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Das Monster vor der Tür: Der Corona-Kapitalismus
Polizeiaufgebote wie sonst höchstens bei irgendwelchen Gipfeltreffen der herrschenden Klasse, geschlossenen Grenzen wie sonst bei Orban, Trump und Konsorten sowie Hausarrest, von Spaniens Sozialdemokraten verhängt. Die Art und Weise, wie die bürgerliche Politik auf das Virus reagiert ist mehr als eindeutig: Gehorcht, tut nichts – außer, natürlich, malochen. Worauf wiederum die Gewerkschaftsbewegung ausgesprochen unterschiedlich reagiert – soziale Bewegungen auch. Die einen legen ihr Hauptaugenmerk – auf die Wirtschaft, ihr Funktionieren und tun, was sie am liebsten tun: Ihre Existenz qua Zusammenarbeit mit Unternehmen und Regierung rechtfertigen. Die anderen sehen es absolut nicht ein, dass bei der Kapitalverwertung die große Ausnahme im Notstandsregime gemacht werden soll und fordern Unternehmensschließungen – oder betreiben sie gleich selbst. Fordern mehr Sicherheit – und organisieren sie selbst. Kein ganzer Zufall, dass dabei immer wieder (im Auland) bundesdeutsche Unternehmen bestreikt werden, wie zuerst ThyssenKrupp in Italien und jetzt VW im spanischen Navarra – die scheinen besonders gewohnt daran zu sein, Sonderrechte zu haben. In einem Europa, das aktuell ein Zentrum der Virus-Auswirkungen ist, kommt es auch darauf an, festzuhalten, wer sich an den getroffenen Maßnahmen „erfreut“. Unsere umfangreiche (wenn auch bei Weitem nicht vollständige) und kommentierte Materialsammlung „Das Monster vor der Tür: Der Corona-Kapitalismus“ vom 16. März 2020 soll ein Beitrag dazu sein, sich zu orientieren „was jetzt richtig ist“ – und sich nicht dem Notstandsdiktat aus Hilflosigkeit zu ergeben:
„Das Monster vor der Tür: Der Corona-Kapitalismus“
(16. März 2020)
Diese Materialsammlung besteht aus verschiedenen Teilen: Sie umfasst sowohl erste kritische Beiträge zur aktuellen Entwicklung eines Notstandsregimes quer durch die Welt, einige der konkreten politischen Maßnahmen die dabei getroffen wurden samt ihrer Vorgeschichte, als auch die gewerkschaftlichen Reaktionen darauf – und die Debatten, die innerhalb und um die Gewerkschaften dabei entstehen oder wieder aufkommen. Und verschiedene Beiträge zu beeinflussten Arbeits- und Lebensbedingungen sowie zum aufkeimenden Widerstand, wie etwa die Streiks gegen zwangsweise verordnete Arbeit oder Versuche solidarischer Selbstorganisation.
Beiträge zu einer kritischen Haltung zu den Bedingungen „rund um das Virus“ – und der staatlichen Reaktion darauf
Die Beiträge in diesem Teil befassen sich vor allen Dingen mit der Kritik an Notstandsregimes, wie sie aktuell entfaltet werden und deren Vorgeschichte und Voraussetzungen gesellschaftlicher Art
„Die kapitalistische Globalisierung lässt sich biologisch nicht aufrechterhalten“ von Mike Davies am 14. März 2020 bei Wildcat ist die deutsche Übersetzung eines zwei Tage zuvor erschienen Beitrags, der sich zwar vor allem mit den konkreten Verhältnissen in den USA befasst, die aber eben nicht so besonders einmalig sind, dass sie sich nicht auch vergleichbar anderswo finden ließen. Darin hebt er unter anderem – nachdem er darauf verwiesen hat, dass bei großen Epidemien immer die Menschen in Armutsregionen besonders betroffen sind – hervor: „Unter der Grippewelle 2018 z.B. brachen in den ganzen USA die Krankenhäuser zusammen. Damals wurde der schockierende Mangel an Krankenhäusern nach 20 Jahren profitgetriebener Kürzungen bei den stationären Aufnahmekapazitäten deutlich (die Just-in-time-Lagerhaltung im Gesundheitswesen). Die ebenfalls von der Marktlogik getriebenen Schließungen von Privat- und Stiftungskrankenhäusern und der Pflegekräftemangel hatten verheerende Auswirkungen auf das Gesundheitswesen in ärmeren und ländlichen Gegenden. Die Last wurde auf unterfinanzierte öffentliche Krankenhäuser und Versorgungseinrichtungen für Armeeveteranen abgewälzt. Die Notaufnahmen dieser Einrichtungen sind jetzt schon überfordert mit saisonalen Infektionen. Wie sollen sie mit der bevorstehenden Überlastung durch lebensbedrohliche Fälle fertig werden? (…) Die Altenpflegebranche, die in den USA 2,5 Millionen alte Menschen verwahrt – die meisten davon Leistungsempfänger von Medicare –, ist schon lange ein nationaler Skandal. Laut New York Times sterben jedes Jahr 380 000 Heiminsassen, weil die Heime einfache Infektionen nicht richtig behandeln. Viele Heime – besonders in den Südstaaten – halten es für billiger, Strafen für Versäumnisse in der Pflege zu zahlen, als zusätzliches Personal einzustellen und ausreichend zu schulen. Seattle, wo Pflegeheime Zentren des Ausbruches sind, zeigt, dass Dutzende oder vielleicht Hunderte von Pflegeheimen Corona-Virus-Hotspots werden könnten, deren für einen Mindestlohn schuftende Beschäftigte die rationale Entscheidung fällen werden, zu Hause zu bleiben, um ihre eigenen Familien zu schützen. In diesem Fall könnte das System zusammenbrechen, und wir sollten nicht erwarten, dass die Nationalgarde die Bettpfannen leert. Die Epidemie hat sofort die krasse Klassenspaltung im Gesundheitswesen offengelegt: Diejenigen mit einer guten Krankenversicherung, die auch von zu Hause arbeiten oder lehren können, sind bequem isoliert, so lange sie die Vorsichtsmaßnahmen befolgen. Beschäftigte im öffentlichen Dienst oder andere Gruppen von gewerkschaftlich organisierten ArbeiterInnen mit anständiger Krankenversicherung werden vor schwierige Entscheidungen zwischen Lohn und Schutz gestellt werden. Gleichzeitig werden Millionen von ArbeiterInnen in Niedriglohn-Dienstleistungen und Landwirtschaft, KontingentarbeiterInnen ohne Krankenversicherung, Arbeitslose und Obdachlose den Wölfen vorgeworfen. Selbst wenn Washington doch noch das Testfiasko in den Griff bekommt und genügend Testsets zur Verfügung stellt, werden die nicht Versicherten immer noch für die Tests bezahlen müssen. Die Arztrechnungen werden steigen, und gleichzeitig verlieren Millionen von ArbeiterInnen ihren Job und ihre daran gebundene Krankenversicherung. Kann es ein stärkeres, dringenderes Argument für Medicare für Alle geben? Aber eine allgemeine Krankenversicherung wäre nur ein erster Schritt. Es ist gelinde gesagt enttäuschend, dass weder Sanders noch Warren in den Vorwahl-Debatten die Tatsache thematisiert haben, dass die großen Pharmaunternehmen die Erforschung und Entwicklung von neuen Antibiotika und Virostatika an den Nagel gehängt haben. Von den 18 größten Pharmafirmen haben 15 diesen Bereich völlig aufgegeben…“
„Coronavirus et état d’exception“ von Giorgio Agamben am 26. Februar 2020 bei acta.zone ist ein Beitrag, der von der Feststellung des italienischen Consiglio Nazionale delle Ricerche ausgeht, es gebe keine solche Epidemie in Italien – und darauf aufbauend eine knappe Argumentation entwickelt, die kritisiert, dass der Ausnahmezustand mit unterschiedlichsten Begründungen und Anlässen, immer mehr zum normalen Regierungsparadigma werde. Die umfassende und eindeutige Militarisierung der Gesellschaft durch die umgehend erlassenen Sonderbestimmungen werde mit ausgesprochen vagen Formulierungen begründet und lasse somit die Option auf weitere Verschärfungen offen.
