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Auch in Deutschland stehen dem Corona-Virus (politisch gewollt) knappe Ressourcen des Gesundheitswesens gegenüber
Dossier
„… Erst dann, wenn eine Krankheit die Grundlagen der globalen Wirtschaftsströme bedroht und auch die Menschen in der First und Business Class der „Weltgemeinschaft“ betrifft, gibt es plötzlich enorme Mittel, die für die chronischen Hungerleider der Welt, für die armen Diabetiker*innen, die psychisch Kranken und Krebspatient*innen nie zur Verfügung stehen. (…) Es wäre bei der COVID-19-Epidemie dringend an der Zeit, die Erfahrungen der jährlichen Grippeausbrüche zu beherzigen: Alles hängt von den Kapazitäten eines Gesundheitssystems ab, in dem auch solche saisonalen Belastungen eingeplant sind und in dem nicht überarbeitetes und schlecht bezahltes Personal mit knappen Ressourcen möglichst viel Umsatz für die miteinander konkurrierenden Krankenhäuser erwirtschaften soll…“ Aus dem Beitrag von Andreas Wulf vom 26.2.2020 bei medico international . Siehe neben den Forderungen von Pflegefachkräften weitere Infos zu allen vielfältigen Aspekten des Problems (auch zur einrichtungsbezogenen Impfpflicht):
- [Eine Intensivpflegekraft berichtet] Kaputtgepflegt – aber es ginge auch anders
„Unser profitorientiertes Gesundheitssystem überlastet sein Personal, schickt Patienten blutig nach Hause und amputiert Füße, die man noch retten könnte, weil das Kosten spart. (…) Mein Name ist Kira, ich bin Intensivpflegekraft und arbeite seit 7,5 Jahren in der Pflege. Das mag im ersten Moment nach viel Zeit klingen und fühlt sich häufig auch so an, ist es aber nicht. Besonders nicht in einem so komplexen, vielseitigen und anspruchsvollen Beruf. (…) Doch was ich in diesen Jahren mehr als deutlich gesehen habe: Überall herrscht Personalmangel. (…) Wir stecken in einer Krise, die kurz davor ist, zu einer Katastrophe zu werden. Diese Krise ist aber nicht plötzlich aufgetaucht, sondern hat sich langsam entwickelt – durch Kostenpauschalen, Privatisierungen und sich verschlechternde Arbeitsbedingungen. (…) Eine mögliche Antwort auf diese Krise ist, zu gehen. Wir verlassen das sinkende Schiff. Das ist eine Lösung, die ich absolut legitim finde. Wir suchen nach beruflichen Alternativen, die zwar noch etwas mit der Ausbildung zu tun haben, aber außerhalb des Krankenhaussystems sind. Wir können uns aber auch für eine zweite Option entscheiden: Wir können uns zur Wehr setzen und für eine bessere Besetzung und ein gerechtes System kämpfen. Wir können laut sein und Strukturen aufbauen, die sich Gehör verschaffen. Damit meine ich beispielsweise wirksame gewerkschaftliche Arbeit und Auseinandersetzung in Form eines Tarifvertrags »Entlastung«, wie wir ihn bereits in einigen Kliniken erwirkt haben – zuletzt im Uniklinikum Marburg-Gießen. Ein Tarifvertrag ist nicht die Lösung aller Probleme und entlastet auch nicht alle Beschäftigten im Krankenhaus. Er ist aber ein guter Anfang und – noch wichtiger – ein Zeichen für die Politik: eine Emanzipation der Pflege, ein Aufschrei der Beschäftigten und eine Kampfansage. (…) Die Profitlogik muss aus den Krankenhäusern und Pflegeeinrichtungen raus; niemand darf weder Gewinn noch Verlust mit Gesundheit und Menschen machen. Während der Pandemie wurde die Gesundheitsversorgung zum systemrelevanten Bereich erklärt. Die Versorgung und das Personal müssen aber auch entsprechend behandelt werden. Dazu gehört, das System wieder zurück in die öffentliche Hand zu holen. Pflegeberufe müssen adäquat vergütet werden und die Menschen durch ausreichend Personal versorgt werden. Das bedeutet eine Personaloffensive: Mehr Menschen sollen eine bessere Ausbildung und Bezahlung sowie menschliche Bedingungen vorfinden, damit es wieder attraktiv wird, diesen Beruf zu ergreifen – und über viele Jahre hinweg darin zu arbeiten. Das wird nicht von allein passieren, sondern nur, wenn es ausreichend politischen Druck gibt. Die Pflegeberufe müssen sich weiter emanzipieren und ihre eigene Profession vertreten. Wir müssen zusammenarbeiten und nicht gegeneinander. Die Gesellschaft muss anerkennen, dass Krankheit und Pflege alle betrifft, nicht nur das Personal und alte Menschen. Es verändert sich nur etwas, wenn man dafür einsteht. Das ist kein leichter oder kurzer Weg. Aber wenn ich eines in den letzten anderthalb Jahren bei Notruf NRW und dem gemeinsamen Tarifkampf gelernt habe, dann ist es, dass wir gemeinsam stark sind und Ziele erreichen können. Also lasst uns Seite an Seite stehen, in den Austausch gehen und voneinander lernen. Gemeinsam können wir etwas ändern.“ Artikel von Kira Hülsmann vom 13. Juli 2023 in Jacobin.de - Sonderauswertung DGB-Index Gute Arbeit: Pflege am Limit: Auf Kosten der Beschäftigten und Patient*innen
„Die Arbeitsbedingungen in der Alten- und Krankenpflege sind aus Sicht der Beschäftigten weiterhin schlecht. So haben die psychischen und körperlichen Belastungen während der Corona-Pandemie nochmal zugenommen, wie eine Sonderauswertung des DGB-Index Gute Arbeit zeigt. Ein beunruhigendes Resultat für Politik, Arbeitgeber und Patient*innen: Druck und Hetze gehen auf Kosten der Qualität.
Während der Corona-Pandemie waren sich alle einig: Pflegekräfte haben sich ein Extra-Lob für ihren großen Einsatz in der Krise verdient. Mit mehreren Boni hat die Politik versucht, die Leistung anzuerkennen – viele haben ihn nicht bekommen. Mit Blick auf die Zahlen einer Sonderauswertung des DGB-Index Gute Arbeit wirken die gezahlten Prämien allerdings wie ein Tropfen auf den heißen Stein. Denn in den vergangenen zehn Jahren gibt es keine Verbesserungen der Arbeitsbedingungen – weder in den Krankenhäusern noch in den Pflegeheimen.
Weiterhin sind hoher Druck, Hetze, Schichtdienst oder körperlich schwere Arbeit an der Tagesordnung. Das ist seit vielen Jahren bekannt. Für Politik und Arbeitgeber ist das aber offenbar kein Anlass umzusteuern, wie die Sonderauswertung zeigt. Die Studie vergleicht konkret die Zeiträume 2012 bis 2017 mit den Jahren 2018 bis 2022. Das Resümee: Beschäftigte in der Krankenpflege sehen so gut wie keine Verbesserungen im zeitlichen Vergleich. In der Altenpflege ist das Belastungsniveau weiterhin sehr hoch, bei geringfügigen Verbesserungen…“ Umfangreiche Sonderauswertung vom 11.05.2023 beim DGB , siehe dazu:- Tag der Pflegenden: ver.di mahnt: Fachkräftemangel erfordert entschlossenes Handeln von Arbeitgebern und Politik
„Die Vereinte Dienstleistungsgewerkschaft ver.di fordert aus Anlass des Internationalen Tag der Pflegenden (12. Mai) alle Verantwortlichen dringend auf, umgehend und entschlossen zu handeln, um dem immer weiterwachsenden Fachkräftemangel entgegenzuwirken. Wie die aktuelle Sonderauswertung für die Pflege des Index für Gute Arbeit des Deutschen Gewerkschaftsbundes belegt, gehen 75 Prozent der Krankenpfleger*innen davon aus, ihren Beruf bei den derzeitigen Anforderungen wahrscheinlich nicht bis zur Rente ausüben zu können. In der Altenpflege geben dies 67 Prozent an. Die Sonderauswertung zeigt auch, dass die Beschäftigten in Folge der hohen Arbeitsbelastung Abstriche bei der Qualität gemacht haben…“ Pressemitteilung vom 11. Mai 2023 - Und zum aktuellen Anlass unser Dossier: Internationaler Tag der Pflegenden am 12.05.: Schluss mit HeldInnen der Aufopferung und Blumen!
- Tag der Pflegenden: ver.di mahnt: Fachkräftemangel erfordert entschlossenes Handeln von Arbeitgebern und Politik
- Notbetrieb als Normalfall: Der Gesundheitsmarkt
„… Der Gesundheitsminister ist zurzeit ständig gefordert. Zuerst musste er die Krankenhausfinanzierung neu justieren, um Über- bzw. Unterversorgung oder den Umgang mit dem Pflegenotstand wieder ins Lot zu bringen. Dann fehlte das Personal auf den Kinderstationen und [der Gesundheitsminister] ist zurzeit ständig gefordert. Zuerst musste er die Krankenhausfinanzierung neu justieren, um Über- bzw. Unterversorgung oder den Umgang mit dem Pflegenotstand wieder ins Lot zu bringen. Dann fehlte das Personal auf den Kinderstationen und empfahl die Verschiebung knapper Kontingente von den Erwachsenen- auf die Kinderstationen. Als weiteres Problem kam hinzu, dass viele Medikamente in den Apotheken fehlten – schliesslich ein Notruf aus den Notfallambulanzen, die Überforderung signalisierten. Erklärt wurde der eskalierende Notstand mal durch das Treiben der Krankheitserreger, z.B. durch die herrschende Epidemie der Atemwegserkrankungen, dann aber auch – Überraschung! – damit, dass ein Zuviel an Ökonomie zu konstatieren sei. Ein bemerkenswerter Gegensatz, den der Fachmann aus dem zuständigen Bundesministerium hier aufmacht! (…) Ökonomie, also das Wirtschaftsleben, kann ganz unterschiedlich gestaltet werden. Das betrifft auch die Abteilung, in der man sich mit der Frage befasst, wie eine Gesundheitsversorgung am besten zu organisieren und welcher Aufwand dafür zu betreiben ist. Mit dem Stichwort Ökonomie ist aber – nicht nur hierzulande – etwas Spezielles gemeint. Das Ziel der herrschenden Ökonomie besteht ja nicht einfach darin, die Bürger mit den lebensnotwendigen Gütern und Dienstleistungen zu versorgen, die Versorgung stellt vielmehr ein Mittel der Bereicherung dar. Rendite ist das Kriterium für den einzelnen Betrieb, Wirtschaftswachstum heisst das für den Standort – und das drückt aus, dass der Reichtum gemessen in Geld wachsen soll. In einer derartigen Kalkulation sind die Aufwendungen für Gesundheit Kosten, die niedrig zu halten sind, die es z.B. verbieten, Krankenhauskapazitäten nur für immer mal wieder auftretende Epidemien vorzuhalten, ohne dass sie ständig genutzt werden. Und damit ist schon der zentrale Punkt der Gesundheitsversorgung angesprochen: Sie ist eine Dienstleistung, die bezahlt wird, also ein Geschäftsartikel wie alles in dieser Gesellschaft. Die Aufwendungen für die Gesunderhaltung der Bürger gelten demnach auch als eine Last. Gesundheitsversorgung ist natürlich immer mit einigem Aufwand verbunden, doch wenn es der Zweck wäre, dass sich der Aufwand am Wohlergehen der Menschen orientiert und nicht am Wirtschaftswachstum in Form der Vermehrung von Geldvermögen, dann würde man ihn nicht als eine Last empfinden und dementsprechend einstufen. Anders in dieser Gesellschaft, in der die Aufwendungen für die Gesundheit als Belastung für den Staat, die Wirtschaft und die Bürger gelten und Letzteren zur Last gelegt werden. (…) Weil die Steuerung des Gesundheitswesens über finanzielle Anreize zwar viele Kosten einspart, aber immer wieder unerwünschte Effekte hervorbringt – das Interesse an einem kostengünstigen Gesundheitswesen und das Geschäftsinteresse derer, die es betreiben, gehen eben, wie gezeigt, nicht zusammen –, entsteht ein ständiger Reformbedarf auf Seiten der Gesundheitspolitik. Die Reformen haben aber nicht die Aufkündigung des grundlegenden Verhältnisses zum Inhalt, sondern zielen immer auf die Änderung der Anreize, die die Kosten begrenzen, zugleich das Geschäft weiter in Gang halten sollen. Zu spüren bekommen dies die Patienten in Form schlechter Versorgung und die Beschäftigten durch miese Bezahlung und hohe Belastung. Der Zustand wird mit jeder Reform der Reform fortgeschrieben: Denn Marktwirtschaft muss gehen, auch wenn jeder staatliche Eingriff dokumentiert, dass es mit ihr eine ordentliche Gesundheitsversorgung nicht geben wird.“ Beitrag von Suitbert Cechura vom 11. Januar 2023 beim untergrundblättle - Extrem hoher Krankenstand trifft auf zunehmende Übergriffe auf Gesundheitspersonal während „Flohmärkte in der Nachbarschaft“ den Medikamentenmangel lindern sollen
- „Intensivmediziner Karagiannidis: »So einen extrem hohen Krankenstand habe ich noch nicht erlebt«
„Grippe, RSV, Corona: Gleich mehrere Erreger sorgen derzeit für überfüllte Kliniken und Medikamentenmangel. Der medizinische Regierungsberater Karagiannidis sieht Deutschland nicht gut gerüstet. (…) »Der Krankenstand in der Gesellschaft ist aktuell extrem hoch, so etwas habe ich noch nicht erlebt«, sagte Präsident der Deutschen Gesellschaft für Internistische Intensivmedizin und Notfallmedizin der »Rheinischen Post«. In vielen Regionen gebe es so gut wie keine freien Intensivbetten mehr. (…) Karagiannidis ist Mitglied der Regierungskommission für Krankenhausversorgung. Neben den Engpässen an den Kliniken kämpft das Gesundheitswesen auch mit Engpässen bei einer Reihe von Medikamenten. Karagiannidis plädierte dafür, dass der Staat in Kooperation mit hiesigen Pharmaherstellern bestimmte Medikamente auf Vorrat produzieren lässt, damit diese immer in ausreichenden Mengen verfügbar sind. Das sei zwar teuer. »Aber ich finde es bedenklich für ein Land wie Deutschland, dass wir seit langer Zeit immer wieder mit solchen Engpässen zu kämpfen haben und sich dieser Mangel wegen der vielen Infekte in diesem Jahr besonders verschärft hat«, sagte Karagiannidis. (…) Angesichts überlasteter Kinderkliniken bekommt es das Gesundheitspersonal nach Einschätzung des Deutschen Roten Kreuzes (DRK) zunehmend auch mit Drohungen und Gewalt zu tun. »Es häufen sich Fälle von Androhung oder der tatsächlichen Ausübung psychischer und physischer Gewalt gegenüber dem Gesundheitspersonal«, sagte DRK-Präsidentin Gerda Hasselfeldt ebenfalls in der »Rheinischen Post«. Aufgrund der Personalknappheit und des Zeitdrucks sei eine gute Einbindung der Eltern oft nur unzureichend möglich, »was wiederum zu Informationsverlusten, der Häufung von Beschwerden und wachsender Anspannung auf allen Seiten führt«…“ Beitrag vom 17.12.2022 im Spiegel online , siehe auch: - „Flohmärkte in der Nachbarschaft“: Ärztekammer-Präsident ruft dazu auf, sich gegenseitig mit Medikamenten auszuhelfen
„Angesichts der aktuellen Infektionswelle und wachsender Arzneimittelknappheit hat der Präsident der Bundesärztekammer, Klaus Reinhardt, die Bevölkerung dazu aufgerufen, sich gegenseitig mit Medikamenten aus der Hausapotheke auszuhelfen. „Jetzt hilft nur Solidarität. Wer gesund ist, muss vorrätige Arznei an Kranke abgeben“, sagte Reinhardt dem Tagesspiegel. „Wir brauchen so was wie Flohmärkte für Medikamente in der Nachbarschaft.“ Reinhardt wies in diesem Zusammenhang darauf hin, dass dafür auch Arzneimittel infrage kommen könnten, deren Haltbarkeitsdatum bereits einige Monate abgelaufen sei…“ Artikel von Stephan-Andreas Casdorff vom 17.12.2022 im Tagesspiegel online - Personalknappheit: DRK: Immer mehr Angriffe auf Personal in Kinderkliniken
„Die Präsidentin des Deutschen Roten Kreuzes (DRK), Gerda Hasselfeldt, berichtet von zunehmenden Angriffen auf Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter in Kinderkliniken. „Es häufen sich Fälle von Androhung oder der tatsächlichen Ausübung psychischer und physischer Gewalt gegenüber dem Gesundheitspersonal“, sagte sie der „Rheinischen Post“ (Samstag). (…) Kurzfristige Abhilfe zu schaffen sei aber kaum möglich, ergänzte die DRK-Präsidentin. „Was die knappen personellen und materiellen Ressourcen betrifft, bedarf es einer nachhaltig gesicherten Finanzierung“, forderte sie. Das Pflegefachpersonal müsse dringend entlastet werden.“ Meldung vom 18.12.2022 in der Ärztezeitung online
- „Intensivmediziner Karagiannidis: »So einen extrem hohen Krankenstand habe ich noch nicht erlebt«
- Überlastete Kliniken: Was sind uns Kinder wert?
„Die Kinderkliniken müssen Patienten abweisen, die niedergelassenen Kinderärzte sind überlastet: Die kleinsten Patienten werden derzeit schlecht versorgt. Ein Problem mit Ansage. Doch ändern wird sich so schnell nichts. Das hat auch mit systemischen Fehlern zu tun, sagen Kinderschützer. (…) Doch dass die Kliniken jetzt an ihr Limit kommen, überrascht viele nicht wirklich. „Unser Kinder-Gesundheitssystem wird seit Jahren kaputtgespart“, sagt Nikola Klün, Ärztin für Kindermedizin in der neuesten Folge von recap. Hauptproblem sei das Fallpauschalen-System, sagt Klün. Leistungen von Ärzten und Pflegepersonal könnten „nicht richtig abgebildet“ werden. „Die Kindermedizin ist deswegen finanziell schwierig.“ (…) Es gibt einen festen Betrag für eine festgelegte Leistung. Das Problem ist, dass Kinder sehr unterschiedliche Bedürfnisse haben. Klün erklärt das am Beispiel des Blutabnehmens. Bei Erwachsenen sei das eine Sache von zwei, drei Minuten. „In der Kindermedizin kann so eine Blutentnahme unter Umständen auch mal eine Dreiviertelstunde in Anspruch nehmen“, sagt sie. Dazu kommt: Neben den Kindern müssen auch die Eltern betreut werden. All das kostet Zeit, für die im Abrechnungssystem kein Geld vorgesehen ist. Zudem müssen in Kinderkliniken mehr technisches Gerät und Personal vorgehalten werden. Auch das wird nicht bezahlt. In der Summe ist es für Kinderkliniken schwer, keine Verluste zu machen. (…) Kinder würden zu sehr als „Potenzial im Sinne der Verwertbarkeit“ gesehen. „Wir sehen in Kinder im besten Falle, wenn wir sie positiv bewerten, Fachkräfte, Renten-Einzahler“, sagt Grien. Stattdessen sollte sich die Gesellschaft vielmehr Fragen, was den Kindern jetzt hilft und nicht, was sie in Zukunft leisten könnten. Daher plädiert der Kinderschutzbund dafür, Kinderrechte ins Grundgesetz aufzunehmen…“ Beitrag vom 10. Dezember 2022 beim MDR , siehe auch, als ein Bsp. von vielen:- Lage in den Kinderkliniken: Mit Geld allein ist es nicht getan
„Die Infektionswellen überlasten die Krankenhäuser, wo Personal fehlt. Das hat mit dem ökonomischen Druck auf die Kliniken zu tun. Aber nicht nur damit…“ Kommentar von Hannes Heine vom 11.12.2022 im Tagesspiegel online - Kinder sterben, weil wir sie nicht versorgen können
„„Kinder sterben, weil wir sie nicht mehr versorgen können.“ Das hat Michael Sasse gesagt, der leitende Oberarzt der Kinderintensivmedizin an der Medizinischen Hochschule Hannover. Sarah Bosetti ist schockiert: „Kinder sterben, weil wir sie nicht mehr versorgen können.“ Und Sarah Bosetti weiß nicht, was sie ratloser zurücklässt: der Satz an sich oder die Tatsache, dass ihn ein Arzt in Deutschland sagen kann, ohne dass das Land implodiert. Momentan stecken sich sehr viele kleine Kinder mit dem RS-Virus an und müssen in die Kinderklinik. Das ist eine Atemwegserkrankung, die ohnehin so ziemlich alle Kinder kriegen – meist schon im ersten Lebensjahr. Dass sich jetzt so viele anstecken, liegt also nicht daran, dass die Maskenpflicht irgendwas am Immunsystem kaputtgemacht hat oder, dass es nicht ausreichend trainiert ist, sondern, dass die Maskenpflicht die Infektionen einfach verzögert hat. Die Kinder wären sowieso erkrankt. Nur halt ein Teil von ihnen früher. Sarah Bosetti ist der Meinung, dass man etwas Verrücktes tun und den Pflegenotstand und allgemein die katastrophalen Zustände in der medizinischen Versorgung beenden könnte. Aber das wäre ja furchtbar kompliziert. Und teuer. Man könnte natürlich sehen, dass sich in einem ohnehin kaputtgesparten Gesundheitssystem Kinder für die Kliniken noch weniger rechnen als Erwachsene, was zwangsläufig in diesem Zustand münden musste...“ Video bei youtube von „Bosetti will reden!“ vom 7.12.2022 - Siehe auch die Meldungen und Debatten unter #MedizinBrennt oder #MaskenpflichtJetzt
- Lage in den Kinderkliniken: Mit Geld allein ist es nicht getan
- Kliniken im Notbetrieb: Geschichte eines politischen Versagens
„Warnungen gab es genug. Schon vor der Pandemie. Das Pflegepersonal am Limit. Jetzt ist es vielfach darüber hinaus. Viele Kliniken im Notbetrieb. Wie konnte es so weit kommen? Wenn Eltern mit ihren Kindern in Notaufnahmen verzweifelt auf Hilfe warten, wenn Intensivmediziner von einer „katastrophalen Situation“ sprechen, dann läuft etwas grundsätzlich falsch. Dass es besonders im Winter zu extremen Engpässen kommt, liegt nur vordergründig an krankmachenden Viren. Schuld ist die Politik, die das Klinik-System viel zu lang dem freien Spiel ökonomischer Kräfte überlassen hat. Dokumentiert natürlich. (…) Inzwischen hat das Fallpauschalen-System absurde Züge. Es ist wie mit einer Schraube, die sich zunehmend schwerer windet und irgendwann steckenbleibt. Viel zu viele Operationen, auch viele unnötige, gleichzeitig viel zu wenig Pflegepersonal und deshalb Betten-Abbau. Hüfte, Knie, das bringt Geld. Kinderkliniken jedoch gehörten nie zu den gewinnbringenden Sektoren. Gesundheitsminister Karl Lauterbach (SPD) sieht die Lage mit großer Sorge. Ironie der Geschichte: Er selbst hat – federführend war damals Bundesgesundheitsministerin Ulla Schmidt (SPD) – die Fallpauschalen beratend mit eingeführt. (…) Hier eine Pflege-Offensive, dort eine „konzertierte Aktion“, das Thema „Pflegenotstand“ ploppte hoch und verschwand wieder. Die Pflegedirektorin einer großen Klinik nahm mich neulich zur Seite. 30 Jahre im Job und desillusioniert, verwaltet werde inzwischen nur noch der Mangel. (…) Den Preis zahlen jetzt die Kranken. Die Kinder, weil ihre Versorgung in Gefahr ist, die Erwachsenen, weil planbare Operationen verschoben werden und auch die Pflegenden, Ärzte und Ärztinnen, die eine Notsituation nach der anderen ausbügeln müssen. Die Geschichte vom funktionierenden Kliniksystem ist schon lange auserzählt.“ Beitrag von Britta Spiekermann vom 03.12.2022 bei ZDF heute mit Fotos und Videos - Corona-Lage in Krankenhäusern eskaliert
„Die Belegung der Kliniken wegen steigender Corona-Infektionen hat sich in nur einer Woche bundesweit verdoppelt. In mehreren Bundesländern sind Intensivstationen und Notaufnahmen hoffnungslos überlastet. Betten können aufgrund von Personalmangel nicht belegt werden, und viele Kliniken melden sich von der Notfallversorgung ab. Die rasante Ausbreitung des Corona-Virus in Deutschland und international bringt die Kliniken, die seit fast drei Jahren am Limit sind, erneut an den Rand des Zusammenbruchs. Diese Entwicklung war nicht nur vorhersehbar, sie wurde bewusst in Kauf genommen. Die Regierungen in Bund und Ländern sind trotz der Gefahren für Patienten und Beschäftigte nicht bereit, auch nur die elementarsten Schutzmaßnahmen umzusetzen. Gerald Gaß, Vorsitzender der Deutschen Krankenhausgesellschaft (DKG) berichtete jüngst, dass schon jetzt massenhaft geplante Operationen und Behandlungen verschoben werden und dringend benötigte Betten mangels Personals gesperrt sind. „Das sind Dinge, die mittlerweile wohl schon in der Hälfte der Kliniken passieren. Und die Lage wird sich in den kommenden Wochen wohl noch weiter verschlechtern,“ so Gaß. Wie aus dem Intensivregister der Deutschen Interdisziplinären Vereinigung für Intensiv- und Notfallmedizin (Divi) vom letzten Dienstag hervorgeht, mussten 1660 Corona-positive Patienten auf Intensivstationen behandelt werden…“ Beitrag von Markus Salzmann vom 18.10.2022 bei wsws mit vielen Beispielen - „Ich finde keine Worte“: Pflegefachkraft packt über Situation an bayerischer Klinik aus
„Viel Arbeit und zu wenig Personal. Die Situation an Bayerns Krankenhäusern sei nicht nur angespannt, „es brennt lichterloh“, schildert eine Pflegefachkraft.
München – Die Pandemie hat eine Berufsgruppe besonders in den Fokus gestellt: die Pflegekräfte. Doch diese fühlen sich in der anhaltenden Corona-Krise immer mehr alleingelassen. Es gibt viel Arbeit, viel Verantwortung und zu wenig Personal. „Ich finde keine Worte“, sagt eine Pflegefachkraft aus Franken zur aktuellen Situation an ihrer Klinik im Gespräch mit Merkur.de. Sie will anonym bleiben. „Pflegepersonal wird verheizt,“ sagt sie. Immer wieder würde es heißen, die Lage sei angespannt. „Es ist nicht angespannt, es brennt lichterloh“, findet sie klare Worte. Sie liebt ihren Job – das wird in dem Gespräch deutlich. „Ich häng an dem Haus, ich häng an den Leuten, wir machen großartige Medizin.“ Ihr blute deshalb das Herz, wenn Kollegen kündigen. Und das kommt immer öfter vor. Zu wenig Wertschätzung, zu wenig Gehalt, dafür anstrengende Arbeitsbedingungen und viel Verantwortung. In Nürnberg seien regelmäßig die Notaufnahmen abgemeldet, „die sehen kein Land“, berichtet sie von den dortigen Kliniken. Auf dem Portal Ivena könne das auch jeder selbst nachsehen. „Das könnten auch ein Herr Lauterbach oder ein Herr Holetschek tun. Aber es interessiert niemanden“, wird sie deutlich. (…) Auch die Corona-Politik lässt sie verzweifeln. Es gebe keinen Plan mehr für das Virus und man bekomme auch kein Geld mehr für Corona-Patienten, dabei sei die Arbeit die gleiche wie vergangenes Jahr. Und „die Welle rollt jetzt erst an.“ Es gebe mehr Infekte, weil niemand mehr Maske trage, das Norovirus komme und die Grippe „startet jetzt auch schon“. Diese Leute müsse man ebenfalls isolieren. „Das Norovirus kann ich nicht zum Herzinfarkt legen.“…“ Interview von Katarina Amtmann vom 18.10.2022 im Merkur.de - Münchens Krankenhäuser laufen über: Wiesn, Personalmangel und Sparpolitik sind schuld
„Der Betriebsrat der Städtischen Klinik schlägt Alarm: Bis zu 50 Prozent der Beschäftigten fallen krankheitsbedingt aus, während die Corona-Welle zu hohen Belastungen führt. Es braucht dringend Kampf für mehr Personal.
