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Bei Erdogan ist es auch in der Epidemie wie immer: Zuerst sterben die Arbeiter – und im Gesundheitswesen fehlen die aus politischen Gründen Entlassenen

Türkei: Protest der Gewerkschaft DISK gegen die Auswirkungen der Corona-Epidemie auf die Mitglieder der Gewerkschaft und jene Betriebe, in denen sie organisiert istDas Sozialforschungszentrum des Gewerkschaftsbundes DISK in der Türkei veröffentlicht seit April 2020 wöchentliche Berichte über die Auswirkungen der Corona-Epidemie auf die Mitglieder der Gewerkschaft und jene Betriebe, in denen sie organisiert ist. So wurden im zweiten Bulletin des Zentrums die Zahlen des Gesundheitsministeriums mit den eigenen Erhebungen verglichen und dabeu festgestellt: Wenn das Gesundheitsministerium angibt, es seien in der Gesamtbevölkerung inzwischen 0,9 von Eintausend Menschen erkrankt – so beträgt dieses Verhältnis in den betreffenden Betrieben 2,8 von Eintausend, also rund dreimal so viele. Neben genaueren Zahlen über die Erkrankung von Mitgliedern, über Heimarbeit-Entwicklung und Kurzarbeit wird in der Meldung „Rate of Covid-19 Cases Among Workers at Least 3 Times Higher Than Average“ am 20. April 2020 bei der DISK externer Link noch darauf verwiesen, dass die Gewerkschaft davon ausgehe, dass die Zahl der betroffenen Beschäftigten in den unorganisierten Betrieben und erst recht im informellen Sektor noch wesentlich höher seien, als in den gewerkschaftlich organisierten Unternehmen, bei denen es ja Bestandteil der alltäglichen Gewerkschaftsarbeit sei, für die Verbesserung der Sicherheit und des Gesundheitsschutzes zu kämpfen. Siehe dazu drei weitere Beiträge zur Epidemie in der Arbeitswelt der Türkei und einen Beitrag zum Gesundheitssystem in der Türkei – nach den Erdoganschen Säuberungen:

  • „Tote in Kauf genommen“ von Svenja Huck am 21. April 2020 in der jungen welt externer Link berichtete dazu außerdem aus der Baubranche – traditionell eine der gefährlichsten in der Türkei – über die Reaktion auf Baustellen und der Gewerkschaften: „… Am 10. April verkündete das Innenministerium in der Türkei eine 48stündige Ausgangssperre für alle Großstädte. Dadurch sollte die Ausbreitung der Coronavirusinfektionen eingedämmt werden. Obwohl Ausnahmen nur für die Gesundheits-, Wasser-, Strom- und Gasversorgung sowie die Produktion grundlegender Nahrungsmittel vorgesehen waren, wurde Medienberichten zufolge auch in »nicht systemrelevanten« Wirtschaftszweigen weitergemacht. Dazu zählte die Arbeit auf verschiedenen Baustellen, wie die Gewerkschaft Dev-Yapi-Is am 11. April gegenüber jW berichtete. Um die Coronakrise zu entschärfen, hatte die Regierung angekündigt, bisher anderweitig genutzte Gebäude in Krankenhäuser umzufunktionieren, wie den ehemaligen »Atatürk«-Flughafen in Istanbul. Bereits im Bau befindet sich das neue staatliche Krankenhaus in Basaksehir. Damit dort auch während der Ausgangssperre die Arbeiten vorangehen konnten, hatte der Gouverneur eine Sondergenehmigung erlassen. Es gibt aber gerade in der Baubranche, nicht nur einer der größten, sondern für die Beschäftigten schon bislang auch gefährlichsten Wirtschaftsbereiche, leider zusätzliche und unnötige Risiken. 2019 waren von insgesamt 1.736 durch Arbeitsunfälle ums Leben gekommenen Personen 336 auf dem Bau tätig. Zu Beginn der vergangenen Woche verstarb der 33 Jahre alte Hasan Oguz. Er war Vertreter von Dev-Yapi-Is für den europäischen Teil von Istanbul und arbeitete auf der Baustelle des »Galataport«, eines Hafens für Kreuzfahrtschiffe mitten in Istanbul, der eigentlich in diesem Monat eröffnet werden sollte. Oguz hatte bereits eine Vorerkrankung, die seine Ausmusterung aus dem Militärdienst zur Folge hatte. Auf der Baustelle erlitt er einen Herzinfarkt, als Todesursache wurde eine »ansteckende Krankheit« vermerkt, alles deutet auf Covid-19 hin. Aus Protest gegen fehlende Schutzmaßnahmen haben die Arbeiter deshalb die Baustelle bis Anfang Mai stillgelegt. Sie kritisieren seit Wochen, dass nachgewiesene Infektionen ihrer Kollegen zu keinerlei Maßnahmen führen würden…“