„Das Coronavirus und der Ausnahmezustand“ am 15. März 2020 bei non.copyriot ist die deutsche Übersetzung (von Sebastian Lotzer) eines Beitrags von Tiqqun von wenigen Tagen zuvor (dessen englische Fassung Grundlage der Übersetzung war). Darin wird zur Reaktion des Konkurrenzsubjekts auf die Entwicklung fest gehalten: „… Der andere, nicht weniger beunruhigende Faktor ist der Zustand der Angst, der sich in den letzten Jahren offensichtlich in den Köpfen der einzelnen Individuen ausgebreitet hat und der sich in ein reales Bedürfnis nach kollektiven Panikzuständen übersetzt, für die die Epidemie wieder den idealen Vorwand bietet. So wird in einem Teufelskreis die von den Regierungen auferlegte Beschränkung der Freiheit im Namen des Wunsches nach Sicherheit akzeptiert, der von eben diesen Regierungen, die jetzt eingreifen, um ihn zu befriedigen, hervorgerufen wurde. Dieses “wirkliche Bedürfnis nach kollektiven Panikzuständen” ist der Kern des Hobbes’schen Gesellschaftsvertrags. Um vom Naturzustand (der durch den Krieg aller gegen alle charakterisiert ist) zur Zivilgesellschaft (die durch die Abwendung des Krieges aller gegen alle charakterisiert ist) zu gelangen, geht es darum, dank der Vernunft einen Vertrag zu akzeptieren, in dem alle “gewinnen” würden, da die Bürger, indem sie sich ihm unterwerfen, Sicherheit und Freiheit finden würden, indem sie vom Mythos des Naturzustandes zur Künstlichkeit der Zivilgesellschaft übergehen. Die Ersetzung einer Fiktion durch eine andere, aber diese Erzählungen haben offensichtlich reale Auswirkungen. Um die Stabilität des Staates zu gewährleisten, muss der Fürst Angst erzeugen und aufrechterhalten und gleichzeitig den Schutz seiner Bürger gewährleisten. Mit anderen Worten, es wird garantiert, dass diese nicht gewaltsam sterben (paradigmatischer Tod im Naturzustand nach Hobbes). Es ist daher kein Zufall, dass Hobbes einer der ersten war, der den Körper als Metapher für den Staat betrachtete, und er ist heute (nicht umsonst) der meiststudierte Philosoph der Universitäten für Politikwissenschaften von Paris bis Melbourne. Von der politischen Körperlichkeit bis zum Körper eines jeden Menschen verkauft uns Newspeak die Idee, dass man sich um uns kümmert, während es zumindest seit den Arbeiten von Canguilhem und Foucault offensichtlich ist, dass der Körper das Ziel par excellence der souveränen Macht ist...“
„Mundschutz und Maulkorb – Vom Doppelcharakter der Prävention“ von Götz Eisenberg am 30. Januar 2020 bei Hinter den Schlagzeilen hatte zu der Zeit noch vor allem die VR China als Gegenstand der Analyse, die unter anderem folgendes enthielt: „… Ebola und das Corona-Virus könnten zu unserer Pest werden, zur Pest des globalen Zeitalters. An den Gegenmaßnahmen ist mir die Parallele aufgefallen: das Territorium, auf dem die Krankheit aufgetreten ist, abschließen, die Menschen gegeneinander isolieren, ihre Vermischungen aufdecken und unterbinden, die Kranken und die Noch-nicht-Kranken einer umfassenden Kontrolle unterwerfen. Foucault hat in seinem Buch Überwachen und Strafen gezeigt, wie sich in der frühen Neuzeit im Kampf gegen die Pest die Disziplinierungsmodelle der Ordnung des Raums und die Techniken der Überwachung herausbilden, die dann für die Disziplinargesellschaft typisch werden und sich verallgemeinern. (…) All diese von Foucault beschriebenen Praktiken im Umgang mit der Pest finden wir nun aktuell in den Reaktionen auf das neuartige Corona-Virus wieder. In China hat man zunächst einmal 18 Städte mit zusammen 56 Millionen Einwohnern abgeriegelt und von der Außenwelt abgeschnitten. Menschen werden unter Quarantäne gestellt, einen Mundschutz zu tragen wird zur Pflicht erklärt, Straßen werden gesperrt, Autos werden an Straßensperren angehalten, ihre Insassen einer Kontrolle unterzogen. Zugverkehr und Flüge werden eingestellt. Man möchte erreichen, dass die Menschen bleiben, wo sie „wohnhaft“ sind. Das Wort wohnhaft bekommt einen eigenartigen Doppelsinn. Die Leute sollen sich zu Hause einriegeln. Fernsehbilder zeigen lauter total vermummte Marsmenschen in weißen Schutzanzügen, die den Kampf gegen das Virus aufnehmen. Riesige Spezialkliniken mit Tausenden von Betten sollen innerhalb von wenigen Tagen aus dem Boden gestampft werden. Peking, Hongkong und Schanghai haben den Gesundheitsnotstand ausgerufen. Im gesamten öffentlichen Verkehr werden Fieber-Messstationen eingerichtet. Das alles geschieht zum Schutz der Bevölkerung, all diese Maßnahmen dienen der Krankheits-Prävention. Was aber geschieht noch? Man übt Praktiken der präventiven Konterrevolution. Der Virus, um den es letztlich und eigentlich geht, ist der Virus des Aufstands, den die Macht fürchtet wie die Pest. Die chinesische Staatsführung fürchtet die Ausbreitung des Honkong-Virus, von dem viele Einwohner dieser Stadt seit Längerem befallen sind. Im ganzen Land scheinen sich Unzufriedenheit und Unruhe auszubreiten. Eine prosperierende Wirtschaft lässt die fortdauernde Unterdrückung und sklavenartige Existenz von Arbeitermassen nicht mehr gerechtfertigt erscheinen, der geradezu obszöne Reichtum Einzelner und korrupter Cliquen lässt viele Chinesinnen und Chinesen am kommunistischen Charakter der Gesellschaft zweifeln...“
„»Dalli all‘untore!« – »Packt den Giftsalber!«“ im März 2020 beim Blog der Interventionistischen Linken ist die Übersetzung (von Alex, IL Düsseldorf) eines Beitrags des Kollektivs Laboratorio Occupato Morion aus Venedig (also einer der ersten Notstandszonen Italiens), worin es heißt: „… Das Coronavirus produziert aus sozialer Sicht zwei scheinbar gegensätzliche,vergiftete Früchte. Die erste Frucht ist die weithin gefürchtete Psychose, die zweite (aus anthropologischer Sicht besorgniserregendere) ist eine allgemein um sich greifende Selbstdisziplinierung innerhalb einer bereits stark atomisierten und individualisierten Gesellschaft. Es gibt heute eine subtile Grenze zwischen der Aufforderung, Verantwortungsbewusstsein für die kollektive Gesundheit zu zeigen, und der freiwilligen Reduktion jede*r Einzelnen von uns auf eine* individualisierte* Verteidiger*in (auch unbewusst) von Staatsräson und nationaler Einigkeit. Tatsächlich erleben wir eine entmutigende Überlappung dieser spannungsreichen Pole und der beste Ort dies zu beobachten sind die sozialen Medien. Man könnte sagen, dass es in Wirklichkeit keinen Gegensatz gibt zwischen den Paradigmen der Biomacht und des Ausnahmezustands. Aus einer politischen Perspektive betrachtet können wir nicht übersehen, wie die Aufforderung, die kollektive Verantwortung für die Verlangsamung der Infektionsrate durch Isolation zu übernehmen, tatsächlich als selbstdisziplinierende Biomacht fungiert, in perfekter Harmonie mit dem Ausnahmezustand, der uns vor ein paar Tagen im Stil einer italienischen Farce auferlegt wurde. Es ist jedoch eine Farce, die uns ein Stück weit weniger frei zurücklässt als zuvor. Während zu Zeiten der Schandsäule, der Pest noch mit organisierten religiösen Prozessionen zum Zweck der Erlösung begegnet wurde, wissen wir heute, dass öffentliche Versammlungen gefährlich sind. Eine Sache hat sich jedoch nicht geändert, die hässliche Gewohnheit der Multitude auf die Giftsalber zu zeigen. Im 17. Jahrhundert übernahm mit Unterstützung der Herrschenden die Gemeinschaft der Prozessionsteilnehmer*innen diese Aufgabe, heute wird sie auf die digitale Sphäre übertragen. Und die digitale Community ist ein nicht so bedeutungsleerer Ausdruck, wie wir manchmal geneigt sind anzunehmen. Also auf geht‘s! “Packt den Giftsalber!“ Packt diejenigen, die sich treffen, die diskutieren, die sich zusammen mit anderen nicht paralysieren lassen vom Terror. In dieser Erzählung wird der voraussichtliche Zusammenbruch des öffentlichen Gesundheitssystems in Italien vollständig der Figur des Deserteurs zugeschrieben. In Zeiten, in denen sich die institutionelle Sprache militarisiert, ist der Verräter nicht derjenige, der die Bevölkerung entwaffnet, die Luft jahrzehntelang verschmutzt, die öffentliche Gesundheit geschwächt hat, sondern derjenige, der die politischen Tatsachen hinter dem medizinischen Dispositiv beleuchtet, und der versucht andere Formen gemeinschaftlichen Lebens inmitten der Krise zu finden…“
