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[1. Mai 2020] Ein 1. Mai in Südafrika – geprägt vom Widerstand der KrankenpflegerInnen und dem Kampf der armen Bevölkerung ums Überleben

Die südafrikanische Metallgewerkschaft NUMSA - Kern eines neuen unabhängigen Gewerkschaftsbundes„… Die Corona-Pandemie trifft die Ärmsten am härtesten. In Südafrika, wo Reichtum so ungleich verteilt ist wie in keinem anderen Land der Welt, litten einer Erhebung der staatlichen Statistikstelle Stats SA bereits 2018 elf Prozent der Bevölkerung unter Hunger. In absoluten Zahlen sind das 6,5 Millionen Menschen. Da aufgrund des Lockdowns nahezu sämtliche Einkommen aus informeller Arbeit wegfallen, verschärft sich die Situation in dramatischem Maße. Zwar hat die Regierung eine Anhebung von Sozialleistungen angekündigt, doch die Maßnahmen sollen erst ab Mai greifen. In den Townships sind es derweil vor allem kleine, lokale Organisationen, die sich gegen die drohende Hungersnot stemmen. »Wir haben keine Zeit, die Leute brauchen jetzt etwas zu essen«, erklärt Josephine de Klerk vom Childrens Ressource Centre im Kapstädter Stadtteil Factreton. Auch ihre Organisation, die in dem Arbeiterviertel normalerweise Projekte für Kinder anbietet, hat deshalb nun auf Nahrungsversorgung umgestellt. Kinder im Alter von 12 bis 14 Jahren helfen nun, Essenspakete zusammenzustellen, identifizieren die Bedürftigsten in ihrer Nachbarschaft und beliefern sie. Es gehe ans Herz, berichtet de Klerk, »wenn die Kinder fragen, ob sie auch etwas Essen für ihre eigene Mutter mitnehmen können, für die Großeltern oder für den Onkel, der nichts mehr hat«. Eine ganze Reihe von Initiativen gegen die Hungersnot gebe es inzwischen, erklärt die Aktivistin...“ – aus dem Beitrag „Stärker als die Angst“ von Christian Selz am 02. Mai 2020 in neues deutschland online externer Link über die Situation in den südafrikanischen Townships. Siehe dazu zwei weitere Beiträge zur Situation in den Armenvierteln Südafrikas, sowie vier Beiträge zum Kampf der KrankenpflegerInnen und zu gewerkschaftlichen Reaktionen darauf und auf die Regierungspolitik:

„Weißwein und Hunger“ von Christian Selz am 22. April 2020 in neues deutschland online externer Link berichtete bereits zum Thema Klassenspaltung in der Epidemie und dem speziellen Wirken des Polizeiministers: „… Die öffentliche Einlassung des Gesundheitsministers Zweli Mkhize, seines Zeichens Arzt, wonach individueller Sport und Spaziergänge im Freien unbedenklich seien, wies Cele, ausgebildeter Lehrer, umgehend barsch zurück. In öffentlichen Statements zelebriert er seitdem regelmäßig die Umsetzung seiner Polizeistaatsfantasien. Für die mit üppigen Anwesen gesegnete Oberschicht, in deren gut gefüllte Weinregale Celes langer Arm nicht reicht, ist die wohl härteste Ausgangssperre der Welt offensichtlich noch recht erträglich. Aus den Vierteln der Armen kommen andere Bilder. Die Menschen schienen sich »wie Ebbe und Flut« um die Soldaten herum zu bewegen, die die Einhaltung des Lockdowns überwachen sollten, berichtete der Afrika-Korrespondent des britischen Nachrichtensenders Sky News, John Sparks, am 11. April aus dem Johannesburger Township Alexandra. Sein TV-Team filmte, wie ein Soldat ohne Vorwarnung auf einen Anwohner einschlug und -trat...“

