Ungleichheit kennt keine Auszeit: Benachteiligte Schüler leiden besonders unter den Schulschließungen
Dossier
„… »Wir wissen alle noch nicht, wie es in den nächsten Wochen weitergeht«, sagt eine Schulsozialarbeiterin. Auf der extra eingerichteten Lernplattform hätten sich bis jetzt nur drei Schülerinnen ihrer Klasse angemeldet, ausschließlich jene, die aus Akademikerfamilien kommen und zusätzliche Hilfe am wenigsten benötigten. (…) Viele würden von ihren Großeltern betreut, die kein Deutsch sprechen. Andere bekämen hingegen einen Privatlehrer. »Die Schere zwischen unseren Schülern, die sich durch die unterschiedlichen sozioökonomischen Hintergründe ergibt, wird jetzt noch mal größer«, klagt ihr Kollege. (…) Auch für die Oberschüler*innen aus benachteiligten Familien wachsen mit den Schließungen von Bildungseinrichtungen die Hürden. (…) Die Umstellung auf digitale Lernangebote scheitert teilweise an der mangelnden Medienkompetenz vieler Jugendlicher, die es nicht gewohnt sind, über Drop-Box oder Webinare zu kommunizieren oder schlicht keine Computer oder Scan-Geräte zu Hause haben«, sagt Weber. »Jetzt ist es zu spät, sie zu erreichen und einzuweisen in die Medienhandhabung. Die mangelhafte Digitalisierung der Schulen rächt sich an den sowie schon benachteiligten Schülerinnen und Schülern jetzt ganz besonders.«“ Artikel von Mascha Malburg vom 21.03.2020 beim ND online . Siehe dazu:
- Corona-Studie: Ärmere Kinder hatten kleinere Displays im Homeschool
„Stress durch Homeschooling betraf viele Eltern, unabhängig von Einkommen. Besonders stark war die Belastung, wenn Eltern länger gearbeitet haben oder seltener im Homeoffice waren. Beides traf auf Eltern mit Migrationshintergrund öfter zu. Eltern von Grundschulkindern waren mehrheitlich durch den Distanzunterricht ihrer Kinder während der Corona-Pandemie starkem Druck ausgesetzt. Mehr als 60 Prozent hätten sich durch den digital erteilten Unterricht im Wohnzimmer immer oder sehr häufig gestresst gefühlt, teilte das RWI-Leibniz-Institut für Wirtschaftsforschung am Montag in Essen ein zentrales Ergebnis einer Erhebung mit. Der Stresslevel zwischen Eltern von Kindern mit und ohne Migrationshintergrund sei vergleichbar gewesen. (…) Die Analyse zeige, dass in puncto Elternbelastung nur wenige Unterschiede zwischen Familien aus wohlhabenderen und ärmeren Stadtvierteln erkennbar waren, hieß es. Grundsätzlich sei es der Mehrheit der befragten Eltern schwergefallen, ihre Kinder zu Hause zum Lernen zu motivieren. Dies habe sich dann bei denjenigen Schülern verstärkt, die vonseiten ihrer Schule keine oder kaum digitale Lernmittel zur Verfügung gestellt bekamen. Besonders Schulen in ärmeren Stadtvierteln setzten im Durchschnitt weniger digitale Lernmittel regelmäßig ein wie etwa Videounterricht, Apps oder Lernvideos. Unterschiede zwischen Stadtvierteln ergaben sich bei der Anschaffung beziehungsweise erstmaligen Anschaffung digitaler Endgeräte der Eltern für ihre Kinder. Denn nur bei einem kleinen Teil der verwendeten Tablets handelte es sich um Leihgeräte der jeweiligen Schule, hieß es. Sehr viele Familien mussten der Erhebung zufolge digitale Endgeräte speziell für das Distanzlernen anschaffen. Vor allem Familien in Nachbarschaften mit geringerem Einkommen waren von Neuanschaffungen und den finanziellen Belastungen betroffen. In ärmeren Nachbarschaften seien außerdem häufiger auch Mobiltelefone für das Distanzlernen genutzt worden – mit dem Nachteil kleiner Displays…“ Meldung vom 15.09.2021 beim Migazin , siehe auch die PM des RWI-Essen zum RWI-Projektbericht „Grundschulunterricht in Zeiten von Corona – Auswertungen einer Elternbefragung in NRW“ von Philipp Breidenbach, Friederike Hertweck, Lisa Höckel, Lukas Hörnig, Sandra Schaffner und Michael Schweitzer - Aufholen statt Erholen: Nach einem Jahr Pandemie sollen Schüler*innen nun umso mehr Leistungen erbringen – das schafft, ist auch eine Klassenfrage