Die im konkreten etwas verschiedenen Maßnahmen der Regierungen verschiedener Länder zur Einsetzung des Notstandsregimes und ihr Hintergrund
Wozu auch – einleitend – ein paar besonders krasse Fälle der Kategorie „durchsichtig“ gehören und ebenfalls einige wenige Verweise auf die ökonomischen Verursacher und auch Profiteure aktueller Knappheit
„Haiti’s borders closed & protests banned due 2 CORONAVIRUS“ am 15. März 2020 beim Haiti Info Project (Twitter) berichtet von der vielleicht durchsichtigsten Maßnahme, die eine Regierung unter dem Vorwand des Virus getroffen hat: Der Präsident Haitis (der noch 3 Wähler hat: Die USA, die EU und jene Bande, die von der Korruption profitiert) lässt die Grenzen schließen und – Demonstrationen verbieten… ein Virus, der das (politische) Überleben retten soll…
„Corona-Krise: Libanon schließt seine Grenze zu Syrien“ am 14. März 2020 bei der ANF meldet eine weitere Maßnahme in der Qualität wie auf Haiti: „… Der Libanon macht Aufgrund der Ausbreitung des Coronavirus seine Grenzen zu Syrien dicht. Die Grenzschließung beginnt kommenden Montag und ist Teil eines Maßnahmenpakets, das die libanesische Regierung am Freitag nach einer Krisensitzung mit Vertreter*innen internationaler Hilfsorganisationen beschlossen hat. Für Staatsbürger*innen, die sich im Ausland aufhalten, soll es jedoch möglich sein, in das Land zurückzukehren. Im Libanon gibt es nach Angaben des Roten Kreuzes offiziell bislang drei bestätigte Todesfälle und 77 Coronavirus-Infektionen. Das Land pflegt enge Kontakte zum Iran, der von dem Sars-CoV-2 genannten Virus stark betroffen ist…“ – mit umwerfender Logik: Wegen Iran – Syrien…und (vielleicht) ein Problem weniger, da sich die Ausbeutung der Flüchtlinge in der eigenen Krise nicht mehr so richtig lohnt…
„Turkish police capture and detain two journalists who dared report on coronavirus“ am 14. März 2020 bei Sendika.org berichtet, dass die türkische Regierung eine uralte Politik gegen Überbringer von Nachrichten fortsetzt: Es gibt keinen Virus hier. Und wer darüber berichtet, ist vermutlich Terrorist – und wird eben festgenommen, wie es laut dieser Meldung zwei Journalisten aus Antalya passiert ist.
„Als vereintes Europa gegen Corona“ von Anja Krüger am 15. März 2020 in der taz online kommentiert die neuen innereuropäischen Grenzziehungen auf – unter anderem – dänisch-sozialdemokratische Initiative und weist immerhin darauf hin, wer sich darüber freuen mag: „… Viel wird auch davon abhängen, wie die Krise bewältigt wird. Doch dass die Rückkehr ins Nationale einmal rasch und rigide vollzogen wurde, wird bei GegnerInnen der europäischen Vereinigung Begehrlichkeiten wecken. Was einmal geht, geht immer wieder. Deshalb müssen die Regierungen in den EU-Staaten und die EU-Kommission jetzt Signale gegen nationale Egoismen senden. Das ist so wichtig wie nie zuvor in der Geschichte der europäischen Gemeinschaft nach dem Zweiten Weltkrieg. Die deutsche Regierung ist mit ihrem Exportverbot von Corona-Schutzmitteln auch in die europäischen Nachbarstaaten genau gegensätzlich vorgegangen. So etwas darf sich nicht wiederholen. Gerade die Pandemie zeigt, wie wichtig ein vereintes Europa ist, in dem die gleichen Standards gelten und in dem Schutzmaßnahmen grenzüberschreitend und mit Blick auf die Auswirkungen in allen Ländern veranlasst werden…“
„Ganz Spanien im merkwürdigen „Alarmzustand““ von Ralf Streck am 15. März 2020 bei telepolis berichtet über die ersten Auswirkungen der Regierungsdekrete: „… Nun sollen viele Menschen in Spanien zuhause bleiben. So will es nun die spanische Regierung. Schon am Freitag gegen 15 Uhr hatte der Regierungschef Pedro Sánchez den „Alarmzustand“ angekündigt, allerdings brauchte seine Regierung noch einmal 30 Stunden, um ihn real zu verkünden und um konkrete Maßnahmen zu ergreifen. Erst am Samstag gegen 20 Uhr verkündete sie der spanische Regierungschef. Weitere 30 Stunden waren sinnlos verstrichen, fast acht Stunden war zwischenzeitlich im Kabinett über das Vorgehen gestritten worden. Und auch mit dem Alarmzustand wurde Madrid, das sich zu einem der größten Infektionsherde weltweit entwickelt hat, nicht abgeriegelt. Von den bisher gezählten 289 Toten findet sich mit 213 die überwiegende Mehrheit in der Hauptstadt. Dort ist auch etwa die Hälfte aller offiziell mit dem Covid-19 infizierten Personen (derzeit fast 7500) registriert worden. Doch statt am Freitag Madrid zu sperren, gab es lange Staus auf den Ausfallstraßen der Hauptstadt in Richtung Andalusien und Valencia, zahllose Menschen verließen fluchtartig die Hauptstadt. Allen mit „gutem Beispiel“ voran der ehemalige rechte Regierungschef José María Aznar und seine Ehefrau. Auch sie fuhren in ihr Ferienhaus in Marbella. Aber an den Küsten von Valencia, Murcia und Andalusien waren die Hauptstädter alles andere als willkommen. Zum Teil bauten dort Einwohner Barrikaden. Sie fürchten, dass darüber das Virus aus Madrid importiert wird, sie das Gesundheitssystem überlasten und Supermärkte leerkaufen. Die Madrider verstünden die Quarantäne offenbar als eine Art Urlaub, hieß es im Süden empört. Es war ein unverantwortliches Vorgehen der sozialdemokratischen Regierung zuzulassen, dass aus dem größten Infektionsherd im Land das Virus in alle Landesteile getragen werden kann. Telepolis hatte schon vor zwei Wochen festgestellt, dass das Virus im Land außer Kontrolle ist. Reagiert hatte die spanische Regierung in der gesamten Zeit nicht. Ihr Vorgehen bewegte sich auf einem ähnlichen Niveau wie das der rechten Regionalregierung Madrids...“