Am 11. Oktober veröffentlichte die Süddeutsche Zeitung den Brief des Betriebsrats der Städtischen Klinik (München Klinik – MÜK) an den Oberbürgermeister Münchens Dieter Reiter, die Aufsichtsräte sowie die Klinikleitungen (SPD). Der Brief ist eins der vielen Alarmsignale, die wir in den zweieinhalb Jahren Corona-Pandemie bekommen haben: Personal fehlt, die Krankenhäuser sind überlastet, weshalb die Patient:innenversorgung gefährdet ist. Diese Situation bringt die Beschäftigten an den Rand ihrer Kapazitäten – sowohl beruflich als auch gesundheitlich. So geht aus dem Bericht hervor, dass aktuell 30 bis 50 Prozent der Beschäftigten krankheitsbedingt ausfallen, die Belegung der Häuser von Patient:innen mit Corona ist auf dem Stand von Dezember 2021. Der Betriebsrat benennt als Auslöser der neuen Welle unter anderem das diesjährige Oktoberfest. Pandemiebedingt fand das Event in München die letzten zwei Jahre nicht statt. Es war vorhersehbar, dass die Zulassung der „Wiesn“ für einen Anstieg der Corona-Fälle sorgen würde. Doch dieses Jahr überwogen die finanziellen Anreize, die das traditionelle Fest mit sich bringt, anscheinend über die Sorge vor einer neuen Corona-Welle. Die kommerziellen Wünsche ignorieren den Zustand in den Kliniken, worunter letztlich die Beschäftigten und Patient:innen in Not leiden. Aber nicht nur das Oktoberfest ist ein Auslöser für den jetzigen erneuten Notstand in den Krankenhäusern. Es ist nur wieder einmal eine Situation, in der das Fass zum Überlaufen gebracht wurde. Dass im Herbst neben den Corona-Fällen auch die Influenza-Zahlen steigen würden, was immer zusätzliche Arbeit für die Krankenhäuser bedeutet, war voraussehbar. Natürlich sind die meisten Patient:innen inzwischen nicht mehr nur wegen Corona in Behandlung, sondern häufig ist die Infektion eine Begleiterscheinung, die im Krankenhaus jedoch Isolierung und aufwendige, zeitintensive Hygiene erfordert. (…) In dem Brief klagt der Betriebsrat die Belastung für das Personal an und fordert eine Zurückstellung elektiver stationärer Behandlungen. Des Weiteren geht aus dem Artikel hervor, wie daraufhin die Klinikleitung aus diesem, auf dem Zahnfleisch daher kriechenden System, noch versucht ein bisschen mehr rauszuquetschen: Viele elektive Behandlungen werden verschoben, was immer mit Frustration, schwierigen ethischen Fragen und Druck verbunden ist, Stationen werden zusammengelegt um die Krankheitsausfälle etwas aufzufangen und einen Notdienstbetrieb aufrecht zu erhalten. (…)Es ist ein deutliches Zeichen für die Schwäche der gewerkschaftlichen Organisierung an Münchens Kliniken, dass ein Appell das stärkste Signal seit Monaten für die Notstände an der MÜK ist…“ Beitrag von Charlotte Ruga vom 14. Okt 2022 bei Klassegegenklasse - Kapital kostet Gesundheit. Verbände protestieren gegen Zustände in Kliniken und Pflegeeinrichtungen, Bundesregierung setzt auf Profitmaximierung bei Konzernen
„Nach der Pandemie sind Krankenhäuser darum bemüht, verschobene Operationen nachzuholen. Verständlich, denn operative Eingriffe sind die ertragreichste Einnahmequelle eines Krankenhauses. Bezahlt wird pro Fall. Um die Zahl der Behandlungen zu erhöhen, werden Patienten früher nach Hause geschickt. Die Einnahmen steigen somit. Man nennt es »blutige Entlassungen« – wenn zwei Betten frei sind und »du weißt, sieben neue Patienten kommen«, erklärte ein Krankenpfleger an der Berliner Charité am Rande der Kundgebung der streikenden Ärzte am Mittwoch. Zu wessen Lasten – darauf warfen die Schilder der Protestierenden ein Schlaglicht: »Time is money«, »Risikofaktor müder Arzt«, »Leben am Limit«. Am Donnerstag und Freitag findet in Berlin Deutschlands größter Pflegekongress statt – der »Deutsche Pflegetag«. Anlass genug für eine Wasserstandsmeldung zur deutschen Gesundheitspolitik. Jedem ist klar: Die Abschaffung der Finanzierung über das Fallpauschalensystem wäre das Mindeste, um die Gesundheitsversorgung zu verbessern. (…) Auch die geplante Abschaffung der Neupatientenregelung, in der die Budgetierung für Patienten aufgehoben ist, die das erste Mal eine Praxis besuchen, ruft Protest hervor. So mahnte etwa der Berufsverband für Frauenärzte am Dienstag, dass »die aktuellen gesundheitspolitischen Vorhaben so schädlich wie wegweisend sind, wenn es um die nachhaltige Sicherstellung des Zugangs zur ambulanten Gesundheitsversorgung geht«. Und die Deutsche Krankenhausgesellschaft (DKG) reagierte am Mittwoch fassungslos auf die Ministerpräsidentenkonferenz, die die Kostenverteilung bei den Maßnahmen zur »Entlastung« klären sollte. »Mit der Frage, wie wir die immensen Kosten der galoppierenden Inflation ausgleichen sollen, werden wir weiterhin alleingelassen«, erklärte der DKG-Vorstandsvorsitzende Gerald Gaß. Und so steige »die Gefahr von Insolvenzen von Woche zu Woche«. Die Präsidentin des Deutschen Pflegerats klagte am Donnerstag darüber, dass sie mit ihrer Expertise in Karl Lauterbachs Haus nicht durchdringe. »Wir werden in zehn Jahren die Menschen nicht mehr versorgen können«, sagte Christine Vogler im Spiegel. (…) Jedem muss klar sein: Um Gesundheit, Pflege oder eine bedarfsgerechte Versorgung geht es in der bundesdeutschen Gesundheitspolitik nicht. Dagegen hilft kein Klagen. Die Beschäftigten haben das längst begriffen.“ Artikel von Susanne Knütter in der jungen Welt vom 07.10.2022 - Ärztin Meinecke macht eine Woche Dienst nach Vorschrift. Protestwoche der Kassenärzte: Patienten erhalten neue Termine, akute Fälle werden behandelt
„… Nachdem in den vergangenen Wochen die schwierige Lage der Krankenhäuser ein großes Thema gewesen ist, trumpfen nun die Kassenärzte mit einer Protestwoche auf: Viele Arztpraxen im Land Brandenburg haben angekündigt, ihre Sprechstunden vom 4. bis 7. Oktober deutlich einzuschränken. So sieht ihre Beteiligung an der Aktionswoche »Dienst nach Vorschrift« aus, zu der die Kassenärztliche Vereinigung Brandenburg (KVBB) gemeinsam mit Berufsverbänden der Ärzte aufgerufen hatte. Die Behandlung von Akutpatienten soll in dieser Zeit »regional-kollegial gewährleistet« werden…“ Artikel von Matthias Krauß am 05.10.2022 im ND online - [Mittelfranken] Klinik-Personal: „Wir fühlen uns wie ein taumelnder Boxer in der vierten Runde“
„Die Corona-Zahlen steigen wieder, die Situation in Krankenhäusern rund um Nürnberg ist angespannt. Eine Insiderin erzählt von ihrem Arbeitsalltag am Limit. Weinendes Personal, überfüllte Notaufnahmen, der Kollaps droht. Das Bild, das eine Angestellte von der Situation der Notversorgung in Mittelfranken zeichnet, ist erschütternd. Es steht wohl exemplarisch für die derzeitige Lage an einigen Kliniken. „Wir fühlen uns wie ein taumelnder Boxer in der vierten Runde“: So beschreibt die Frau ihre aktuelle Situation. Sie arbeitet in einem mittelfränkischen Krankenhaus, welches der Schwerpunktversorgung zuzurechnen ist. „Das Pflegepersonal ist selbst krank und psychisch am Ende“, erzählt sie t-online. Die Motivation sei gänzlich dahin. Dabei arbeite sie seit über zehn Jahren in der Notaufnahme. Weinendes Personal und überfüllte Notaufnahmen seien keine Seltenheit. Mehr möchte sie nicht über sich preisgeben – aus Angst vor Repressalien. Nun seien die Corona-Patientenzahlen binnen zwei Wochen auch noch erneut explodiert. „Die Kliniken sind am Limit“, erzählt sie. Im Raum Nürnberg gebe es kaum noch freie Betten. Dass Patienten nach Baden-Württemberg verlegt werden, sei an der Tagesordnung. (…) Die Pflegepersonaluntergrenzen ignorieren die Kliniken nach Informationen der Angestellten bewusst, zahlen lieber „die lächerlich geringe Strafe“. Auch von der Regierung zeigt sie sich enttäuscht: „Mit welcher Ignoranz uns die Politik begegnet, ist fast bewundernswert.“ Die prekäre Lage im gesamten Gesundheitssektor bestätigt auch das Klinikum Nürnberg: „Die Kapazitäten sind angespannt.“ Das liege an dem allgemein hohen Aufnahmedruck und der engen Personallage, erklärt Sprecherin Julia Peter auf Nachfrage von t-online. Beim Personal gebe es nach wie vor krankheitsbedingte Ausfälle, außerdem bekomme man den generellen Fachkräftemangel zu spüren…“ Artikel von Meike Kreil vom 06.10.2022 bei t-online , siehe auch:- Thread von Die 78. Nell vom 5. Okt. 2022 : „Die Kliniken in Mittelfranken kollabieren. Kein Pflegepersonal mehr da, keine Versorgung der Patienten. Überfüllte Notaufnahmen, weinendes Personal. @Markus_Soeder soll das so? Was denken Sie, wie lange wir das noch stemmen können? Schade, dass wir nicht wichtig sind…“
- [Nun zweiter „Brandbrief“] Katastrophale Situation an Berliner Kinderkliniken
„Am 20. September richtete die „Initiative der Berliner Kinderkliniken“ einen zweiten „Brandbrief“ an Bundesgesundheitsminister Karl Lauterbach (SPD) sowie an die Berliner Gesundheitssenatorin Ulrike Gote (Grüne) und die Leitungen der Berliner Kinderkliniken. Sie versucht damit auf die verheerende Situation an den Kinderkliniken und der Kinderrettungsstelle in der Hauptstadt aufmerksam zu machen. Unterzeichnet wurde der Brandbrief von Kinderärztinnen und Kinderärzten der Charité, den Vivantes Kliniken Neukölln und Friedrichshain, den Helios Kliniken Berlin-Buch und Emil-von-Behring, dem St. Joseph Krankenhaus, dem DRK-Klinikum Westend, dem Sana Klinikum Lichtenberg und dem Evangelischen Waldkrankenhaus Spandau. Auf den ersten „Brandbrief“ vom 24. Januar diesen Jahres, waren trotz der angespannten Lage keinerlei konkrete Maßnahmen erfolgt. Nun sieht die Initiative die Gesundheit der Patienten in „unmittelbarer Gefahr“. (…) „Die Situation in den Kinderkliniken ist sehr ernst“, sagt eine Sprecherin der Initiative und ergänzt: „Wir stehen am Beginn der RSV-Welle [Respiratorische Synzytial-Virus, welches akute Atemwegserkrankungen verursacht und vor allem für unter Einjährige gefährlich werden kann].“ Damit drohen erneut „unzumutbare Zustände für Patienten und Mitarbeiter“, wie dies bereits im vergangenen Jahr der Fall war. (…) Die Unterbesetzung der Kinderrettungsstelle mit qualifiziertem Personal ist so stark, dass die Folgen direkt spürbar sind. In den Rettungsstellen entscheidet der Schweregrad einer Erkrankung oder Verletzung, in welchem Zeitfenster eine Behandlung eingeleitet werden muss. Eine solche Einschätzung kann jedoch nur dafür qualifiziertes Personal vornehmen. Nach Aussage der Initiative wird das vorgesehene Zeitfenster für die Behandlung aufgrund des Personalmangels bei nicht lebensbedrohlichen Notfällen „regelmäßig“ überschritten. Patienten müssten teilweise bis zu sechs Stunden auf ihre Behandlung warten, was Kinder und Eltern nicht nur an die Grenzen der Belastbarkeit bringt, sondern wodurch auch vermeidbare Notfallsituationen entstehen, wie der Berliner Tagesspiegel berichtete. (…) Bundesweit sank die Bettenanzahl in klinischen Abteilungen für Kinder- und Jugendmedizin laut Statistischem Bundesamt von 35.160 (1991) auf 20.331 (2017). Aus diesem Grunde fordert die Initiative der Berliner Kinderkliniken eine überregionale Bettenkoordination und die Modernisierung der Infrastruktur als Ganzes. Im Zentrum stehen die Forderungen nach mehr ärztlich qualifiziertem Personal in der Kinderrettungsstelle und einem festen Arzt-Patienten-Schlüssel auf den Kinderstationen von 1:6. Die Abschaffung der Fallpauschalen, nach deren Kriterien die Kliniken und Abteilungen die Kosten für die Behandlung, Medizin und medizinische Geräte sowie den Zeitaufwand stereotyp abrechnen müssen, gehört ebenfalls zu den Forderungen der Initiative…“ Beitrag von Carola Kleinert und Markus Salzmann vom 3. Oktober 2022 bei wsws.org , siehe dazu:- Die Initiative der Berliner Kinderkliniken auch auf Twitter und dort der 2. Brandbrief
- ver.di fordert Aussetzen der einrichtungsbezogenen Impfpflicht: Ungerechter Regelung ein Ende setzen
„Anlässlich der Bundesratsdebatte über das Infektionsschutzgesetz am 16. September 2022 fordert die Gewerkschaft ver.di ein Aussetzen der einrichtungsbezogenen Impfpflicht. »Ein breiter Impfschutz in der Bevölkerung ist weiterhin das entscheidende Mittel zur Eindämmung der Pandemie«, betont ver.di-Bundesvorstandsmitglied Sylvia Bühler. »Es gibt jedoch keine überzeugende Begründung, allein die Beschäftigten in Gesundheitseinrichtungen zur Impfung zu verpflichten.« Unter Gesundheitsbeschäftigten bestehe ohnehin eine überdurchschnittlich hohe Impfbereitschaft. »Ob in Krankenhäusern, Pflegeheimen, beim Rettungsdienst oder in anderen Gesundheitseinrichtungen – die Beschäftigten sind in den vergangenen zweieinhalb Jahren allzu oft über ihre physischen und psychischen Grenzen gegangen, um anderen Menschen in der Pandemie zu helfen«, so Bühler. »Vor allem nach dem Scheitern einer allgemeinen Impfpflicht stößt es vielen böse auf, dass alleine Beschäftigte aus dem Gesundheitswesen zur Impfung verpflichtet sind, wenn sie weiterhin ihrem Beruf nachgehen wollen.« Hinzu komme, dass die Personalnot so noch verschärft und das Gesetz in den Bundesländern ganz unterschiedlich umgesetzt werde. »Die Länder haben es in der Hand, dieser ungerechten Regelung ein Ende zu setzen.«“ Pressemitteilung vom 16.9.2022 bei ver.di Gesundheit, Soziale Dienste, Bildung und Wissenschaft - Hohe Kosten und Personalausfälle: NRW-Krankenhäuser schlagen Alarm vor dem Corona-Herbst
„In allen Bereichen gehen Kosten durch die Decke, das Personal sei am Limit, die Corona-Welle sei über den Sommer gar nicht abgeebbt. Die Kliniken in Nordrhein-Westfalen warnen in scharfen Tönen: Man fürchte Insolvenzen. Explodierende Kosten bringen die Kliniken in Nordrhein-Westfalen ins Trudeln. Man gehe „personell und finanziell vollkommen ausgepowert in den Corona-Herbst“. Wegen der Pandemie-Belastungen seien die Beschäftigten physisch und psychisch am Limit, „und zwar nicht nur in der Pflege, sondern alle“. In dramatischen Tönen schlug der Präsident der Krankenhausgesellschaft NRW, Ingo Morell, am Freitag Alarm. Zynisch wurde er mit Blick auf die Auswirkungen der Pandemie. „Der Gesetzgeber hat ja beschlossen, dass Corona in den Krankenhäusern vorbei ist“, ätzte Morell in Richtung Berlin. Der Virus habe sich daran den Sommer über aber nicht gehalten. In der Spitze habe man in NRW-Kliniken 4500 Patientinnen und Patienten mit Corona gehabt: „Die Krankenhäuser sind vom Normalbetrieb meilenweit entfernt“, so Morell. „Die Welle ist aus unserer Sicht nie abgeebbt.“ Nun hätten die meisten Krankenhäuser die Pandemie bisher nur durch staatliche Hilfszahlungen wirtschaftlich überlebt; vor allem Personalausfälle brachten finanzielle Verluste mit sich. Die Aufschläge und Ausgleichszahlungen seien aber inzwischen ausgelaufen, obwohl es weiterhin besondere Belastungen gebe. (…) Die Krankenhausgesellschaft NRW sieht den Bund in der Verantwortung, für einen Inflationsausgleich für das laufende Jahr 2022 und für Lösungen für das Jahr 2023 zu sorgen. „Wir werden sicherlich im Milliardenbereich Hilfestellungen brauchen“, prognostizierte Ingo Morell für ganz NRW. „Wir möchten verhindern, dass Krankenhäuser sich durch eine Insolvenz verabschieden müssen“ – oder dass sie Bereiche schließen müssten, die für die Versorgung der Bevölkerung wichtig seien. Die Landesregierung müsse Druck auf den Bund ausüben…“ Artikel von Sina Zehrfeld vom 9. September 2022 bei RP Online - Gesundheitswesen bei Milliardenentlastung vergessen
„Die Ampelkoalition aus SPD, Grünen und FDP hat sich auf ein drittes Entlastungspaket im Umfang von etwa 65 Milliarden Euro geeinigt. Das Gesundheitswesen, vor allem Krankenhäuser, Pflegeeinrichtungen und Arztpraxen, standen nicht auf der Agenda. Das stößt auf Kritik. „Auch im dritten Entlastungspaket der Bundesregierung sind die Krankenhäuser nicht berücksichtigt worden“, bemängelte heute der Präsident der Deutschen Krankenhausgesellschaft (DKG), Gerald Gaß. Dabei stünden sie infolge der aktuellen Kostensteigerungen vor enormen wirtschaftlichen Herausforderung. Haupttreiber der aktuellen Kostensteigerungen sind nach Aussagen der DKG die Preise für Gas und Strom. Hochgerechnet auf alle Krankenhäuser lägen die Mehrkosten für Energie im kommenden Jahr bei rund vier Milliarden Euro mehr als noch 2021, hieß es heute. Detaillierte Beispiele und die befürchteten Konsequenzen hatte die DKG heute in Berlin vorgestellt. Gaß erläutert, die Krankenhäuser könnten die gestiegenen Preise nicht einfach, wie andere Unternehmen, an ihre Patienten weitergeben. „Es geht hier um einen exogenen Schock, dessen Auswirkungen die Krankenhäuser aus eigener Kraft und durch eigenes Management nicht mehr bewältigen können“, mahnte er. Man befinde sich branchenweit „in einer dramatischen Situation“. Bayerns Gesundheitsminister Klaus Holetschek forderte vom Bund angesichts der steigenden Energiekosten schnelle Finanzhilfen für die Krankenhäuser…“ Meldung vom 5. September 2022 im Ärzteblatt online - „Nahezu täglich melden sich Notaufnahmen ab“: Klinikärzte und Pflegekräfte warnen vor Kollaps in Berliner Rettungsstellen
„In Berlins Krankenhäusern fehlt Personal. Fast ein Viertel der Rettungsstellen ist regelmäßig überlastet. Auch schwere Fälle warten zuweilen Stunden auf Hilfe. Fast ein Viertel der 38 Berliner Rettungsstellen meldet sich im Laufe eines Tages ab, nimmt dann also keine oder nur äußerst wenige Patienten auf. Insbesondere die größeren Notaufnahmen in Mitte, Neukölln und Berlins Nordwesten teilten Feuerwehr und Krankentransporten diesen Sommer mehrfach die Woche mit, für Stunden oder gar bis zum nächsten Tag keine neuen Fälle versorgen zu können. Das erfuhr der Tagesspiegel von Notärzten und leitenden Pflegekräften diverser Kliniken. In einem Betriebsratsschreiben der Vivantes-Krankenhäuser, die acht Rettungsstellen betreiben, heißt es: Der desolate Zustand der Rettungsstellen erschöpfe und frustriere die eingesetzten Kollegen, „Krankmeldungen“ häuften sich, es gebe „Kündigungswellen“, was den Personalmangel verstärke. (…) Fast alle Krankenhäuser suchen dringend Personal, die Arbeit in Rettungsstellen gilt als besonders belastend – zumal für diese Abteilungen von den Krankenkassen nur geringe Pauschalen gezahlt werden. Nach Tagesspiegel-Informationen bewerben sich Pflegekräfte, Medizinische Fachangestellte (MFA) und Ärzte verstärkt aus den Notaufnahmen weg, um in Kliniken ohne Rettungsstelle zu arbeiten. Wie berichtet musste auch der Rettungsdienst der Feuerwehr in diesem Sommer fast täglich den Ausnahmezustand erklären, weil nicht genügend besetzte Notfallsanitäter zur Verfügung standen…“ Artikel von Hannes Heine vom 11.8.2022 im Tagesspiegel online - [Nicht nur Kliniken in Bayern] Notruf aus der Notaufnahme. Experten appellieren, diese nur in wirklich dringenden Fällen aufzusuchen
„Vor einigen Tagen zogen die Verantwortlichen im Bezirkskrankenhaus Bayreuth die Notbremse und verhängten in der Klinik für Psychiatrie, Psychotherapie und Psychosomatik einen dreitägigen Aufnahmestopp. 81 Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter aus dem Pflege- und Erziehungsdienst waren krankgeschrieben – zu viele, um die Einweisung neuer Patientinnen und Patienten aufrechtzuerhalten. Erstmals in der Corona-Pandemie sahen sich die Betreiber zu einem solch drastischen Schritt gezwungen. Selbst Notfälle, etwa akut suizidgefährdete Personen, hätten währenddessen in andere Häuser geschickt werden müssen – wie viele tatsächlich betroffen waren, weiß die Klinik nicht. Inzwischen habe sich die Lage stabilisiert, seit vergangenem Montag könne man auch wieder neue Fälle versorgen, sagt ein Sprecher der Gesundheitseinrichtungen des Bezirks Oberfranken. „Aber wir beobachten die Lage weiterhin mit großer Sorge.“ Die Sorgen sind groß, nicht nur in Bayreuth. Fast alle bayerischen Krankenhäuser stehen in dieser Corona-Sommerwelle unter Druck. Vor allem Personalausfälle machen den Einrichtungen zu schaffen, die Bayerische Krankenhausgesellschaft (BKG) schätzt, dass bayernweit bis zu 15 Prozent der Angestellten nicht arbeiten können – wegen Krankheit oder Quarantäne. Waren es vor einigen Monaten noch die Intensivstationen, die den Kliniken den meisten Stress bereiteten, sind es inzwischen oft die Notaufnahmen. Das RoMed-Klinikum im oberbayerischen Rosenheim zum Beispiel hat seine Notaufnahme – die größte und wichtigste im südöstlichen Oberbayern – zuletzt immer wieder abmelden müssen. Weil im Moment zwei- bis dreimal so viele Mitarbeiter krank sind wie sonst, konnte die Klinik in den vergangenen Monaten fast zu einem Drittel der Zeit überhaupt keine neuen Notfallpatienten aufnehmen, sagt RoMed-Geschäftsführer Jens Deerberg-Wittram. (…) Das Problem betrifft Häuser in ganz Bayern und ist längst auch bei den Rettungsdiensten angekommen. (…) Urlaub, den hätten die Angestellten im Krankenhaussystem bitter nötig, sagt Robert Hinke, Bereichsleiter Gesundheit bei Verdi Bayern. Doch schon wieder müssten Pflegerinnen und Pfleger Urlaube verschieben, um den Mangel zu kompensieren. „Viele können einfach nicht mehr“, betont der Gewerkschafter. Er schildert das Beispiel eines Notfallsanitäters, der wochenlang bis zu 15 Stunden am Tag im Einsatz gewesen sei und jetzt wegen einer psychischen Erkrankung monatelang ausfalle. Immer mehr medizinisches Personal würde chronisch erkranken, sagt Hinke. „Wir haben es mit einer Parallelwelt zu tun. Während die Leute draußen leben, als würde es das Virus nicht mehr geben, spitzt sich die Lage in den Kliniken immer weiter zu.“…“ Artikel von Thomas Balbierer und Matthias Köpf vom 31. Juli 2022 in der Süddeutschen Zeitung online - OVG Niedersachsen kippt Druckmittel für einrichtungsbezogene Impfpflicht: Wer Ungeimpfte wegen Personalknappheit weiterarbeiten lässt, kann sich bei Zwangsgeldern nicht auf Infektionsschutz berufen
„Während manche Landkreise – wie etwa Mittelsachsen – schon wegen der hohen Zahl Ungeimpfter unter den Beschäftigten von Kliniken und Pflegeheimen die einrichtungsbezogene Impfpflicht erklärtermaßen nicht mit Betretungsverboten durchsetzen , um die Versorgungssicherheit nicht zu gefährden, gibt es nun auch ein Gerichtsurteil , mit dem Druckmittel wie Zwangsgelder für rechtswidrig werden. Im Kern geht es in dem Urteil darum, dass nur sofortige Betretungsverbote mit dem Schutz vulnerabler Gruppen begründet werden könnten. Wer Ungeimpfte in den Einrichtungen aufgrund von Personalknappheit erst einmal weiterarbeiten lässt, kann sich demnach beim Verhängen von Zwangsgeldern nicht mehr mit dem Infektionsschutzgesetz berufen. (…) Bereits die erste Instanz hielt diese Androhung für unzulässig und führte aus, dass die Vorgehensweise wegen eines Verstoßes gegen die vom Gesetzgeber geschützte Freiwilligkeit der Impfentscheidung „voraussichtlich rechtswidrig“ und nicht durch die Anforderungen der „einrichtungsbezogenen Impfpflicht“ für Gesundheitspersonal nach Paragraph 20a Abs. 5 Satz 1 des Infektionsschutzgesetzes (IfSG) gedeckt sei. Das OVG schloss sich dieser Rechtsauffassung an: Die Mitarbeiterin werde vom Landkreis mittelbar dazu verpflichtet, in der vorgegebenen Frist die Impfungen gegen das Coronavirus vornehmen zu lassen. Für eine solche Verpflichtung einer ungeimpften Person und erst recht für die Durchsetzung mittels eines Zwangsgeldes gebe es keine rechtliche Grundlage. Auch die „einrichtungsbezogene Impfpflicht“ könne das nicht begründen, erklärte das Gericht. Faktisch würden die Betroffenen nämlich nur vor die Wahl gestellt, „entweder ihre bisherige Tätigkeit aufzugeben oder aber in die Beeinträchtigung ihrer körperlichen Integrität durch die Impfung einzuwilligen“. Dementsprechend habe das Gesundheitsamt nur die Möglichkeit, bei Nichtvorlage eines Nachweises ein sofort vollziehbares Betretungs- oder Tätigkeitsverbot auszusprechen. Dies entspreche dem Sinn und Zweck der einrichtungsbezogenen Impfpflicht, äußerst vulnerable Personengruppen vor einer Infektion mit dem Coronavirus zeitnah und in besonderem Maße zu schützen. Eine Androhung von Zwangsgeld sei hingegen rechtswidrig. Die Entscheidung des Senats sei nicht anfechtbar, erklärte das Gericht.“ Beitrag von Claudia Wangerin von 24. Juni 2022 bei Telepolis - [Kommentar] Das Bundesverfassungsgericht zur einrichtungsbezogenen Impfpflicht: „Das Grundgesetz kennt allerdings keinen Gewaltenmonismus in Form eines umfassenden Parlamentsvorbehalts“
„Was hat die zitierte Aussage in der Überschrift, die sich in Rn. 126 des Beschluss des Ersten Senats vom 27. April 2022 – 1 BvR 2649/21 befindet, überhaupt mit der Entscheidung des BVerfG zur sogenannten „einrichtungs- und unternehmendbezogenen Nachweispflicht“ (oder kurz: „einrichtungsbezogenen Impfpflicht“) zu tun? (…) Es geht dem Gericht nämlich nicht nur um eine „Verkürzung des verfassungsgerichtlichen Rechtsschutzes“ (Buermeyer), sondern auch um eine Verkürzung des Demokratieprinzips (…) Diese neue Art spezieller Notstandsregelung sollte auch deshalb sehr kritisch betrachtet werden, weil sie bisher ungekannte Möglichkeiten der Begründung eröffnet: Gibt es nicht noch andere denkbare Katastrophen, die eine Verkürzung des Gesetzgebungs- und Rechtssetzungsverfahren erlauben? (…) Es wertet der Senat die existenzielle Bedrohung durch Verlust des Arbeitsplatzes also nicht als Mittel des Zwanges, was wohl nur als sehr gewagt bezeichnet werden kann. Trotz des maßgeblichen Bezugs auf vulnerable Personen in der Begründung, bestreitet der Senat ferner, dass die von der Nachweis- und Impfpflicht Betroffenen „zum bloßen Objekt des Schutzes vulnerabler Personen“ gemacht werden (…) wenn er behauptet, dass gerade von Ungeimpften ein besonders An-steckungsrisiko ausgeht, impliziert dies auch, dass von Geimpften diese Risiko nicht vergleichbar ausgeht. Ersteres scheint zu stimmen. Letzteres müsste jedoch bewiesen werden – und zwar so, dass sich damit massive Grundrechtseingriffe überhaupt rechtfertigen lassen...“ Kommentar von Armin Kammrad vom 30. Mai 2022 – wir danken!- Siehe hier unten im Dosssier auch (seine) frühere Kommentare zur einrichtungsbezogenen Impfpflicht
- Infos und Kommentare zur allgemeinen Impfpflicht befinden sich im Dossier: Die „Gesundheitsdiktatur“ (?) – Notstand wegen Corona-Virus verlangt nach Wachsamkeit gegenüber dem Staat
- „Jede Sekunde leiden Pflegekräfte an den desaströsen Zuständen“
„Überlastung, Unterbesetzung, keine Unterstützung. Dieser Gastbeitrag schildert schockierende Situationen, wie sie jeden Tag in unserem völlig überlasteten Gesundheitssystem geschehen. Aber er sagt auch: Wir müssen uns organisieren, um dagegen vorzugehen. (…) Dies sind nur einige von vielen unbeschreiblichen, fordernden und nur schwer realisierbaren Erfahrungen und Erlebnissen von Arbeiter:innen im Gesundheitswesen. Im deutschen Gesundheitssystem wird systematisch mit der seelischen Gesundheit der Beschäftigten gespielt. Pflegende werden vom Arbeitgeber, von der Gesellschaft und letztlich vom Kapital mit ihrem Glauben an die Menschheit, ihrer Nächstenliebe und ihrer Stressresistenz erpresst. Die geschilderten Situationen zeigen mit welcher Belastung dieser Beruf einhergeht. Jeden Tag, jede Nacht, jede Sekunde leiden Pflegekräfte an den desaströsen Zuständen in diesem Beruf. Dass die Pflege selbst auf einen Abgrund zusteuert, ist bekannt. Die Politiker:innen wissen es. Die Arbeitgeber:innen wissen es und die Beschäftigten wissen es auch. Doch die Gesellschaft hat es verdrängt. Niemand will sich ausmalen müssen, was passiert, wenn es urplötzlich dem eigenen Körper schlecht geht und die eigene Versorgung im Krankenhaus nicht gewährleistet werden kann. Niemand will sich damit auseinandersetzen, was tagtäglich in Krankenhäusern, Rettungswagen, Seniorenheimen oder Kreißsälen abgeht. Niemand will sich mit der Gesundheit der dort Beschäftigten auseinandersetzen. Warum auch? In der Zeitung steht ja gar nichts mehr darüber. Und bei „Greys Anatomy“ ist das ja gar nicht so schlimm. Und wer ein Problem in seinem Job hat, soll sich eben einen anderen suchen. Das Pflegepersonal darf solche Lösungsansätze nicht ignorieren. Keine Frage. Dies sind gezielte Angriffe auf die Identität des Pflegeberufs. Die Gesellschaft – und ja, das sind wir alle – ist in der Verantwortung darauf aufmerksam zu machen. Ein Gesundheitssystem muss funktionieren! Es darf nicht sein, dass unsere Probleme sind, welches Auto wir fahren oder welche Schuhe wir tragen. Wir müssen für Gerechtigkeit und Gleichbehandlung einstehen. Das bedeutet zwangsläufig, dass wir uns politisch engagieren müssen…“ Gastbeitrag vom 25. Mai 2022 bei Klasse gegen Klasse - Arbeitsgericht Gießen: Keine Beschäftigung für impfunwillige Pflegekräfte in Seniorenheimen – Armin Kammrad: Keine gesetzwidrige Eigenmacht von Arbeitgebern beim Infektionsschutz!
