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Das Regime im Niger reagiert auf die Epidemie – und sperrt weiter ein: Demokratie-Aktivisten, GewerkschafterInnen, protestierende Jugendliche…
„… Die Festnahmen stehen im Zusammenhang mit einer Kundgebung, die am 15.03.2020 in Niamey stattfinden sollte. Inhaltlich wollten die Organisator*innen die Übergabe eines von Verteidigungsminister Issoufou Katambé in Auftrag gegebenen Untersuchungsberichts an die nigrische Justiz fordern. Denn laut dieses Berichtes sollen Angehörige des Verteidigungsministeriums seit 2015 enorme Summen aus dem Rüstungshaushalt veruntreut haben. Zu dieser Kundgebung ist es jedoch nicht gekommen. Denn bereits am 13.03.2020 wurde die Kundgebung mit Blick auf die drohende Ausbreitung des Corona-Virus verboten, ohne dass dieses Verbot den Organisator*innen offiziell mitgeteilt worden wäre. Stattdessen wurde die Kundgebung in Niamey am 15.03.2020 von nigrischen Sicherheitskräften gewaltsam aufgelöst. Dabei ist auch ein Markt in Brand geraten, wodurch drei Menschen tragischerweise ums Leben gekommen sind. Bislang ist unklar, wie es zu dem Brand gekommen ist, aber Augenzeugen sprechen davon, dass Tränengasgranaten der Polizei auf das Dach des Marktes gefallen seien. Umso unverständlicher ist, dass wegen dieser Ereignisse mittlerweile Untersuchungshaft gegen die inhaftierten Vertreter der Zivilgesellschaft angeordnet wurde. Denn die Betroffenen haben lediglich ihr von der nigrischen Verfassung verbrieftes Recht wahrgenommen und zu einer friedlichen Demonstration aufgerufen. Zudem gibt es nicht den geringsten Hinweis, dass die Inhaftierten in irgendeiner Form für den Brand oder andere Sachschäden verantwortlich wären. Das Verbot der Demonstration am 15.03.2020 war keine Ausnahme. Vielmehr hat Turnons la Page in einem am 24.03.2020 veröffentlichten Bericht darauf hingewiesen, dass überall in Niger bereits seit Anfang 2018 systematisch Kundgebungen der Opposition oder der Zivilgesellschaft verboten werden, in aller Regel wegen der angespannten Sicherheitslage. In diesem Sinne stelle sich auch die Frage, ob es wirklich die Corona-Krise gewesen ist, die zum Verbot der Kundgebung geführt hat…“ – aus dem Muster-Protestbrief zum Aufruf „Sofortige Freilassung von Moussa Tchangari und anderen Vertretern der nigrischen Zivilgesellschaft“ am 15. April 2020 bei Afrique-Europe-Interact , der (per Post) an die Botschaften Nigers in der BRD, Schweiz und Österreich geschickt werden soll (und von der Initiative bereits an das Außenministerium der BRD geschickt wurde). Siehe dazu nochmals einen Bericht über die verbotene Demonstration vom 15. März 202, eine gewerkschaftliche Solidaritätserklärung mit den Festgenommmenen, sowie einen Beitrag über die Unterstützung des Regimes durch die EU – und den Hinweis auf unseren ersten Beitrag zu den Festnahmen bei der Märzdemonstration:
- „Repression im Namen von Corona“ von Cristian Jakob am 17. März 2020 in der taz online hatte zur verbotenen Demonstration und den Festnahmen berichtet: „… Die Veröffentlichung des Berichts war die wichtigste Forderung der Demonstration. Doch die Behörden untersagten den Aufzug – mit Verweis auf das Coronavirus. Das brachte viele Demonstranten erst recht auf. Denn zum einen ist bislang kein einziger Coronafall in Niger bekannt, zum anderen sind alle anderen öffentlichen Veranstaltungen weiterhin erlaubt. Schon zuvor hatte die Regierung die