“Die Pandemie hielt für die Schüler*innen eine Lehre parat, die schon Berthold Brecht in den »Flüchtlingsgesprächen« durch seinen Protagonisten Ziffel über die Schule sagen ließ: »Die Kinder der besseren Leute wurden besser behandelt als die der Leute, welche arbeiteten.« Dass die Kinder diese Lektion schon in der Schule lernten, begrüßte Ziffel, denn andernfalls, »würden die jungen Menschen diesen Unterschied in der Behandlung, der so unendlich wichtig ist, erst im Leben kennenlernen.« In Zeiten der Corona-Pandemie müssen sich die Schüler*innen – wenn sie es überhaupt je mussten – nun wahrlich keine Gedanken mehr darüber machen, dass ihnen diese wichtige Lebenslektion im Lehrbetrieb vorenthalten werden könnte. (…) So hatte laut IFO-Institut der Wegfall des Präsenzunterrichts verheerende Folgen für die Chancengleichheit. Auch mit Blick auf die psychische Gesundheit sind junge Menschen unterschiedlich betroffen. Zwar ist die Corona-Pandemie für alle eine besondere Herausforderung, allerdings hat diese für Kinder und Jugendliche aus den unteren Schichten deutlich gravierendere negative gesundheitliche Folgen, wie Erfahrungen des Universitätsklinikums Leipzig bereits letztes Jahr nahegelegt hatten. (…) »Die jungen Menschen sind sehr stark belastet – und wenn wir den Zusammenhalt der Gesellschaft bewahren wollen, dann müssen wir uns jetzt dringend um sie kümmern«, sagte Simon Schnetzer bei der Vorstellung ihrer Studie »Jugend und Corona in Deutschland: Die Jugend am Ende Ihrer Geduld«. Die Studie betont zwar, dass jungen Menschen mehr Freiräume zugestanden werden müssen, mahlt aber zugleich ein bedrohliches Bild der Jugend, welche in der Lage wäre, den sozialen Frieden in Deutschland aufzukündigen. (…) Während Jugendliche aus Arbeiter*innenfamilien nicht nur abends kaum Freizeitmöglichkeiten haben, sondern auch in der Schule deutlich schlechtere Startbedingungen haben, entsteht zusätzlich der Eindruck, die Gymnasien würden während der Pandemie gegenüber anderen Schulformen eine privilegiertere Stellung genießen. In Augsburg, Nürnberg und München streikten im Februar Schüler*innen der Fachoberschulen und Berufsoberschulen, weil Erleichterungen wie der Wegfall von Prüfungen, die zuvor für Gymnasien verabschiedet wurden, für sie nicht gelten sollten. Auch in Erfurt haben mehre Abschlussklassen von Realschulen Entlastung gefordert und auf ihre teilweise desaströse Lage aufmerksam gemacht. (…) Gleichzeitigt kündigt sich zumindest in der Bundespolitik ein Wechsel in der Pandemiebeschulung an: Befeuert von der Perspektive, dass der Impffortschritt schon bald für einer Rückkehr zur »Normalität« sorgen könnte, geht es nun vermehrt darum, die entstandenen Lücken zu schließen. Der Titel des zweimilliardenschweren »Aufholpakets« macht dabei bereits klar, wohin die Reise gehen soll: Schüler*innen sollen die Rückstände, die während der Pandemie entstanden sind, wieder nacharbeiten. (…) Wenn in der Politik also die Rede davon ist, dass es jetzt auch mal um die jungen Menschen gehen müsse, sollten diese das nicht als Versprechen, sondern vor allem als Drohung verstehen, dass die eineinhalb Jahre »Ferien« nun zu Ende seien…” Artikel von David Pape vom 17. August 2021 aus ‘analyse & kritik’ (ak) 673 - „Die soziale Spaltung ist die offene Wunde unseres Bildungssystems“