- [Arbeitsgericht Gießen] Einrichtungsbezogene Impfpflicht in Seniorenheimen: Keine Beschäftigung für impfunwillige Pflegekräfte
„Beschäftigte im Pflege- und Gesundheitssektor, die sich nicht impfen lassen möchten, darf der Arbeitgeber freistellen. So entschied es ein erstes Arbeitsgericht. (…) Ohne die Erteilung eines behördlichen Beschäftigungsverbots ist eine Beschäftigung des ungeimpften Mitarbeiters rechtlich zulässig. (…) Die Leitung eines Seniorenheims wollte jedoch auf Nummer sicher gehen. Sie stufte das Risiko einer Beschäftigung von ungeimpften Mitarbeitern mit Kontakt zu den teils hochbetagten Heimbewohnern als zu hoch ein. Als zwei dort beschäftigte Mitarbeiter den Impf- bzw. Genesenenstatus nicht nachweisen konnten, stellte das Seniorenheim die Beschäftigten kurzerhand von der Verpflichtung zur Erbringung der Arbeitsleistung frei. Ein behördliches Beschäftigungsverbot war zu diesem Zeitpunkt nicht erteilt worden. Die betroffene Pflegefachkraft und der betroffene Wohnbereichsleiter wollten diese Freistellung nicht hinnehmen. Sie verlangten ihre Beschäftigung und machten diese sodann im Wege der einstweiligen Verfügung gerichtlich geltend. Damit scheiterten sie aber vor dem Arbeitsgericht Gießen (Urt. v. 12.04.2022, Az.: 5 Ga 1/22 und 5 Ga 2/22). Denn das Gericht teilte die Auffassung des Arbeitgebers: Aus der infektionsschutzrechtlichen Vorschrift des § 20a Abs. 3 S. 4 IfSG folge zwar ein unmittelbares Beschäftigungsverbot bei Nichtvorlage eines Impf- oder Genesenennachweises nur für ab dem 16. März 2022 neu eingestellte Personen, nicht aber für bislang schon beschäftigte Personen, so die Kammer ausweislich der Pressemitteilung. Gleichwohl sei es einem Arbeitgeber unbenommen, unter Berücksichtigung der gesetzlichen Wertungen des § 20a IfSG und unter Anwendung billigen Ermessens das besondere Schutzbedürfnis der Heimbewohner höher als das Beschäftigungsinteresse ungeimpfter bzw. nicht-genesener Mitarbeiter zu gewichten. Denn der Gesundheitsschutz der Heimbewohner überwiege im Rahmen einer Abwägung der widerstreitenden Interessen. (…) Eine Sonderkonstellation könnte sich im Übrigen dann ergeben, wenn der betroffene Arbeitnehmer gem. § 20a Abs. 1 S. 2 IfSG eine ärztliche Bescheinigung vorlegt, wonach er aufgrund einer medizinischen Kontraindikation nicht geimpft werden kann. Zwar bleibt die Gefährdung der Rechtsgüter der Bewohner in diesem Fall gleichermaßen hoch, was für die Zulässigkeit von Freistellungen in derartigen Sonderfällen spricht. Allerdings ist hier auf der Ebene der Vergütungszahlung zu differenzieren: Aus medizinischen Gründen impfunfähige Mitarbeiter dürften als arbeitsunfähig zu qualifizieren, ihnen ist Lohnfortzahlung nach dem Entgeltfortzahlungsgesetz zu gewähren. Impffähige, aber impfunwillige Beschäftigte dürften hingegen den Anspruch auf Lohnzahlung während der Freistellung verlieren. Ohne Arbeit kein Lohn ist der allgemeine zivilrechtliche Grundsatz, der dann Anwendung findet. Wenn der Arbeitnehmer die vertraglich geschuldete Leistung nicht erbringt, geht er seines Lohnanspruchs grundsätzlich verlustig. Vertraglich geschuldet wäre vorliegend das Angebot der Arbeitsleistung in geimpften bzw. genesenem Zustand. Wer dies nicht ist, obwohl er es aus ärztlicher Sicht könnte und deswegen freigestellt wird, kann daher keinen Lohn beanspruchen…“ Gastbeitrag von Michael Fuhlrott vom 14. April 2022 bei Legal Tribune Online , siehe dazu: - Keine gesetzwidrige Eigenmacht von Arbeitgebern beim Infektionsschutz!
„Nicht nur weil die Entscheidung des Arbeitsgericht Gießen (v. 12.04.2022, Az.: 5 Ga 1/22 und 5 Ga 2/22) von Michael Fuhlrott als eine Art Einstieg in eine ang. akzeptable gerichtliche Bewertung eines privatrechtlichen Beschäftigungsverbots ohne Genehmigung des zuständigen Gesundheitsamtes betrachtet wird, kann ich das Urteil nicht unkommentiert lassen. Es geht auch um gesellschaftliche Machtverhältnisse und um verfassungsgemäßes Verhalten von Arbeitgeber und Gericht.
Wesentlich ist in diesem Fall besonders die Ansicht des Gerichts, dass – abweichend vom Gesetz – Beschäftigungsverbote unter der Bezeichnung „Freistellung“ arbeitsrechtlich möglich seien. Denn es stellt sich bereits hier die naheliegende Frage, warum die Einrichtungsleitung (AG) von der Möglichkeit, die § ihm 21a IfSG für ein Beschäftigungsverbot bietet, nicht Gebrauch gemacht hat. Gericht wie AG begnügen sich hier mit einer epidemiologischen und virologischen Einschätzung, die gerade nicht der gesetzlichen Kompetenzverteilung entspricht, die der Gesetzgeber, als maßgebliche Instanz für Wertung und Entscheidungen im Rahmen des Infektionsschutzes, festgelegt hat. Dem Urteil des Gerichts fehlt in sofern bereits die gesetzliche Grundlage, weil eine arbeitsrechtliche Sonderregelung bei der einrichtungsbezogenen Impflicht nicht existiert. Und das zu Recht. Denn Infektionsschutz ist Sache der Allgemeinheit, die verwaltungstechnisch das Gesundheitsamt repräsentieren soll. Dieses hat – z.B. über das RKI – in der Tat den besten Überblick über die Entwicklung der Pandemie, sowie über die Verhältnismäßigkeit von Grundrechtseingriff und Schutzgarantie von Pflegebedürftigen z.B. durch ausreichende personelle Versorgung beim stationären Pflegebedarf.
Dazu äußerte sich das Bundesverfassungsgericht am 10. Februar 2022 (Az. 1 BvR 2649/21) in seiner Folgeabwägung in sofern, dass zumindest bis zur Entscheidung in der Hauptsache, ein Beschäftigungsverbot bei Impfverweigerung verfassungsrechtlich möglich sei – allerdings nicht privatrechtlich. Hier spielt auch eine Rolle, dass höchstrichterlich anerkannt wurde, dass die Beschwerde gegen § 20a IfSG durchaus berechtigt ist, weil es sich in der Tat bei der einrichtungsbezogenen Impfpflicht um Grundrechtseingriffe handelt. Beim ausreichenden Personal zum Schutz der vertraglich garantierten Pflege, handelt das Arbeitsgericht dagegen bedenklich parteiisch. Ist denn trotz „Freistellung“ für ausreichen Ersatz beim Personal gesorgt? Hier bietet § 20a IfSG nicht nur ausreichende Kontrolle beim Gesundheitsschutz, sondern kann auch verhindern, dass geimpftes (und im Sinne des Gesetzes genesenes oder von der Impfpflicht befreites) Personal nicht vom AG durch Mehrbelastung bestraft wird, was u.U. zu Kündigungen führen kann, weil niemand die vom AG eigenmächtigen Personalentscheidungen mittragen will bzw. noch mittragen kann, was wiederum zu einer Beeinträchtigung der Versorgung von Pflegebedürftigen und deren Schutz führen kann (außerdem wird daraus ein generelles Berufsverbot, weil Neueinstellungen von Nichtgeimpften nach § 20a IfSG ausdrücklich verboten sind). Das Arbeitsgericht Gießen hätte prüfen müssen, ob hier evtl. Machtmissbrauch auf Seiten des AG vorliegt – z.B. reine Kosteneinsparungsabsicht und Mehrbelastung beim verbleibenden Personal. Warum keine Konsultation des Gesundheitsamtes, wenn der AG von der Richtigkeit seiner Einschätzung so überzeugt ist? Warum der Versuch, es über die Konstruktion einer „Freistellung“ für ein privatrechtliches Beschäftigungsverbot auch noch möglichst kostengünstig zu machen?
Hierzu vertritt (auch) Fuhlrott eine rechtlich völlig unhaltbares Konzept. Freistellungen müssen keinen Lohnanspruch begründen. Aber das müsste bei der Impfpflicht vereinbart werden (bei nachteiliger und rechtskräftiger verwaltungsrechtlicher Entscheidung besteht dieser allerdings nicht). Eigenmächtige Einstellung der Lohnzahlung setzt den AG genau nach jener gesetzlichen Regelung in Verzug, mit der Fuhlrott ein Unterlassen der Lohnfortzahlung gerade begründet: Kein Aussetzen der vereinbarten finanziellen Leistung, wenn der AN ausdrücklich seine Arbeitsbereitschaft anbietet, und diese nur deshalb nicht angenommen wird, weil der AG ein Beschäftigungsverbot erteilt; also etwas durchsetzen will, was ihm beim Infektionsschutz gar nicht zusteht. Laut BGB bleibt grundsätzlich nur der Weg der arbeitgeberseitigen Kündigung eines auf beidseitiger Verpflichtung vereinbarten Arbeitsvertrages. Von Seiten der Beschäftigten ist andernfalls sogar Schadensersatz wegen Vertragsverletzung durch unerlaubte Handlung denkbar. Konkret rechtwidrig könnte z.B. auch der Versuch einer Umgehen der gesetzlichen Regelungen zur Mitbestimmung von Betriebs- oder Personalrat sein, weil Mitbestimmungsrechte bei Kündigungen umgangen werden sollen. Was ist z.B. bei einer Impfverweigerung eines Mitglieds des Betriebs- oder Personalrates?
Nach § 20a IfSG spielen alle arbeitsrechtlichen Probleme keine entscheidende Rolle. Hier entscheidet nur der Gesundheitsamt über ein Ja oder Nein bezüglich Beschäftigung (bei Neueinstellungen gilt grundsätzlich ein „Nein“ und damit zugleich, dass jegliche privatrechtliche Vertragsabsichten unzulässig sind). In sofern hätte das Arbeitsgericht Gießen auch seine Zuständigkeit verneinen können bzw. müssen. Denn epidemiologischen und virologischen Bewertungen, obliegen grundsätzlich nicht der Arbeitsrechtssprechung. Sieht der AG die Lage anders als die nach dem Gesetz verantwortliche Verwaltung, ist das Verwaltungsgericht der rechtlich zuständige Ansprechpartner (dies wäre übrigens ggf. auch der Ansprechpartner für die Betroffenen oder deren Vertretung (BR) im Streitfall). Die vom Gericht befürwortete Eigenmacht des AG verhindert in sofern sogar eine angemessenen Rechtswahrnehmung (so wäre denkbar, dass das zuständige Gesundheitsamt die Sachbeurteilung des AG gar nicht teilt).
Bedenklich bleibt es übrigens auch dann, wenn man das Hauptargument von Gericht und AG ernst nimmt: Nämlich, dass das Beschäftigungsverbot von § 20a IfSG gerade keine Rolle spielen soll, weil es ja um eine „Freistellung“ und keine arbeitgeberseitige Kündigung geht. Denn in der Tat, übt der AG – nun erstinstanzlich abgesichert – zwar durch sein Beschäftigungsverbot und seiner Leistungsverweigerung Druck auf die Betroffenen aus. Aber diese „müssen“ sich ja nur Impfen lassen, und schon ist „alles wieder gut“. Genaugenommen ist das Nötigung, ein fundamentaler Grundrechtseingriff nach dem Prinzip „friss oder stirb“. Was soll daran noch verfassungsgemäß sein, wenn aufgrund privatrechtlicher Eigenmacht von AG eine Verteidigung von Grundrechte nur noch durch Kündigung vertraglicher Vereinbarung mehr möglich ist? Bei aller nachvollziehbaren Sorge um die anvertrauten Pflegebedürftigen: Privatrechtlich existiert kein Recht auf Durchsetzung einer Impfung – außer diese ist ausnahmsweise bereits Vertragsbestandteil.
Mich wundert es, dass solche eindeutige Rechtswidrigkeit überhaupt ernsthaft diskutiert werden muss. Dass dies leider so ist, zeigt jedoch wie wichtig gewerkschaftliche Kontrolle und Solidarität mit denen ist, die zum Spielball arbeitgeberseitigen Machtmissbrauchs werden. Ist schon das gesetzliche Beschäftigungsverbot nach § 20a IfSG kritikwürdig, kann es nicht angehen, dass zusätzlich oder gar ersatzweise der Infektionsschutz vom AG durch Eigenmacht missbrauch wird. Auch diesen bindet seine vertraglich zugesicherten Vereinbarungen – trotz Pademie.“ Anmerkungen von Armin Kammrad vom 21. April 2022 – wir danken!
- [Arbeitsgericht Gießen] Einrichtungsbezogene Impfpflicht in Seniorenheimen: Keine Beschäftigung für impfunwillige Pflegekräfte
- Schwarzbuch Krankenhaus: Arbeitende im Gesundheitssystem, berichten von Überlastung und Patient:innengefährdung im Arbeitsalltag
„Wir, Arbeitende im Gesundheitssystem, berichten von Überlastung und Patient:innengefährdung im Arbeitsalltag. Die folgenden Erfahrungsberichte zeigen, wie die Gesundheitsversorgung in Deutschland wirklich ist. Die Ursache hierfür sehen wir vor allem in der Kommerzialisierung unserer Krankenhäuser und deren Finanzierung über Fallpauschalen (DRGs). Der Anreiz möglichst viele Patient:innen mit möglichst wenig Personal zu versorgen, hat Arbeitsbedingungen geschaffen, die unser aller Gesundheit gefährdet. Wir fordern daher eine gesetzliche Personalbemessung, die sich am Bedarf der Patient:innen bemisst, und ein Gewinnverbot mit unseren Krankenhäusern!“ Die Aktionsseite mit vielen Berichten, sortiert nach Berichen – siehe für den Hintergrund unser Dossier: [DRG] Das Krankenhaus als Fabrik: Die Einführung der Fallpauschalen ermöglichte den Zugriff des Kapitals auf die Kliniken – mit gravierenden Folgen für Personal und Patienten - Bundeshaushalt: Etat des Gesundheitsministeriums soll 2023 um zwei Drittel schrumpfen
„Im laufenden Jahr will Finanzminister Lindner nochmals 100 Milliarden Euro neue Schulden machen – doch damit soll 2023 Schluss sein. Der Etat des Bundesgesundheitsministeriums soll dann fast wieder auf Vor-Corona-Niveau sinken. Bundesfinanzminister Christian Lindner (FDP) hat am Mittwoch einen neuen Haushaltsentwurf für das laufende Jahr und Eckwerte für das nächste Jahr vorgestellt. Das ambitionierte Ziel: Rückkehr zur Schuldenbremse. (…) Für das kommende Jahr geht Lindner preisbereinigt von einer Steigerung des Bruttoinlandsprodukts um 2,3 Prozent aus. Freilich sind in diesem Wert die Effekte der Sanktionen gegen Russland noch nicht eingepreist. Die Prognoseunsicherheit, so heißt es, sei „stark gestiegen“. Erst Ende April will die Regierung sich im Rahmen der Frühjahrsprojektion ein valideres Bild der gesamtwirtschaftlichen Entwicklung verschaffen. Die projektierten Ausgaben des Bundes sollen demnach um fast zehn Prozent auf knapp 413 Milliarden Euro sinken, die Steuereinnahmen dagegen um 18 Milliarden Euro steigen. Im Ergebnis geht der Finanzminister von einer Nettokreditaufnahme von nur noch 7,5 Milliarden Euro aus. Um das zu erreichen, müssten „alle Ausgaben im Bundeshaushalt auf den Prüfstand“, nötig sei eine „strikte Neupriorisierung am Maßstab der Zielsetzungen des Koalitionsvertrags“ heißt es. Die Rückkehr zur Einhaltung der Schuldenbremse sei ein „Befehl unserer Verfassung an den Gesetzgeber“, sagte Lindner. (…) Besonders drastisch schlägt sich dies im BMG-Etat nieder. Er soll um fast zwei Drittel auf 19 Milliarden Euro schrumpfen. Hier schlage sich das Auslaufen der Mehrbelastungen im Haushalt zur Bekämpfung der Pandemie „deutlich nieder“. Zum Vergleich: In Vor-Corona-Zeiten hatte der BMG-Haushalt ein Volumen von etwas über 15 Milliarden Euro.“ Meldung vom 16. März 2022 von und bei der ÄrzteZeitung online - Umsetzung der einrichtungsbezogenen Impfpflicht [in Berlin]
„… Arbeitgeber müssen nicht geimpfte Arbeitnehmer ab dem 16.03.2022 melden. In Berlin wird dies nicht direkt den Gesundheitsämtern, sondern dem Landesamt für Gesundheit und Soziales (LAGeSo) gemeldet und zentral gesammelt. Das LAGeSo führt dann eine Prüfung der Meldung auf Vollständigkeit und Plausibilität durch. Die zentrale Aufnahme der Informationen soll eine einheitliche gesamtstädtisch Sicht ermöglichen, um Versorgungsengpässe bewerten zu können. Erst nach durchgeführter Prüfung auf einen etwaigen Versorgungsengpass gibt das LAGeSo den einzelnen Vorgang dann an die Gesundheitsämter der einzelnen Bezirke weiter. (…) Das Gesundheitsamt prüft dann in jedem Einzelfall weiter, welche Maßnahmen erforderlich sind. Fehlen noch Nachweise bei den einzelnen Arbeitnehmern, hat das Gesundheitsamt diese anzufordern. Zudem sind die Gesundheitsämter aufgefordert weitere Impfberatungen und Impfangebote zu vermitteln. Sollte ein Versorgungsengpass vorliegen, so sind die Gesundheitsämter angehalten, ein Verfahren wegen der Beschäftigung eines ungeimpften Menschens aussetzen. Erst wenn, eine Impfberatung- und Imfpangebote nicht zu einer Impfung der betroffenen ArbeitnehmerInnen führen und festgestellt ist, dass konkret kein Versorgungsengpass vorliegt, soll laut der Senatsverwaltung der Gesundheit vom Gesundheitsamt ein Bußgeldverfahren eingeleitet werden. Erst als allerletztes Mittel kommt auch ein Betretungs- oder Tätigkeitsverbot gegen ungeimpfte Beschäftigte in Betracht. (…) Die Regelung wird sowohl das LAGeSo und erst Recht die Gesundheitsämter mit viel Verwaltungsarbeit belasten. Nicht nur die „Erstmeldungen“ ab dem 15.03.2022 sind zu bearbeiten, sondern auch alle Folgemeldung zu der individuellen Entscheidung warum keine Impfung vorliegt, zu der Frage warum eine Impfberatung oder ein Impfangebote nicht wahrgenommen wurde. Die Höhe der Bußgelder wird zu thematisieren sein und die konkrete Entscheidung zu Tätigkeitsverboten. Nebenbei werden Impfzertifikate auslaufen, neue wieder eingereicht. Arbeitnehmer in Pflegeeinrichtungen und im Krakenhaus müssen aus meiner Sicht derzeit nicht um ihre Jobs fürchten, weil sie nicht geimpft sind.“ Mitteilung von Rechtsanwalt Martin Bechert vom 14. März 2022 mit Angebot einer kostenlose telefonischen Erstberatung bei Kündigung - Kürzungsdiktat rächt sich: »Einrichtungsbezogene Impfpflicht«: Personalmangel hindert an der Umsetzung. Verdi-Basis zeigt eklatante Widersprüche beim Infektionsschutz auf
„Alles steht und fällt mit den personellen Kapazitäten. Die Bundesregierungen haben die Hilferufe aus den Krankenhäusern und Pflegeeinrichtungen, effektive Maßnahmen gegen den Personalmangel zu ergreifen, jahrelang ignoriert. (…) Dem Bundesgesundheitsminister ist das egal. In einer Diskussionsrunde an der Universitätsklinik in Dresden am 8. März erklärte Karl Lauterbach (SPD): »Entweder wir verzichten auf die Impfpflicht, oder wir verringern zweitens die Kapazitäten.« Da ersteres nicht in Frage komme, müsse zur Not die zweite Option gezogen werden, so der Minister laut MDR. (…) Vor dem Hintergrund erprobter Hygienekonzepte und angesichts des Umstands, dass Pflegekräfte in der Pandemie nicht als Infektionsbeschleuniger auffielen, regte sich beizeiten auch unter den Beschäftigten und an der Basis der zuständigen Gewerkschaft Verdi Widerspruch. So sei der NRW-Landesfachbereichsvorstand für den Sozial- und Gesundheitsbereich nach jW-Informationen mehrheitlich gegen die Impfpflicht. Die zahlenmäßig starke und aktive Verdi-Betriebsgruppe der Uniklinik Düsseldorf forderte am 14. Januar die sofortige Aussetzung der einrichtungsbezogenen Impfpflicht. In ihrer Erklärung sprechen sich die Vertrauensleute für das Impfen, aber gegen eine Impfpflicht aus und benennen einige eklatante Widersprüche in der Infektionsbekämpfung. So werde weiterhin am kostenorientierten Finanzierungssystem der Fallpauschalen festgehalten. Freie Testkapazitäten seien in einer kritischen Phase der Pandemie nicht aus-, sondern abgebaut worden. Das Streichen der Lohnfortzahlung für Ungeimpfte, die wegen Coronaverdacht in Quarantäne mussten, habe die Beschäftigtenrechte eingeschränkt und nicht zum Infektionsschutz beigetragen. Kollegen sollen bei der Patientenversorgung ausgeschlossen werden, während gleichzeitig darüber nachgedacht werde, »für die Aufrechterhaltung der ›kritischen Infrastruktur‹« infizierte, aber geimpfte Menschen ohne deutliche Krankheitssymptome einzusetzen. Ähnlich äußerte sich auch die Verdi-Betriebsgruppe der LVR-Klinik Köln im Januar. In einer Mitteilung an die Beschäftigten hieß es: »Wir akzeptieren nicht, dass auch nur ein Kollege oder eine Kollegin an die Luft gesetzt wird.« »Zwischen unseren Pflegekräften, Ärzten, Arbeitern etc. würde eine Spaltung entstehen, obwohl sie seit Beginn der Pandemie unter Beachtung der AHA+L- (Abstand halten, Hygienemaßnahmen beachten, Schutzmasken tragen, Lüften, Anm. d. Red.) und Testregelungen zusammengehalten haben.«“ Artikel von Susanne Knütter in der jungen Welt vom 15. März 2022 und wir erinnern an:- Impfpflicht gegen COVID-19 im Gesundheitswesen und in der Pflege. Eine Information für ungeimpfte Beschäftigte
„Ab dem 15. März 2022 wird eine Impfpflicht im Gesundheitswesen und in der Pflege gelten. (…) Es wird verschiedentlich geraten – sich arbeitssuchend zu melden – ein Zwischenzeugnis anzufordern. Der Hintergrund dieser Aktionen ist rein politisch motiviert. Die rechtliche Situation der ungeimpften Beschäftigten im Gesundheitswesen oder der Pflege verbessert sich dadurch nicht. Im Gegenteil wird der Arbeitgeber vorgewarnt und kann sich auf den Ausfall des Beschäftigten vorbereiten. Die Meldung als arbeitssuchend ist so ziemlich das Gegenteil von dem, was vom Beschäftigten eigentlich gewollt ist. Der Beschäftigte möchte ja eigentlich bleiben, oder? bb. Beschäftigte, die bisher gefälschte Nachweise über eine Impfung vorgelegt haben, sollten Ihre Strategie überdenken. Wir raten dringend von der Vorlage gefälschter Dokumente ab. Dies gilt auch im Hinblick auf den Genesenenstatus. cc. Eine Eigenkündigung zum 15. März 2022 aussprechen bzw. einen Aufhebungsvertrag abzuschließen, erscheint uns verfrüht. Einerseits ist der Beginn der Impfpflicht zwar nicht mehr weit. Andererseits aber ist die rechtliche Lage in großen Teilen ungeklärt, kompliziert und ändert sich ständig. Hinzu kommt, dass es bei Eigenkündigungen (und auch bei Aufhebungsvereinbarungen!) regelmäßig zur Verhängung einer Sperrzeit durch das Arbeitsamt kommt. In der Regel werden Beschäftigte rechtlich besser dastehen, wenn sie sich kündigen lassen. Beschäftigte, die diesen Weg gleichwohl gehen wollen, sollten sich vorher anwaltlich beraten lassen. dd. Wir raten daher allen betroffenen ungeimpften Beschäftigten zunächst einmal abzuwarten. (…) Sind dann ungeimpfte Beschäftigte tatsächlich wegen fehlendem Nachweis des vollständigen Impfschutzes von Abmahnung, Kündigung oder Freistellung ohne Entgeltfortzahlung etc. oder von Verfügungen des Gesundheitsamtes betroffen, sollten sie sofort einen Anwalt einschalten. Bei Kündigung durch den Arbeitgeber erteilen wir betroffenen Arbeitnehmern eine kostenlose Erstberatung. Die Rechtslage ist kompliziert und viele arbeitsrechtliche Fragen sind ungeklärt. In der Regel dürfte der Beschäftigte daher gute Chancen haben, vor den Gerichten Recht zu bekommen.“ Hinweise von Rechtsanwalt Martin Bechert vom 12. Januar 2022 bei arbeitsrecht-berlin.de
- Impfpflicht gegen COVID-19 im Gesundheitswesen und in der Pflege. Eine Information für ungeimpfte Beschäftigte
- Der Freedom Day kommt, der Pflegenotstand bleibt
„Personalmangel, Überlastung, Bezahlung: Kann es sein, dass sich an den Arbeitsbedingungen im Gesundheitswesen durch Corona nichts ändert? Wie Beschäftigte die aktuelle Situation erleben