„Vorsicht Ausnahmezustand“ am 15. März 2020 beim Antiimperialistischen Lager zu den österreichischen Notstandsmaßnahmen der Kurz und Anhängsel: „… Sehr schnell ist es gegangen, dass auch in Österreich der Corona-Ausnahmezustand verhängt wurde. Denn zunächst dachte man, dass es wieder ein chinesisches oder asiatisches Problem sei. Doch dann kam die Sache mit der italienischen Krise bedrohlich nahe. Und die plakative Überforderung des lombardischen Gesundheitssystems scheint auch der Auslöser dafür gewesen zu sein, dass die österreichische Regierung zu so radikalen Maßnahmen griff. Für das erste scheint die Bevölkerung das zu akzeptieren und die Popularitätswerte von Schwarzgrün werden wahrscheinlich ansteigen. Die fast schon unter den türkisen Rädern befindlichen Grünen können jetzt vom Zusammenrücken und Solidarität reden – hinter Eliten, die drei Jahrzehnte neoliberalen Kahlschlag betrieben haben und die gesellschaftliche Solidarität zerstörten. Auch wenn Maßnahmen zur Verlangsamung der Ausbreitung von SARS II sicher notwendig sind, darf nicht vergessen werden, dass diese Eliten dafür verantwortlich sind, dass unser Gesundheitssystem ausgedünnt wurde. Mehr noch, es gibt keinen Anlass anzunehmen, dass sie nicht versuchen werden ihre neoliberale Agenda mittels der Notmaßnahmen fortzusetzen. Und dagegen ist Vorsicht und auch Widerstand geboten. Am Anfang zerrissen sich die Medien noch das Maul über China, wo die Bürokratie den Ausbruch zu vertuschen suchte und zumindest einer der warnenden Ärzte dann tragisch selbst an der Krankheit verstarb. Die Herrschaft der bei den Neoliberalen so verhassten, weil so erfolgreichen staatskapitalistischen Kommunisten sei bedroht. Doch dann warf Peking das Ruder herum, setzte dutzende Millionen unter radikale Quarantänemaßnahmen und lies die Bagger anrückten, die innerhalb weniger Tage Notspitäler aus dem Boden stampften. Es wurde stiller im westlichen Mainstream und man faselte, dass in der „offenen Gesellschaft“ solche Maßnahmen nicht möglich seien. Und China müsse das mit einer wirtschaftlichen Redimensionierung seiner Rolle in der Welt bezahlen. Als dann die Neuinfektionen tatsächlich zurückgingen, während in Europa die Panik ausbrach, erscheint das chinesische Modell sogar als Vorbild. Aber da ist das letzte Wort noch nicht gesprochen. Dabei muss man sagen, dass es auch andere Möglichkeiten gibt. Singapur und Taiwan schafften es mit rigorosen polizeistaatlichen Maßnahmen, die initiale Verbreitung zu unterbinden. Südkorea gelang dies nicht, aber durch die staatlich organisierte Testung und ein funktionsfähiges Gesundheitswesen konnte die Ausbreitungskurve gesenkt werden, ohne die zerrüttenden chinesischen Maßnahmen. Virusmutationen scheinen ein Naturphänomen zu sein, aber zum Problem werden sie durch mangelnde Vorbereitung der Gesellschaft. Und das hängt vor allem mit dem neoliberalen Kahlschlag in Europa und USA zusammen…“
„Mikrobiologischer Klassenkampf in China“ am 10. März 2020 bei Wildcat ist eine Übersetzung aus der China-Zeitschrift Chuang über das inzwischen nahezu exemplarische Vorgehen der chinesischen Regierung: „… Denn offenbar ist, dass die Leute trotz der Regierungsappelle zum Abstandhalten bald gezwungen sein werden, sich zu »versammeln«, um sich der Produktion zu widmen. Den letzten Schätzungen zufolge wird die Epidemie Chinas Wirtschaftswachstum auf fünf Prozent verlangsamen, unterhalb der bereits alarmierenden Wachstumsziffer von sechs Prozent im vergangenen Jahr, der niedrigsten in drei Jahrzehnten. Einige Analysten haben prognostiziert, das Wachstum im ersten Quartal könnte auf vier Prozent oder noch tiefer sinken, und es könnte hieraus eine weltweite Rezession entstehen. Eine bislang undenkbare Frage wurde gestellt: Was kommt eigentlich auf die Weltwirtschaft zu, wenn der chinesische Hochofen erkaltet? In China selbst ist der Verlauf dieser Ereignisse schwer vorauszusagen, doch hat der Augenblick bereits einen raren Prozess des gemeinschaftlichen Fragens und der Besinnung auf die Gesellschaft ausgelöst. Die Epidemie hat (nach den vorsichtigsten Schätzungen) nahezu 80 000 Menschen direkt infiziert. Doch 1,4 Milliarden hat sie einen Schock vermittelt, der ihren Alltag unter dem Kapitalismus grell beleuchtete und sie in einem Augenblick der Verunsicherung zur Selbstbesinnung zwang. Zeitgleich stellten sich Alle eine Reihe tiefgreifender Fragen: Was wird mit mir? Mit meinen Kindern, meiner Familie, meinen Freunden? Wird es für uns genug zu essen geben? Wird mein Einkommen gezahlt? Wird mein Geschäft sich rentieren? Wer trägt hier für alles die Verantwortung? Auf ungewohnte Weise entspricht die Einzelerfahrung der eines Massenstreiks – aber eines solchen, der in seiner nicht-spontanen, von oben verordneten und insbesondere unfreiwilligen Total-Atomisierung die Grundrätsel unserer strangulierten politischen Gegenwart ebenso klar hervortreten lässt, wie die Massenstreiks des letzten Jahrhunderts die Widersprüche ihrer Ära erhellten. Die »Quarantäne« erscheint somit wie ein Streik, der seiner gemeinschaftsbezogenen Charakteristika beraubt aber gleichwohl geeignet ist, sowohl der Psyche als auch der Volkswirtschaft einen tiefgreifenden Schock zu versetzen. Schon dieser Umstand allein macht sie bedenkenswert. (…) Gleichzeitig ist die Qualität der Produkte auf den einheimischen Märkten oft gefährlich schlecht. Seit Jahrzehnten produziert die chinesische Industrie hochwertige Exporte, die nach den höchsten globalen Standards für den Weltmarkt hergestellt werden. Dazu gehören beispielsweise fertige Geräte wie iPhones, aber auch Zulieferteile wie Computerchips. Die Waren jedoch, die für den Verbrauch auf dem heimischen Markt vorgesehen sind, sind von miserabler Qualität und rufen regelmäßig Skandale sowie tiefes öffentliches Misstrauen hervor. Die vielen Fälle sind ein deutliches Echo auf Sinclairs »Der Dschungel« und andere Geschichten aus dem Amerika des Vergoldeten Zeitalters12. Der größte Fall aus jüngster Zeit, der Melamin-Milch-Skandal von 2008, hinterließ ein Dutzend tote und Zehntausende kranker, in Krankenhäuser eingewiesene Kinder (obwohl möglicherweise Hunderttausende davon betroffen waren). Seitdem erschütterten eine Reihe von Skandalen die Öffentlichkeit: 2011, als in Restaurants im ganzen Land Abfall-Öl aus Fettabscheidern gefunden wurde, oder 2018, als fehlerhafte Impfstoffe mehrere Kinder töteten, und dann ein Jahr später, als Dutzende ins Krankenhaus eingeliefert wurden, weil gefälschte Impfstoffe gegen humane Papillomviren verabreicht worden waren. Weniger krasse Geschichten passieren noch viel häufiger und bilden eine vertraute Kulisse für jeden, der in China lebt: aus Kostengründen mit Seife verschnittene Tütensuppen; Unternehmer, die an mysteriösen Ursachen verendete Schweine in Nachbardörfer verkaufen; detaillierte Klatschgeschichten darüber, in welchen Imbissen man am ehesten krank wird. Bevor das Land Stück für Stück ins kapitalistische Weltsystem integriert wurde, wurden Dienste wie die Gesundheitsversorgung in China über das danwei-System betrieblicher Sozialleistungen (vor allem in den Städten) oder von lokalen Gesundheitszentren mit ihren zahlreichen »Barfußmedizinern« (vor allem, aber nicht nur auf dem Land) kostenlos zur Verfügung gestellt. Die Erfolge der sozialistischen Gesundheitsfürsorge wie auch die Erfolge im Bereich der Bildung und Alphabetisierung waren so groß, dass selbst die schärfsten Kritiker des Landes sie anerkennen mussten. Die Wurmerkrankung Schistosomiasis, die das Land jahrhundertelang geplagt hat, war in Kernchina praktisch vollständig ausgemerzt, und kam mit Nachdruck zurück, als das sozialistische Gesundheitssystem abgebaut wurde. Die Kindersterblichkeit ging stark zurück, und trotz der mit dem »Großen Sprung nach vorn« verbundenen Hungersnot stieg die Lebenserwartung zwischen 1950 und den frühen 1980er Jahren von 45 auf 68 Jahre. Impfungen und allgemeine Hygienemaßnahmen setzten sich durch, grundlegende Informationen über Ernährung und