„Von wegen Chancengleichheit: Kinder, die zu Hause keinen Computer und keine Rückzugsräume haben, sind von Schulschließungen besonders hart betroffen. Sie können dauerhaft den Anschluss verlieren – mit fatalen Folgen. „Die Kultusminister sollten endlich – gut ein Jahr nach dem Ausbruch der Corona-Pandemie – ein Konzept für jene Schülerinnen und Schüler entwickeln, die im Distanzlernen nicht oder kaum erreicht werden“, fordert DGB-Vize Elke Hannack. (…) Die Kultusminister müssen dringend ein Programm für mehr Chancengleichheit auflegen. Dazu gehören mehr Investitionen in Schulgebäude, mehr und besser ausgebildete Fachkräfte in Schulen und Kitas, gute Ganztagsschulen, besserer digitaler Unterricht und eine bundesweite Finanzierung der Schulen nach einem Schulsozialindex. Dabei bekommen Schulen in schwierigen sozialen Lagen mehr Gelder. In Schulen mit großen sozialen Herausforderungen können so die Klassen verkleinert und sozialpädagogische Ressourcen für die Förderbedarfe von Schülerinnen und Schülern mit Lern- und Entwicklungsproblemen erhöht werden. Es ist höchste Zeit, dass sich die Kultusminister ehrlich machen: Ein kompletter Präsenzunterricht ist auf absehbare Zeit nicht zu verantworten. Die hohen Infektionszahlen und die neuen Virusmutationen lassen es nicht zu, 30 Kinder in schlecht belüfteten Klassenräumen zu unterrichten. Die allermeisten Schulen können nicht die räumlichen und hygienischen Bedingungen dafür bieten. Die von den Kultusministern mantraartig vorgetragene Theorie, dass Schulen in der Corona-Pandemie sicher seien, gilt in der Wissenschaft längst als überholt. Es ist deshalb keine Schande, wenn die Kultusminister endlich dem aktuellen Stand wissenschaftlicher Erkenntnisse folgen. Wenn erste Präsenzangebote wieder möglich sein sollten, brauchen wir einen klaren Schwerpunkt: Die Kultusminister sollten endlich – gut ein Jahr nach dem Ausbruch der Corona-Pandemie – ein Konzept für jene Schülerinnen und Schüler entwickeln, die im Distanzlernen nicht oder kaum erreicht werden. Gerade Kinder und Jugendliche, die zu Hause keine Computer und Rückzugsräume haben, brauchen Angebote zur Unterstützung und Förderung – und zwar unabhängig von der Klassenstufe oder davon, ob eine Prüfung ansteht. Sonst droht die soziale Kluft an den Schulen immer tiefer zu werden…“ DGB-Forderungen vom 14. Januar 2021 - »Wir werden nur als Schüler gesehen« – Die Homeschooling-Zeit verstärkte soziale Ungleichheiten und dem Bildungswesen immanente Verwertungslogiken
„… Schon während der Diskussionen darum, wie mit Schule und den Schüler*innen unter der Pandemie umzugehen sei, fühlten sich viele Jugendliche übergangen. Zu diesem Ergebnis kommt etwa eine Studie der Universität Hildesheim, für die über 5.000 Jugendliche befragt wurden. Was sich in der Studie abzeichnet, fasst ein Jugendlicher exemplarisch zusammen: »Wir Jugendlichen werden doch nur als Schüler gesehen. Wir sollen lernen und lernen und lernen. Warum wird darüber diskutiert, die Sommerferien zu kürzen. Politiker denken wie Kapitalisten.« (…) Auf die Mehrfachbelastung durch Schulaufgaben und Familienleben, die dies gerade für ältere Schüler*innen bedeuten kann, macht Lou, Schülerin vom Immanuel-Kant-Gymnasium in Hamburg-Harburg aufmerksam. »Wenn ich eh Zuhause bin, kann ich noch mal ne Stunde auf meine kleine Schwester aufpassen.« Es sei bei der Ausgestaltung des Homeschooling insgesamt wenig um die unterschiedlichen Voraussetzungen der Schüler*innen gegangen. So mussten »Freunde, die keinen Laptop hatten, über Handys die Aufgaben bearbeiten, während die Lernplattformen nicht für die mobile Ansicht geeignet waren. Diese unterschiedlichen Voraussetzungen wurden in der Notengebung nicht berücksichtigt.