Führt die Mitte März in Kraft tretende einrichtungsbezogene Impfpflicht zu Personalausfällen an den Kliniken? Wer soll eine Corona-Prämie erhalten? Waren die Krankenhäuser in der Pandemie überlastet oder vielleicht doch nicht? Der öffentlichen Debatte, dem Großteil der Medien und der Politik zufolge sind dies die derzeit besonders relevanten Fragen. „Verlogene Scheindebatten“, sagt Silvia Habekost dazu. Sie arbeitet seit mehr als 30 Jahren als Pflegekraft, heute in der Anästhesie bei Vivantes, einem der großen Klinikbetreiber in Berlin. Auf ihrer Station seien alle Kolleg*innen immunisiert, das Thema Impfpflicht spiele keine Rolle. Tatsächlich schwankt die Impfquote unter den Pflegekräften enorm: zwischen 92 Prozent in Rheinland-Pfalz und 66 Prozent in Sachsen. Habekost glaubt, eine allgemeine Impfpflicht, schon 2021 eingeführt, hätte helfen können. Die jetzige Diskussion aber empfindet sie als ärgerliche Ablenkung von den wesentlichen Themen. Die da wären, vor allem anderen: Entlastung. Es gebe zu wenig Personal, schon viel zu lange und schon lange vor der Pandemie. Trotz Corona, „Systemrelevanz“ und des Balkonapplauses im Frühjahr 2020 aber veränderte sich seitdem: nichts. Die Politik habe nicht auf die Beschäftigten gehört, sagt Habekost. Und ärgert sich, zum Beispiel, über die Debatte um Corona-Prämien. „Wir wollen nicht nur Prämien, wir wollen grundsätzliche Aufwertung. Doch stattdessen gibt es dann auch noch Diskussionen darüber, wer die Prämien überhaupt kriegen soll.“ Vergangenes Jahr habe es die Möglichkeit für echte finanzielle Anerkennung gegeben – während der Tarifrunde der Länder. Aber da hieß es, es sei kein Geld für höhere Löhne da. Entsprechend ernüchtert ist die Stimmung unter den Kolleg*innen, wenn es um die Politik geht: „Das ist alles so verlogen und genau so kommt es bei uns auch an.“ (…)„Der Vertrauensverlust“ sei riesig: So beschreibt auch David Wetzel die Stimmung an seinem Arbeitsplatz. Er ist Pfleger auf einer Krebsstation in der anderen großen Hauptstadt-Klinik, der Charité. „In den letzten zwei Jahren gab es seitens der Bundesregierungen keine einzige Initiative, um das Krankenhauspersonal zu entlasten“, sagt er. Stattdessen die Youtube-Serie „Ehrenpflegas“ oder die Ankündigung einer Sammlermünze „Pflege“ als „Ausdruck des Respekts“. Solcher „Zynismus“ verstärke den Vertrauensverlust, so Wetzel. Er sieht es wie Habekost: Entscheidend sei Entlastung und bessere Bezahlung aller im Krankenhaus, nicht nur der Pflegenden. Hoffnung darauf, dass die Regierung reagiert, hat er aber nicht, auch nicht nach der Übernahme des Gesundheitsministeriums durch die SPD in der Ampel-Regierung. „Wir haben in der Pandemie gelernt: Wenn wir’s nicht selber machen, macht’s niemand“, sagt Wetzel. (…) Einer der bekanntesten Slogans bei Krankenhausstreiks lautet: „Nicht der Streik gefährdet die Patienten, sondern der Normalzustand“. Der Spruch ist schon viel älter als das Coronavirus. Die viel beschworene „Rückkehr zur Normalität“ bezieht sich im Gesundheitswesen auf einen Zustand, der bereits hochgefährlich war. Denn: Die Bundesregierung mag einen Plan haben, um aus den Corona-Maßnahmen herauszukommen. Einen Plan, den Pflegenotstand zu beenden, verweigert sie weiterhin.“ Sehr lesenswerter Bericht von Nelli Tügel vom 1. März 2022 aus der Freitag Ausgabe 08/2022 - [Bundesverfassungsgericht] Impfpflicht in der Pflege bleibt vorerst bestehen
„Das Bundesverfassungsgericht lässt die Impfpflicht ab 15. März für die Beschäftigten in Pflegeheimen, Arztpraxen und Krankenhäusern vorerst in Kraft. In einem Musterverfahren wiesen die Richter Eilanträge gegen das neue Gesetz ab. Die Gefahren für vulnerable Personen seien ohne die geplante Impfpflicht schwerwiegender als die zu erwartenden Folgen für die Impfpflichtigen – so die Richter in Karlsruhe. (…) Das Gesetz verlange nicht unausweichlich, sich impfen zu lassen. Dies könne für jene, die eine Impfung vermeiden wollen, den vorübergehenden Wechsel der bislang ausgeübten Tätigkeit oder des Arbeitsplatzes oder sogar die Aufgabe des Berufs bedeuten. Die Beschwerdeführenden hätten allerdings nicht dargelegt, dass bei ihnen in der in der begrenzten Zeit bis zur Entscheidung in der Hauptsache möglicherweise beruflichen Nachteile eintreten, die irreversibel oder auch nur sehr erschwert revidierbar seien sind oder sonst sehr schwer wiegen. Dies sei, so das Gericht, auch sonst – jedenfalls für den genannten Zeitraum – nicht ersichtlich. (…) Im Hauptsacheverfahren könnte das BVerfG einzelne Aspekte der Impfpflicht durchaus für verfassungswidrig erklären. Zwar, heißt es in Rn. 14 des Beschlusses, gegen die Nachweispflicht in § 20a IfSG als solche bestünden zur Zeit „keinen durchgreifenden verfassungsrechtlichen Bedenken«. Allerdings äußern die Richter deutliche Zweifel an der vom Gesetzgeber gewählten Regelungstechnik. Denn in § 20a IfSG verweist der Gesetzgeber für die Gültigkeit der Nachweise für Impfung und Genesung auf die „COVID-19-Schutzmaßnahmen-Ausnahmenverordnung“. Diese Verordnung macht die Gültigkeit der Impf- und Genesenen-Nachweise ihrerseits abhängig von den täglichen Veröffentlichungen auf den Internetseiten des Paul-Ehrlich-Instituts und des Robert Koch-Instituts (RKI). Darin könnte unter anderem ein Verstoß gegen das Bestimmtheitsgebot liegen. Die gleichen Zweifel hatte kürzlich auch das Verwaltungsgericht Göttingen geäußert und es für verfassungswidrig erklärt, die Gültigkeit von Genesenen-Nachweisen von täglichen Angaben des RKI abhängig zu machen. Das BVerfG könnte in der Hauptsache also noch anders entscheiden – das Gericht stellt nur klar, dass diese Zweifel es noch nicht rechtfertigen, das Gesetz durch einstweilige Anordnung auszusetzen…“ Meldung vom 11. Februar 2022 vom und beim Bund-Verlag- Zur weiteren Details siehe die BVerfG-Pressemitteilung Nr. 12/2022 vom 11. Februar 2022 zum Beschluss des Ersten Senats vom 10. Februar 2022 – 1 BvR 2649/21 – Rn. 1-23
- [ver.di] Einrichtungsbezogene Impfpflicht: »Kein gutes Signal an die Beschäftigten«
Dazu erklärt im Interview am 2. Februar 2022 Sylvia Bühler , Mitglied des ver.di Bundesvorstands und Leiterin des Fachbereichs Gesundheit, Soziale Dienste, Bildung und Wissenschaft: „Vorweg: Wir appellieren an alle, bei denen keine gesundheitlichen Gründe dagegensprechen, sich gegen Covid-19 impfen zu lassen. (…) Aber – und das sagen wir ebenso klar: Die Impfpflicht für Beschäftigte bestimmter Einrichtungen sehen wir sehr kritisch. (…) Die Impfquote ist bei den davon besonders betroffenen Berufsgruppen schon sehr hoch. Zum Beispiel in der Krankenhauspflege liegt sie laut aktueller Umfrage des Deutschen Krankenhaus Instituts (DKI) bei durchschnittlich 95 Prozent. In anderen Bereichen ist sie etwas niedriger, aber Tatsache ist: Die einrichtungsbezogene Impfpflicht hat keinen nennenswerten Einfluss auf die bundesweite Impfquote. Zugleich ist sie kein gutes Signal an die betroffenen Beschäftigtengruppen und könnte problematische Folgen haben. (…) Sollten die Gesundheitsämter Beschäftigten ohne Impfung ab Mitte März verwehren, erst einmal weiterzuarbeiten, würde das auf eine noch höhere Belastung des verbleibenden Personals hinauslaufen. Da das aber nicht zumutbar ist, können eigentlich nur die Leistungen eingeschränkt werden. Das sagen ja auch die Klinikbetreiber in der genannten Umfrage. Was wir aus den Betrieben hören, passt dazu allerdings gar nicht. Nämlich, dass die meisten Arbeitgeber die Dienstpläne für die kommenden Wochen trotz allem mit der kompletten Belegschaft aufstellen und beim OP-Programm keine Abstriche machen. Die andauernde Extrembelastung hat auch schon vor der Pandemie viele aus ihrem Beruf getrieben, das darf sich nicht noch weiter verschärfen. (…) Für ver.di ist klar, dass niemand wegen der einrichtungsbezogenen Impfpflicht gekündigt werden darf. Niemand darf dem Gesundheitswesen ganz verloren gehen, alle Arbeitskräfte werden dringend gebraucht, gerade auch auf lange Sicht. (…) Unsere gewerkschaftlichen Rechtsabteilungen stellen sich auf vermehrte Nachfragen ein. Mitglieder, denen gekündigt wurde, weil sie ihrem Arbeitgeber keinen Impfnachweis vorgelegt haben, dürften in aller Regel Rechtsschutz erhalten, natürlich immer vorbehaltlich einer individuellen Prüfung. Kompliziert wird es beim Thema Freistellung ohne Gehaltszahlung, wogegen dann jemand klagen möchte. Es kann auch nicht sein, dass ungeimpfte Beschäftigte nicht arbeiten und den vollen Lohn erhalten, während ihren geimpften Kolleg*innen noch stärkere Belastung droht. Das ist eine ganz schwierige Diskussion in den Belegschaften, und zwar über alle Beschäftigtengruppen hinweg…“
Anm.: Mit Blick auf die BVerfGE argumentiert Bühler rechtlich fragwürdig bzw. unwissend. Bedenklich wäre eine gegeneinander ausspielen Geimpfte vs Ungeimpfte. Höhere Belastungen sind vielmehr ein rechtlicher Grund, Ungeimpfte nicht zu entlassen (wobei übrigens auch das BVerfG Kündigungen nicht unbedingt als verfassungsgemäß betrachtet hat). Und für eine Freistellung ohne Bezahlung fehlt schlichtweg die Rechtsgrundlage… - „Wasch mir den Pelz, aber mach mich nicht nass“-Gesetzgebung? Die „einrichtungsbezogene Impfpflicht“ als ein weiteres Lehrbuchbeispiel
„Es ist mehr als offensichtlich, dass bei den meisten Menschen die Akkus leer sind nach nunmehr fast zwei Jahren der Corona-Pandemie und der damit einhergehenden Einschränkungen. Es ist nicht nur die Dauer des Ausnahmezustandes, der sich immer mehr zu einer Normalität eigener Art transformiert, die aber – je nach Typus in aggressiver bis depressiver Ausformung – als solche nicht akzeptiert wird. Es ist nicht nur die Kakophonie der scheinbar ewig gleichen Sendungen und Botschaften, die rund um das Corona-Virus in den öffentlichen Raum transportiert werden. Es ist auch die sich selbst befeuernde Komplexitätszunahme von mehr oder weniger sinnvollen Verhaltensregeln und Vorschriften, deren dann auch noch föderal geboosterte Ausdifferenzierung mittlerweile einen Stand erreicht hat, der ein Bachelor-Studium erforderlich macht, nur um den Überblick über das filigrane Netzwerk an Corona-Verordnungen in der x-ten Version behalten zu können.
Ein Teil der viele Menschen zunehmend verwirrenden Gefechtslage ist die Diskussion über die Einführung einer allgemeinen Impfpflicht. Angesichts der auch medial transportierten heftigen Widerstände einer Minderheit von „Impfgegnern“ in der Bevölkerung haben die politisch Verantwortlichen kalte Füße bekommen, was die Einführung einer solchen Maßnahme angeht. Vielleicht auch, weil es durchaus berechtigte Anfragen an die Sinnhaftigkeit einer solchen Maßnahme angeht. Das hat sie aber nicht davon abgehalten, für einen Teil der Menschen in einem (scheinbar) klar definierten Bereich eine solche Impfpflicht per Gesetz in die Welt zu setzen. Gemeint ist hier die „einrichtungsbezogene Impfpflicht“ für das Gesundheits- und Pflegepersonal, die ab dem 15. März 2022 gilt oder sagen wir besser: gelten soll. (…)
Die Gesundheitsämter also. Die bekommen dann – wenn die Arbeitgeber ihre Verpflichtung, die ihnen vom Gesetzgeber auferlegt wird – möglicherweise waschkörbeweise entsprechende Meldungen einzelne Personen betreffend. Bereits an dieser Stelle werden diejenigen, die noch einen Rest an Erdung haben, den Kopf schütteln und angesichts des faktischen Kollaps dieser Ämter schon in Kernbereichen wie der Kontaktnachverfolgung zu der Erkenntnis kommen, dass die Aufgabenzuschreibung an die Gesundheitsämter nett formuliert einer dieser Schildbürgerstreiche der obersten Heeresleitung in Berlin darstellt. (…)
Man könnte aber auch von einem großartigen Plan sprechen, die Einführung einer generellen Impfpflicht für das Personal in den definierten Einrichtungen zu behaupten und dann gleichzeitig für die Praxis Schlupflöcher für eine abgemilderte Umsetzung der scheinbar eindeutigen Pflicht zu eröffnen. Wir nähern uns dem Kern des drohenden Chaos mit Ansage. (…)
Wie dem auch sei, offensichtlich hat die neue Bundesregierung gedacht, dass sie die Forderung nach und die Widerstände gegen eine allgemeine, die gesamte Bevölkerung betreffende Impfpflicht durch eine partielle Impfpflicht für bestimmte Personen vorbereiten, ersetzen oder was auch immer kann und gleichzeitig tatkräftiges Handeln ausstrahlt. Allerdings hat man elementare Anforderungen an eine vernünftige Gesetzgebung schwer missachtet: Gerade wenn man so schwere Geschütze auffährt wie eine Impfpflicht, deren Nicht-Erfüllung einhergehen kann mit einem faktischen Berufsverbot, dann muss man das Gesetzgebungsprozedere konsequent vom Ende her denken: Ist man in der Lage, dass auch unmissverständlich durchzusetzen? Kann man rechtssicher garantieren, dass nicht nur auf dem Papier, sondern auch vor Ort in der Praxis eine für alle nachvollziehbare Administration dessen gewährleistet werden kann, was man da in Paragrafen gegossen hat? Und hat man die Normen so eindeutig formuliert, dass es keine Fragezeichen selbst im Gesicht derjenigen gibt, die sich hauptberuflich mit solchen Regelwerken beschäftigen müssen? Nein, hat man nicht.
Der Gesetzgeber hat eine schlechte Arbeit mit zahlreichen offensichtlichen Mängeln abgeliefert und das Werkstück muss nicht nur reklamiert werden, sondern entweder wird es ersetzt durch eine funktionierende Fassung oder aber wenn man es einfach nicht kann, dann lässt man es lieber ganz. Und mindestens entschuldigt man sich beim zunehmend frustrierter werdenden Publikum, das an so vielen Stellen mit erheblichen Qualitätsmängeln und krassen Organisationsversagen in unserem Land konfrontiert wird. Dafür ist die als Tiger gedachte „einrichtungsbezogene Impfpflicht“, der mittlerweile als Bettvorleger auf dem Betonboden der Praxis aufgeschlagen ist, nur ein (weiteres) Beispiel.“ Beitrag vom 3. Februar 2022 von und bei Stefan Sell
- Einstieg in den nicht mehr aufzuhaltenden Ausstieg: Die „einrichtungsbezogene Impfpflicht“ im Gesundheitswesen bröckelt vor sich hin
„Am 3. Februar wurde in dem Beitrag „Wasch mir den Pelz, aber mach mich nicht nass“-Gesetzgebung? Die „einrichtungsbezogene Impfpflicht“ als ein weiteres Lehrbuchbeispiel das gesetzgeberische Vorgehen zur Einführung einer „einrichtungsbezogenen Impfpflicht“ einer kritischen Analyse unterzogen. Der Beitrag wurde mit diesen Worten beendet: »Der Gesetzgeber hat eine schlechte Arbeit mit zahlreichen offensichtlichen Mängeln abgeliefert und das Werkstück muss nicht nur reklamiert werden, sondern entweder wird es ersetzt durch eine funktionierende Fassung oder aber wenn man es einfach nicht kann, dann lässt man es lieber ganz. Und mindestens entschuldigt man sich beim zunehmend frustrierter werdenden Publikum, das an so vielen Stellen mit erheblichen Qualitätsmängeln und krassen Organisationsversagen in unserem Land konfrontiert wird. Dafür ist die als Tiger gedachte „einrichtungsbezogene Impfpflicht“, der mittlerweile als Bettvorleger auf dem Betonboden der Praxis aufgeschlagen ist, nur ein (weiteres) Beispiel.« Am gleichen Tag erschien unter der Überschrift Der Stichtag ein Bericht von Doreen Reinhard und August Modersohn aus Ostdeutschland: »Ab 16. März gilt die Impfpflicht im Gesundheitswesen. Die Ost-Länder befürchten eine Kündigungswelle – und denken über umfassende Ausnahmen nach.« (…) Nun gibt es Schützenhilfe von demjenigen, der sich noch vor einiger Zeit eher im Lager der Vorsichtigen befand und der für harte Maßnahmen zur Eindämmung der Corona-Pandemie plädierte: Markus Söder (CSU), der bayerische Ministerpräsident, der immer einen gute Riecher hat, wenn sich die Stimmung wohin auch immer dreht. Nun werden wir mit dieser Nachricht konfrontiert: Bayern setzt einrichtungsbezogene Impfpflicht zunächst nicht um (…) Neben der Kritik an dem Vorpreschen der Bayern beispielsweise von der Pflegebevollmächtigte der Bundesregierung, Claudia Moll, die vor Alleingängen einzelner Bundesländer warnt, gibt es auch solche Stimmen: »Der Vorstand der Deutschen Stiftung Patientenschutz, Eugen Brysch, forderte …, das Gesetz nicht wie geplant umzusetzen. „Wenn eine Norm vorhersehbar scheitert, dann gibt es nur eine Lösung: Bund und Länder müssen ihren Fehler revidieren“ … jetzt schlägt die Praxis mit aller Macht zurück. Denn weder der Vollzug, noch die arbeitsrechtlichen Folgen, geschweige denn die Auswirkungen des Ausfalls zehntausender von Pflegekräften wurden bedacht“, sagte Brysch.« Allerdings sei auch das Vorgehen Bayerns kein gangbarer Weg, sondern ein verfassungsrechtlicher Verstoß. „Der einzige Ausweg aus dem Dilemma ist, das Gesetz aufzuheben“, so Brysch. Wie dem auch sei, mit dem, was Söder heute angekündigt hat, wurde der finale Sargnagel vorangetrieben, was die flächendeckende Umsetzung der von Bundestag und Bundesrat (mit den Stimmen Bayerns) beschlossenen partiellen Impfpflicht angeht. Diejenigen, die sich aus welchen Gründen bislang (noch?) nicht geimpft haben, werden nun keinen „Motivationsschub“ bekommen, das noch nachzuholen.“ Beitrag von Stefan Sell vom 8. Februar 2022 auf seiner Homepage , siehe dazu auch: - Pfleger Ricardo Lange: „Es ist eine unglaubliche Doppelmoral“
„Pfleger Ricardo Lange nennt Söders Vorstoß, keine Impfpflicht für Pflegekräfte einzuführen, scheinheilig. Söder sei zuvor für die Impfpflicht gewesen. Lange betont, dass Pflegekräfte vor der Entwicklung eines Impfstoffs Corona-Patienten gepflegt hätten. Mit Blick auf den Streit über die einrichtungsbezogene Impfpflicht vermisst der Berliner Intensivpfleger und Autor Ricardo Lange eine klare Linie in der Politik. Diese mache sich durch ein „Wirrwarr an Kommunikation“ unglaubwürdig, kritisierte er im im ZDF heute journal update. (…) Die Politik sollte überlegen, bevor sie Dinge zur Debatte bringt, ob man sie dann auch umsetzen kann und wie man sie umsetzen wird. Seine Berufsgruppe riskiere seit Pandemiebeginn tagtäglich ihre Gesundheit und die ihrer Angehörigen. „Wir mussten mit unzureichender Schutzausrüstung am Patientenbett arbeiten, Maske tragen, die wieder aufbereitet wurden, die dafür gar nicht zugelassen sind, infiziert zur Arbeit gehen. Und dann sagt man uns auf einmal: ‚Wenn wir morgen nicht geimpft seid und eine Gefahr für die Patienten darstellt, dann seid ihr nicht mehr willkommen.’…“ Video (3 min) des Beitrags vom 08.02.2022 beim ZDF - „Aktion Notaufnahmen retten”: “Wir hoffen nur am Ende nicht irgendwo einen Toten zu finden, den wir vergessen haben”
„Die Initiative „Aktion Notaufnahmen retten” organisiert bundesweit die Vernetzung von Beschäftigten. Die Situation in den Kliniken ist dramatisch schlecht, analysieren drei Aktive im Interview. (…) Die Rettungsstellen sind permanent unterbesetzt, so dass Patient:innen wegen fehlenden Personals oft nicht gerettet werden können. In jeder Klinik. In ganz Deutschland. (…) Es wird in den Medien viel über die Überlastung der Intensivstationen geredet. Aber über Normalstationen oder uns in der Notaufnahme so gut wie gar nicht. Bei uns kommen fast alle Corona-Patient:innen vorbei, die ins Krankenhaus eingeliefert werden. Und wenn die Stationen voll sind, stauen sich die Patient:innen in der Notaufnahme, ohne dass wir sie adäquat versorgen können. Zum Höhepunkt der vierten Welle warteten die Krankenwagen teilweise eineinhalb Stunden vor dem Eingang. (…) am Ende wird die Pandemie auf unseren Rücken ausgetragen. Nach zwei Jahren Corona gibt es so wenig Krankenhauspersonal wie noch nie. Es gibt nicht nur zu wenig Schnelltests, sie sind auch noch unsicher (60 Prozent Treffsicherheit). Immer noch sagen Patient:innen zu mir, dass sie noch nie einen so tiefen Abstrich bekommen haben, wie wir ihn machen. Es gibt viel zu wenig Impfaufklärung. Auf der einen Seite denken Geboosterte, sie könnten sich nicht mehr anstecken, auf der anderen gibt es immer noch zu viel Ungeimpfte. Die Bürgermeisterin Giffey erklärt das dann mit ihrem rassistischen Mist (Giffey hatte angedeutet, dass Migrant:innen öfter skeptisch gegenüber Impfungen seien, Anm. KgK) Aber Corona ist nur die Kirsche auf der Torte. (…) Die Fälle werden zum größten Teil auf Normalstationen abgerechnet. Wenn ein:e Patient:in zehn Mal mit Bauchschmerzen in die Notaufnahme kommt, kann das nur einmal abgerechnet werden. Für die Behandlung von Menschen ohne Krankenversicherung oder festen Wohnsitz gibt es auch keine Vergütung. Wir haben bei uns im Haus monatlich rund 10.000 Kontakte mit Patient:innen, die nicht berechnet werden können. Notaufnahmen sind in allen Kliniken hoch defizitär. (…) Wir sind nicht als Pflege, sondern nur als „Funktionsdienst“ eingestuft. Auch der Pflegeschlüssel wurde von Jens Spahns Reförmchen nicht für die Notaufnahmen festgelegt. Das erste Mal, dass ein solcher Pflegeschlüssel zumindest auf dem Papier erkämpft wurde, war letztes Jahr mit dem Tarifvertrag Entlastung in Berlin. Wir wollen die Kampagnel in Notaufnahmen in ganz Deutschland ausweiten. Es braucht eine gesetzliche Regelung für eine andere Krankenhausfinanzierung und mehr Personal in den Notaufnahmen…“ Interview von Simon Zamora Martin vom 6.2.2022 bei Klasse gegen Klasse- Siehe die Homepage der „Aktion Notaufnahmen retten” (dort ihre Petition) und diese auf Twitter
- Warum ungeimpfte Pflegekräfte unter Vorbehalt weiterarbeiten können
„… Schon jetzt hat die Bundesagentur für Arbeit festgestellt, dass sich in den letzten beiden Monaten aus dem Gesundheits- und Sozialsektor rund 25.000 Beschäftigte mehr arbeitssuchend gemeldet hätten als üblich – davon etwa 12.000 aus dem Pflegebereich. Ein Zusammenhang mit der einrichtungsbezogenen Covid-19-Impfpflicht ab Mitte März kann vermutet werden. Anders als manche Inserate mit propagandistischem Unterton in Zeitungen dürfte das Anzeigen einer drohenden Arbeitslosigkeit bei der Bundesagentur in der Regel authentisch sein. Ungeimpfte Beschäftigte in Krankenhäusern und Pflegeheimen können dort aber auch nach dem Inkrafttreten der Impfpflicht vorerst weiterarbeiten – unter Vorbehalt, bis das zuständige Gesundheitsamt ein Tätigkeitsverbot ausspricht. Dies hat das Bundesministerium für Gesundheit (BMG) auf Anfrage des Portals Business Insider klargestellt. (…) Dabei würden alle „Umstände des Einzelfalles“ berücksichtigt – also auch drohende Personalengpässe in Krankenhäusern, Pflegeeinrichtungen und Arztpraxen während einer Übergangszeit. Regelmäßige Testungen auf das Virus finden dort ohnehin statt. Die Gewerkschaft ver.di hatte im Januar klargestellt, dass sie sich im Fall von Kündigungen durch die Arbeitgeberseite vor die ungeimpften Beschäftigten stellen will, obwohl sie sich selbst klar für Covid-19-Impfungen ausspricht. In Krankenhäusern und Pflegeeinrichtungen ist die Personalausstattung schon länger „auf Kante genäht“: Viele Pflegekräfte, laut Umfragen rund 40 Prozent, erwägen schon aufgrund schlechter Arbeitsbedingungen oder schlechter Bezahlung einen Jobwechsel – die meisten von ihnen sind gegen das Coronavirus geimpft, aber bei manchen könnte die Einführung der einrichtungsbezogenen Impfpflicht nun der letzte ausschlaggebende Grund sein. Wie viele das genau sind, weiß das Bundesgesundheitsministerium nicht. Als gesichert gilt, dass die Impfquote in medizinischen Berufsgruppen deutlich höher ist als in der Gesamtbevölkerung…“ Beitrag von Claudia Wangerin vom 2. Februar 2022 bei Telepolis- Wie die Amtsärztin Dr. Renate Koch beim Gesundheitsamt Arnstadt im ZDF-Frontal-Beitrag von Eleni Klotsikas und Milan Schnieder am 1. Februar 2022 betont, ist nicht nur die Verlagerung der Entscheidungskompetenz auf die Kommunen rechtlich fragwürdig und somit keinesfalls in juristisch trockenen Tüchern. Die Ärztin befürchtet auch „exorbitante Schadensersatzansprüche von beiden Seiten“; konkret Klagen von Pflegeheimen, von Pflegekräfte, die wegen Verdiensausfall klagen, und von Angehörigen, die auf eine angemessene Betreuung bestehen. (s. Video ab Min. 3:00). Rechtlicher Widerstand – auch im Bündnis von nicht geimpften Pflegekräfte, Angehörigen und u.U. sogar Pflegeheimen – hat also durchaus reale Chancen auf Erfolg.