Pandemie benutzt, um gegen einen Kritiker vorzugehen: Seit dem 5. März sitzt der Journalist Mamane Kaka Touda im Gefängnis. Er hatte über einen Coronaverdachtsfall in einem Krankenhaus in der Hauptstadt Niamey berichtet – es ging um einen Poliziausbilder aus Italien. Als der Verdacht sich nicht bestätigte, berichtete Touda das ebenfalls. Trotzdem ordnete am vergangenen Montag ein Gericht U-Haft für ihn an, wegen „Verbreitung von Informationen, die zur Störung der öffentlichen Ordnung führen“. Touda arbeitet für das regierungskritische Radio Alternative FM. Alternative FM wird betrieben von der zivilgesellschaftlichen Gruppe Alternative Espaces Citoyens (AEC), die zu den Mitorganisatoren der Demo am Sonntag gehörte. Während der Demo verhaftete die Polizei nach Angaben von AEC deren Geschäftsführer Moussa Tchangari, den Gewerkschafter Mounkaila Halidou und den Regimekritiker Nouhou Arzika…“
- „Niger: arrestation de membres d’organisations associatives et syndicales“ am 20. März 2020 beim Alternativen Gewerkschaftlichen Netzwerk für Solidarität und Kampf (dem auch LabourNet Germany angehört) ist sowohl Solidaritätserklärung mit den Festgenommenen, inklusive der Forderung nach ihrer sofortigen Freilassung, als auch die Dokumentation einer entsprechenden Erklärung des Observatoriums zur Verteidigung von Menschenrechtsaktivisten gegen das Vorgehen der nigrischen Behörden. Das Netzwerk legt dabei seinen Schwerpunkt auf die Festnahme von Halidou Moukaila, Geeralsekretär der Gewerkschaft der Zeitarbeits-Beschäftigten im Bildungswesen des Niger (SYNACEB).
- „Niger – noch ein Stabilitätsanker im unsicheren Sahel“ von Thomas Mösch am 18. Februar 2020 bei der Deutschen Welle macht indirekt deutlich, warum über die Repressionswelle im Niger in der BRD-Medienlandschaft wenig zu erfahren ist – schon vorder dann verbotenen Demonstration samt Todesfolgen: „… Anders als seine Kollegen in den Nachbarländern hat Issoufou es geschafft, das Land zusammenzuhalten. Dabei hat Niger strukturell mit dem Krisenland Mali einige Gemeinsamkeiten: Die im Norden lebenden Tuareg haben wenig gemein mit den im Süden lebenden Bevölkerungsgruppen. Doch seit den 1990er-Jahren hat es keine Aufstände mehr gegeben. Mit Brigi Rafini ist heute ein auch international angesehener Tuareg-Politiker Ministerpräsident. Niger stemmt sich also einigermaßen erfolgreich gegen den Terrorismus. Außerdem hat sich Issoufou als verlässlicher Partner des Westens im Kampf gegen illegale Migration erwiesen. Die Transitwege durch den Niger Richtung Libyen und Mittelmeerküste wurden weitgehend verstopft. Beides hat dem Niger Millionen an Entwicklungsgeldern verschafft. Auch Deutschland pflegt enge Beziehungen mit Issoufou. Innenpolitisch nutzt Issoufou das internationale Wohlwollen allerdings, um die Herrschaft seiner Partei PNDS auch mit autoritären Mitteln zu festigen. Regierungskritische Demonstrationen werden regelmäßig mit dem Verweis auf die „öffentliche Ordnung“ verboten. Die Pressefreiheit gerät zunehmend unter Druck. Auf der Liste von Reporter ohne Grenzen ist der Niger in nur fünf Jahren von einem guten Platz 47 auf Rang 66 gerutscht. Auch die politische Opposition hat nichts zu lachen: Wer sich dem Werben um Zusammenarbeit verweigert, riskiert seine Existenz…“
- Siehe dazu zuerst: „Auch im Niger nutzt die Regierung den Seuchen-Ausnahmezustand zur Repression: 4 Tote, nicht an Corona“ am 03. April 2020 im LabourNet Germany