„Erbe der Apartheid: Coronakrise trifft schwarze Bevölkerung besonders hart“ von den SOS Kinderdörfern am 02. Mai 2020 bei scharf links externer Link dokumentiert, hebt zu dieser Situation (ohne besonders auf die Politik der letzten 25 Jahre einzugehen) insbesondere hervor: „… Besonders in den Townships, den von Schwarzen bewohnten Elendsvierteln, sei es aufgrund der Enge und der mangelnden sanitären Ausstattung schlicht unmöglich, sich zu schützen, weshalb sich das Virus hier deutlich schneller ausbreite. Auch hätten die Menschen dort weder das Geld noch die räumlichen Möglichkeiten, ausreichend Lebensmittel zu lagern. Der Hunger nehme drastisch zu und bedrohe vor allem das Leben der Kinder. „Die Townships entstanden zu Apartheid-Zeiten, um die Schwarzen zu separieren – auf viel zu engem Raum und weit entfernt von allen Jobmöglichkeiten. Systematisch wurde so die Armut manifestiert“, sagt Kulati. Die sozialen Unterschiede seien heute größer denn je. „In keinem anderen Land ist der Wohlstand so ungleich verteilt wie in Südafrika“, sagt Kulati. Die Jugendarbeitslosigkeit liege bei 60 Prozent, betroffen seien fast ausnahmslos Schwarze und Farbige. Es sei zu befürchten, dass die Schere zwischen Arm und Reich durch die Corona-Pandemie weiter auseinandergehen werde, denn auch die wirtschaftlichen Folgen würden die Ärmsten deutlich härter treffen. Der informelle Sektor liege nahezu brach und die arme Bevölkerung habe praktisch keinerlei Möglichkeiten, von zu Hause aus zu arbeiten. Bereits jetzt rechne die Weltbank damit, dass die Armut in Südafrika durch Corona noch in diesem Jahr um neun Prozent steigen werde. „Wir müssen jetzt alles unternehmen, um diese Menschen zu schützen und mit einzubeziehen! Nur so können wir das Coronavirus stoppen – und verhindern, dass die Ungerechtigkeit in Südafrika noch dramatischere Formen annimmt“, sagt Kulati...“

„Nurses in the frontline this May Day“ von Anna Majavu am 01. Mai 2020 in New Frame externer Link ist ein Beitrag, der den Kampf der KrankenpflegerInnen in Südafrika in Zusammenschau sieht mit anderen ähnlichen Entwicklungen anderswo, nicht nur in Afrika. In Südafrika ist die Protestbewegung der KrankenpflegerInnen vor allem befeuert worden durch die Verkündigungen des Präsidenten vom 23. April, wobei er auf die allseits bekannten und dringenden Forderungen der KrankenpflegerInnen überhaupt nicht reagierte, sie nicht einmal erwähnte. Der Streikbeschluss der Young Nurses Indaba Trade Union für einen Protesttag am 1. Mai hat dann erstmals eine Reaktion der Regierung erzeugt: Nicht auf Forderungen wie Beihilfen zu Transportkosten und Übernachtungsmöglichkeiten in der Nähe von Krankenhäusern wurde eingegangen, sondern: Gedroht. Ein Streik sei illegal, verstoße gegen das Katastrophen-Management Gesetz. Die gewerkschaftliche Reaktion auf diese Drohung wiederum: Die National Union of Public Service and Allied Workers – die unter anderem die „Vor Ort“ Gesundheitshelfer organisiert, beschloss, sich dem Streiktag anzuschließen…

„NUMSA SUPPORTS THE STAY AWAY BY YNITU AND HEALTH CARE WORKER“ am 01. Mai 2020 bei der Metallgewerkschaft NUMSA externer Link (Facebook) ist eine Erklärung, in der unterstrichen wird, dass auch die größte Einzelgewerkschaft Südafrikas den Streiktag der KrankenpflegerInnen „vorbehaltlos unterstützt“ – und alle progressiven Kräfte des Landes aufruft, dies ebenfalls aktiv zu tun. Dies gelte genauso für den Streik der „Gesundheitshelfer“ vor Ort, die beschlossen haben, den Streik nicht auf einen eintägigen Warnstreik zu beschränken.

„Workers of the World Unite! SAFTU’s May Day 2020 message“ vom 01. Mai 2020 externer Link ist der Mai-Aufruf des linken Gewerkschaftsverbandes – der darin unterstreicht, dass die Reaktion auf die Epidemie weltweit ein deutliches Signal von Klassenpolitik sei (wobei insbesondere regierung wie die der USA und Brasiliens kritisiert werden). Die südafrikanische Regierung wird darin einmal mehr dafür kritisiert, den „Lockdown“ mit und als Repressionsinstrument zu realisieren – gegen die arbeitende Bevölkerung und die Armen des Landes. Die „Normalität“ nach der Epidemie müsse eine reale Veränderung der Gesellschaft werden…

„Mayday, Mayday! Our workers are sinking“ von Sello Ivan Phahle am 30. April 2020 im Mail&Guardian externer Link ist vor allen Dingen eine Kritik am „zahnlosen“ Gewerkschaftsbund COSATU – an dessen aktueller Vorgehensweise unter anderem kritisiert wird, dass er nicht einmal darauf reagiert habe, dass die Regierung einseitig erklärt habe, das unterzeichnete Tarifabkommen, das ab 1. April 2020 eine Lohnerhöhung im öffentlichen Dienst vorsah, nicht umzusetzen. Von der kontinuierlichen Unterstützung für die aktuellen reaktionären Notstandsmaßnahmen ganz zu schweigen – und dies vor dem Hintergrund der Zustimmung zu einem Mindestlohn, der nichts anderes sei, als ein Hungerlohn.

Kurzlink: https://www.labournet.de/?p=171593
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