- Umsetzung der Impfpflicht sorgt für Unmut
‚„Ab Mitte März gilt für Beschäftigte in Kliniken und der Pflege die Corona-Impfpflicht. Kritiker befürchten eine Verschärfung des Personalmangels. Zudem gibt es viele offene Fragen bei der Umsetzung. Lange wurde über sie diskutiert, am 16. März tritt sie in Kraft: Die Corona-Impfpflicht in Einrichtungen des Gesundheitswesens. Doch auch wenige Wochen vor der geplanten Einführung gibt es noch jede Menge offene Fragen. So sollen Ärzte, Krankenhäuser und Heime offenbar zunächst weiter Personal einsetzen können, das nicht gegen Corona geimpft ist. „Bis das Gesundheitsamt ein Betretungs- oder Tätigkeitsverbot ausgesprochen hat, ist eine Weiterbeschäftigung der betroffenen Person grundsätzlich möglich“, heißt es nach Berichten des Deutschen Ärzteblattes und des Portals „Business Insider“ aus dem Bundesgesundheitsministerium. (…) Ein Betretungs- oder Tätigkeitsverbot für die Klinik oder Pflegeeinrichtung wird vom zuständigen Gesundheitsamt ausgesprochen. Das bestätigte ein Sprecher des Gesundheitsministeriums dem „Business Insider“: Das Gesundheitsamt entscheide „über das weitere Vorgehen und die zu ergreifenden Maßnahmen im Rahmen seines Ermessens“. Nicht geimpft zu sein, müsste demnach nicht automatisch immer gleich ein Arbeitsverbot bedeuten. Nachdem ein Betretungs- beziehungsweise Tätigkeitsverbot ausgesprochen worden sei, dürfte für betroffene Arbeitnehmer dann auch der Vergütungsanspruch in der Regel entfallen. Zweifel an der Umsetzbarkeit gibt es seit Wochen…“ Meldung vom 01.02.2022 bei tagesschau.de , siehe auch:- Nicht mit der Brechstange. »Schwere Verwerfungen«: Wachsende Zweifel an Umsetzbarkeit von einrichtungsbezogener Impfpflicht in Pflege- und Gesundheitsbereich
„… Insbesondere die Gesundheitsämter sehen sich mit der Kontrolle überfordert. Man rechne damit, dass im Schnitt bei fünf bis zehn Prozent der Mitarbeiter kein eindeutiger Nachweis oder kein vollständiger Impfschutz vorliege und eine Meldung an das Gesundheitsamt erfolge, sagte Elke Bruns-Philipps, die stellvertretende Vorsitzende des Bundesverbandes der Ärztinnen und Ärzte des öffentlichen Gesundheitsdienstes (BVÖGD), der Rheinischen Post (Dienstag). Das sei »eine erhebliche Belastung mit der Prüfung jedes Einzelfalls«. Das könne von den Gesundheitsämtern nicht zeitnah bewältigt werden. (…) Der Deutsche Pflegerat sprach sich für eine pragmatische Umsetzung der einrichtungsbezogenen Impfpflicht aus und übte Kritik am Vorhaben. Pflegeratspräsidentin Christine Vogler plädierte für eine Risikoabwägung durch das jeweilige Gesundheitsamt. »Es bleibt ja gar nichts anderes übrig. Es kann ja nicht ein Gesundheitsamt sagen, wir ziehen die Leute ab. Was machen wir dann mit den Pflegebedürftigen?« sagte sie der dpa…“ Artikel von Kristian Stemmler in der jungen Welt vom 02.02.2022- Siehe das Infektionsschutzgesetz
- Nicht mit der Brechstange. »Schwere Verwerfungen«: Wachsende Zweifel an Umsetzbarkeit von einrichtungsbezogener Impfpflicht in Pflege- und Gesundheitsbereich
- Interview mit einem Beschäftigten im Schnelltestcenter: „Wir arbeiten die Kund:innen ab, wie am Fließband“
„Aufgrund der Überlastung der PCR-Testkapazitäten soll nun der Zugang für PCR-Tests eingeschränkt werden und vermehrt auf Schnelltests gesetzt werden. Dass hier aber auch seit mehreren Monaten die Teststellen mehr als ausgelastet sind, berichtet Kenay Fiedl in einem Interview. (…) Es ist von Wochentag und Inzidenz immer schwankend, wie viele Leute da sind, aber eine Schlange steht fast immer vor dem Testzentrum. Wir arbeiten die Kund:innen ab, wie am Fließband. Zurzeit sind wir vier Beschäftigte in einer Schicht – und das braucht es auch! Als die Tests kostenpflichtig waren, war ich auch öfters alleine da. Kurze aufmunternde Gespräche mit den anderen Mitarbeiter:innen und mit netten Kund:innen lockern den Alltag etwas auf. Auch wenn nicht alle Kund:innen freundlich sind. Leider gibt es viele, die ihren Frust über die Einschränkungen und ihre aktuelle Lage an uns auslassen. Öfters gibt es auch ,,Coronaskeptiker:innen”, die keine Maske aufziehen wollen oder uns ihre Daten nicht geben wollen, damit wir sie nicht dem Gesundheitsamt bei einem positiven Test übermitteln können. Wie in vielen Branchen trifft deren Zorn uns Arbeitende. Auch unser sexistischer, cholerischer und manchmal rassistischer Chef macht den Arbeitsalltag jedes Mal zu einer Tortur. Die Zeit vergeht am schnellsten, wenn es viel zu tun gibt. Das bedeutet dann aber auch, dass ich sechs Stunden lang keine Pause mache. Schließlich muss ich, wenn ich einmal kurz eine Pause mache, hinterher doppelt so schnell arbeiten, um die Schlange an Kund:innen abzuarbeiten. An sich versuche ich immer, die Abstriche trotzdem gründlich zu machen und mir dafür Zeit zu nehmen, aber natürlich macht dann mein Chef immer Stress: ,,Das muss schneller gehen, das muss richtig flutschen!”. Deswegen sind die Abstriche natürlich nicht hundertprozentig zuverlässig. Ich kenne auch viele Kolleg:innen, die die Abstriche einfach nur noch schnell machen. Eigentlich sollten wir Beschäftigte auch alle 45 Minuten unsere Maske wechseln, aber das kann absolut nicht eingehalten werden. Dementsprechend ist meine Erschöpfung nach 6 Stunden Arbeit ohne Pause, mit Maske und oft noch mit einem zusätzlich Visier. (…) Mein Chef setzt uns aber sehr unter Druck, möglichst viele Schichten zu übernehmen, sodass ich auch aufpassen muss, mich nicht zu sehr zu verausgaben. Sehr häufig sind Schichten unterbesetzt oder Kolleg:innen sagen kurzfristig ab, sodass Überstunden zum Arbeitsalltag dazu gehören. Meist auch ohne Pause zwischen der alten und neuen Schicht. (…) Alles in allem würde ich sagen, dass es viel zu wenig Schnelltestzentren gibt, weil alle meine Kolleg:innen und ich total überlastet sind und auch die Kund:innen immer lange warten müssen. Ich bin aber auch froh, gerade nicht in einem Labor oder einer Teststelle für PCR-Tests zu arbeiten, wo die Belastung zurzeit noch deutlich höher ist. Dass deswegen jetzt hauptsächlich auf Schnelltests gesetzt werden soll, beunruhigt mich sehr, da die Kapazitäten dafür auch total fehlen! Ich weiß, dass es auch ähnlich bei anderen Zentren in Berlin ist. (…) An sich, wäre eine Verstaatlichung der Testzentren meine Forderung, denn momentan sind wir sehr abhängig von unserem Chef, der durch den Besitz des Testzentrums sehr viel Gewinn macht und vermutlich bald ein Millionengeschäft damit hat: Wir führen zwei bis drei Tests die Minute durch und pro Test bekommt unser Chef 18 Euro. Davon geht natürlich einiges noch ab für Miete, unseren Lohn und die Anschaffung der Tests. Trotzdem ist der Gewinn noch immens groß und sollte nicht bei einer Privatperson liegen. Außerdem könnten dann auch Pausen festgeschrieben sein, die durchgeführt werden müssten und es könnte besser gesteuert werden, wie viele Zentren es gerade braucht, damit es nicht zu einer Überlastung kommt. In Solidarität mit anderen Arbeiter:innen, besonderes denen, die durch die Pandemie besonders belastet sind, fordere ich gleiche Entlohnung für gleiche Arbeit. So sollten beispielsweise Beschäftigte im Krankenhaus angemessen bezahlt werden. Außerdem macht es mich jedes Mal traurig, wie viel Plastikmüll wir täglich produzieren. Die Testkits, die Stäbchen … – alles aus Plastik. Das könnte auch nachhaltiger geregelt werden.“ Interview von Raya Eilers vom 31. Jan 2022 bei Klasse gegen Klasse - ver.di Betriebsgruppe Uniklinikum Düsseldorf: Einrichtungsbezogene Impfpflicht (§ 20a Abs. 1 Satz 1 Infektionsschutzgesetz (IfSG)) sofort aussetzen! Ja zum Impfen – Nein zur Impfpflicht!
„… Nun müssen aber ab dem 16. März alle Kolleg*innen ihren Arbeitsplatz verlassen, die nicht mindestens eine zweifache Impfung gegen Covid-19 erhalten haben oder genesen sind. Wir finden diese Entscheidung falsch, weil sie erfahrene und zuverlässig arbeitende Kolleg*innen dazu zwingt sich gegen ihren Willen impfen zu lassen oder den Beruf zu verlassen. Das wird die Versorgung der Patient*innen nicht nur nicht verbessern, sondern zusätzlich noch weiter verschlechtern in einer Phase, in der ein möglicher steiler Anstieg an Infektionen alle (noch) vorhandenen personellen Kapazitäten erfordert. Wir fordern daher alle zuständigen Instanzen im Kreis, Land und Bund dazu auf den § 20a Abs. 1 Satz 1 Infektionsschutzgesetz (IfSG) sofort auszusetzen und darüber hinaus sich grundsätzlich dafür einzusetzen, dass dieser Parargraph nicht umgesetzt wird. (…) Um die Einhaltung von Infektionsschutzmaßnahmen im Interesse der Patient*innen und Kolleg*innen kämpfen wir seit Jahrzehnten. Zur Durchsetzung der entsprechenden Maßnahmen fordern wir eine gesetzliche Personalbemessung und eine ausreichende Finanzierung der Krankenhäuser. (…) Wir verstehen eine Politik nicht, die Menschen bei der Versorgung unserer Patient*innen ausgrenzt, auch wenn sie sich an die ständigen Kontrollen und notwendige Schutzmaßnahmen halten. Dies wird besonders widersinnig, wenn man gleichzeitig darüber nachdenkt, für die Aufrechterhaltung der „kritischen Infrastruktur“ infizierte aber geimpfte Menschen ohne deutliche Krankheitssymptome einzusetzen…“ Erklärung der ver.di Betriebsgruppe Uniklinikum Düsseldorf vom 14.01.2022 - Keine Corona-Leugner: Zweifel am Nutzen der einrichtungsbezogenen Impfpflicht – ohne Testung – wächst
- Verschärfung des Mangels. Weitere Verbände und Politiker zweifeln am Nutzen der einrichtungsbezogenen Impfpflicht
„Komme die Impfpflicht, seien sie nicht mehr bereit, »unter diesen Umständen weiterzuarbeiten«. So schließt eine Sammelpetition auf der Internetseite des Bundestags, die auf den Tag nach der Bund-Länder-Runde vom 18. November datiert ist. Damals forderten die Bundesländer eine zügige Umsetzung der einrichtungsbezogenen Impfpflicht für Beschäftigte im Gesundheitswesen. Die Petition, die bereits mehr als 113.000mal online mitgezeichnet wurde, ist aus der Perspektive des medizinischen Personals verfasst und verweist auf den Personalmangel im Gesundheitsbereich. (…) Die Ablehnung der Impfpflicht begründen sie mit deren begrenztem Nutzen: »Eine Impfung, die weder vor Ansteckung noch Transmission des Virus schützt und lediglich einen milden Verlauf verspricht«, könne nicht Gegenstand einer Pflicht werden. Stationsschließungen aufgrund von »Covid-Ausbrüchen unter den geimpften Mitarbeitern mit nachfolgender Infektion der zu betreuenden Patienten« zeigten, »dass die Impfung ohne Testung des Personals eben nicht die vulnerablen Gruppen schützt«. Anstelle einer Impfpflicht fordern die Petenten eine überarbeitete, sinnvolle Teststrategie. (Unterdessen mehren sich die kritischen Stimmen in bezug auf die am 10. Dezember beschlossene Impfpflicht für Beschäftigte beispielsweise in Krankenhäusern, Pflegeheimen, Rettungsdiensten und Arztpraxen, die ab dem 16. März gelten soll. In einem gemeinsamen Beschluss von Sonnabend fordern die Gesundheitsminister der Länder nun vom Bundesgesundheitsministerium mehr Informationen über die konkrete Umsetzung und sprachen sich für ein mehrstufiges Verfahren aus, wonach Beschäftigte nicht sofort mit einem Tätigkeitsverbot belegt werden müssten. Wie verschiedene Medien berichteten, pochten mehrere Länder auf eine Verschiebung der berufsbezogenen Impfpflicht – bis zu Einführung des proteinbasierten Impfstoffs von Novavax. Bei der Caritas Altenhilfe, die 72 Senioreneinrichtungen in drei Bundesländern betreibt, fordert man eine Aussetzung der Impfpflicht. (…) Der Chef der Deutschen Krankenhausgesellschaft stellte im Handelsblatt vom letzten Mittwoch die Notwendigkeit der einrichtungsbezogenen wie der allgemeinen Impfpflicht angesichts milder Verläufe infolge von Omikron ganz in Frage.“ Artikel von Susanne Knütter in der jungen Welt vom 25.01.2022 - Corona-Impfpflicht: 300 Tübinger Beschäftigte der Uniklinik wehren sich – Beschäftigte: Wir sind keine Corona-Leugner
„Sie sind nicht mehr von der Impfung überzeugt und wehren sich gegen die Impfpflicht für Fachpersonal. Die rund 300 Beschäftigten der Tübinger Uniklinik wollen eine Lösung. Zahlreiche Mitarbeiter der Uniklinik in Tübingen haben sich in einem Brief an Klinikvorstand und Personalrat gegen eine berufsbezogene Impfpflicht ausgesprochen. Sie wollen sich nicht impfen oder boostern lassen. Sie stammen aus allen Bereichen des Uniklinikums: Grob die Hälfte ist medizinisches Personal wie Ärzte und Pflegekräfte, der andere Teil kommt aus allen anderen Berufsgruppen des Klinikums – viele davon ohne jeglichen Kontakt zu Patienten, andere im Homeoffice, also auch ohne Ansteckungsgefahr von Kollegen. Das sagte einer der Briefunterzeichner dem SWR.
Unter anderem sind sie wegen Impfdurchbrüchen und Mutationen nicht mehr vom Schutz der Impfung überzeugt. Außerdem fühlen sie sich diskriminiert und unter Druck gesetzt. Insgesamt arbeiten an der Universitätsklinik etwa 11.000 Menschen. Rund zehn Prozent davon haben bislang nicht die geforderte Immunisierung. (…) Ein Sprecher der Gruppe, die sich gegen die einrichtungsbezogene Impfpflicht wehrt, sagte, man rede ausschließlich über diese Vorgabe. Sie seien keine Corona-Leugner oder Querdenker. Sämtliche andere Schutzvorkehrungen wie etwa regelmäßiges Testen würden akzeptiert. Vom Personalrat würden sie nicht unterstützt…“ Text der Sendung vom 27.1.2022 beim SWR – uns ist ähnliches aus anderen Kliniken bekannt - Einrichtungsbezogene Impfpflicht: Was Beschäftigte wissen müssen
„Der Gesetzgeber hat für bestimmte Einrichtungen in der Gesundheits- und Pflegebranche eine Impfpflicht beschlossen. Was das arbeitsrechtlich für die Beschäftigten in der Praxis bedeutet, haben Autor:innen der Deutschen Presse-Agentur (dpa) aktuell in einem Fragen-Antwort-Feature zusammengefasst…“ FAQ vom 11. Jan 2022 bei altenheim.net , siehe auch die FAQ bei ver.di Gesundheit&Soziales
- Verschärfung des Mangels. Weitere Verbände und Politiker zweifeln am Nutzen der einrichtungsbezogenen Impfpflicht
- Pflegenotstand verschärft sich: Krankenhäuser in BRD stoßen an Belastungsgrenze. Omikron-Welle legt Behörde lahm
„… Wie sehr die Coronakrise den Personalmangel in der Pflege verschärft hat, legen Daten des Jobportals Stepstone nahe. Dort war die Zahl der Stellenanzeigen für Pflegeberufe im Dezember 2021 um 85 Prozent höher als vor Beginn der Pandemie im Januar 2020. Zu erklären ist das vor allem mit der gestiegenen Arbeitsbelastung und der – trotz aller Versprechungen der Regierenden – ausgebliebenen Aufwertung der Pflegeberufe. In einer Stellungnahme des Deutschen Berufsverbands für Pflegeberufe (DBfK) heißt es: »Die Pandemie hat die Personalsituation und die spezifischen Belastungen noch verschärft.« Die Ärzteorganisation Marburger Bund meint, die Kliniken würden deswegen in wenigen Tagen an ihre Belastungsgrenzen stoßen. »Spätestens Anfang Februar wird es in den Krankenhäusern deutschlandweit sehr eng werden, wenn die Infektionszahlen weiterhin in diesem Tempo steigen«, sagte die Vorsitzende Susanne Johna den Zeitungen der Funke-Mediengruppe (Sonnabendausgaben). In den Gesundheitsämtern sieht die Lage nicht viel besser aus...“ Artikel von Raphaël Schmeller in der jungen Welt vom 24.01.2022 - „Walk of Care“: „Irgendwas muss jetzt passieren“
„Die Pflege-Initiative „Walk of Care“ fordert mehr und besser ausgebildetes Personal – und eine bessere Bezahlung. (…) Die Pflege-Initiative „Walk of Care“ fordert eine gesetzliche Personalbemessung, bessere Ausbildungsbedingungen, eine Fort- und Weiterbildungsordnung, politische Mitbestimmung aller Gesundheitsberufe und eine gerechtere Finanzierung des Gesundheitssystems. Wir haben mit drei Aktivist:innen aus verschiedenen Städten gesprochen und sie gefragt, was ihre drängendsten Forderungen sind…“ Interview von Fritzi Knitter vom 17.01.2022 bei fluter – Magazin der Bundeszentrale für politische Bildung - Neues Dossier: Tarifbewegung für Entlastung an den Unikliniken in NRW: Notruf – Gebraucht, beklatscht, aber bestimmt nicht weiter so!
- Omikron bedroht Personaluntergrenze in Kliniken – Kassen warnen die Ampel-Koalition vor falschen Schlüssen
„… Die gesetzlichen Krankenkassen haben die Ampelkoalition davor gewarnt, bei einer starken Belastung des Gesundheitswesens durch die Omikron-Variante dem Drängen der Kliniken nach einer Aussetzung der Personaluntergrenzen in der Pflege nachzugeben. „Die Untergrenzen sollen nicht nur eine Überlastung des Pflegepersonals verhindern, sondern sie dienen auch dem Schutz der Patientinnen und Patienten vor schlechter Versorgung“, sagte die Chefin des Spitzenverbandes der Kassen, Doris Pfeiffer, dem RedaktionsNetzwerk Deutschland (RND). Vor einer Aufhebung könne sie daher nur eindringlich warnen. „Die Untergrenzen können Patientengefährdung verhindern – nicht mehr, aber auch nicht weniger. Doch mehr Mittel haben wir derzeit nicht“, fügte sie hinzu. (…) Pfeiffer lehnte zudem die Pläne der Ampelkoalition für eine Personalbemessung in der Krankenpflege ab. Im Koalitionsvertrag sei als jahrelange Übergangslösung ein System geplant, das nur sehr allgemein den Personalbedarf über die Honorierung der Kliniken steuern solle, beklagte sie. „Wie viele Pflegekräfte dann konkret pro Schicht am Bett arbeiten, bleibt jedoch völlig offen. Das wäre in etwa so, als würde man höhere Verkaufspreise für Autos festlegen, um mehr Arbeitsplätze in den Fabriken zu erreichen“, argumentierte sie. (…) „Das kann nicht funktionieren, schützt weder Patienten und Patientinnen, noch Personal, zumal die Forderung besteht, dann die Untergrenzen wieder ganz abzuschaffen“, warnte Pfeiffer. „Viele Jahre lang haben die Kliniken auf Kosten des Pflegepersonals gespart. Dazu darf es im Interesse sowohl der Patientinnen und Patienten als auch der Pflegekräfte keinesfalls wieder kommen“, mahnte die oberste Kassen-Chefin. (…) Die gesetzlichen Krankenkassen warnten außerdem vor Defiziten in zweistelliger Milliardenhöhe und forderten deshalb Bundesgesundheitsminister Karl Lauterbach (SPD) auf, die im Koalitionsvertrag vereinbarten Finanzreformen nicht auf die lange Bank zu schieben…“ Artikel von Tim Szent-Ivanyi vom 4. Januar 2022 beim RND - [Erneut Arbeitsquarantäne?] Omikron-Welle: In kritischen Berufen sollen womöglich auch Infizierte arbeiten dürfen
„Wegen der Omikron-Variante fürchten Experten Engpässe bei kritischer Infrastruktur. In der Bund-Länder-Runde wird diskutiert, ob in solchen Fällen symptomfreie Infizierte dennoch arbeiten dürfen. Bund und Länder fürchten einen massiven Anstieg der Corona-Neuinfektionen durch die Variante Omikron – und mit ihr möglicherweise Einschränkungen bei der kritischen Infrastruktur im Land. Nun beraten die Länderchefs in ihrer gemeinsamen Schalte mit Bundeskanzler Olaf Scholz (SPD) darüber, Quarantäneregeln für Infizierte teilweise aufzuheben. Das erfuhr der SPIEGEL von Teilnehmenden der Runde. (…) In der Bund-Länder-Runde ist auch Charité-Chef Professor Heyo Kroemer zugeschaltet. Nach SPIEGEL-Informationen hält er Bouffiers Vorschlag, Ausnahmen bei der Quarantäne zuzulassen, für bedenkenswert. »Darüber wird man nachdenken müssen«, sagte Kroemer demnach. Eine mögliche Bedingung könnte laut dem Experten sein, dass zuvor 30 Prozent des betroffenen Betriebs ausgefallen sind und vor Ort FFP2-Masken getragen werden…“ Meldung vom 21.12.2021 beim Spiegel online – wir erinnern an: Arbeitsquarantäne – ist das legal? - Arzt über Corona-Klinik-Alltag. Chirurg: „Waren nicht mehr handlungsfähig“
„“Waren nicht mehr handlungsfähig“: Bei Twitter geht der Bericht eines Arztes aus dem Klinik-Alltag in Corona-Zeiten viral. ZDFheute dokumentiert die Aussagen. Er ist Herzchirurg und Intensivmediziner, auf Twitter berichtet er anonym über seinen Alltag in einer Uniklinik. Er beschreibt eine Arbeit am Limit. ZDFheute hat ihn kontaktiert. Er konnte seine Identität plausibel machen und erzählt davon, dass Unikliniken Patienten vor Ort teils nicht mehr versorgen können. „Das liegt am reduzierten Personal und natürlich an durch Covid gebundene Ressourcen“, schreibt er ZDFheute…“ Beitrag von Julia Klaus vom 20.12.2021 beim ZDF – siehe auch direkt seinen Twitter-Account - Versagt der Staat? Das Pandemie-Management der Regierung sei gescheitert, sagen auch viele Linke – doch das stimmt nicht
„… Klar ist: Der Staat versagt darin, alle Menschen bestmöglich vor dem Virus zu schützen. Allerdings »versagt« der kapitalistisch-demokratische Staat ohnehin ständig darin, die Bewohner*innen eines Landes vor vermeidbaren Leiden und Gefahren zu schützen. Sehr arme Menschen etwa sterben im Durchschnitt zehn Jahre früher als sehr reiche; Arbeit, schlechte Wohnverhältnisse und theoretisch unnötige Umweltbelastungen kosten Menschenlebenjahre – ständig. Warum? Weil auch der demokratische Staat im Kapitalismus nicht neutral und allen Bürger*innen gleichermaßen verpflichtet ist; er muss als »ideeller Gesamtkapitalist« vielmehr sicherstellen, dass sich die Bedingungen für die Kapitalakkumulation bestmöglich gestalten. Das gilt auch in der Pandemie. Das heißt, die Todesopfer in einem Maß zu begrenzen, dass das Weiterlaufen von Produktion und Reproduktion nicht allzu stark beeinträchtigt wird, aber auch die Schutzmaßnahmen – wie Lockdowns – in einem Maß zu begrenzen, dass »die Wirtschaft« weiterlaufen kann. Also: die Work-Die-Balance zu organisieren und für ihre Akzeptanz zu sorgen. Auch wenn es so scheint, als würde die Pandemie unnötig in die Länge gezogen, als sei ihre staatliche Bewältigung ineffizient, muss man nach fast zwei Jahren doch konstatieren: Gemessen an der skizzierten Aufgabe geht die Rechnung auf. Für die deutsche Wirtschaft läuft es den Umständen entsprechend gut, einige Privatvermögen konnten durch Corona sogar enorm wachsen. Im Großen und Ganzen ist also gelungen, worum es beim Pandemie-Management geht. Dass damit vermeidbares Leid nicht vermieden, sondern in Kauf genommen wird, ist kein Zeichen von Staatsversagen, sondern zeigt vielmehr, worin die Aufgabe des Staates besteht. Auch das Vermitteln dieser Strategie funktioniert in der Bundesrepublik ziemlich gut: Die Zustimmung zum Regierungshandeln ist einer lauten, aber kleinen Minderheit von Maßnahmengegner*innen zum Trotz immer noch recht hoch. (…) Natürlich sind bestimmte Vorgehensweisen im Pandemie-Managament vorteilhafter als andere. Und ja, auch in Deutschland könnte vieles besser laufen, aber – unter diesen Kräfteverhältnissen zumindest – nicht ganz anders. Dennoch muss dort, wo es möglich ist, darauf hingewirkt werden, dass der Staat etwa die Impfungen besser an die Menschen bringt. Wo es nicht möglich ist, müssen wir es selbst tun. Im Großen bedeutet das: Natürlich sollten Linke das zynische Aufwiegen von Menschenleben und Wirtschaftskreislauf in der Pandemie kritisieren. Dafür müssen sie es aber als solches erkennen. Die Rede vom »Staatsversagen« verschleiert den Charakter des Staates eher, weil sie die Illusion nährt, dieser sei eigentlich dafür da, alle Bewohner*innen eines Landes gleichermaßen zu schützen – oder gar global Menschenleben zu priorisieren.“ Beitrag von Jan Ole Arps, Hannah Eberle und Nelli Tügel am 14. Dezember 2021 im ak677 - Marburger Bund fordert Systemwechsel im Krankenhauswesen: „Mit ein paar Korrekturen ist es nicht getan“
„„Wir brauchen eine Gesundheitspolitik, die sich an den Versorgungsbedürfnissen der Patienten orientiert und das Versprechen humaner Arbeitsbedingungen nicht länger ad absurdum führt.“ – Mit klaren Worten hat Dr. Susanne Johna, 1. Vorsitzende des Marburger Bundes, eine Neuorientierung in der Gesundheitspolitik gefordert. „Krankenhäuser müssen auch in einer Pandemie in der Lage sein, unvorhersehbare und dringende Fälle wie z.B. Unfallopfer und Menschen mit akutem Herzinfarkt oder Schlaganfall sofort versorgen zu können. Daran darf es zu keiner Zeit Abstriche geben“, forderte Johna. Anstatt den derzeitigen ruinösen Kosten- und Verdrängungswettbewerb fortzusetzen, brauche es endlich eine aktive Krankenhausplanung unter Beteiligung der angestellten Ärztinnen und Ärzte. „Mit ein paar Korrekturen an dem derzeitigen Finanzierungssystem ist es nicht getan, wir brauchen einen Systemwechsel im Krankenhauswesen“, so die Marburger Bund-Vorsitzende. Fortschritt im Gesundheitswesen könne es nur geben, wenn ausreichend Personal für die Patientenversorgung zur Verfügung stehe. „Schon im Regelbetrieb ist Personalmangel ein großes Problem – bei zusätzlicher Beanspruchung durch Covid-19 ist der Dauereinsatz vielfach kaum zu bewältigen und hinterlässt deutliche Spuren der Erschöpfung bei Ärztinnen und Ärzten und Pflegenden. Ich muss es an dieser Stelle einmal deutlich sagen: Auch Ärztinnen, Ärzte und Pflegekräfte können durch Überlastung krank werden!“ In den Kliniken müsse ein prinzipielles Umdenken in Gang kommen und Personalentwicklung betrieben werden. Personalkonzepte, die bewusst ‚auf Kante genäht‘ seien, scheiterten spätestens in Phasen starken Patientenaufkommens…“ Pressemitteilung vom 14.Dezember 2021 , siehe auch:- Arbeitszeitexzesse im Krankenhaus. Der Marburger Bund will die Leistungen der Krankenhausärzte anerkannt und besser entlohnt wissen
Artikel von Martin Höfig vom 14.12.2021 im ND online zur MB-Tarifrunde
- Arbeitszeitexzesse im Krankenhaus. Der Marburger Bund will die Leistungen der Krankenhausärzte anerkannt und besser entlohnt wissen
- Keine Pflege im Corona-Expertenrat
„… Nun steht der Expertenrat der Ampel, der im Corona-Desaster die Regierung beraten soll. Nötig wird er, so verstehe ich das, weil die Inzidenzen steigen, aber kaum noch Pflegende vorhanden sind. Noch immer nennt man diesen Zustand „freie Betten“, obwohl es genügend Betten, aber keine Pflegenden für die Menschen in diesen Betten gibt, die sich deshalb in diese Möbelstücke nicht legen können.