« Überhaupt sei sehr viel benotet worden, betont die 17-Jährige: »Es wurde viel mehr benotet als sonst. Sonst kann man sich auch immer mündlich beteiligen, aber wenn man was während Corona nicht abgeben konnte, gab es direkt null Punkte.« (…) Während die Pandemie die sozialen Ungleichheiten im Bildungswesen und insgesamt im Leben von Kindern und Jugendlichen verschärft, legt die Krise auch eine entscheidende Funktion der Schule in Bezug auf Eltern offen: Die Schule ist nicht nur Selektions- und Ausbildungsort, sondern ganz zentral auch eine Verwahranstalt für junge Menschen, die noch nicht als Arbeitskräfte eingesetzt werden können. Der ökonomische Druck, die Schulen wieder zu öffnen, ist gewaltig; auf eine Doppelbelastung der Eltern als Arbeitskräfte und Vollzeit-Erziehungspersonen ist der moderne Kapitalismus nicht ausgelegt. In der Krise wird gesellschaftlich sichtbar, was sonst nur für Schüler*innen spürbar ist: Dass ein guter Teil ihrer Zeit in der Schule der reinen Verwahrung dient. (…) Sowohl das Beharren auf Prüfungen unter extrem ungleichen Bedingungen als auch die staatliche Gewalt gegen Jugendliche zeigen, dass es anscheinend erst mal kein Interesse an einem guten Aufwachsen von Kindern und Jugendlichen gibt, sondern man sie tatsächlich nur als Schüler*innen und zu verwahrende zukünftige Arbeitskräfte sieht. Die Interessen von proletarischen Schüler*innen werden solange nicht berücksichtigt werden, ehe diese nicht selbst anfangen, sich dafür zu organisieren.“ Artikel von David Pape und Karl Müller-Bahlke vom 17. August 2020 aus ak662 - Jetzt Bildungsteilhabe von Geflüchteten sichern!
„… Geflüchtete Kinder und Jugendliche seien von den Beschränkungen während der Coronakrise besonders hart getroffen worden, erklärten der Bundesfachverband unbegleitete minderjährige Flüchtlinge (BumF) e.V, die Gewerkschaft Erziehung und Wissenschaft (GEW), die Landesflüchtlingsräte und PRO ASYL am Freitag in Berlin. Mit Blick auf die schrittweise Wiederaufnahme des Regelunterrichts an Schulen fordern die Organisationen von den Landesregierungen sofortige Maßnahmen zur Unterstützung von geflüchteten Schüler*innen, um ihre Bildungsteilhabe zu gewährleisten. Sie warnten davor, dass sich die ohnehin bestehenden Bildungsungerechtigkeiten im Zuge der Corona-Pandemie verschärften. Strukturellen Benachteiligungen müsse dringend entgegenwirkt werden. Den Kindern und Jugendlichen in Sammelunterkünften fehlten wesentliche Grundvoraussetzungen, um am digitalen Fernunterricht teilzunehmen und es gäbe keine verlässlichen Unterstützungsstrukturen, sagte GEW-Vorsitzende Marlis Tepe. (…) Vor diesem Hintergrund mahnten Landesflüchtlingsräte, PRO ASYL, BumF e.V. und GEW die verantwortlichen Akteure in den Ländern, schnell zu handeln. Es gelte, sowohl die digitale Infrastruktur in den Unterkünften auszubauen als auch geeignete Lernräume sowie multiprofessionelle Unterstützungsangebote zur Verbesserung der Bildungsteilhabe zu schaffen. „Bildung darf nicht warten“ erinnerte GEW-Vorsitzende Tepe in diesem Zusammenhang. Es dürfe keine weitere Zeit verloren werden, um geflüchteten Schüler*innen den Anschluss im neuen Schuljahr zu ermöglichen. Daher müssten in den Sommerferien nicht nur eine adäquate technische Ausstattung zur Verfügung gestellt und Vorkehrungen für einen eventuellen erneuten Lockdown getroffen werden. Ebenso wichtig seien zusätzliche, außerschulische Förder- und Lernangebote, welche das digitale Lernen in Willkommens- oder Vorbereitungsklassen sowie den Übergang in Regelklassen erleichtern.“ Forderungen der Landesflüchtlingsräte, des Bundesfachverbands unbegleitete minderjährige Flüchtlinge e.V., PRO ASYL und GEW vom 10. Juli 2020 - Chancengleichheit à la BRD: Fehlender Zugang zu digitalem Lernen: Arbeitsministerium findet, dass Computer problemlos aus dem Hartz-IV-Satz angespart werden können
