Wachsende Streikbewegung in Italien: Zwingt sie die Regierung zu einer Veränderung der Politik, trotz des Virus müsse auf jeden Fall produziert werden?

„Die Streiks in Italien häufen sich, die Schutzbestimmungen gegen die Ansteckung mit COVID19 reichen nicht aus. Hier die Arbeiter*innen von Corneliani in Mantova (Produktion von Luxuskleider). „Luxuskleider sind keine lebensnotwendigen Güter, die Fabrik soll schließen!““ – am 12. März 2020 im Twitter-Kanal von Maurizio C. ist eine von inzwischen einer ganzen Welle von Streikmeldungen, die sich allesamt gegen das Diktat der Unternehmen richten, die Produktion müsse in jedem Falle – auf Kosten der Gefährdung der Belegschaften, versteht sich – aufrecht erhalten werden. Diese Streikbewegung ist inzwischen so stark geworden, dass die Regierung Conte zu einer Kursänderung gezwungen scheint: Hatte sie bisher alles getan, die Wünsche der Unternehmerverbände zu erfüllen, so hat sie jetzt diese Verbände und die (ihr genehmen) Gewerkschaften zu einem Gespräch über weitere Notfall-Maßnahmen in der Wirtschaft eingeladen. Siehe dazu eine zweite kleine aktuelle Materialsammlung – und den Hinweis auf die umfangreichere Materialsammlung von vorgestern – auch als potenzielles Vorbild für Deutschland…

„Ast Terni: la fabbrica non si ferma, gli operai sì“ von Fabricio Ricchi am 12. März 2020bei Rassegna Sindacale berichtet dass bei ASR Terni alle Gewerkschaften gemeinsam einen vorerst zweitägigen Streik beschlossen haben – „wenn die Geschäftsleitung das Werk nicht schließt, tun wir es“ so die dazu verbreitete Erklärung, in der die Geschäftsleitung heftig für ihr Verhalten kritisiert wird – und, weil dies ja der „heimatlichen Politik“ des Unternehmens entspricht, sei hier hinzu gefügt: Eine Tochterfirma von ThyssenKrupp…

„la denuncia sindacale sul caso Gfk“ am 12. März 2020 bei Contro la Crisi ist eine Meldung über wachsende Proteste auch bei der italienischen Tochterfirma der Gesellschaft für Konsumforschung – die von ihren „Mitarbeitern“ trotz allem normalen Einsatz fordert, was diese absolut nicht wollen…

„Emergenza coronavirus, la rabbia nelle fabbriche aperte. Scioperi spontanei: „Non siamo carne da macello““ am 12. März 2020 bei La Reppublica meldet eine insgesamt stark anwachsende Zahl von betrieblichen Streiks nach dem Beschluss der Regierung, die meisten Läden müssten schließen – und eine offensichtlich selbst in gutbürgerlichen Medien wahrgenommene Änderung der Stimmung: Wir sind kein Schlachtvieh!

„IL GOVERNO NON CHIUDE LE FABBRICHE? LE OPERAIE E GLI OPERAI LE CHIUDONO CON LO SCIOPERO!“ am 12. März 2020 bei Fronte di Lotta No Austerity meldet eine ganze Reihe von Streiks ganz konkret – die allesamt für eine Schließung der Unternehmen eintreten, mit folgender Aufzählung, in der auch nicht italienisch sprechenden Leserinnen und Lesern einige bekannt Namen begegnen dürften: „Nel Bresciano la Imp Pasotti e diverse altre grandi fabbriche. Ad Asti, Vercelli e Cuneo scioperano Mtm, Ikk, Dierre, Trivium. In provincia di Mantova hanno iniziato lo sciopero la Corneliani e la Iveco, mentre alla Relevi è stato aperto lo stato di agitazione. Iniziato lo sciopero alla Whirlpool in provincia di Varese, all’Ast di Terni, alla Briton di Cormano, alla Electrolux di Susegana in provincia di Treviso e alla Fincantieri di Marghera. In Liguria sono in sciopero i camalli e i portuali, i lavoratori della Fincantieri e delle riparazioni navali. Due giorni di sciopero sono stati proclamati a livello nazionale in System House Srl, System Data Center e Out Spa (telecomunicazioni). Scioperano i Riders che rischiano il contagio con le consegne a domicilio. In Toscana scioperi in corso alla Piaggio di Pontedera, alla Gkn di Firenze, all’Esselunga (dove è stato proclamato uno sciopero nazionale). Sono in sciopero prolungato le lavoratrici di Almaviva ed è stato proclamato uno sciopero di dieci giorni all’Ilva di Taranto. I lavoratori Alitalia di vari settori dell’handling all’aeroporto di Fiumicino, pur non potendo scioperare per le leggi antisciopero, hanno preteso di lavorare in condizioni di sicurezza, intimando un lungo blocco delle attività. Altri scioperi sono già programmati all’apertura degli stabilimenti che hanno chiuso solo per pochi giorni: dalla Ferrari di Maranello a molte aziende del settore gomma-plastica, chimico e affini. Nei giorni scorsi erano in sciopero gli operai della Fca di Pomigliano…“.

