschäftigte sich die westdeutsche Gesellschaft nur ungern mit der faschistischen Vergangenheit. Die Kontinuitäten aus dem Nazi-Staat, ideell und personell, wirkten über Jahrzehnte fort; nicht als Begleiterscheinung, sondern als sinnstiftende Traditionslinie. Auch auf Weizsäckers zweifellos mutige Rede sollten wütende Beißreflexe folgen. Der bayerische Ministerpräsident Franz Josef Strauß beispielsweise forderte, die Vergangenheit »in der Versenkung« verschwinden zu lassen, denn »die ewige Vergangenheitsbewältigung als gesellschaftliche Dauerbüßeraufgabe« lähme ein Volk nur. Die Rede Weizsäckers hatte freilich ihre Vorgeschichte. Sie wäre in dieser Form nicht denkbar gewesen ohne den Aufbruch von 1968, ohne die Fragen der Nachkriegsgeneration nach der Schuld und Verantwortung der Eltern. Bei der Bundestagswahl im März 1983 hatten es die Grünen, die wichtigste politische Stimme der 68er, erstmals in den Bundestag geschafft. Eine Revolution im westdeutschen Parteien- und Parlamentssystem. Nur wenige Woche später versuchte die Grünen-Fraktion, eine – so das Protokoll – Sondersitzung des Bundestags »aus Anlass des 38. Jahrestages des Endes der nationalsozialistischen Herrschaft und des Zweiten Weltkrieges« durchzusetzen. Im Ältestenrat des Parlaments war das Ansinnen abgelehnt worden, deshalb setzten es die Grünen auf die Tagesordnung der nächsten Plenartagung am 5. Mai...“
„Mit Weizsäcker und Rotarmist“ von Ines Wallrodt am 08. Mai 2020 in neues deutschland online zur Frage, worunter Aufklärung heute zu Tage begraben wird: „… In den vergangenen Jahren haben die Ergebnisse mehrerer Umfragen für Aufregung gesorgt, denn danach wissen junge Deutsche wenig über den Zweiten Weltkrieg und den Nationalsozialismus. In einer Befragung von 2010 etwa war zwei Dritteln der 18- bis 29-Jährigen nicht bekannt, dass am 8. Mai der Zweite Weltkrieg beendet wurde. Und 2017 sorgte eine Umfrage der Körber-Stiftung für Aufsehen: Vier von zehn über 14-jährigen Schülern wussten nicht, dass Auschwitz-Birkenau ein Konzentrationslager der Nazis war. Peter Johannes Droste vom Verband der Geschichtslehrer wirbt für Verständnis: »Junge Menschen schauen in die Zukunft.« Dass Schüler über historische Daten wenig wissen, ist für ihn daher eher normal. Zudem spiele das Thema Nationalsozialismus im familiären Alltag kaum noch eine Rolle. (…) Die Vermittlung von Methoden und Urteilsvermögen spielt in vielen Lehrplänen eine immer größere Rolle. Allerdings warnten die Wissenschaftlichen Dienste des Bundestags schon 2018 anlässlich eines Forschungsüberblicks über die Behandlung des Nationalsozialismus in deutschen Schulen davor, »dass sich viele Lehrpläne zugunsten der Beschreibung weiterführender Kompetenzen (…) von der Beschreibung inhaltlicher Schwerpunkte für die Sachkompetenz abwendeten, wodurch weniger Zeit für Inhalte« bleibe. Doch auch wenn es heute im Geschichtsunterricht mehr um die Vermittlung von Fähigkeiten als um Inhalte gehen mag, ein Inhalt ist sicherer als früher: »Es ist unstrittig, dass es sich beim 8. Mai um einen Tag der Befreiung handelt«, sagt Droste“.