„Fast zwei Monate Homeschooling haben für viele Schüler verheerende Folgen. Denn armen Familien fehlen die Mittel für ausreichenden Zugang zu digitalem Lernen. Einem neuen Gesetz zufolge können sie sich zwar nun an die Schule wenden, die ihnen aus Bundesmitteln einen Zuschuss von 150 Euro pro Kind gewähren muss. Für alle notwendigen Mittel, wie Computer und Internetzugang, reicht das aber nicht. Thomas Wasilewski, erwerbsunfähiger Vater dreier schulpflichtiger Kinder aus Nordrhein-Westfalen, hatte sich mit der Bitte um Hilfe an die zuständigen Ministerien auf Landes- und Bundesebene gewandt. Im Haus von Bundesarbeitsminister Hubertus Heil (SPD) versteht man das Problem nicht. Hartz-IV-Bezieher müssten die Kosten eben aus ihrem Regelsatz ansparen, teilte dieses ihm jetzt mit. Wasilewski hält es, wie er den Ressorts am 14. April geschrieben hatte, »für unglaublich und beunruhigend, dass es kaum Aufsehen erregt, wenn Kindern aus armen Familien das digitale Homeschooling verwehrt wird«. Er kritisierte »eine Kultur der Gleichgültigkeit«, die das Solidaritätsprinzip für obsolet erklärt habe. Er betonte, dass es vielen Kindern und ihren Familien ähnlich gehe. Alleine an seinem Wohnort Mönchengladbach sei fast ein Drittel aller Kinder von Hartz IV betroffen. Auch in ihrem Sinne habe er beim Jobcenter die Übernahme der Kosten für nötige Hard- und Software beantragt. Doch dieses lehnte das Ansinnen ab. Mit einem Eilantrag scheiterte Wasilewski auch vor dem Sozialgericht Düsseldorf. Er habe nicht hinreichend bewiesen, dass ein digitaler Zugang zwingend erforderlich sei. (…) Der Erwerbslosenverein Tacheles hatte bereits vor einigen Wochen eine Kampagne unter dem Motto »Schulcomputer sofort« gestartet. Dieser haben sich lokale Organisationen wie der Kölner Flüchtlingsrat und die Ratsfraktion der Partei Die Linke aus Wuppertal sowie 13 Sozialrechtsanwälte angeschlossen.“ Artikel von Susan Bonath in der jungen Welt vom 11. Mai 2020 - 150 Euro für die Anschaffung digitaler Endgeräte für SchülerInnen aus ärmeren Haushalten – GEW: „Richtige Schritte – Tücke im Detail“ / Die 150 Euro für digitale Teilhabe sind grotesk / »Dafür gibt es kein Notebook oder Tablet«
- GEW: „Richtige Schritte – Tücke im Detail“
„Die Gewerkschaft Erziehung und Wissenschaft (GEW) begrüßt grundsätzlich, dass Schülerinnen und Schüler aus ärmeren Familien einen Zuschuss für die Anschaffung digitaler Endgeräte bekommen sollen. „Das ist ein richtiger Schritt: Die Tücke liegt jedoch im Detail“, sagte GEW-Vorsitzende Marlis Tepe am Donnerstag in Frankfurt a.M. „Für arme Eltern reicht die Hilfe von rund 150 Euro nicht aus. Wer Sozialhilfe bekommt, kann den Eigenanteil beim Kauf der Tablets oder PCs nicht stemmen – vor allem wenn in den Familien mehrere Schulkinder leben.“ Für diese Haushalte müsse es zusätzliche Unterstützung geben. Tepe schlug vor, das Geld vor Ort nach Sozialindex zu verteilen. Die Kommune als Schulträger müsse gemeinsam mit den Schulen entscheiden und Vorschläge für geeignete Endgeräte entwickeln. „Die soziale Schere darf durch den Fernunterricht nicht noch weiter auseinandergehen“, mahnte die GEW-Vorsitzende. Sie machte darauf aufmerksam, dass es zurzeit nicht genügend Endgeräte auf dem Markt gebe. Zudem könnten viele Schülerinnen und Schüler, aber auch deren Eltern die Geräte nicht für den schulischen Gebrauch einrichten. Die meisten Schulen seien jedoch mit zu wenigen IT-Fachkräften ausgestattet, die diese Arbeiten schnell ausführen könnten. „Auch in dieser Frage zeigen sich erneut die Versäumnisse der Vergangenheit, die Schulen auf die Arbeit mit digitalen Mitteln gut vorzubereiten“, betonte Tepe…“ PM vom 23.04.2020 zu den Beschlüssen des Koalitionsausschusses , siehe weitere Stellungnahmen: - 150 Euro für Digitalausstattung von Schülern laut Sozialverband zu wenig. VdK-Sprecherin Bentele: »Dafür gibt es kein Notebook oder Tablet«