Noch immer also da selbe Wording. Pflege bleibt „das Ding“. Der Expertenrat besteht aus einer interdisziplinären Creme de la Creme der Wissenschaft. Virologen, Psychologen und einem Landrat, der sich darauf freut, „seine Kompetenzen einbringen zu können“, von denen unklar ist, was sie beinhalten.
Gefreut, Expertise mitzubringen, wenn es darum geht, über ein Desaster zu reden, das sich ohne Zweifel auch als Corona-Pflege-Desaster benennen lässt, hätte sich die Pflege. Immerhin geht es um sie, um Themen, die ihren Arbeitsbereich betreffen. Beratung der Regierung täte Not, weil die in den letzten Wochen mehrfach unter Beweis gestellt hat, dass sie nicht weiß, was Pflege ist, wer in Altenheimen pflegt und was sie kann. Impfen zum Beispiel. Aber das soll sie nicht.
Aber sie ist nicht vertreten. Sie ist nicht vertreten, obwohl im Wahlkampf alle was von Pflege stärken, Systemrelevanz, Veränderungen und hochundheilig Verbesserungen versprochen hatten. Aber das war halt im Wahlkampf und wie wir alle wissen, hat der mit der Realität nicht viel zu tun. Pflege ist nicht vertreten, weil man sich angewöhnt hat, über die Pflege zu reden, anstatt mit. Zwar befürwortet man Kammern, aber auch die sitzen nicht am Tisch. Zwar befürwortet man den DPR und unterstützt ihn monetär, aber sagen soll er lieber nichts.
In anderen Ländern ist Pflege mit in den Krisenstäben vertreten. Aber nicht in diesem Land, wo man den Berufsethos bemüht., um Durchhalteparolen zu generieren. Die Botschaft ist simpel. Man hat ja gerade erst die Freiheit der Körper der Pflegenden ausgesetzt (Impfen) obwohl man gar nicht so genau weiß, über wie viele man da redet. Man hat auch einen Bonus versprochen, von dem man nicht so genau weiß, was, wieviel, an wen und wann („Das will wohlüberlegt sein“). Von politischer Partizipation war nie die Rede. Es ist freilich auch einfacher, die Pflege außenvor zu lassen im Beratungsprozess. Nachher würde man etwas über die eigene fatale Struktur und die Systemschwächen lernen. Und das verweigert man ja seit Jahrzehnten. Nachher würden die Leute in diesem Land noch wahrnehmen, dass das mit der Systemrelevanz keine Worthülse war, auch, wenn man sie meinte. Und am Ende rausfinden, dass die wirklich etwas können. Da lässt man sie lieber daheim. Wo sie keinen Schaden anrichten kann. Freilich, genau wegen der mangelnden Wertschätzung, der Nichtwarhnehmung, dem Verfügen und dem Ausbeuten, wegen politischen Versprechungen, die nie eingehalten wurden und wegen Überlastung kündigen gerade viele den Job...“ Kommentar vom 11. Dezember 2021 von und bei Monja Schünemann - Personalmindestvorgaben in Kliniken außer Kraft
„Angesichts der pandemischen Lage hat der Gemeinsame Bundesausschuss (G-BA) Maßnahmen der Qualitätssicherung erneut außer Kraft gesetzt. t. Bis Ende März können Krankenhäuser von der Mindestausstattung mit Pflegefachkräften bei bestimmten Behandlungen abweichen. Es wird bis zu diesem Zeitpunkt in den Krankenhäusern auch auf bestimmte Kontrollen durch den Medizinischen Dienst verzichtet. Bei bestimmten Behandlungen können Krankenhäuser jetzt von den Mindestvorgaben für die Ausstattung und den Einsatz von Pflegefachkräften sowie für die ärztliche wie pflegerische Weiterbildung abweichen.
Bitterböse fragt der ver.di-Pflegebeauftragte. ob man nicht besser gleich alle Krankenhäuser schließen sollte. Michael Quetting: „Wir können die Versorgung der Menschen nicht mehr gewährleisten. Bekanntlich ist das auch in Nicht-Corona-Zeiten oftmals der Fall. Damit ein Mindestmaß gewährleistet ist, hat man in einigen Bereichen Personalmindestzahlen festgelegt. Das fand zwar immer unsere Kritik und doch war es irgendwo tatsächlich ein Stoppschild für die totale Katastrophe. Auch diese Maßnahme führet dazu, dass es weniger Intensivbetten gibt. Wie löst man nun aktuell erneut das Problem? Der Gemeinsame Bundesausschuss er setzt einfach alle Qualitätssicherungsmaßnahmen außer Kraft. Ohne Qualität sind wir dann auch nicht überlastet. Am besten wäre, wir schließen alle Krankenhäuser, dann haben wir auch keine Versorgungsprobleme mehr. Wir versorgen einfach Niemanden.““ Mitteilung von Michael Quetting, ver.di-Pflegebeauftragter (Landesbezirk Rheinland-Pfalz-Saarland – Fachbereich 03), vom 3.12.2021 (per e-mail) - [BARMER-Pflegereport 2021] Der Pflegenotstand in Deutschland wird nach neuen Hochrechnungen brisanter als bislang angenommen
„Bis zum Jahr 2030 sollen bei konservativen Annahmen mehr als 180.000 Pflegekräfte fehlen, auch weil es mit dann insgesamt rund sechs Millionen Pflegebedürftigen über eine Million Betroffene mehr geben wird als bisher angenommen. Das geht aus dem aktuellen Pflegereport der BARMER hervor – der sich auf die Alten- bzw. Langzeitpflege bezieht. Die Pflege in den Krankenhäusern ist hier nicht berücksichtigt. (…) Wie aus dem BARMER-Pflegereport weiter hervorgeht, werden in weniger als zehn Jahren knapp drei Millionen Pflegebedürftige ausschließlich von ihren Angehörigen gepflegt und damit rund 630.000 mehr als im Jahr 2020. Zudem wird es insgesamt eine Million Menschen vollstationär und 1,17 Millionen durch ambulante Pflegedienste versorgte Menschen geben. Dies entspricht einem Anstieg um gut 200.000 Betroffene (+26 Prozent) in Pflegeheimen und 165.000 Personen, die ambulant versorgt werden (+16 Prozent). »Der Autor des BARMER-Pflegereports, Prof. Dr. Heinz Rothgang vom SOCIUM – Forschungszentrum Ungleichheit und Sozialpolitik an der Universität Bremen, wies aufgrund der höheren Zahl an Pflegebedürftigen und des zunehmenden Personalbedarfs auf einen deutlich größeren Finanzbedarf hin. Dieser werde ohne weitere Leistungsverbesserungen, die gleichwohl nötig seien, von 49 Milliarden Euro im Jahr 2020 auf 59 Milliarden Euro bis zum Jahr 2030 steigen. „Neben den Herausforderungen bei der Finanzierung muss der Blick auch auf die Frage gerichtet werden, wer künftig die Pflegebedürftigen betreuen soll. Bereits heute fehlen tausende Pflegekräfte. Den Arbeitskräftemangel zu bekämpfen, muss ein zentrales Anliegen werden“, so Rothgang. Den Reportergebnissen zufolge fehlten bis zum Jahr 2030 etwa 81.000 Pflegefachkräfte, 87.000 Pflegehilfskräfte mit und 14.000 Pflegehilfskräfte ohne Ausbildung. Dabei sei im stationären Bereich die vollständige Umsetzung des Personalbemessungsverfahrens noch gar nicht berücksichtigt«, so die Pressemitteilung der BARMER Krankenkasse.“ Beitrag von Stefan Sell vom 1. Dezember 2021 auf seiner Homepage zum 234-seitigen BARMER Pflegereport 2021 von Heinz Rothgang und Rolf Müller - Gesundheitssystem vor dem Kollaps: Vielleicht hätten die Pfleger einfach zocken sollen
„Deutschland hat den 100.000. Coronatoten zu beklagen. Der Wille der Politik, Menschenleben zu retten, war offenbar weniger ausgeprägt, als einst der Finanzindustrie aus der Klemme zu helfen. Das ist die Perversion des Kapitalismus. Erinnern Sie sich noch an den 5. Oktober 2008? Das war der Tag, an dem sich Bundeskanzlerin Angela Merkel gemeinsam mit Finanzminister Peer Steinbrück im Kanzleramt vor Mikrofonen aufbaute und versprach: »Die Bundesregierung sagt am heutigen Tag, dass wir nicht zulassen werden, dass die Schieflage eines Finanzinstituts zu einer Schieflage des gesamten Systems wird. Wir sagen den Sparerinnen und Sparern, dass ihre Einlagen sicher sind. Auch dafür steht die Bundesregierung ein.« Zuvor hatten sich zahlreiche Banken mit teils dubiosen Finanzgeschäften an den Rand des Ruins spekuliert. Doch das individuelle Versagen der Kapitalwirtschaft wurde großzügig von der Allgemeinheit aufgefangen. Die Steuerzahlerinnen und Steuerzahler kostete die Bankenrettung über 60 Milliarden Euro, möglicherweise noch deutlich mehr. (…) An diesem Donnerstag will sich die geschäftsführende Bundeskanzlerin Merkel mit ihrem geschäftsführenden Finanzminister und wahrscheinlichen Nachfolger Olaf Scholz wieder im Kanzleramt vor Mikrofonen aufstellen. Nach allem, was man hört, wird sie Folgendes verkünden: »Die Bundesregierung sagt am heutigen Tag, dass wir nicht zulassen werden, dass die Coronakrise zu einer Krise des gesamten Gesundheitssystems wird. Wir sagen den Beschäftigten des Gesundheitssektors zu, dass wir alles Geld in die Hand nehmen, um die Belastungen zu lindern. Wir sagen zu, das Personal für die Dauer der Pandemie so zu entlohnen und die Arbeitsbedingungen akut so zu verbessern, dass für all jene ein Anreiz besteht, wieder in den Job zurückzukehren, die ihn verlassen haben. Auch dafür steht die Bundesregierung ein.« Haha, schön wär’s, Sie merken schon, das wird nie passieren. (…) Es sollte der Politik zu denken geben, wenn die Geschäftsführerin eines Krankenhauses öffentlich sagt: »Ich bin Demokratin durch und durch. Aber es macht mich schon fassungslos, dass wir in diese Lage geraten sind.« Gibt es der Politik nicht zu denken, sendet sie das Signal: Die Banken waren systemrelevant, das Gesundheitswesen ist es nicht. Es ist die Perversion des kapitalistischen Systems…“ Kommentar von Janko Tietz vom 25. November 2021 beim Spiegel online - Ein Aufruf #fürunsalle – Appell der Teams der UKSH-Covid-Stationen und Notaufnahmen in Kiel und Lübeck
„In dieser vierten Corona-Welle stehen wir alle vor nie dagewesenen Herausforderungen. Solidarität ist jetzt ein Muss. Ein Appell der Teams unserer Covid-Stationen und Notaufnahmen in Kiel und Lübeck – stellvertretend für uns alle im UKSH.“ Video des UKSH Universitätsklinikums Schleswig-Holstein vom 26.11.2021 auf youtube - Vivantes-Mitarbeiter:innen am Limit: Pflegende schlagen Alarm
„In Notaufnahmen der landeseigenen Vivantes-Krankenhäuser herrscht permanenter Ausnahmezustand, beklagt ein Brandbrief. Die Missstände lägen im System. In einem Brandbrief haben sich 163 Pfleger:innen aus den Notaufnahmen der Vivantes-Krankenhäuser an Franziska Giffey (SPD) und an den gesamten Berliner Politikbetrieb gewandt. Die Zustände dort würden „Ausmaße annehmen, die Sie sich nicht einmal vorstellen können“, heißt es in dem Brief. Patient:innen würden „stundenlang auf den Fluren liegen, abgestellt ohne Aussicht auf einen Platz auf Station“. Die Beschäftigten seien „am Ertrinken“ – sie wüssten nicht, wie lange sie die Situation noch durchhalten. Akut sei es die Coronanotlage, welche die Notaufnahmen überfordere. „Wir arbeiten mit derselben Anzahl Pfleger:innen wie vor der Pandemie“, erklärte Stella Merendino, Pflegerin in der Notaufnahme des Humboldt-Klinikums, die Lage der taz. Dabei sei ihrer Notaufnahme nun noch ein Isolationsbereich für 14 Covid-Patient:innen angehängt worden. Diese müssten noch zusätzlich zum ohnehin schon kaum zu bewältigenden Arbeitsumfang versorgt werden; das sei nicht zu leisten. Als Sofortmaßnahme wird mehr Personal für die Notaufnahmen gefordert. Zur Not müssten dafür auch Pfleger:innen aus anderen Stationen abgezogen und mit Leasing-Kräften kompensiert werden, so Merendino. Von der Politik, insbesondere von der Senatsfinanzverwaltung, die (noch) unter der Obhut von Finanzsenator Matthias Kollatz (SPD) steht, fordern die Pfleger:innen zudem die verbindliche Zusage, die Refinanzierung aller Krankenhausbereiche sicherzustellen…“ Artikel von Timm Kühn vom 22. 11. 2021 in der taz online - VdK: „Corona-Notlage in Kliniken auch Folge der Fehlentwicklung im Gesundheitswesen“. Pflegekräfte auf den Stationen wurden jahrelang aus Kostengründen reduziert. Ampelkoalition muss Gewinnorientierung und Wettbewerb in der Krankenhausversorgung abschaffen, fordert VdK
„Der Sozialverband VdK kritisiert die Gewinnorientierung und den Wettbewerb in der Krankenhausversorgung als Mitverursacher für die aktuelle Corona-Notlage in den Klinken. Sie müsse ein Weckruf für eine Neuausrichtung des Gesundheitswesens sein: „Die hohe Zahl an Corona-Patienten sorgt auch deshalb für eine Überforderung in den Krankenhäusern, weil die Pandemie auf die Folgen einer jahrelangen Fehlentwicklung im Gesundheitswesen trifft. Dass nur die Behandlung zählt, die Gewinn bringt, rächt sich jetzt. Die reine Pflege auf der Station zählt nicht dazu“, sagte VdK-Präsidentin Verena Bentele. In diesem System lohnten sich technisch aufwändige, teure Operationen und auch das Personal für solche Operationen lasse sich gewinnbringend einsetzen, kritisierte Bentele. „Pflegekräfte auf den Stationen dagegen sind seit Einführung der Fallpauschalen immer wieder reduziert worden. Die Personaluntergrenze für Pflegekräfte im Krankenhaus kam erst 2019 und damit viel zu spät.“ Bentele fordert von den Ampelkoalitionären eine sofortige Abkehr von der Gewinnorientierung und vom Wettbewerb in allen Bereichen der Gesundheitsversorgung. „Der Entwurf für den Koalitionsvertrag geht zwar in die richtige Richtung, etwa wenn ‚erlösunabhängige Vorhaltepauschalen‘ für das Personal eingeführt werden. Doch eine Neuausrichtung, die das Wohl der Patienten an erste Stelle stellt, sieht anders aus. Genau die brauchen wir aber jetzt.“ Pressemitteilung vom 23.11.2021 - Der Pflegepersonalmangel auf Intensivstationen wurde und wird durch die Corona-Pandemie geboostert
„Es ist kompliziert und für viele Menschen mehr als irritierend. Da verkündet der (noch und nur) geschäftsführende Bundesgesundheitsminister Jens Spahn (CDU) hoffnungsvoll das Ende der pandemischen Notlage und gleichzeitig wird man konfrontiert mit Dauermeldungen über steigende Inzidenzen, gepaart mit Notrufen aus zahlreichen Krankenhäusern, dass bereits jetzt die Betten voll sind mit COVID-19-Patienten. Und wie in den Wellen der vergangenen Monaten richtet sich der besorgte Blick auf die Endpunkte der Corona-Pandemie, also auf die Intensivstationen. Man erlebt eine Wiederholung dessen, was wir auch im ersten Corona-Jahr erfahren haben: Die Warnung, dass gerade die Intensivstationen, die Corona-Patienten versorgen müssen, an ihr Limit geraten. Alles derzeit erscheint wie ein großer Déjà-vu-Moment. (…) Deutschlands größte Uni-Klinik, die Charité in Berlin, warnt vor Überlastung. Christian Karagiannidis, wissenschaftlicher Leiter des DIVI-Intensivregisters, schreibt, ebenfalls in dem sozialen Netzwerk: „Viele Krankenhäuser werden bald wieder aus dem Regelbetrieb rausmüssen.“ (…) »Auch aktuell ist die Lage auf den Intensivstationen sehr angespannt. Derzeit kann mehr als jedes zweite Krankenhaus wegen fehlender Personalausstattung in Pflege oder Medizin Intensivbetten nicht betreiben. Die nicht betreibbaren Betten entsprechen knapp einem Viertel der laut Krankenhausplan verfügbaren Intensivkapazitäten der betroffenen Häuser.« Während große Krankenhäuser schon seit längeren große Stellenbesetzungsprobleme in der Intensivpflege haben, sind zunehmend auch kleinere und mittelgroße Häuser von Abwanderungen aus der Intensivpflege betroffen. Zur Kompensation von Personalausfällen in der Intensivpflege setzen die Krankenhäuser vermehrt Pflegepersonal von den Normalstationen ein, um die Versorgung insbesondere von COVID-19-Patienten zu gewährleisten. Derzeit kann mehr als jedes zweite Krankenhaus wegen fehlender Personalausstattung in Pflege oder Medizin Intensivbetten nicht betreiben. In den Großkrankenhäusern ab 500 Betten sind sogar 81 % der Befragten mit diesem Problem konfrontiert. Fazit des Deutschen Krankenhausinstituts: »Schon im letzten Jahrzehnt hatten die Intensivstationen mit steigender Tendenz mit Stellenbesetzungsproblemen in der Intensivpflege zu kämpfen. Die Corona-Pandemie hat die Lage noch weiter verschärft … Für dieses Jahr haben 72 % der Häuser durch Kündigungen, interne Stellenwechsel oder Arbeitszeitreduktionen weniger Intensivpflegepersonal zur Verfügung als noch am Ende des letzten Jahres. Erschwerend kommen ggf. noch gestiegene Ausfallzeiten durch Krankheit infolge der Belastungen durch die Behandlung von Corona-Patienten hinzu…“ Beitrag vom 3. November 2021 von und bei Stefan Sell , siehe dazu:- DKG Untersuchung zur Pflegepersonalsituation in der Pandemie: Weniger Intensivpflegefachkräfte durch extreme Corona-Belastungen
„Die Corona-Pandemie hat sich verschärfend auf den Pflegepersonalmangel auf den Intensivstationen der Krankenhäuser ausgewirkt. Das ergab eine Blitzumfrage des Deutschen Krankenhausinstituts (DKI) im Auftrag der Deutschen Krankenhausgesellschaft (DKG). 72 Prozent der befragten Krankenhäuser gaben dabei an, weniger Intensivpflegepersonal zur Verfügung zu haben, als noch Ende 2020. 86 Prozent der Häuser konnten ihre Intensivkapazitäten aufgrund des Personalmangels nicht vollumfänglich betreiben. Gründe sind vermehrte Kündigungen, Arbeitszeitverkürzungen und interne Stellenwechsel. Ursache dafür sind die verschärften und andauernden Belastungen durch die Corona-Pandemie. „Den Pflegepersonalmangel anzugehen, wird weiterhin zu den wichtigsten Aufgaben der Gesundheitspolitik gehören und muss ganz oben auf der Agenda der neuen Bundesregierung stehen. Spätestens in der Pandemie musste jeder verstehen, dass eine der höchsten Bettendichten der Welt und modernste Medizintechnik allein keine Kranken versorgen können. Politik und Krankenhäuser müssen gemeinsam alles dafür tun, dass der Pflegeberuf wieder attraktiver wird. Das funktioniert nur mit besseren Arbeitsbedingungen und natürlich guten Gehältern, die der hohen Verantwortung und Qualifikation angemessen sind. Für die politischen Rahmenbedingungen muss beispielsweise das Pflegepersonalbedarfs-bemessungsinstrument schnellstmöglich umgesetzt werden…“ DKG-Pressemitteilung vom 3. November 2021
- DKG Untersuchung zur Pflegepersonalsituation in der Pandemie: Weniger Intensivpflegefachkräfte durch extreme Corona-Belastungen
- Zermürbtes Pflegepersonal. Viele Krankenhaus-Beschäftigte haben aufgrund der extremen Belastungen in der Pandemie ihren Job an den Nagel gehängt
„… »Da dampft und brodelt es«, sagte Verdi-Chef Frank Werneke zu Beginn der Verhandlungen über die Lage im Gesundheitswesen. »An den Krankenhäusern in Länderhoheit, den Universitätskliniken, stehen die knappen Personalkapazitäten in keinem Verhältnis zu den enormen Aufgaben und Belastungen«, so der Gewerkschaftschef. Die Beschäftigten litten unter Dauerbelastung, an den Kliniken herrsche eine große Fluktuation. Natürlich ist nicht nur die Lage an den Unikliniken der Länder prekär. Und schon vor Corona kritisierten Gewerkschaft und Beschäftigte die Arbeitsbedingungen in den Krankenhäusern. (…) Ein weiterer Beleg für die miserable Lage in den Krankenhäusern ist eine Studie, welche die Deutsche Interdisziplinäre Vereinigung für Intensiv- und Notfallmedizin (DIVI) und die Deutsche Gesellschaft für Internistische Intensivmedizin angesichts der sich aufbauenden vierten Corona-Welle Ende Oktober veröffentlichten. Das Ergebnis der Untersuchung, für die 643 Intensivmediziner*innen befragt wurden: Weil die Pflegekräfte aufgrund der miserablen Arbeitsbedingungen reihenweise kündigen, kann derzeit jedes dritte Intensivbett hierzulande nicht belegt werden. (…) »Die zurückliegenden, zermürbenden Monate haben zu einer Verschlechterung der Stimmung und zu weiteren Kündigungen von Stammpflegekräften geführt.« In der kommenden Zeit sei mit einer spürbaren Einschränkung in der Versorgung der Bevölkerung zu rechnen. Schließlich wurden der DIVI zum Stichtag 20. Oktober 22 207 betreibbare Intensivbetten gemeldet. Am 1. Januar waren es hingegen noch 26 475 Betten, also 4268 mehr – und das war im Hochpunkt der zweiten Corona-Welle, in der zahlreiche Pflegekräfte selbst erkrankt und ausgefallen waren…“ Artikel von Simon Poelchau vom 02.11.2021 im ND online - Brandbrief: UKE-Notaufnahme offenbar überlastet
„Wir schaffen es einfach nicht mehr!“ So lässt sich ein Brandbrief von Pflegekräften aus der Zentralen Notaufnahme des Universitätsklinikums Hamburg-Eppendorf (UKE) zusammenfassen. Der Brief liegt NDR90,3 exklusiv vor und erhebt schwere Vorwürfe gegen die Verantwortlichen. Es sind katastrophale Zustände, die in dem Brief geschildert werden. Zumindest nach Aussagen der Pflegekräfte ist die Notaufnahme des UKE seit Wochen meistens überfüllt. Selbst auf den Fluren gebe es für die Patientinnen und Patienten kaum noch Platz. Dort seien sie dann möglichen Belästigungen durch betrunkene Patienten und Patientinnen hilflos ausgeliefert. (…) Neu eintreffende Patientinnen und Patienten könnten kaum versorgt werden, selbst wenn sie pflegebedürftig oder an Krebs erkrankt sind. Wenn Monitore Alarm schlagen, weil es einem Patienten oder einer Patientin schlechter geht, werde das teilweise nicht bemerkt. Sogar Fluchtwege und Rettungswege seien zum Teil versperrt oder nur schwer nutzbar, schreiben die Pflegekräfte. (…) Es ist bereits das zweite Schreiben von Pflegekräften im UKE, die auf – aus ihrer Sicht – unhaltbare Zustände aufmerksam machen. Auch die Pflegekräfte der Intensivstationen hatten bereits Alarm geschlagen…“ Meldung vom 1. November 2021 von und bei NDR 90,3 - Kliniken vor dem Kollaps: Ärzte warnen vor eklatanten Versorgungsmängeln in Krankenhäusern. Maßnahmen gegen Kommerzialisierung des Gesundheitssystems gefordert
„Erstmals seit Beginn der Pandemie trat am Montag der Deutsche Ärztetag in Berlin zusammen. Der Reformbedarf im Gesundheitswesen und die Folgen des Klimawandels für Gesundheit und Patientenversorgung sind zentrale Themen. Die Lage ist ernst, zumal die Zahl der in Kliniken eingelieferten Covid-19-Patienten aktuell wieder stark ansteigt. (…) Das Grundproblem: Es gebe immer weniger Pflegekräfte, warnte Klaus Reinhardt, Präsident der Bundesärztekammer. Ohne ernsthafte Maßnahmen drohe »der Kollaps dieses Systems«. Auch in der ärztlichen Versorgung zeigten sich bereits Engpässe. »Sie sind heute schon spürbar und werden sich in den nächsten Jahren dramatisch verschärfen.« In den Koalitionsverhandlungen von SPD, Grünen und FDP müsse der Gesundheitssektor eine wichtige Rolle spielen. Um die stationäre und ambulante Versorgung durch Ärzte in Zukunft zu sichern, sollten 3.000 bis 5.000 Medizinstudienplätze zusätzlich geschaffen werden; »dann wären wir etwa da, wo wir im Jahr der Wiedervereinigung waren«, erklärte der Ärztekammerpräsident. Derzeit funktionierten viele Krankenhäuser nur, weil Mediziner aus aller Welt nach Deutschland geholt würden, wodurch global betrachtet an anderen Stellen Versorgungslücken entstünden. Das sei nicht gerecht. (…) Bereits vor der Veranstaltung hatte die Bundesärztekammer laut Ärzteblatt einen Paradigmenwechsel in der Gesundheitspolitik gefordert. So seien »wirksame Eindämmungsmaßnahmen gegen eine zunehmende Kommerzialisierung des Gesundheitswesens« notwendig. Die künftige Bundesregierung solle ein gesundheitspolitisches Sofortprogramm auflegen, mit neuen Akzenten bei der Krankenhausplanung und -vergütung. Beides müsse am Behandlungsbedarf der Patienten ausgerichtet werden. Das könnte eine Abkehr vom System der Fallpauschalen bedeuten. Die Debatte über die Zahl der Krankenhäuser muss aus Sicht der Ärzte angesichts der Coronapandemie neu geführt werden. Die Forderung der Bertelsmann-Stiftung von 2019, die Zahl der Kliniken von bundesweit rund 1.900 auf etwa 600 große Krankenhäuser zu reduzieren, sei überholt…“ Artikel von Gudrun Giese in der jungen Welt vom 2. November 2021 - Arbeit mit den Unsichtbaren. Maximalwirtschaftliche Menschenfeindlichkeit: Frédéric Valin hat in der Pandemie »Pflegeprotokolle« versammelt