Gesundheit sowie der Zugang zu elementaren Medikamenten waren kostenlos und für alle zugänglich. Gleichzeitig vermittelten die Barfuß-Mediziner einem großen Teil der Bevölkerung grundlegendes, wenn auch begrenztes medizinisches Wissen; sie trugen so zum Aufbau eines robusten, von unten nach oben aufgebauten Gesundheitssystems unter Bedingungen materieller Armut bei. Wir sollten nicht vergessen, dass China damals pro Kopf ärmer war als das durchschnittliche Land im subsaharischen Afrika heute. Seitdem haben Nachlässigkeit und Privatisierung dieses System erheblich verschlechtert, und zwar genau zu dem Zeitpunkt, als die rasche Verstädterung und die unregulierte industrielle Produktion von Haushaltsgegenständen und Lebensmitteln eine umfassende Gesundheitsfürsorge erst recht notwendig gemacht hätten – ganz zu schweigen von Lebensmittel-, Drogen- und Sicherheitsvorschriften. Heute gibt China nach Angaben der WHO 323 USD pro Kopf für öffentliche Gesundheitsversorgung aus. Diese Zahl ist selbst im Vergleich zu anderen Ländern mit »oberem mittlerem Einkommen« niedrig: ungefähr die Hälfte von dem, was Brasilien, Belarus und Bulgarien ausgeben...“
„Coronavirus: Dabeisein ist Alles“ von Wassilis Aswestopoulos am 15. März 2020 bei telepolis berichtet über die grellen Widersprüche zur offiziellen „Bleibt zuhause“ Politik in Griechenland unter anderem: „… Der Brauch, das Feuer in Olympia zu entzünden und danach mit einer Fackelstafette zum Austragungsort der ersten Olympischen Spiele der Neuzeit zu bringen, von wo es dann vom jeweiligen Veranstalter abgeholt wird, geht auf eine Idee für die Spiele von 1936 zurück. Eine Abschaffung dieser durchaus negativ belasteten Tradition hätte in Zeiten von Corona durchaus begründet werden können. Das Nationale Olympische Komitee entschied anders. Es begrenzte die Ehrengäste bei der Zeremonie der Entzündung des Feuers und ließ dann den Schauspieler Gerard Butler als einen der ersten Läufer nach Sparta antreten. (…) Nachdem die Show um Butler vorbei war, entdeckte das NOK Griechenlands, dass die Menschenansammlung beim Staffellauf keine sehr gute Idee war. So wurde kurzerhand der Lauf der übrigen Staffelteilnehmer „aus Verantwortung für die Gesundheit der Bürger“ abgesagt. Noch nicht abgesagt sind die religiösen Veranstaltungen im Land. Die Heilige Synode der griechischen Kirche möchte am Montag tagen, um über die Situation rund um das Virus und die Pandemie zu diskutieren. Bis dahin gilt noch der letzte Entscheid der Synode, dass ein Kirchenbesuch samt Eucharistie für Gläubige vollkommen ungefährlich ist. Nur im Kleingedruckten bemerkt die Synode, dass alte und vorerkrankte Menschen auch zuhause bleiben könnten. Die Kirche diskutiert auch Open Air Messen, bei denen zahlreichen Bischöfen zufolge das gemeinsame Abendmahl aus einem Kelch und mit einem Löffel für alle nicht ansteckend sein soll. Zudem küssen die Gläubigen traditionell die Ikonen in ihren Kirchen, eine Tradition, die jedem Epidemiologen die Schweißperlen auf die Stirn treiben müsste. Dennoch finden sich gläubige Ärzte und Epidemiologen, welche auch dies als ungefährlich darstellen. Das gesetzlich verordnete Versammlungsverbot gilt offenbar nicht für die Kirchen. Die Macht der Kirche ist so groß, dass bei einschlägigen Fernsehdiskussionen zum Thema Kirchenvertreter ihre Version der Epidemie-Vorsorge präsentieren können und Ärzten als gleichwertige Experten gegenüber gestellt werden...“
„Die USA sind schlecht vorbereitet“ von Dorothea Hahn am 15. März 2020 in der taz online zur Situation in den USA nachdem Trump seine bisherige Leugnung zugunsten eines Notstandsprogramms aufgegeben hatte: „… Nach Angaben der American Hospital Association hat das 320-Millionen-EinwohnerInnen-Land nur insgesamt 924.107 Krankenhausbetten. Davon befinden sich 97.776 auf Intensivstationen. Doch die meisten dieser Betten sind auch ohne Pandemie bereits belegt. Und in Jahren mit starken Grippewellen mussten die Krankenhäuser Zelte aufbauen, um überhaupt alle PatientInnen behandeln zu können. Jetzt befürchten die GesundheitsexpertInnen, dass die Intensivstationen auf dem Höhepunkt der Coronakrise aus allen Nähten platzen werden. Es mangelt zudem dramatisch an medizinischem Personal. In New York beklagt Lisa Baum von der Krankenschwestergewerkschaft Nurses Union eine „extreme Unterbesetzung“. Solche Klagen von GewerkschafterInnen kommen auch aus anderen Teilen der USA. Bis Samstagabend testeten die USA 2.726 Personen positiv. 55 Menschen sind bis zum selben Zeitpunkt an dem Virus gestorben. Der Bundesstaat Washington an der Westküste ist mit 572 Infizierten und 40 Toten der bislang am stärksten betroffene, dicht gefolgt vom Bundesstaat New York mit 525 Infizierten und zwei Toten sowie Kalifornien mit 340 Fällen und fünf Toten. Unter den Infizierten sind unter anderem ein Pilot von American Airlines und zwei Abgeordnete der New Yorker State Assembly. (…) Aber in dem größten Schulbezirk, in New York City mit 1,1 Millionen Kindern an öffentlichen Schulen, blieben die Schulen weiterhin offen. Bürgermeister Bill de Blasio rechtfertigt sein Festhalten an offenen öffentlichen Schulen – in der Stadt mit am Samstag 183 Coronavirusinfizierten – unter anderem damit, dass ein großer Teil der Schüler auf die Schulmahlzeiten angewiesen ist. Er erklärte außerdem, dass sowohl Krankenhäuser und Labors und andere Einrichtungen des Gesundheitswesens als auch die öffentlichen Verkehrsmittel – insbesondere die Subway – nicht mehr genügend Personal hätten, wenn die Eltern von Schulkindern zu Hause bleiben müssten, um sich um ihre Kinder zu kümmern. Doch immer mehr Eltern in New York City behalten ihre Kinder schon jetzt zu Hause, um sie vor Ansteckungen zu schützen. Und die LehrerInnen-Gewerkschaft New York Teachers Union droht dem Bürgermeister mit einem Streik am Wochenanfang, falls er die Schulen nicht schließt…“
„Trump spent the past 2 years slashing the government agencies responsible for handling the coronavirus outbreak“ von Sonam Sheth und Gina Heeb am 25. Februar 2020 beim Business Insider berichtet von der Politik der Trump-Regierung gegenüber den Centers for Disease Control and Prevention – die aus einer kontinuierlichen Reduzierung der für diese bereit gestellten Gelder bestand, was dazu führte, dass die CDC beispielsweise eine ganze von Laboren hat, die nicht mehr in vollem Umfang funktionieren…
„Headline: Donald Trump Is Using the Coronavirus Crisis to Attack Social Security“ von Nancy J. Altman am 11. März 2020 beim Independent Media Institute ist ein Beitrag, in dem deutlich gemacht werden soll, dass verschiedene von Trumps konkreten Maßnahmen sozialpolitischer Art, hier vor allem die eingeführte Möglichkeit – bisher zeitweise – Sozialabgaben zu reduzieren in ihrer langfristigen Wirkung einen weiteren Abbau des ohnehin nicht besonders ausgebauten Sozialsystems der USA bedeuten können.
„Legacy of government austerity cuts is a hygiene nightmare during coronavirus crisis“ am 04. März 2020 bei Unison ist eine entsprechende Bilanzierung der Haushaltspolitik der Regierung Großbritanniens – also der Auswirkungen der Kahlschlagpolitik und Privatisierung der Neoliberalen im Gesundheitswesen bis hin zur heutigen eindeutigen Überforderung dieses Systems.