„„Weil Faschismus nicht Geschichte ist““ am 06. Mai 2020 in der taz online ist ein Gespräch von Jonas Wahmkow mit Amy Davies und Alia Kutlu, in dem die beiden unter anderem ausführen: „… Es ist klar, dass rechter Terror in Deutschland wieder Alltag ist, besonders für migrantische Menschen. Seit Hanau ist fast kein Tag vergangen, an dem es nicht irgendeinen Übergriff oder Anschlag gab. Unter anderem wurden hier in Neukölln Autos mit „Kanacke“ und Hakenkreuzen beschmiert, in Celle wurde der 15-jährige Arkan Hussein Kalaf ermordet, im bayerischen Waldkraiburg brannte ein türkischer Supermarkt nieder, nachdem er mit Hakenkreuzen und „Ausländer raus“ markiert wurde. (…) Das Problem ist, dass rechte Gewalt und Rassismus nicht als Kontinuität gesehen werden. Aber migrantische und geflüchtete Menschen spüren diese Kontinuitäten alltäglich. Die Mehrheitsgesellschaft sieht immer nur die Eisbergspitzen, wie die Welle rassistischer Ausschreitungen in den 90ern, die Morde des NSU oder eben der Anschlag in Hanau...“
„„Feindanalysen. Über die Deutschen““ von Peter Leusch am 23. Juli 2009 beim Deutschlandfunk in einem Beitrag zum 30. Todestag Herbert Marcuses: „… „Der Nationalsozialismus hat die Denk- und Verhaltensmuster des deutschen Volkes dermaßen verändert, dass sich die traditionellen Methoden der Gegenpropaganda und Umerziehung als unzulänglich erweisen. Die Deutschen orientieren sich gegenwärtig an gänzlich anderen Werten und Maßstäben, und sie sprechen eine Sprache, die sich von den Ausdrucksformen der westlichen Zivilisation wie auch von denen der einstigen deutschen Kultur grundlegend unterscheidet.“ Mit dieser These über eine „neue deutsche Mentalität“ beginnt der gleichnamige Aufsatz Herbert Marcuses aus dem Kriegsjahr 1942. Der Philosoph hat sich entschlossen, an der Seite der Alliierten einen geistigen Beitrag zur Bekämpfung der nationalsozialistischen Herrschaft in Deutschland zu leisten, gegen ein Regime, das ihn als Juden und Linksintellektuellen 1934 aus der Heimat vertrieben hatte. (…) Marcuses These von der Herrschaft der Technokratie benennt allerdings eine allgemeine Fehlentwicklung der Moderne: Spezifisch für den Nationalsozialismus ist jedoch, dass er dieser gewissenlosen kalten Rationalität seine irrationalen Mythen, sprich seine Ideologie aufpfropft. Peter Erwin Jansen: „Er spricht davon, dass der Mythos, den die Nationalsozialisten versucht haben, den Menschen nahe zu bringen, dass dieser Mythos – die Blut- und Bodenideologie, das Völkische, das Arische, das Reine –, dass dieser Mythos alle anderen menschlichen Verhaltensweisen oder mentalen Strukturen vereinnahmt hat; und alle Werte und Normen, die in anderen Bereichen erkämpft wurden, und sich entwickelt haben, außen vor lässt.“ Die Arbeit Marcuses und der anderen blieben nicht nur Theorie. Sie mündeten in Empfehlungen für die Praxis. So entstanden sogenannte Guides, Handbücher für die Propagandafront während des Krieges und für die Politik im besetzten Deutschland danach. Die Gruppe um Marcuse gelangte zu überraschenden Schlussfolgerungen für eine Gegenpropaganda: Moralische Appelle und Demokratieversprechen seien wirkungslos, denn „die Sprache der Tatsachen sei das Einzige, was die Deutschen verstünden“.…“
- Siehe zum 8. Mai im LabourNet Germany auch:
- „8. Mai 2020: Tag des Zorns. Bundesweiter Protest & Streik gegen Rassismus!“ mit einem Update von heute
- sowie „[8. Mai muss Feiertag werden] Dass Auschwitz nie wieder sei – und dieses Land sich ändern muss. Offener Brief/Petititon von Esther Bejarano“ am 07. Mai 2020 im LabourNet Germany
- 8. Mai – Tag der Befreiung von Krieg und Faschismus