„Er hat »diesen Job geliebt« und musste doch hinschmeißen, mitten in der Pandemie, alleingelassen vom mittleren Management, einer Leitung, die weder die ihr anvertraute Wohngruppe sogenannter geistig Behinderter noch die Pflegenden angemessen schützen wollte. (…) Seine eigene Geschichte hat der Autor Frédéric Valin, der seit 2020 nicht mehr als Pfleger arbeitet, vor gut einem Jahr für die »Taz« aufgeschrieben. Sie hätte auch in den nun von ihm versammelten »Pflegeprotokollen« vorkommen können, doch aus seinen Berufserfahrungen soll später ein gesondertes Buch werden. Sein Fazit damals: »Gleichzeitig beherrschen draußen irgendwelche Demonstrant*innen mit ihren gefährlichen Agenden die Schlagzeilen, während von uns Pflegenden erwartet wird, dass wir unseren Job machen und die Fresse halten … Betreuer*innen und Pflegende müssen anfangen, ihre Geschichten zu erzählen.« Weil Valin plötzlich viel Zeit hatte, hat er andere Care-Arbeitende gebeten, genau das zu tun. Die entstandenen »Pflegeprotokolle« flankieren die Arbeitskämpfe, die in den Medien meist nur am Rande vorkommen, und erscheinen, auch wenn Voreilige die Pandemie bereits an ihrem Ende wähnen, zur rechten Zeit. Denn an der Ökonomisierung und Privatisierung des Gesundheitssystems, dem Personalmangel, den hierarchischen Strukturen in der sozialen Arbeit, der Geringschätzung von Care-Arbeitenden und Schutzbefohlenen, den Schikanen der Ämter gegenüber sozial Benachteiligten wird sich auch nach Corona nicht so schnell etwas ändern. Im Vorwort stellt Valin fest, »dass Pflege und Soziale Arbeit der Öffentlichkeit im Grunde fremd sind«. Seine Gesprächspartner*innen »waren froh, dass ihnen mal jemand zugehört hat«. Vanessa, die sich um Obdachlose und Drogenkranke kümmert, bestätigt: »Wir arbeiten mit den Unsichtbaren der Gesellschaft … Und genau so wie diese Menschen übersehen werden, werden wir auch übersehen … Soziale Arbeit ist ja immer ein Frauenberuf gewesen …, der nicht wirklich wertgeschätzt … wird … Aber es bräuchte auch Leute, die öffentlich aus der Praxis berichten.«…“ Rezension von Marit Hofmann vom 18. Oktober 2021 bei neues Deutschland online zu den beim Verbrecher-Verlag am 28. Oktober zum Preis von 18 Euro (240 Seiten) erscheinenden „Pflegeprotokollen“ von Frédéric Valin - „Aufgrund meiner medialen Präsenz“: Intensivpfleger Ricardo Lange soll nicht mehr in Klinik arbeiten dürfen
„Eine Klinik, für die er seit Jahren tätig ist, habe ihn gesperrt, twitterte Lange – weil der Pfleger öffentlich Missstände des Gesundheitssystems anprangere. (…) Bisher hätten sich die negativen Auswirkungen seiner Bemühungen für eine bessere Patientenversorgung auf Beleidigungen beschränkt, schrieb Lange. Nun jedoch sei er in einem Krankenhaus, das er namentlich nicht nennen wolle, gesperrt worden. Ihm sei mittgeteilt worden, dass all seine Dienste storniert worden seien, erläutert Lange später am Telefon. Er habe in der Klinik angerufen, nachgefragt, warum. „Aufgrund meiner medialen Präsenz, wurde mir gesagt.“ Eine rechtliche Handhabe hat der Pfleger nicht: Er ist über eine Leiharbeitsfirma beschäftigt, nicht fest angestellt – und die betreffende Klinik kann frei entscheiden, welche Dienstleistungen, sprich Pflegekräfte, sie bucht und welche nicht. (…) Den Namen der privaten Klinik, die ihn nun gesperrt habe, gibt Lange bewusst nicht preis – auch nicht auf Nachfrage des Tagesspiegels. „Ich finde, das gehört sich nicht. Ich will fair bleiben und glaube an Moral.“ Er vergleiche das gern mit einem Fußballspiel: „Derjenige, der unfair spielt, kriegt am Ende die Rote Karte.“ Es sei ihm bei seinen öffentlichen Äußerungen immer um die Verbesserung der Arbeitsbedingungen und der Patientenversorgung gegangen – nie um einen persönlichen Rachefeldzug oder darum, eine einzelne Klinik durch den Dreck zu ziehen. „Die Klinik ist ja auch dem unterlegen, was politisch gewollt ist.“ Aber er wolle eben auch öffentlich machen, wie es Leuten ergehen kann, die Missstände anprangern…“ Artikel von Constanze Nauhaus vom 02.10.2021 im Tagesspiegel online – siehe auch den Twitter-Account von Ricardo Lange – und zu ihm auch weiter unten - „Patienten liegen in Fäkalien“: UKE-Pfleger schreiben Brandbrief – Personalnotstand habe fatale Folgen für Intensivpatienten
„Sie kündigen, verkürzen ihre Arbeitszeit oder wechseln in andere Krankenhäuser: Dem UKE gehen die Intensivpfleger aus. So schildern es Mitarbeiter in einem Brandbrief an die Chefetage. Grund für die Personalflucht seien eine chronische Unterbesetzung und aus ihrer Sicht unmenschliche Arbeitsbedingungen. Darunter leide nicht nur das Personal, sondern auch die Patienten, die nicht mehr adäquat versorgt werden könnten. In ihrem Brief, der der MOPO vorliegt, fordern etwa zwei Drittel der rund 300 Intensivpfleger des UKE, etwas eigentlich Selbstverständliches: dass Vorschriften eingehalten werden. Die sogenannte „Pflegepersonaluntergrenzenverordnung“ besagt, dass jeder Pfleger auf einer Intensivstation für maximal zwei Patienten zuständig sein soll. Im UKE kann das laut den Pflegekräften aber schon lange nicht mehr gewährleistet werden: Hier betrage der Betreuungsschlüssel teilweise 1:4. Und das habe fatale Folgen. So könnten Medikamente nicht zeitnah verabreicht werden, die Grundpflege der Patienten entfalle und Wunden könnten nicht mehr in jeder Schicht versorgt werden. Auch die Hygiene leide dem Brief zufolge: „Leider passiert es des Öfteren, dass Patient:innen eine beträchtliche Zeit in ihren eigenen Fäkalien liegen müssen“, heißt es dort. An eine empathische Begleitung von Patienten und Angehörigen sei schon lange nicht mehr zu denken. All diese Faktoren können laut den Pflegern die Liegezeit verlängern und das Sterberisiko erhöhen. Und auch die physische und psychische Gesundheit der Mitarbeiter selbst leide. „Damit die Versorgung der Patient:innen sichergestellt ist, verzichten viele Kolleg:innen regelmäßig auf ihre Pause außerhalb der Station“, schreiben die Pfleger…“ Artikel von Pauline Reibe vom 28.09.2021 bei der hamburger MoPo - Langzeitfolgen von Covid-19: „Long Covid“ verstärkt Pflegemangel
„Die Spätfolgen einer Corona-Infektion verschärfen nach Ansicht der Berufsgenossenschaftlichen Unfallkliniken (BG Kliniken) den Pflegemangel. Bundesweit lägen den Versicherungsträgern weit über 100.000 Anträge von Klinikpersonal auf Anerkennung als Berufskrankheit vor, sagte der Chefarzt des Rehabilitationszentrums an der BG Unfallklinik Frankfurt, Christoph Reimertz, der Deutschen Presse-Agentur (dpa). Ausgehend davon, dass bei rd. 15 % aller Covid-19-Fälle das Risiko von „Long Covid“ bestehe, „wären das 15.000 Mitarbeiter weniger“, so Reimertz. Er gehe davon aus, dass die Versicherungen die meisten Fälle anerkennen. 2021 habe es deutlich mehr Anträge gegeben als noch 2020. Allerdings könnte der Höhepunkt der Antragstellungen überschritten sein, weil die Mehrheit des Pflegepersonals inzwischen geimpft sei. Long Covid oder „Post Covid“ kann laut Reimertz sowohl als Arbeitsunfall als auch als Berufserkrankung gewertet werden. Einen direkten Kontakt müssten Betroffene für die Anerkennung einer Berufserkrankung nicht nachweisen…“ Artikel von Nadine Millich vom 17.09.2021 bei bibliomed-pflege.de – siehe auch unser Dossier: COVID-19 als Arbeitsunfall und Berufskrankheit - Beschäftigte auf Kinderstation stellt klar: „Das Personal befindet sich in einer Abwärtsspirale“
„ Aktuell gibt es für Pflegekräfte weder das anerkennende Klatschen, noch Verpflegung während der Arbeitszeit oder Bonuszahlungen. Perspektive einer bayerischen Krankenhausarbeiterin auf Kinderstation. Der naive Gedanke, dass sich durch die Pandemie nachhaltig etwas Positives verändern könnte, hat sich inzwischen auch bei den optimistischsten Pflegekräften erledigt. In dem Bereich der Kinderbetreuung ist das Arbeitspensum deutlich gestiegen, denn über die komplette Pandemiezeit gab es massive Einschränkungen der Fördermaßnahmen. Einige Kinder, die Zuhause missbraucht werden, wären vor der Pandemie von den Schulen früher gemeldet worden und hätten Hilfe bekommen. Per Onlineunterricht jedoch lassen sich Vernachlässigungen, Missbrauch oder häusliche Gewalt selten ausmachen. Somit sind einige der Kinder, die wir aktuell betreuen, sehr bedürftig und brauchen natürlich viel mehr Personal als von den Chefs eigentlich vorgesehen ist. Das Personal unserer Klinik befindet sich in einer Abwärtsspirale. Durch Corona-Erkrankungen fallen immer wieder Mitarbeiter:innen aus. Auch mit der höheren Arbeitsbelastung der Kolleg:innen steigt der Stresspegel, sodass es nicht verwunderlich ist, dass sich dann noch mehr und mehr Personal krank meldet. Die Letzten, die versuchen, den Betrieb noch irgendwie aufrecht zu erhalten, stehen kurz vor dem oder auch schon mitten im Burnout. Das eigentliche Ziel, qualitativ hochwertige Förderung von Kindern und Eltern anzubieten, scheint zweitrangig. Wir Mitarbeiter:innen müssen miterleben, wie wir Kindern und Eltern durch Personalmangel nicht helfen können, Erfolgserlebnisse auf beiden Seiten bleiben aus und die Frustration steigt. Quantität statt Qualität ist gerade die Devise der Chefs. Tief traurig stimmt mich, dass viele Pflegekräfte – manchmal direkt nach der Ausbildung, oder nach nur ein paar Jahren – entscheiden, nicht mehr mit Menschen arbeiten zu wollen. Verständlich bei der Ausbeutung. Ständiges Einspringen, zehn Dienste am Stück, täglich bis zu zehn Stunden Arbeit, meist ohne Pause den kompletten Tag FFP2-Maske tragen, nichts Trinken oder Essen geschweige denn eine Toilettenpause. Wenn dann noch die kleinen Erfolgserlebnisse mit den Kinder ausbleiben, muss auch ich darüber nachdenken, wie lange ich noch in einem Krankenhaus arbeiten will und kann! Bis jetzt verlaufen alle Bemühungen meinerseits, etwas bei den Chefs zu verändern, im Sande. Es scheint nur wichtig zu sein, dass genug Geld fließt, damit sich die Vorgesetzten am Ende des Jahres Bonis ausschütten können. Das Hauptproblem liegt darin, dass die Klinik ein profitorientiertes Unternehmen ist! Deswegen fordere ich einen besseren Betreuungsschlüssel sowie angemessene Bezahlung, Wertschätzung und bezahlte Fortbildungen.“ Gastbeitrag einer bayerischen Krankenhausarbeiterin vom 3. September 2021 bei ‚Klasse gegen Klasse‘ - [Video] So schlimm wird die Pflegekrise
Inhalt: Schon vor Corona war es schlimm; Systemrelevant, schlecht bezahlt, wenig angesehen; Das ERI-Modell; Anstrengung; Wertschätzung; Gehalt & Aufstiegschancen; Jobsicherheit; Overcommitment; Das Problem mit Menschen, die gerne anderen helfen; Warum sich nix ändern wird; Liebe Pflegekräfte, liebe Politik – Video von Mai Thi Nguyen-Kim vom 29.07.2021 bei youtube mit umfangreichen Quellen und Verweisen - Überlastet in die vierte Welle? Klinikpersonal schlägt Alarm
„Seit eineinhalb Jahren begleitet der BR Pflegekräfte und Mediziner durch die Corona-Pandemie. Die Infektionszahlen sind aktuell niedrig, aber Personalmangel und Sparkurs belasten die Mitarbeiter. (…) Der Bayerische Rundfunk hat eine Umfrage unter 54 Pflegekräften und Medizinern durchgeführt. Sie ist nicht repräsentativ, aber sie zeichnet ein klares Bild: Lediglich drei Befragte erklären, mit ihren aktuellen Arbeitsbedingungen zufrieden zu sein. 22 geben an, ihren Beruf aufgegeben oder den Arbeitgeber gewechselt zu haben – oder zu überlegen, dies zu tun; darunter sind auch mehrere Mediziner. Jeder Fünfte gibt Posttraumatische Belastungsstörungen, Depressionen oder Schlafstörungen an; viele sind in Therapie. (…) Die Überlastung des Krankenhauspersonals hat – neben Corona – offenbar auch einen wirtschaftlichen Grund: In der Umfrage des BR führen 46 der Pflegekräfte und Mediziner Befragten ihre Arbeitsbedingungen darauf zurück, dass ihr Krankenhaus an Personal spart. Viele berichten, dass ihr Krankenhaus den Sparkurs mit teils pandemiebedingten Defiziten rechtfertigt und nun wieder mehr planbare Operationen durchführt. (…) Laut Bayerischer Krankenhausgesellschaft (BKG) schreibt inzwischen mindestens jedes zweite Krankenhaus im Freistaat rote Zahlen. Auf Anfrage bestätigt die BKG, die Beanspruchung der Beschäftigten in den Kliniken habe nicht selten die Belastungsgrenze erreicht und sei sogar darüber hinausgegangen. Schon in der Pandemie-Hochzeit wurden etwa ärztliche Stellen gestrichen. Das belegt auch eine Befragung des Verbands der leitenden Krankenhausärzte (VLK). Demnach gaben im vergangenen März 37 Prozent der Teilnehmer an, dass sie freiwerdende ärztliche Stellen trotz Bedarfs nicht nachbesetzen könnten. Unter Krankenhäusern privater Träger waren es 60 Prozent, obwohl diese geringere finanzielle Sorgen angaben. (…) Die Arbeitsbedingungen treffen bereits jetzt die Patienten, warnen die Pflegekräfte und Mediziner in der BR-Umfrage: 46 von 54 befragten Pflegekräften und Medizinern geben an, dass ihre Arbeitsbedingungen Patienten gefährden. 30 von 54 sagen, dass Patienten zu Schaden gekommen sind, 14 weitere können das nicht ausschließen…“ Beitrag von Claudia Gürkov vom 28. Juli 2021 bei BR24 - Gesundheitssektor: »In der Branche grassiert der Burnout«
Gewerkschafterin Rosa Pavanelli fordert im Interview von Kai Schönberg beim DGB Bildungswerk am 16. Juni 2021 „Investitionen im Gesundheitssektor, um die Folgen von Covid-19 zu überwinden. (…) Die Pandemie hat den katastrophalen Zustand der Gesundheitssysteme weltweit offengelegt. Seit Jahren wird hier drastisch bei Personal und Ressourcen gespart. Deshalb war man in allen Teilen der Erde völlig unvorbereitet auf Corona. Überstunden, Urlaubsverbote, harte Schichten waren die Folge. (…) Die Pandemie enthüllte auch die große Lüge, dass globale Lieferketten uns adäquat versorgen können. Als alle plötzlich gleichzeitig Masken oder Schutzkleidung benötigten, entstand ein gefährlicher Nationalismus. Die Lieferketten müssen also drastisch verkürzt werden: Jeder Staat muss sich mit solchen Materialien selbst versorgen können. Außerdem forderte die UN-Vollversammlung bereits 2016, dass wir weltweit rund 18 Millionen zusätzliche Stellen im Gesundheitssektor brauchen, allein um Kürzungen auszugleichen, vor allem in den ärmeren Ländern. (…) In Europa und anderen Regionen der Welt ist das Personal mittlerweile zum großen Teil geimpft, aber Fehlanzeige im Globalen Süden. Das alles beschleunigt einen Teufelskreis. Deshalb benötigen wir unbedingt eine Freigabe von Impfstoffpatenten. (…) Wir arbeiten gemeinsam mit WHO, ILO oder OECD daran, künftig besser auf neue Pandemien vorbereitet zu sein. Zum Beispiel muss Covid-19 als Berufskrankheit für alle im Gesundheitssektor anerkannt werden. Außerdem setzen wir uns bei Internationalem Währungsfonds und Weltbank dafür ein, dass die Ausgaben im öffentlichen Gesundheitssektor nicht mehr gedeckelt sein sollen…“ – der Beitrag ist aus NORD I SÜD news II/2021: Schuldenkrise nach Corona - Proteste gegen Gesundheitsministerkonferenz am 16. Juni: Versprochen. Gebrochen. Lehren ziehen!
„Die vielen Aktionen für eine bessere Gesundheitspolitik haben in den Bundesministerien hektische Betriebsamkeit ausgelöst. Kurz vor der Bundestagswahl jagt ein Gesetzentwurf den nächsten. Das zeigt: Unser Protest wirkt. Doch grundlegende Verbesserungen für die Beschäftigten im Gesundheitswesen lassen weiter auf sich warten. Von den vielen Versprechungen der vergangenen Jahre wurden kaum welche umgesetzt. Immer noch ist von Entlastung in den Betrieben nichts zu spüren. Im Gegenteil: Die Lage spitzt sich nicht nur wegen der Corona-Pandemie weiter zu. Kolleg*innen geben ihre Berufe auf oder arbeiten kürzer, weil sie einfach nicht mehr können. Vor allem in der Altenpflege und in Servicebetrieben müssen Beschäftigte allzu oft ohne tarifvertraglichen Schutz arbeiten. Dagegen wehren wir uns! Am 16. Juni treffen sich die Gesundheitsminister*innen des Bundes und der Länder. Sie tun das nur digital. Wir tragen den Protest dennoch in die Öffentlichkeit und konfrontieren die Politiker*innen mit unseren Forderungen. Vor den Gesundheitsministerien der Landeshauptstädte planen wir an diesem Tag zeitgleich Proteste – per Liveschaltung miteinander vernetzt. Vor vielen Betrieben sind ebenfalls Aktionen geplant. Dabei werden auch die Ergebnisse des Versorgungsbarometers präsentiert. Viele tausend Beschäftigte haben bei der Befragung Auskunft über ihre Arbeitsbedingungen und die Versorgungsqualität gegeben. Vor der Bundestagswahl im September ist die Gesundheitsministerkonferenz die Gelegenheit, den politisch Verantwortlichen eine klare Botschaft mitzugeben: Jetzt müssen die richtigen Lehren aus den Erfahrungen in der Pandemie gezogen werden. Das heißt vor allem: bedarfsgerechte und verbindliche Personalstandards; flächendeckende Bezahlung nach guten Tarifverträgen; Schluss mit Ausgliederungen und Fremdvergabe! Bundesgesundheitsminister Jens Spahn (CDU) hat etliche Versprechungen gemacht. Immer wieder hat er insbesondere eine Entlastung der Pflege zugesagt. Das hat er nicht umgesetzt. Das machen wir am 16. Juni lautstark deutlich. Auch bis zur Bundestagswahl und darüber hinaus werden wir immer wieder grundlegende Verbesserungen einfordern – bis sie erreicht sind…“ ver.di-Aufruf mit einer Liste der Aktionen am 16. Juni in vielen Städten sowie online und einem Flugblatt- Beschäftigtenproteste zur Gesundheitsministerkonferenz: ver.di-Befragung zeigt großen Handlungsdruck für bessere Arbeitsbedingungen
„Überall im Land haben zur Gesundheitsministerkonferenz am Mittwoch Beschäftigte aus Krankenhäusern, Pflegeheimen und anderen Einrichtungen für eine Wende in der Gesundheitspolitik demonstriert. (…) Wie dringend es ist, endlich politisch einzugreifen, machen die Ergebnisse des aktuellen „Versorgungsbarometers“ deutlich. Die von ver.di initiierte Befragung, die am Mittwoch vorgestellt wurde und an der sich rund 12.000 Beschäftigte aus Krankenhäusern, Psychiatrien, Altenpflege und Servicebereichen beteiligt haben, belegen eindrücklich gesundheitsgefährdende Arbeitsbedingungen und Überlastung. Demnach können sich 78 Prozent der Befragten nicht vorstellen, ihren Beruf unter den aktuellen Bedingungen bis zum gesetzlichen Rentenalter ausüben zu können. Nahezu drei Viertel der Befragten müssen nach eigener Einschätzung mit einer (viel) zu geringen Personalausstattung arbeiten. Die Mehrheit der Auszubildenden muss teilweise oder ganz ohne strukturierte Praxisanleitung auskommen. „Das passt vorne und hinten nicht zusammen. Die Beschäftigten werden für eine gute Versorgung dringend gebraucht, das hat die Pandemie allen noch einmal vor Augen geführt. Doch statt ihnen den roten Teppich auszurollen, werden viele förmlich ausgepresst und damit letztlich vergrault“, sagte Bühler. Die Auswirkungen auf Patienten und pflegebedürftige Menschen können folgenschwer sein. So geben 43 Prozent der Befragten im Krankenhaus an, Patientinnen und Patienten könnten nach einer OP nicht immer engmaschig überwacht werden. In psychiatrischen Einrichtungen können in 60 Prozent der Fälle nicht alle nötigen Einzeltherapien durchgeführt werden, die entscheidend zum Genesungserfolg und zur Vermeidung von Gewalt beitragen. In der Altenpflege fehlt fast drei von vier Beschäftigten Zeit, Gespräche zu führen und zuzuhören – mit entsprechenden Auswirkungen auf die Lebensqualität der pflegebedürftigen Menschen. Unter den Servicekräften sind 23 Prozent auf Zweit- oder Drittjobs angewiesen, um finanziell über die Runden zu kommen. (…) In nahezu allen Landeshauptstädten und an etlichen weiteren Orten sind Beschäftigte aus Gesundheitseinrichtungen am Mittwoch anlässlich der Gesundheitsministerkonferenz auf die Straße gegangen. Im Internet lief parallel ein Livestream, bei dem Beschäftigte unterschiedlicher Berufsgruppen und Einrichtungen zu Wort kamen…“ ver.di-Pressemitteilung vom 16. Juni 2021 - Klassenkampf mit Jens Spahn
„Der Gesundheitsminister mit CDU-Parteibuch sprach heute vor protestierenden Pflegekräften – und warb dafür, die Gewerkschaft ver.di zu stärken, weil er nicht immer schuld sein will. Hat Bundesgesundheitsminister Jens Spahn heute etwa indirekt zum Arbeitskampf aufgerufen? Jedenfalls warf der CDU-Politiker der Gewerkschaft ver.di an diesem Mittwoch in München vor, sie brauche nur deshalb staatliche Regelungen zu Mindestlöhnen und Personaluntergrenzen im Pflegebereich, weil sie in Tarifkämpfen nicht durchsetzungsfähig genug sei. Ver.di hatte anlässlich der digitalen Gesundheitsministerkonferenz Protestkundgebungen vor den Ministerien der Länder organisiert – und Spahn in München Gelegenheit gegeben, auf der Bühne selbst zu den Vorwürfen Stellung zu nehmen. Die Corona-Pandemie habe „wie unter einem Brennglas gezeigt“ wo das Gesundheitssystem stark sei, wo die Probleme lägen und welche von der Bundesregierung bereits „angegangen“ worden seien, sagte Spahn. Letzteres löste im Publikum Gelächter aus. Dann zählte der gelernte Bankkaufmann und Politologe seine mutmaßlichen Verdienste als Gesundheitsminister auf und betonte, der Pflegebereich sei bereits aus dem viel kritisierten Fallpauschalensystem herausgenommen worden. Allerdings wird dafür in anderen Bereichen gespart – bis hin zu Stellenstreichungen. Das hatte zuvor der Betriebsratsvorsitzende des Sana-Klinikums Offenbach, Holger Renke, im ver.di-Livestream deutlich gemacht. (…) Spahn beklagte unter erbosten Zwischenrufen den noch ausbaufähigen Organisierungsgrad von ver.di und erweckte schließlich den Eindruck, als würde er tatsächlich eine Stärkung der Gewerkschaft begrüßen, nur um nicht mehr für den Mangel an gesetzlichen Regelungen verantwortlich gemacht zu werden. „Ich hätte nie gedacht, dass ich mal dazu aufrufe ver.di-Mitglied zu werden“, betonte Spahn…“ Artikel von Claudia Wangerin vom 16. Juni 2021 in Telepolis - Gegen Sparpolitik und Privatisierungen im Gesundheitswesen. Streiken für mehr Personal! Kein Verlass auf die Regierung: Für eine bundesweite Krankenhausbewegung
„Am 16. Juni treffen sich die Gesundheitsminister:innen. Jens Spahn und Co. haben in der Pandemie auf ganzer Linie versagt. Deswegen organisiert die Gewerkschaft Ver.di Proteste des Krankenhauspersonals. Als Vernetzung für Kämpferische Gewerkschaften (VKG) rufen wir dazu auf, sich an den Aktionen zu beteiligen – auch Menschen, die nicht in Kliniken arbeiten. Denn eine gute Gesundheitsversorgung geht uns alle an. Trotz Pandemie und Überbelastung des Krankenhauspersonals hat sich an dem Personalmangel nichts geändert. Tausende verlassen den Beruf, da sie dem ständig steigenden Arbeitsdruck nicht mehr gewachsen sind. Der Profitwahnsinn und der Druck zum Kosten senken machen die Arbeitsbelastung noch schlimmer. Deshalb fordern wir: Privatisierungen stoppen. Bereits privatisierte Klinken unter Kontrolle der Beschäftigten verstaatlichen. Schluss mit Krankenhausschließungen. Eingliederung aller Tochterunternehmen zu den Bedingungen des Tarifvertrages im Öffentlichen Dienst. Sofortige Abschaffung der Fallpauschalen (DRGs) und die volle Refinanzierung aller Kosten für medizinisch notwendige Maßnahmen. Einstellung von ausreichend Personal entsprechend dem Bedarf. Arbeitszeitverkürzung bei vollem Lohn- und Personalausgleich. Freigabe der Patente auf Impfstoffe. Verstaatlichung der Pharmaindustrie. (…) Die Regierung und die Kapitalist:innen werden uns diese Forderungen nicht freiwillig erfüllen. Auch eine neue Koalition, ob Schwarz-Grün oder Grün-Rot-Rot, wird Politik für die Konzerne machen. Wir müssen selbst aktiv werden! Am 17. Juli wird es in München eine Großkundgebung des Deutschen Gewerkschaftsbundes geben – gegen die Abwälzung der Krisenkosten auf unserem Rücken: Gegen Privatisierungen, Einsparungen und für eine Vermögensabgabe. Diese Demo kann nur ein Anfang sein. In Berlin gibt es bereits eine Krankenhausbewegung, die ab September mit Streiks droht. Wir müssen dieses Beispiel aufnehmen und bundesweit ausbreiten. Ver.di muss Betriebsversammlungen einberufen, um Kampfmaßnahmen gegen die Krise bis hin zum Massenstreik vorzubereiten.“ Flyer der Münchner Gewerkschaftslinken / Vernetzung für kämpferische Gewerkschaften (VKG) am 14. Juni 2021 dokumentiert bei Klasse gegen Klasse - München: 11 Uhr: Kundgebung vor dem Gesundheitsministerium am Max-Joseph-Platz mit Podiumsgespräch mit Minister Holetschek; 16 Uhr: Auftaktkundgebung am Karl-Stützel-Platz, danach gemeinsamer Demonstrationszug; 17:30 Uhr: Abschlusskundgebung auf der Theresienwiese
- Auch das Bochumer Komitee „Volksinitiative Gesunde Krankenhäuser in NRW – für ALLE“ ist bei der Aktion dabei: „Wir müssen weg von Fallpauschalen und Krankenhäusern als Fabrik“, so Törk Hansen, Aktivist bei dem Komitee, „Wir werden auch an diesem Tag Unterschriften für die Volksinitiative sammeln, weil wir überzeugt sind, dass wir dringend eine Wende hin zu einem gemeinwohlorientierten Gesundheitswesen brauchen.“ Im Klinikum Bergmannsheil werden Beschäftigte und Aktivist:innen der Volksinitiative am Mittwoch um 13:00 zu einer Aktion zusammenkommen.