„Coronavirus, lo studio: in un decennio 37 miliardi in meno alla sanità italiana“ am 05. März 2020 bei La Reppublica meldet zu einer Studie über die Entwicklung des Gesundheitssystems in Italien in den letzten zehn Jahren deren grundlegende Zahlen: Zehn Jahre lang stiegen die Ausgaben für das Gesundheitswesen – immer unterhalb der Inflationsrate. Was 10.000 Betten weniger bedeutet und 397 geschlossene Abteilungen, sowie die Schließung zahlreicher kleinerer Hospitäler auf dem Lande…
„Coronavirus: »Die Agrarindustrie würde Millionen Tote riskieren.«“ am 11. März 2020 bei marx21.de ist ein Interview (bzw. seine Übersetzung) von Yaak Pabst mit dem Evolutionsbiologen Rob Wallace über die Gefahren von Covid-19, die Verantwortung der Agrarindustrie und nachhaltige Lösungen zur Bekämpfung von Infektionskrankheiten. Darin unterstreicht Wallace unter anderem: „… Die Nutzung der Coronakrise, um die neuesten autokratischen Kontrollmöglichkeiten zu testen, ist ein Kennzeichen des aus den Fugen geratenen Katastrophenkapitalismus. Im Hinblick auf die öffentliche Gesundheit halte ich mich lieber an Vertrauen und Mitgefühl, die wichtige Variablen bei einer Epidemie sind. Ohne beides verlieren die Regierungen die Unterstützung der Bevölkerung. Wir brauchen ein Gefühl der Solidarität und des gegenseitigen Respekts, um solche Bedrohungen gemeinsam zu überstehen. Selbstquarantäne mit geeigneter Unterstützung, ausgebildete Nachbarschaftshilfe, Lebensmittelwagen, die von Tür zu Tür fahren, Arbeitsbefreiung und Arbeitslosenversicherung – damit kann diese Art von Zusammengehörigkeitsgefühl erzeugt werden, das wir benötigen. Reiseverbot und Grenzschließung sind Forderungen, mit denen die radikale Rechte eine »Rassifizierung« der inzwischen globalen Krankheiten erreichen will. Das ist natürlich Unsinn. Da sich das Virus bereits überall verbreitet, ist jetzt das einzig Sinnvolle dafür zu sorgen, dass das öffentliche Gesundheitswesen so belastbar wird, dass es keine Rolle spielt, wer mit einer Infektion auftaucht. Wir haben die Mittel, um Infektionen zu behandeln und zu heilen. Und natürlich müssen wir aufhören, den Menschen in anderen Ländern ihr Land zu stehlen und die Massenauswanderung damit überhaupt erst weiter anzufachen. Wir können dafür sorgen, dass die Krankheitserreger gar nicht erst entstehen. Um das Ausbrechen neuer Virusinfektionen einzuschränken, muss die Nahrungsmittelproduktion radikal verändert werden. Die Unabhängigkeit der Landwirte und ein starker öffentlicher Sektor können den umweltbedingten Sperrklinkeneffekt und unkontrollierte Infektionen eindämmen. Dazu gehört auch die Förderung der Artenvielfalt bei Tieren und Pflanzen und einer strategischen Wiederaufforstung, sowohl auf der Ebene der landwirtschaftlichen Betriebe, als auch regional. Tiere müssen sich vor Ort fortpflanzen dürfen, um Immunitätsmechanismen weiterzugeben. Es geht darum, eine gerechte Produktion mit einem gerechten Warenkreislauf zu verbinden. Dazu gehört auch die Subventionierung der ökologischen Landwirtschaft und der Verkaufspreise sowie Programme für Verbraucher. Diese Projekte müssen vor den Zwängen, die die neoliberale Wirtschaft Einzelpersonen und Gemeinschaften gleichermaßen auferlegt, geschützt und gegen die Bedrohung durch die vom Kapital geleitete staatliche Unterdrückung verteidigt werden…“
„Las ratas y buitres que se alimentan de la crisis del coronavirus“ von Yago Álvarez Barba am 15. März 2020 bei El Salto Diario schließlich ist ein Beitrag, der sich mit der ganz aktuellen Spekulationswelle befasst, die versucht, aus möglichen Konkursen spanischer Unternehmen Geld zu schlagen, wobei in erster Linie die entsprechenden Aktivitäten des Bridgewater-Fonds berichtet werden, aber auch von anderen konkurrierenden Banden, die eben deswegen als „Geier“ bezeichnet werden, weil sie sich über jedes Aas hermachen und keine Scheu kennen.
Auswirkungen des Virus-Regimes auf Arbeits- und Lebensbedingungen
Wozu zu bemerken ist, dass es sich hierbei nur um einzelne Schlaglichter aus verschiedenen Ländern handeln kann – mit einem Schwerpunkt auf Unternehmens-Diktaten, die kein Notstandsregime zu verhindern versucht und die soziale Situation insbesondere prekär Beschäftigter. Inklusive der Berichterstattung über die Lebensbedingungen vor allem ärmerer Menschen ergibt sich daraus denn doch ein erster Gesamtbild der Auswirkungen, die wohl in vielen Ländern weitgehende Gemeinsamkeiten haben werden
„Arbeiten in Zeiten des Coronavirus“ von Maurizio Coppola am 13. März 2020 beim re:volt Magazine zu den italienischen Verhältnissen: „… In Italien wird also weiter produziert. Wie sieht es nun aber derzeit in den „verborgenen Stätten der Produktion“ aus? Eine besondere Aufmerksamkeit gilt zunächst einmal den Gesundheitsarbeiter*innen. Seit dem Ausbruch des Virus werden in TV und Presse ihre „Held*innengeschichten“ tagtäglich erzählt: Arbeitstage von bis zu 18 Stunden, keine Ruhetage, konstant den Gefahren der Ansteckung ausgesetzt. Doch die Gesundheitsarbeiter*innen selbst lehnen diese Held*innengeschichten ab. Sie sagen, es gehe nicht darum, die individuelle Anstrengung der einzelnen Arbeiter*innen hervorzuheben, sondern auf die systemischen Mängel des italienischen Gesundheitssystems – Unterfinanzierung und Umstrukturierung – hinzuweisen, die dazu führten, dass in Zeiten des Ausnahmezustandes die Gesundheitsarbeiter*innen fast übermenschliche Anstrengungen an den Tag legen müssen. Sie berichten auch davon, dass es konstant an individuellen Schutzvorkehrungen [sogenannte „dpi“, dispositivi di protezione individuale] mangelt, dass die Intensivstationen total überbelegt sind und somit andere Krankenhausbereiche auf Kosten anderer Patient*innen zu Intensivstationen umgewandelt werden müssen, dass ständig Ärzt*innen und Pfleger*innen fehlen, so dass in einigen Fällen Medizinstudierende rekrutiert werden, um diese Lücken zu füllen und so weiter. (…) Auch in vielen Call Center wird mehr gearbeitet als zuvor, vor allem in Betrieben, die Aufträge von öffentlichen Institutionen übernommen haben und während diesen Zeiten zusätzliche Hotline-Dienste anbieten. In einem Call Center in Napoli wurden einige Maßnahmen getroffen (die Zuweisung eines fixen Computers, Sicherheitsdistanz von einem Meter), andere hingegen nicht (fehlende Seife und Desinfektionsmittel in den WCs). Manche Maßnahmen grenzen ans Absurde, wie beispielsweise die Aufforderung, Kaffeeautomaten auszuschalten, um „unnötige Menschenansammlungen zu vermeiden.“ Die Betriebsleitung des Call Center lehnt weiterhin den Vorschlag der Hausarbeit ab; die Arbeiter*innen sind aufgrund der zusätzlichen Dienste hingegen gezwungen, Überstunden zu leisten. Kaum eine Stimme haben diejenigen, die ohne Vertrag, irregulär und daher ohne Sozialversicherungsschutz arbeiten: Care-Arbeiter*innen müssen aus Angst vor einer Ansteckung zu Hause bleiben, vor allem diejenigen, die mit alten Menschen arbeiten; (Schein-)Selbständige sind nicht erwerbslosenversichert und riskieren nun einen längeren Lohnausfall, falls smart working nicht umsetzbar ist; junge Arbeiter*innen ohne Vertrag, die in Bars, Restaurants oder anderen „Zuliefererbetrieben“ des Tourismus (vor allem in den Städten) tätig sind, wurden aufgrund der Verordnung von einem Tag auf den anderen entlassen und sind nun ohne Job. Für diese Sektoren sehen die Verordnungen der Regierung bis heute keine Lösungen vor…“