  • „Textilunternehmen will Berichte über Corona-Infektionen löschen lassen“ am 18. April 2020 bei den Rote Fahne News externer Link zur betrieblichen Realität der Epidemie in Unternehmen: „… Überall in der Türkei nehmen Fälle von CoViD-19-Erkrankungen in Betrieben zu, weil die Produktion einfach weiterläuft. Als Alternative „bieten“ die Kapitalisten allenfalls unbezahlten Urlaub. Die fortschrittliche Textilarbeiter-Gewerkschaft Tekstil İşçileri Birliği stellt laufend Berichte von Betroffenen darüber ins Netz. Gestern hat die Niederlassung des kanadischen Textilunternehmens AKKO in Esenyurt, einem Stadtteil von Istanbul, versucht, negative Berichte über zwölf Infektionsfälle bei ihr löschen zu lassen, weil sie „störten“, und dafür ein beachtliche Summe geboten...
  • „Inter-city travel is restricted in Turkey, but 4200 construction workers are continuing to build the Niğde-Ankara Highway“ am 22. April 2020 im Twitter-Kanal von Jennifer Hattam externer Link berichtet davon, dass trotz gleichzeitiger Verkehrssperre die Bauarbeiten an der Autobahn für 4.200 Beschäftigte weiter gehen…
  • „Brot und Spenden“ von Marie Meier am 23. April 2020 in der jungle world externer Link (Ausgabe 17/2020) berichtet unter anderem zum Gesundheitswesen in der Türkei in der Erdogan-Zeit: „… Nach Angaben des türkischen Gesundheitsministeriums waren am ­vergangenen Samstag rund 82 300 Infektionen nachgewiesen, etwa 12 231 davon in Istanbul. Es gibt allerdings Zweifel an den offiziellen Zahlen. Der Generalsekretär des türkischen Ärzteverbandes, Bülent Nazim Yılmaz, meint, diese würden falsch erhoben. »Das ­Gesundheitsministerium listet nur die eindeutig positiven Ergebnisse als ­Covid-19-Fälle. Alle anderen typischen Coronasymptome fallen unter den Tisch«, sagte Yılmaz der Süddeutschen Zeitung. In China seien 40 Prozent der Patienten, die zunächst negativ getestet worden seien, später als Covid-19-Fälle diagnostiziert worden. »Diagnose und Einstufung also sollten nicht nur nach dem Testergebnis, sondern nach allgemeinen klinischen Bewertungen erfolgen«, so Yılmaz. »Wäre das so, wären die Zahlen für die Türkei längst höher.« In den sozialen Medien kritisieren Nutzer, in manchen Regionen würden Menschen mit leichten Symptomen ohne Test mit Erkältungsmedikamenten nach Hause geschickt. Die Kapazitäten für Tests sind in der Türkei gering. Yılmaz warnt vor Panikmache. Diese werde zu einem Sturm auf die Krankenhäuser führen, die sich nur mit den schweren Fällen beschäftigen sollten. Nach dem niedergeschlagenen Putschversuch von 2016 wurden Yılmaz zufolge über 15 000 Personen per Regierungsdekret aus dem Gesundheitswesen entlassen. In Istanbul gibt es nach Yılmaz’ Angaben mehr als 50 000 Fachärzte; auf 100 000 Bewohner kommen 219 Fach-, Allgemein- und ­Assistenzärzte. Die Türkei habe aber insgesamt nur 153 000 Mediziner. In Deutschland, das etwa so viele Einwohner hat wie die Türkei, gab es nach ­Angaben der Bundesärztekammer 2018 rund 392 400 berufstätige Ärzte...“
  • Siehe von den vielen Berichten aus der Türkei in der Coronakrise zuletzt am 17. April 2020: Alles normal in Erdogans Türkei: Kriminelle sind frei, Kritiker im Gefängnis und Bauarbeiter werden vom Regime verheizt…
Kurzlink: https://www.labournet.de/?p=170996
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