„Coronavirus, la protesta dei rider: «La nostra salute vale più di un sushi o una pizza»“ von Alessandro Trocino am 12. März 2020 beim Corriere berichtet von einer von offensichtlich mehreren Streikaktionen der Fahrradkuriere, die sich dabei auf den Standpunkt stellen, dass ihr Leben mehr wert sei, als Sushi oder Pizza…

„Coronavirus, USB proclama 32 ore di sciopero nei settori industriali non essenziali: fermare le fabbriche, garantire la salute e il salario“ am 12. März 2020 beim Gewerkschaftsbund USB ist der 32-Stunden-Streikaufruf der Basisgewerkschaft in allen „nicht essenziellen“ Industriebereichen für eine allgemeine Schließung bei Lohnfortzahlung.

“ULTIM’ORA: Il governo Conte“ am 12. März 2020 bei SI Cobas (Facebook) informiert, dass eben die Regierung nun die drei großen Verbände zur Besprechung über die Sicherheit der Beschäftigten eingeladen hat – und weist darauf hin, dass es nicht diese drei Verbände waren, die den Druck dazu organisiert haben, aber jene, die es getan haben, nicht eingeladen wurden…

„Fiom: inaccettabile la mancanza di misure e iniziative volte alla protezione dei lavoratori“ am 12. März 2020 bei der FIOM ist eine Pressemitteilung der größten Metallgewerkschaft des Landes (die bis dahin immer an ein gemeinsames Vorgehen appelliert hatte), in der die Weigerung vieler Unternehmen, Sicherheitsvorkehrungen eben bis hin zu Schließungen vorzunehmen scharf kritisiert wird. Auch die FIOM erklärt ab Gestern, wenn keine Maßnahmen getroffen würden, würden die Gewerkschaften Maßnahmen treffen, bis hin zum Streik – und unterstreicht dabei, diese Position sei den Metallgewerkschaften der drei großen Verbände gemeinsam…

„FERMARE LE FABBRICHE. I PADRONI CI VOGLIONO MORTI“ am 12. März 2020 bei Operai Contro ist der Aufruf zum Streik einer der betrieblichen Basisgruppen, die es in Itaien immer noch – oder wieder – gibt, wobei bei dieser Mitteilung interessant ist, dass der Streik bei Fiat (FCA) insofern erfolgreich war, als das Unternehmen dazu übergegangen ist, die Werke schrittweise zu schließen…

„Un caccia F35 costa quanto 7113 ventilatori polmonari: quanti vite salvate senza spese militari?“ am 12. März 2020 bei der Basisgewerkschaft SI Cobas ist eine „Anmerkung“: Dass ein Jagdflugzeug F35 so viel kostet wie 7.113 der (oftmals fehlenden) Beatmungsgeräte – verbunden mit der Frage, wie viele Leben ein solches Flugzeug retten könne…

„Heute #13März: Die Arbeiter*innen von #ElectroLux in Susegana bei #Treviso machen einen 8 Stunden #Streik und fordern damit die Schließung aller nicht notwendigen Aktivitäten und die Lohnfortzahlung #redditodiquarantena. Die Bosse sollen die #Covid_19 Krise bezahlen!“ ist der neueste Tweet von Maurizio C. am 13. März 2020 

• Siehe dazu auch unsere erste Materialsammlung: „[“Corona-Streik”] Ganz Italien im Virus-Notstand: Widerstand in Betrieben, Flucht von den Feldern, Rebellion in Gefängnissen“ am 11. März 2020 im LabourNet Germany