„Virus und Klassenfrage“ von Carmela Negrete am 14. März 2020 in der jungen welt über die Auswirkungen auf die arme Bevölkerung in Spanien: „… Neben Hilfen, die Firmen und Arbeiter bekommen sollen, wie etwa eine Fortzahlung von 75 Prozent des Lohnes im Falle eines quarantänebedingten Arbeitsausfalls, kündigte er an, sich insbesondere um diejenigen kümmern zu wollen, die bereits vor dem Ausbruch der Pandemie unter Armut gelitten hatten. Dazu zählen vor allem Menschen, die bislang täglich in Suppenküchen versorgt werden mussten, nun aber aufgrund von Schließungen nicht mehr dort essen können. 25 Millionen Euro hat die Koalitionsregierung nun für die Subventionierung von Schulessen bereitgestellt, die trotz Schließung der Bildungseinrichtungen teilweise im Notbetrieb weiter funktionieren müssen. Zudem sicherte sie zu, dass die Lebensmittelversorgung garantiert werde. Welche Maßnahmen dafür konkret sorgen sollen, ließ sie offen. NGO wie »Save the Children« warnen seit Tagen vor einer schwierigen Versorgungssituation für Familien, die in den am meisten von Covid-19 betroffenen Regionen unter Armut leiden, und sprechen von einem »Notfall im Notfall«. Allein in Madrid leben 93.000 Kinder in Armut. Wenn die Regierung sich dazu gezwungen sieht, wie in anderen Regionen mit vielen Krankheitsfällen, das öffentliche Leben noch weiter einzuschränken, wird das Problem, wie diese noch etwas zu essen bekommen, noch größer werden. In Madrid hat die Regierung mittlerweile mit der Registrierung der Kinder begonnen, die in der Vergangenheit bereits eine subventionierte Mahlzeit bekommen hatten. Während dessen müssen sie weiterhin auf Unterstützung warten. Im Baskenland sind 13 Prozent aller Kinder auf Essenssubventionen angewiesen, aber die baskische Regierung hat bislang keine Maßnahmen vorgenommen – obwohl die Schulen im Moment geschlossen sind. Betroffen sind jedoch nicht nur Kinder, auch Rentner essen oft gratis oder für ein sehr geringen Beitrag in »Sozialzentren«. Viele von diesen werden gerade angesichts der Covid-19-Pandemie geschlossen. In der kleinen andalusischen Provinz Córdoba mit ihren 780.000 Einwohnern bekommen nun 1.100 Rentner Essen nach Hause geliefert. Spanien ist in Autonomieregionen aufgeteilt, weshalb es von Region zu Region unterschiedlich ist, welche und ob Maßnahmen getroffen werden, die den besonders Betroffenen helfen. Auch Migranten ohne Papiere leiden besonders stark unter der durch das Coronavirus ausgelösten sozialen Krise. Am vergangenen Sonnabend wurde im südspanischen Lepe eine Demonstration von Erdbeerpflückern von den Behörden unter Verweis auf das Virus abgesagt. Die migrantischen Arbeiter klagen an, dass es in ihren Hütten nicht einmal Leitungswasser zum Trinken gebe – geschweige denn, um sich damit die Hände zu waschen…“
„Take a look: millions of Americans who work for McDonalds and other hugely powerful corporations won’t get paid if they get sick“ am 14. März 2020 im Twitter-Kanal von Mary Kay Henry ist ein Tweet der Vorsitzenden der größten US-Einzelgewerkschaft SEIU mit einem Schaubild, in dem all jene Großunternehmen des Landes (samt der Zahl ihrer Beschäftigten) erfasst sind, die im Krankheitsfall nichts bezahlen. Was alleine bei McDonalds über eine halbe Million Menschen macht. Auch der anschließende Threat ist ausgesprochen lesenswert, um verschiedene Aspekte der sozialen Wirklichkeit in den USA ein bisschen näher kennen zu lernen (und auch manche Argumentation von Verteidigern des Kapitalismus.
„Amazon confirma tres casos de Covid-19 en dos almacenes pero descarta cerrarlos“ von Jesus Martinez am 14. März 2020 bei La Informacion berichtet davon, dass in spanischen Amazon-Lagern in Madrid und Barcelona bis dahin zwei Fälle von Erkrankungen bestätigt waren – das Unternehmen sich aber rundweg weigert, die Forderung nach Schließung zu erfüllen. Im Gegenteil: Ab kommender Woche werden neue Zeitarbeitskräfte eingestellt – weil zunehmend mehr Menschen nicht mehr einkaufen gehen, sondern im Netz bestellen…
„Por lo tanto, NO a la subconTRATA de las Kellys en los Hospitales“ am 15. März 2020 im Twitter-Kanal der „Kellys“ Barcelona ist sowohl eine Kritik an der aktuellen Praxis lokaler Krankenhäuser, neue Subunternehmen für die Reinigung zu engagieren, als auch ein Solidaritätsaufruf, den dort bereits beschäftigten Kolleginnen beizustehen, die sich gegen diese Maßnahmen zur Wehr setzen.
Coronavirus: Saskatchewan nurses union says it’s not getting proper protective gear“ von Gabriela Panza-Beltrandi am 13. März 2020 in den Global News berichtet vom Protest der Krankenschwestern-Gewerkschaft in der kanadischen Provinz Saskatchewan – der sich dagegen richtet, dass oftmals nicht ausreichende und manches Mal gar kein Sicherheitsvorkehrungen und –Ausrüstung zur Verfügung gestellt werden…
„Verschärfte Doppelbelastung“ von Felix Lill am 15. März 2020 in neues deutschland online über den Alltag Alleinerziehender in Japan: „… Neben den erkrankten Personen belastet die aktuelle Krise um Covid-19 vor allem die Alleinerziehenden, meistens Mütter. Weil Japan kein gemeinsames Sorgerecht kennt, tragen immer noch Frauen den Großteil der Verantwortung für die Kindererziehung. Darüber hinaus ist ihre die Benachteiligung auf dem Arbeitsmarkt in Japan besonders groß. Bei alleinerziehenden Müttern liegt der Anteil relativer Armut bei 56 Prozent. Für die meisten ist es daher schlicht unmöglich, bei der Arbeit zurückzustecken, um sich voll dem Kind zu widmen. Ende Februar empfahl Premierminister Shinzo Abe allen Schulen im Land, zunächst für zwei Wochen zu schließen. Das Coronavirus hatte zu dem Zeitpunkt rund 900 Personen im Land infiziert, deren Infektionsrouten sich in vielen Fällen nicht nachverfolgen ließen. Weil die Regierung angesichts ihres teils unbeholfenen Krisenmanagements um das Kreuzfahrtschiff Diamond Princess in der Kritik stand, signalisierte sie fortan Entschlossenheit. Neben Schulschließungen wurde Menschen geraten, von zu Hause aus zu arbeiten und die tägliche Rushhour zu meiden…“
„Lettre d’Italie au temps du Coronavirus — Répondre à la crise sur trois plans“ von Potere al Popolo am 13. März 2020 bei Europe Solidaire dokumentiert, berichtet – unter anderem – von den Aktivitäten der linken Organisation in drei Bereichen: Zum einen die Beschäftigten der „Internet-Kaufhäuser“ (in erster Linie auch hier Amazon, versteht sich) die aufgrund der Situation noch viel mehr arbeiten sollen, als ohnehin und keineswegs unter besonders gesicherten Bedingungen. Zum zweiten die Beschäftigten der Call Center, für die dasselbe gilt, was den Arbeitsaufwand betrifft. Und schließlich die Saison-Beschäftigten, vor allem – aber nicht nur – in Landwirtschaft und Tourismus, wo vor allem darum gekämpft wird, dass sie bei Nichtbeschäftigung aufgrund der aktuellen Krise Erwerbslosengeld erhalten. In einer uns zugesandten Übersetzung des Briefes (mit Dank an MD) heißt es im abschließenden Absatz: „Unsere Antwort auf die Krise war dreierlei: Wir haben uns in unseren Gemeinden organisiert, um auf die unmittelbaren Bedürfnisse einzugehen; wir haben die Kämpfe der Arbeiterinnen und Arbeiter vor Ort (auch rechtlich) unterstützt und umfassendere Forderungen gestellt. Wir glauben, dass der einzige Ausweg aus dieser Katastrophe darin besteht, unsere Fähigkeit zum kollektiven Handeln und zur Koordinierung zu entwickeln. Deshalb raten wir fortschrittlichen Organisationen an, die das Geschehen in Italien von außen beobachten, mit der Organisation zu beginnen und Forderungen zur Gewährleistung der Sicherheit ihrer Gemeinden zu stellen“ Potere al Popolo 13. März 2020.
Positionen, Reaktionen und Debatten in Gewerkschaften und sozialen Bewegungen
„Council of Global Unions Joint Statement | COVID-19 Urgent Economic Stimulus and Workplace Measures Required“ vom 11. März 2020 (hier bei der Erziehungs-Internationale dokumentiert) fasst die Positionen der IGB-Gewerkschaften zur aktuellen Virus-Krise zusammen und hat dabei drei Orientierungspunkte für die Regierungen: Die Sicherung der Einkommen der Beschäftigten, Maßnahmen zur Ankurbelung der Wirtschaft und internationale Zusammenarbeit.