„Der Sozialverband VdK kritisiert den angekündigten Zuschuss von 150 Euro für die Digitalausstattung bedürftiger Schüler als zu gering. »Dafür gibt es kein Notebook oder Tablet«, sagte Verbandspräsidentin Verena Bentele der Düsseldorfer »Rheinischen Post« (Freitag). Der Staat müsse sicherstellen, dass alle bedürftigen Kinder am Digitalunterricht teilnehmen könnten. »Es wäre sinnvoller, bedürftigen Kindern gleich ein digitales Endgerät leihweise zur Verfügung zu stellen, statt einen Zuschuss, der hinten und vorne nicht reicht«, sagte Bentele…“ Agenturmeldung vom 24.04.2020 in ND online - Corona-Hilfe: Die 150 Euro für digitale Teilhabe sind grotesk
„Die Koalition hilft bedürftigen Kindern per Einmalzahlung, digital beim Unterricht mitzumachen. Hier zeigt sich alles, was im Umgang mit armen Familien falsch läuft. 150 Euro. Das ist für manche Leute ein Abendessen, für manche ein Urlaubswochenende im Ferienhaus, für andere das Budget für einen verkaufsoffenen Sonntag. Und für manche sind 150 Euro die exakt einzige und einmalige Zahlung, die der Staat ihnen als sogenannte Hilfe in der Corona-Krise anbietet. 150 Euro, das hat der Koalitionsausschuss aus SPD und CDU/CSU Mittwochnacht beschlossen, sollen arme Kinder jetzt von ihren Schulen bekommen, um sich ein digitales Endgerät kaufen zu können, das es ihnen möglich macht, zu Hause für die Schule zu lernen. Es ist wirklich ein Glück, dass es diese 150 Euro jetzt gibt. Denn diese 150 Euro sind wie ein Vergrößerungsglas, unter dem sich ganz genau erkennen lässt, was an der Fürsorge für arme Kinder in Deutschland noch nie funktioniert hat und jetzt weiterhin nicht funktioniert. Diese 150 Euro sind so grotesk, dass es fast schon wieder lustig ist. Weil es einen doch erstaunt: wie sehr sich ein Koalitionsausschuss von den tatsächlichen Bedürfnissen tatsächlicher Menschen entfernen kann. Jedes fünfte Kind in Deutschland ist arm. (…) Im Lockdown ist die Familie nun das einzige System, das weiterhin da ist. Das, woran sich nun viele halten. Arme Kinder hingegen bekommen die 150 Euro ausgerechnet über ihre geschlossenen Schulen ausgezahlt. Das sagt alles über das Verhältnis des Staates zu den Eltern der armen Kinder. Man vertraut diesen Eltern nicht. Man traut ihnen nicht zu, das Beste für ihre eigenen Kinder zu wollen. Es wäre natürlich möglich, den Familien 150 Euro pro Kind zu überweisen – damit sie Dinge kaufen können, die ihnen gerade wichtig sind, um diese Zeit zu überleben. Stattdessen aber lässt man ihre Kinder den demütigenden Gang zum Klassenlehrer machen, um nach läppischen 150 Euro zu fragen. Wahrscheinlich müssen die Kinder später noch den Kassenbon einreichen, um zu beweisen, dass sich ihre Eltern mit dem Geld auch bloß keinen Alkohol gekauft haben. Die 150 Euro zementieren einen Blick auf die Armen, der ihnen kein eigenes, erfülltes Leben zugesteht. Stattdessen werden sie verwaltet: Die Eltern durch die Arbeitsagentur, die Kinder durch die Schulen…“ Kommentar von Anna Mayr vom 23. April 2020 in der Zeit online - Sozialpolitik in der BRD: Die Ärmsten vergessen
„Neues Hilfspaket für Kurzarbeiter, Firmen, Schüler und die Gastronomie: Linkspartei und Sozialverband warnen vor weiterer sozialer Spaltung…“ Artikel von Susan Bonath in der jungen Welt vom 24.04.2020
- GEW: „Richtige Schritte – Tücke im Detail“
- Siehe zum Hintergrund im LabourNet Germany die Dossiers: