Perspektiven nach Hanau: Wie Millionen Menschen in den USA gegen Rassismus streikten
„Nach dem rechten Terroranschlag in Hanau wird über einen Streik gegen Rassismus diskutiert. So eine Aktion hat es schonmal gegeben: Am 1. Mai 2006 fand in den USA ein „Generalstreik der Migranten“ statt. Millionen Menschen legten die Arbeit nieder. Nach dem rechten Terroranschlag in Hanau wird über einen Streik gegen Rassismus diskutiert. Ein Aufruf plädiert für einen richtigen Streik am 8. Mai. Das mag wie ein linkes Hirngespenst klingen. Doch so eine Aktion hat es schonmal gegeben. Am 1. Mai 2006 fand ein “Generalstreik der Migranten” in den USA statt. Millionen Menschen legten die Arbeit nieder, um gegen die rassistischen Einwanderungsgesetze zu protestieren. Damals wie heute leben über zehn Millionen Menschen in den USA in einem Zustand dauerhafter Illegalisierung. Da ihnen etliche Rechte verweigert werden, leben und arbeiten sie unter besonders harten Bedingungen. Das senkt auch die Löhne der gesamten Arbeiter*innenklasse. Ganze Sektoren der US-Wirtschaft sind von dieser entrechteten Arbeit abhängig, darunter die Fleischindustrie, der Bau, und viele Servicebereiche. (…) Daraus müssen Lehren für eine solche Aktion in Deutschland gezogen werden. Das Vertrauen in die Versprechen einer “progressiven” bürgerlichen Partei hat die Bewegung in eine Sackgasse geführt und demoralisiert. Proteste gegen Rassismus müssen von daher unabhängig von den Parteien des kapitalistischen Regimes organisiert werden. Nicht eine Wahl für eine weniger rassistische bürgerliche Partei, sondern nur schlagkräftige Proteste können die herrschende Klasse dazu drängen, uns mehr Rechte zu gestehen. Und damit solche Aktionen den Kapitalist*innen Angst einjagen, müssen auch Schlüsselsektoren der Arbeiter*innenklasse eingebunden werden – in Deutschland etwa die Autoindustrie, die Krankenhäuser, den Transport. Das wird nur möglich sein, wenn wir die Gewerkschaftsspitzen – hierzulande eng mit der Regierungspartei SPD verbunden – unter Druck setzen. Basismitglieder der Gewerkschaften müssen hier aktiv werden.“ Artikel von Nathaniel Flakin vom 27.2.2020 bei Klasse Gegen Klasse , siehe dazu:
- Wie wird das Gespenst des Streiks gegen Rassismus lebendig?
„Es geht ein Gespenst um in Deutschland – das Gespenst des politischen Streiks. Es hat keinen Körper, weil ihm die Organisierung fehlt. Wie organisieren wir den politischen Streik?“ Eine Diskussion mit Sascha Staničić, dem Bundessprecher der SOL (Sozialistische Organisation Solidarität) und Baran Serhad bei Klasse gegen Klasse am 6. März 2020 : „… Staničić schreibt zur Situation nach Hanau: „Jetzt muss es eine deutliche Reaktion geben. Es ist nötig sich zu organisieren: gegen die Nazi-Mörder und gegen diejenigen, die mit ihrem politischen Agieren die Lunte gelegt haben. Eine zentrale Rolle müssen dabei die Gewerkschaften spielen, die mit sechs Millionen Mitgliedern die größten multiethnischen Organisationen sind und deren ureigenste Aufgabe es wäre, die sozialen Ursachen zu bekämpfen, aus denen der Rassismus erwächst. (…) Der Rassismus ist eine Methode des Zwangs, um die Fragmentierung der Arbeiter*innenklasse aufrechtzuhalten, unter den Arbeiter*innen die soziale Demagogie zu verbreiten und die entrechteten Teile unserer Klasse aus dem Lande zu vertreiben. Die Demagogie basiert auf der falschen Vorstellung, dass es im Interesse deutscher Arbeiter*innen wäre, die Entrechtung gewisser Teile der Arbeiter*innenklasse beizubehalten und den Standpunkt des deutschen Kapitals im Weltsystem zu verbessern“ (…) Hier beginnt unsere Diskussion: (…) Es gibt keine unsichtbare Hand in den Reihen der Arbeiter*innenklasse, die sie von Aktionen bis hin zu politischen Streiks, die bei Staničić angesprochen werden, abhält. Der Grund für das Fehlen politischer Streiks ist auch nicht etwa unpolitisch, weil der Arbeiter*innenklasse das Bewusstsein fehlen würde oder sie nur bereit wäre, für Löhne zu streiken – der Grund ist politisch. Es ist die politische Vertretung der Bourgeoisie in der Arbeiter*innenbewegung, die Gewerkschaftsbürokratie, die den politischen Streik verhindert und – wo er stattfindet – ihn reprimiert. (…) Mit Sascha Staničić und der SOL teilen wir die Überzeugungen, dass die Arbeiter*innenklasse ihre eigenen Mittel gegen Rassismus einsetzen muss, die den Streik einschließen. Daher möchten wir vorschlagen, in den vorhandenen linken und klassenkämpferischen Strukturen wie dem Netzwerk für eine kämpferische und demokratische ver.di eine Diskussion über den politischen Streik gegen Rassismus zu führen. Wir möchten auch vorschlagen, in den jetzt zum Beispiel in Berlin stattfindenden Streiks gegen Prekarisierung und Outsourcing, die so stark wie möglich unterstützt werden müssen, eine Diskussion über den politischen Streik zu führen – zumal die Kämpfe dieser von der Regierung nach unten gedrückten Sektoren, in denen migrantische und deutsche Kolleg*innen gemeinsam kämpfen, bereits einen politischen Charakter haben und bereits Vernetzungen zur Verallgemeinerung der Kämpfe und ihrer Verbindung mit der Perspektive des feministischen Streiks bestehen. Basierend auf der bestehenden Avantgarde der Kämpfe können wir dem „Gespenst“ der Diskussion über politische Streiks einen „Körper“ geben, der von Betriebs- und Streikversammlungen über die Zusammenführung von Kämpfen bis hin zur tatsächlichen Organisierung politischer Streiks gegen diesen Staat reichen werden.“ - Siehe zum aktuellen Hintergrund unser Dossier: Petition „Erklärung zu den Morden in Hanau“ und Aufruf an die Gewerkschaften zu einer zehn-minütigen Arbeitsniederlegung für den 4. März 2020 um 11:50