„ACTU calls for two weeks paid special leave for all workers“ vom 11. März 2020 ist der Aufruf des australischen Gewerkschaftsbundes, 14 Tage bezahlten Sonderurlaub zu beschließen, um die Auswirkungen der Nichtbeschäftigung zu verhindern. Ähnliche Kampagnen mehrerer Verbände gibt es auch in einer ganzen Reihe weiterer Länder, so etwa in Großbritannien, wo der TUC eine Unterschriftenkampagne für Krankengeld für Alle organisiert.
„DOCUMENTO DE PROPUESTAS CONJUNTAS“ im März 2020 beim Gewerkschaftsbund CCOO dokumentiert die gemeinsamen Entschließungen der beiden größeren spanischen Verbände mit den Unternehmerverbänden und der Regierung, die durchaus ins internationale Bild, wie oben knapp skizziert, passen.
„Ante la epidemia de COVID-19 y su impacto en la clase trabajadora“ am 13. März 2020 bei der CNT sind die Gegenvorschläge der anarchosyndikalistischen Basisgewerkschaft – wie sie auch von vielen anderen alternativen Gewerkschaften in Spanien vertreten werden: Die im Wesentlichen darauf abzielen, die Situation der Beschäftigten, Erwerbslosen und Autonomen abzusichern auf Kosten der großen Aktiengesellschaften des Landes (IBEX 35) und der Besteuerung der Investment-Fonds.
„Cgil, Cisl, Uil: sottoscritto con Governo “protocollo di regolamentazione delle misure“ am 14. März 2020 beim Gewerkschaftsbund CGIL dokumentiert das Abkommen der drei italienischen größeren Verbände mit Regierung und Unternehmen.
„Protocollo Confindustria-sindacati drammaticamente insufficiente e in ritardo. Chiudere per decreto tutti i posti di lavoro NON essenziali!“ am 14. März 2020 bei Il Sindicato è un altra cosa ist die Stellungnahme der organisierten Opposition im größten italienischen Verband (CGIL), worin eben dieses Abkommen scharf als völlig ungenügend kritisiert wird und abermals die Forderung erhoben wird, alle nicht zentral wichtigen Bereiche der Wirtschaft und der sonstigen Einrichtungen zu schließen.
„Le coronavirus et le capitalisme : deux épidémies à combattre !“ am 14. März 2020 beim Gewerkschaftsbund SUD Solidaires ist eine Erklärung des alternativen Gewerkschaftsbundes auf die Fernsehansprache des französischen Präsidenten, in der die Überschrift bereits die Orientierung deutlich macht: Virus und Kapitalismus sind zwei Epidemien, die es zu bekämpfen gilt – und auch die Sondermaßnahmen der Regierung werden nicht verhindern, dass der soziale Kampf in diesen Zeiten weiter gehe.
„The War against COVID-19 must be Fully Engaged with Working-Class Support“ am 15. März 2020 beim Gewerkschaftsbund SAFTU ist ein Aufruf an die südafrikanische Regierung, nicht nur auf die „soziale Distanzierung“ zu setzen, sondern auf solidarische Beziehungen in Staat und Gesellschaft. Was vor allem bedeute, sich um die am meisten gefährdeten Menschen zu kümmern – die nicht oder prekär Beschäftigten und ihnen Raum für Aktivitäten zu geben. Erst die massive Beteiligung der Arbeiterklasse am Kampf gegen das Virus könne diesen erfolgreich gestalten – und dies bedeute uter anderem und vor allem in der aktuellen Situation eine Kehrtwende in der Politik der Demontage des öffentlichen Dienstes vorzunehmen.
„Common Position Of European Trade Unions On The Developments Because Of The Coronavirus“ am 13. März 2020 im Facebook Account von Petros Petrou dokumentiert eine gemeinsame Stellungnahme von elf Gewerkschaften verschiedener europäischer Länder (darunter die griechische Pame und Unterorganisationen der französischen CGT, sowie etwa die LAB aus dem Baskenland, insgesamt eine Zusammensetzung, die einige Gewerkschaften aus dem Weltgewerkschaftsbund enthält) in der die Verteidigung der Interessen der ArbeiterInnen in den Mittelpunktgestellt wird „angesichts einer Krise, die keineswegs natürlich zustanden gekommen“ sei – und für die auch die Verantwortlichen aufkommen müssten.
„Britain: On the Coronavirus and the social crisis – An open letter to the Trade Union movement from Labour Transformed“ am 12. März 2020 im australischen Links dokumentiert, ist ein offener Brief des gewerkschaftsoppositionellen Netzwerks im britischen Gewerkschaftsbund, in dem gefordert wird, der Verband solle entschieden für eine Schließung aller nicht essentiellen Wirtschaftsunternehmen eintreten und dies auch gegen die konservative Regierung durchzusetzen, für den Fall, dass diese sich weigere, der Forderung nachzukommen.
Widerstandsaktionen entwickeln sich
„Nach heftigen Protesten der Gewerkschaften fährt VW die Produktion in Pamplona herunter“ am 15. März 2020 im Twitter-Kanal von Raul Zelik berichtet von einer Mitteilung des Gewerkschaftsbundes LAB über die erfolgreiche Aktion der Belegschaft des VW Werkes in Navarra, womit die Unternehmensleitung gezwungen wurde zu tun, was sie nicht wollte. (Ohne jetzt andere Kapitalisten loben zu wollen sei dazu darauf verwiesen, dass zur selben Zeit als das feine Unternehmen VW sich noch rundweg weigerte, die ebenfalls nicht unbekannte Firma Ford bereits den Schließungsprozess eingeleitet hatte…)
„Covid-19: Sindicato exige medidas excecionais à Autoreuropa“ am 15. März 2020 im Sapo-Portocanal meldet, dass die Betriebsgewerkschaft bei VW Portugal (Autoeuropa) von der Geschäftsleitung fordert, Sicherheitsmaßnahmen zu treffen, von denen bisher nichts zu bemerken sei, sonst müsse die Belegschaft selbst dafür sorgen…
„Walkout at Fiat Chrysler Windsor Assembly over coronavirus danger“ von Shannon Jones am 14. März 2020 bei wsws berichtet vom Streik im größten kanadischen FCA-Werk, angesichts der Untätigkeit des Unternehmens nach Feststellung einer Erkrankung.
„Aeronavegantes suspenden los servicios en los aviones“ am 14. März 2020 bei Resumen Latinoamericano berichtet von der andauernden Streikaktion der argentinischen Gewerkschaft der Flugbegleiter, die nicht nur bessere Sicherheitsvorkehrungen fordern, sondern zumindest auch eine Ausdünnung der Flugpläne.
„London postal workers take strike action over coronavirus concerns“ am 14. März 2020 bei wsws meldet die Streikaktion bei der Londoner Post, wobei es darum ging, dass die Geschäftsleitung versuchte, eine Erkrankung zu verheimlichen…
„Grève sauvage dans les dépôts de bus TEC Liège-Verviers“ am 13. März 2020 im Twitter-Kanal von Conseils Ouvriers berichtet von einem (erfolgreichen) selbstorganisierten Streik der Busfahrer im belgischen Lüttich die für mehr Sicherheitsausrüstungen und veränderte Schichteinsätze aktiv wurden – ohne jemand um Erlaubnis zu fragen…Eine Meldung, die hier auch stellvertretend stehen soll für noch eine ganze Reihe weitere solcher Meldungen aus mehreren europäischen Ländern über entsprechende Streikaktivitäten einzelner Belegschaften.
„How are you supposed to wash your hands regularly if you have no running water or soap?“ von Jonathan Withall am 14. März 2020 bei der Bay Area Intifada (Facebook) ist ein Beitrag, der die schwierigen Bedingungen der Organisation von Solidarität in ärmeren Gegenden nicht nur der Bay (San Francisco) sondern der ganzen Welt behandelt, wo Hände waschen schon mangels Wasser zum Problem wird.
„United States — Coronavirus and community activism“ von Jonathan Neale am 06. März 2020 bei Europe Solidaire ist ein ausführlicher Bericht über die selbstständige Organisierung von Solidarität in verschiedenen Communities der USA.
„La guerra contra el coronavirus es asumida por vecinos de Gasteiz, País Vasco“ am 15. März 2020 bei Clajadep-LaHaine berichtet von selbstorganisierter Solidarität der Nachbarschaften im Baskenland – unter Umgehung des Notstandsregimes…
To be continued…