- Beschäftigtenproteste zur Gesundheitsministerkonferenz: ver.di-Befragung zeigt großen Handlungsdruck für bessere Arbeitsbedingungen
- [Altenpflege] Gestern beklatscht, heute gefeuert
„Ein Korrespondent aus dem Ruhrgebiet berichtet über die Situation in der Altenpflege: Nachdem die Impfungen in Gang kommen und die Infektionszahlen zurückgehen, ist es in den Medien etwas ruhiger geworden, was die Situation in den Altenheimen und Seniorenzentren angeht. Dabei machen sich aktuell die langfristigen Folgen der Pandemie bemerkbar, mit zum Teil gravierenden Folgen für die Beschäftigten. Bis Anfang letzten Jahres war es extrem schwierig, einen Heimplatz für ältere Menschen zu finden. Aktuell hat sich die Situation umgedreht. (…) Heute rufen unsere Sozialarbeiter wöchentlich die Krankenhäuser der Umgebung an und fragen nach neuen Bewohnerinnen und Bewohnern. Angeblich, so unsere Heimleitung, seien derzeit 30 Prozent der Seniorenzentren in Deutschland gravierend unterbelegt. In der Schweiz gibt es bereits betriebsbedingte Kündigungen in solchen Fällen. Ganz so weit geht unsere Leitung (noch) nicht. Aber es wurden Zeitverträge nicht verlängert, befristete Arbeitszeitaufstockung nicht weitergewährt und ähnliche Maßnahmen. Unsere Abteilung wurde geschlossen und das Personal auf andere verteilt. Durch die freien Betten war der allgegenwärtige Personalmangel zeitweise etwas erträglicher geworden. Aber diese Phase ist direkt wieder vorbei…“ Beitrag vom 08.06.2021 bei den Rote-Fahne-News - Aktionswoche 8.-16.6.21: Solidarische Gesundheit!
„Gemeinsam fordern wir die global Patentfreiheit für Impfstoffe und lebensnotwendige Medikamente, bessere Arbeitsbedingungen im Gesundheitswesen, Schluss mit der Gewinnorientierung in Krankenhäusern und eine solidarische Krankenversicherung für alle. Raus aus der Gesundheitskrise – nicht zurück!“ Siehe Aktionen und Städte bei der Kampagne Solidarisch geht anders – siehe auch unser Dossier: Petition von medico für die Aufhebung des Patentschutzes auf alle unentbehrlichen Medikamente: Patente garantieren Gewinne. Und töten Menschen. - Auf einen Blick: Arbeitsbedingungen in der Pflege – In Deutschland herrscht seit Jahren Pflegenotstand
„… „Das System muss geheilt werden“, so Bettina Rödig, die als Kinderkrankenpflegerin und Betriebsrätin in München arbeitet, im Gespräch. (…) Im Pflegedienst deutscher Krankenhäuser fehlen mehr als 100.000 Vollzeitstellen. Diese Lücke sei „keine unvermeidbare quasi naturwüchsig entstandene Situation, sondern vor allem durch Regelungen der Krankenhausfinanzierung hervorgerufen, die Krankenhäuser zu Kostensenkungen zwangen und dadurch einen starken Anreiz zum Stellenabbau insbesondere im Pflegedienst setzten“, zeigt unsere Studie von 2017. Seitdem scheint sich die Lage weiter verschlechtert zu haben. (…) Weit überdurchschnittlichen körperlichen und seelischen Belastungen steht ein Entgelt gegenüber, das im Schnitt inklusive Zuschlägen nur geringfügig über dem mittleren Lohn aller Beschäftigten liegt, so eine Untersuchung, die Mitte Februar 2020 veröffentlicht wurde. Auch die Digitalisierung konnte bisher weder zu einer substanziellen Arbeitsentlastung noch zu höheren Verdiensten in der Krankenpflege beigetragen. (…) In der Wirtschaftskrise 2008/2009 wurden Banken auch als systemrelevant bezeichnet und deshalb mit viel Staatsgeld gestützt. Die Berufe, um die es jetzt geht, sind allerdings mehr als systemrelevant: Sie gehören zur kritischen Infrastruktur, die das Leben einzelner Menschen sichert und dafür sorgt, dass Gesellschaft funktionieren kann. Sie orientiert sich am Gemeinwohl und funktioniert auch in der Krise. Das sicherzustellen ist Sache des Staates. Der Markt kann das nicht leisten, weil er nur das Angebot zur Verfügung stellt, das sich rechnet, schreibt Dr. Dorothea Voss in einem Kommentar im Magazin Mitbestimmung. (…) Auch Berthold Vogel, geschäftsführender Direktor des Soziologischen Forschungsinstituts Göttingen (SOFI), beschwert sich über die jahrzehntelange Vernachlässigung der Institutionen der öffentlichen Versorgung und schreibt: „Die Pflege und die Verantwortung für öffentliche Güter sind kollektive Aufgaben, die wir Arbeitskräften übertragen sollten, die hierfür gut ausgebildet sind und ein vernünftiges Arbeitsumfeld mit adäquater Vergütung vorfinden.“ (…) Ein weiterer wichtiger Punkt: Bei den Gesundheits- und Pflegeberufen existiert ein relativ niedriger gewerkschaftlicher Organisationsgrad. Hierauf weist auch der Krankenpfleger, SPD- & ver.di-Mitglied Alexander Jorde, der momentan Covid-Patienten betreut, in der NDR-Sendung “After Corona Club” hin: “Das ist, glaube ich, eines der Hauptprobleme in der Pflege, dass wir schlecht organisiert sind.“ (…) Krankenhäuser und Altenpflegeeinrichtungen stellen zudem zunehmend Pflegerinnen und Pfleger ein, die ihren Berufsabschluss im Ausland erworben haben. So ist die Zahl der Fachkräfte für Gesundheits- und Krankenpflege, die jährlich aus dem Ausland nach Deutschland kommen, zuletzt auf fast das Sechsfache gestiegen: Von knapp 1500 im Jahr 2012 auf gut 8800 im Jahr 2017…“ Die wichtigsten Daten und Einschätzungen auf einem Blick bei und von der Hans-Böckler-Stiftung, Stand 12. Mai 2021 - #moralischverletzt: Pflegekräfte teilen auf Twitter ihre Erfahrungen
„„Das System macht krank. Es brennt einen aus“ Unter #moralischverletzt erzählen Pflegekräfte von Situationen, in denen sie gegen ihre eigenen Wertvorstellungen handeln mussten. Aus Zeit- und Personalmangel. Menschen liegen über Stunden in ihren eigenen Ausscheidungen. Sie sterben alleine, weil das Pflegepersonal so unterbesetzt ist, dass es sich nicht um alle kümmern kann. Das sind nur einige Momente von vielen, die Pflegekräfte nun auf Twitter unter dem Hashtag #moralischverletzt teilen. Sie möchten damit genau auf jene moralischen Verletzungen aufmerksam machen, die sie fast täglich in ihrem Beruf erleben und die sie psychisch belasten. Menschen erleiden solche sogenannten moralischen Verletzungen, wenn sie entgegen ihrer eigenen Wertvorstellungen oder Ideale handeln müssen – wozu es in der Pflege durch Personal- und Zeitmangel nicht nur laut den Berichten der Twitter-User*innen häufig kommt…“ Beitrag vom 06.05.2021 bei jetzt.de – siehe die Aktion auf Twitter - Charité intensiv
„Einen Winter lang beobachtet die vierteilige Doku-Serie von Regisseur/Autor Carl Gierstorfer und Co-Autorin Mareike Müller eine Intensivstation der Charité, auf dem bisherigen Höhepunkt der Pandemie. Die Filme geben einen intimen Einblick in eine Welt im Grenzbereich zwischen Leben und Tod, die den meisten unbekannt ist…“ Die Filme des rbb in der ardmediathek - Corona-Pandemie: Beschäftigte im Gesundheitswesen schlagen Alarm
„Angesichts steigender Infektionszahlen und schwerer Krankheitsverläufe in Folge von Covid 19 spitzt sich die Lage im Gesundheitswesen – insbesondere auf den Intensivstationen – immer mehr zu. Die Corona-Pandemie wird auf dem Rücken der Beschäftigten ausgetragen; viele unserer Kolleginnen und Kollegen tragen sich angesichts der Überbelastung mit dem Gedanken den Pflegeberuf aufzugeben. Bund und Länder müssen endlich mehr Entschlossenheit bei der Bekämpfung der Pandemie und der Verbesserung der Situation der Beschäftigten im Gesundheitswesen zeigen“, erklärte der ver.di-Vorsitzende Frank Werneke vor Beginn der für heute geplanten Beratungen im Bundeskabinett. (…)„40 Prozent aller Arbeitgeber verweigern ihren Beschäftigten Testangebote. Obwohl häufige Kundenkontakte hier die Regel sind, ist die Situation in vielen Dienstleistungsbranchen besonders unzureichend, insbesondere dort, wo mit Subunternehmern und in Werkvertragskonstruktionen gearbeitet wird. Die Selbstverpflichtungserklärung der Arbeitgeberverbände ist ein Flop. Die Bundesregierung ist dringend dazu aufgefordert, über das Infektionsschutzgesetz verpflichtende Testangebote durch die Arbeitgeber anzuordnen und für ausreichende Kontrollen zu sorgen“, forderte Werneke angesichts steigender Infektionszahlen in der Arbeitswelt.“ ver.di-Pressemitteilung vom 12.04.2021 - Weltgesundheitstag am 7. April: Kundgebung und Fahrraddemonstration gegen die Ökonomisierung im Gesundheitswesen vor dem Bundesgesundheitsministerium – und dezentrale Aktionen bundesweit/international
„Die Corona-Pandemie hat die verheerenden Auswirkungen jahrzehntelanger neoliberaler Gesundheitspolitik deutlicher denn je hervortreten lassen: Die Krankenhäuser hatten keine Reservekapazitäten für Notfälle. Die Marktorientierung und die Finanzierung über Fallpauschalen sind verantwortlich für den akuten Personalmangel. Jahrelang vernachlässigte Investitionen und die Aufrechterhaltung der Profitorientierung in der Pandemie verschärfen die finanzielle Situation der Krankenhäuser. Hinzu kommen ebenso zusammengesparte Gesundheitsbehörden, die im Chaos versinken und nicht in der Lage sind, die Ausbreitung der Pandemie einzudämmen. Und obwohl die Entwicklung der Impfstoffe gegen das Coronavirus mit öffentlichen Mitteln finanziert wurde, sichern sich private Pharmakonzerne das Monopol und machen Profit. Wir fordern eine Umorientierung zu einer Politik, die ein solidarisch finanziertes und gemeinwohlorientiertes Gesundheitssystem für Alle im Blick hat. Zusammen mit dem Walk of Care rufen wir daher am Weltgesundheitstag, dem 7. April, zur Kundgebung der Kampagne #Gibuns5 um 16 Uhr vor dem Bundesgesundheitsministerium auf. Anschließend werden wir mit einer Fahrraddemonstration verschiedene Akteur*innen und Profiteur*innen der neoliberalen Zurichtung des Gesundheitswesens aufsuchen und sichtbar machen. Es sind zum Teil die Gleichen, die auch für die Klimakrise und damit für die größte Bedrohung der globalen Gesundheit mitverantwortlich sind. Deshalb werden wir den Aktionstag auch zusammen mit Gruppen aus der Klimagerechtigkeitsbewegung gestalten…“ Aufruf vom 31. March 2021 beim Berliner Bündnis Gesundheit statt Profite zu Kundgebung des Walk of Care, Bundesgesundheitsministerium, Friedrichstr. 108, 10117 Berlin, am 7.4. ab 16 Uhr und Fahrraddemonstration vom gleichen Ort ab 17:30 – Kundgebung und Fahrraddemonstration finden im Rahmen des europäischen Aktionstages „Our Health is not for sale“ und der bundesweiten Aktionstage „Corona muss Konsequenzen haben – Gesundheit statt Profite!“ statt. Siehe auch:- den Aufruf beim Bündnis „Corona muss Konsequenzen haben: Gesundheit statt Profite!“ zu dezentralen Aktionen am 7. April, dem Weltgesundheitstag und am 12. Mai, dem Tag der Pflege und die dort aufgelisteten Aktionen in vielen Städten
- Liste dezentraler Aktionen am 7. April, dem Weltgesundheitstag, bei attac
- und die Europäische Bürgerinitiative Kein Profit durch die Pandemie
- Kohle nur noch für die Pflege
„Am Weltgesundheitstag kooperieren Klimaaktivsten und Pflegekräfte. Eine die unterschiedlichen Gruppen verbindende Losung lautet: Der Markt wird es nicht richten…“ Artikel von Peter Nowak vom 07. April 2021 in Telepolis
- Die Corona-Krise und die Privatisierung des Gesundheitssystems
Im Interview von Reinhard Jellen vom 29. März 2021 bei Telepolis erläutert Werner Rügemer, was für ihn das Agieren der Bundesregierung in der Corona-Krise mit Privatisierungspolitik zu tun hat: „… Ich sehe das Agieren der Bundesregierung nicht als „unglücklich“, sondern als systemisch bedingtes Management. Es beruht auf Vorentscheidungen, nämlich verschiedener Privatisierungen, die zudem im größeren Kontext stehen: Die Interessen großer Kapitalorganisatoren gehen vor, private Berater entscheiden immer mehr mit. Aus dieser Logik kommen die Bundes- und Landesregierungen und das parlamentarische System selbst nicht mehr heraus. Um die Gesundheit der Bevölkerung – Gesundheit nach der WHO verstanden als „umfassendes körperliches, seelisches und geistiges Wohlbefinden“ – geht es dabei zum Wenigsten. (…) Mit Beginn der Pandemie wurde das öffentliche Vergaberecht mit öffentlichen Ausschreibungen gestoppt. Für das Management der Pandemie hat die Bundesregierung so viele private Berater engagiert wie noch nie: Angefangen beim Einkauf von Masken über Video-Programme für Hochschulen, Gesundheitsämter und das Gesundheitsministerium selbst. Zudem saßen die Privatisierer schon im Parlament: Abgeordnete der Regierungsparteien CDU und CSU – im Bundestag, in Landtagen, im EU-Parlament – sind gleichzeitig Unternehmer und private Berater, vertreten also nicht nur ihre Wähler, sondern sowohl sich selbst als Unternehmer wie auch andere Unternehmen, sind als hochbezahlte private Vermittler aktiv. Gesundheitsminister Jens Spahn ist selbst ein Privatisierungs- und Digitalisierungs-Fundamentalist. Wegen seiner Verbindung zum privaten und digitalen Medikamenten-Versand DocMorris (Niederlande/Schweiz) bezeichnete ihn das Ärzteblatt als „DocMorris-Aktivist“. (…) Allein für den notorischen Betrugshelfer Ernst&Young (EY, zuletzt bekannt geworden als Wirtschafts“prüfer“ beim Betrugsunternehmen Wirecard) gab das Spahn-Ministerium 40 Millionen Euro aus, um den Einkauf von Masken und Schutzausrüstung zu organisieren. Mit der PR-Agentur Scholz&Friends schloss Spahn einen Vier-Jahres-Vertrag über 22 Millionen Euro, um sich für die öffentliche Corona-Kommunikation beraten zu lassen. Das Altmaier-Ministerium zahlte 29 Millionen Euro an den privaten IT-Dienstleister Init GmbH für ein Programm zur Auszahlung von Corona-Hilfen. Weitere private Corona-Berater sind, so die Bundesregierung in einer Antwort auf eine Anfrage der Linken im Bundestag: Accenture (größte Unternehmensberatung der Welt, die auch die Bundesagentur für Arbeit und die Jobcenter umstrukturiert), die Bank Rothschild, die McKinsey-Tochter Orphoz, neben EY die weiteren Wirtschafts“prüfer“ Price Waterhouse Coopers und Oliver Wyman sowie die Wirtschaftskanzleien Noerr und Hogan Lovells…“ - Triage: Auf die Krankenhäuser rollt eine Katastrophe zu
„Schon bald könnten Mediziner gezwungen sein zu entscheiden, welchen Covid-Patienten sie helfen und welchen nicht. Doch an das Personal in den Kliniken denkt gerade niemand. (…) Seit Wochen und Monaten warnen alle seriösen Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler vor der Mutante B 1.1.7., vor großem Leid, das über das Land kommt – aber ihre Stimmen verhallen im Berliner Regierungsnebel. „Wenn voll ist, ist voll“, sagen manche Intensivmediziner und zucken mit den Schultern; das wirkt pragmatisch, ist aber Zeichen von Resignation und Frustration. Gerechnet wird in Betten und Beatmungsmaschinen, das passt ja auch ganz wunderbar zu diesem anonymen Wörtchen „Gesundheitssystem“. (…) Doch es sind Menschen mit Seelen und Sorgen, die Tag und Nacht unter Vollschutz hochinfektiöse Patienten auf Intensivstationen zu versorgen haben. Es sind Menschen in diesem „System“, die sich davor fürchten, tatsächlich schon bald entscheiden zu müssen, welche ihrer Patienten sie versuchen zu retten, und welche nicht. Es sind Menschen an vorderster Front der Pandemieabwehr, die sich nun ungebeten und eigentlich vermeidbar mit dem Strafrecht beschäftigen müssen – ist eine Triageentscheidung gegen das Leben eines Patienten eigentlich Totschlag durch Unterlassen? Viele Ärztinnen und Ärzte, viele Pflegekräfte fühlen sich im Stich gelassen und fragen sich, wie sie dem enormen Druck noch länger standhalten können, während der Staat versagt, seine Bürgerinnen und Bürger und, ganz wichtig, auch sein medizinisches Personal zu schützen. Das konsequente Ausblenden aller Warnhinweise führt dazu, dass das Krankenhauspersonal zum letzten Prellbock der Gesellschaft wird…“ Kommentar von Felix Hütten vom 27. März 2021 in der Süddeutschen Zeitung online - Hebamme über Masken-Affäre: „Das ist eine Demütigung“
„Corona hat für mich, wie für alle, weitreichende Veränderungen gebracht. Als die ersten Fälle in Italien bekannt wurden, war ich gerade in der Einarbeitungszeit als Hebamme in einer Klinik. Auch für das medizinische Personal war und ist Corona ein sehr polarisierendes Thema, bei dem es vor allem zu Beginn sehr große Unsicherheiten und Zweifel gab. (…) Kurze Zeit später erreichten uns Nachrichten wie: OP-Masken sind ausverkauft, FFP2-Masken nicht lieferbar, spart Desinfektionsmittel – das wird auch knapp! (…) In den kommenden Monaten waren die Masken in unserer Klinik so knapp, dass die OP-Pflege jeden Tag neu kalkulieren musste, wer einen Mundschutz tragen darf/kann und wer nicht. Jeder Mundschutz war für den ganzen Tag geplant. Praktikant:innen und Schüler:innen durften nicht mehr im OP eingesetzt werden. Und ich als Hebamme betreute die Frauen und Familien oftmals komplett ohne Maske. (…) Als Hebamme ist intensive Atmung der Gebärenden im Alltag inbegriffen, was den Aerosolanteil der Luft durchaus relevant erhöht. Mein Vater hat eine Lungenvorerkrankung. Meine logische Konsequenz aus der Situation in der Klinik und dieser Tatsache: Der Papa wird nicht mehr besucht. (…) Aber nicht nur für die Beziehung zu meinem Vater war die Situation extrem belastend: Jeden Tag hatte ich Kontakt zu geschätzt 40 Personen: Klinikpersonal, Gebärende, Begleitpersonen. Das alles eben eine ganze Zeit lang sogar ohne Mund-Nasen-Schutz, wo doch FFP2-Masken nötig gewesen wären, um mich adäquat zu schützen. Zeitgleich nahmen die Berichte der schweren Covid-19-Fälle, auch bei jungen Personen, immer mehr zu. Nun zu erfahren, dass Abgeordnete die Dreistigkeit besitzen, sich an einem Element der Bekämpfung dieser Pandemie zu bereichern, hat mich im ersten Moment sprachlos und dann unglaublich wütend gemacht. Ich empfinde diesen Sachverhalt nicht nur als Demütigung (weil ich zum Beispiel keinen Cent des Corona-Pflegebonus bekommen habe), denn hier geht es nicht „nur“ um Geld. Man hat leichtfertig mit meiner und der Gesundheit meiner Angehörigen gespielt. Es ist so unfassbar respektlos gegenüber jedem Menschen, aber ganz besonders gegenüber den Bürger:innen, die keine Wahl hatten und haben, ob sie sich dem Risiko einer Infektion aussetzen und mit ihrer tagtäglichen Arbeit das Land am Leben erhalten. Ich schließe mich der Forderung an, dass unabhängige Untersuchungskommissionen unter der Kontrolle der Arbeiter:innen und Gewerkschaften diese Verbrechen verfolgen und aufklären, damit die korrupten Abgeordneten schlussendlich hart bestraft werden. Über diese Schandtaten können eben nicht jene richten, die eventuell selbst in korrupte Geschehen verwickelt sind. Außerdem müssen diese Abgeordneten ihre Immunität verlieren und ihre Diäten umgehend eingefroren werden.“ Gastbeitrag einer Hebamme vom 25. März 2021 bei ‚Klasse gegen Klasse‘ - Unsere Gesundheit, ihr Profit?
Video vom 26.3.21 bei youtube der Online-Podiumsdiskussion zum Thema Union-Busting in Krankenhäusern und Pflegeheimen und gewerkschaftliche Gegenstrategien – Pflege- und Gesundheitsratschlag der Fraktion DIE LINKE. im Bundestag und der Rosa-Luxemburg-Stiftung, siehe auch:- Solidarität im Carebereich: Pflegekräfte berichten über ihre Erfahrungen mit Gewerkschaftskämpfen
„Der Gesundheitsratschlag der Linksfraktion im Bundestag und die Rosa-Luxemburg-Stiftung haben sich vergangenen Donnerstag bei einer Podiumsdiskussion mit Union-Busting, also Gewerkschaftszerstörung, in Krankenhäusern und Pflegeheimen beschäftigt. Einen sehr kämpferischen Beitrag lieferte die Hamburger Verdi-Betriebsrätin Romana Knezvic, die in der Asklepios-Klinik St. Georg als Pflegekraft arbeitet. Sie sollte entlassen werden, weil sie im Hamburg-Journal des NDR für die sowohl für Patient*innen wie auch Pflegekräfte gesundheitsgefährdenden Arbeitsbedingungen berichtete. Die Gewerkschafterin hob die große Solidarität hervor, die den Asklepios-Konzern schließlich dazu bewegte, ihre Kündigung zurückzunehmen, bevor es zur Verhandlung vor dem Arbeitsgericht kam. Während Knezvic von einem »Sieg auf ganzer Linie« sprach, war der Beitrag von Heike Schäfer wesentlich pessimistischer. Sie hatte sich 2019/20 aktiv an Streiks bei der Krankenhaus-Unternehmensgruppe Ameos in Sachsen-Anhalt beteiligt. Sie beschrieb, wie sie sich für die Stärkung der Dienstleistungsgewerkschaft Verdi bei ihren Kolleg*innen einsetzte. Wenn ihr entgegen gehalten werde, dass auch Verdi nichts für die Pflegekräfte tue, erwidere sie: »Was sollen die für dich machen, wenn du dich nicht bei ihnen meldest?« Dass sie die Klinik nach dem Streik verließ, obwohl die Belegschaft erfolgreich das gekürzte Weihnachtsgeld einklagte, lag wohl auch daran, dass ein Teil der Beschäftigten bei dem Kampf nicht mitmachte. Ebenfalls ernüchternd war der Bericht von Heike Schmidt, der nach 20 Jahren Arbeit für den Pflegekonzern Celenus während eines Streiks in Bad Langensalza 2018 fristlos gekündigt wurde. Ihr und einer Kollegin wurde vorgeworfen, in ihrer Freizeit den Patient*innen Flyer zum Streik gegeben zu haben. Sie berichtet noch heute mit Freude, wie die Erlebnisse der Solidarität während des Arbeitskampfs auch ihr Weltbild veränderten. (…) Die digitale Podiumsdiskussion zeigte auch das neue Gesicht der Arbeiter*innenbewegung, das nicht mehr in Bergwerken und Autofabriken, sondern im Carebereich zu finden ist. Der für den Fresenius-Konzern zuständige Verdi-Sekretär Michael Dehmlow verwies auf ein globales Solidaritätsnetzwerk, das auch aktive Gewerkschafter*innen im Pflegebereich in Kolumbien unterstützt, die mit Todesdrohungen konfrontiert sind, wenn sie sich engagieren. Dehmlow sieht es als einen Erfolg, dass heute auch im Krankenhausbereich Streiks möglich sind, die auch die Profitstrategien der Konzerne angreifen. Während die Notversorgung auch im Arbeitskampf gesichert ist, werden nicht notwendige Operationen bestreikt. Dehmlow betonte, dass sich vor zehn Jahren noch niemand hätte vorstellen können, dass im Pflege- und Klinikbereich überhaupt Arbeitskämpfe möglich sind…“ Artikel von Peter Nowak vom 28.03.2021 in ND online
- Solidarität im Carebereich: Pflegekräfte berichten über ihre Erfahrungen mit Gewerkschaftskämpfen
- Inmitten der dritten Welle und möglicherweise vor einem „lockeren Lockdown“: Wie geht es eigentlich den Intensivstationen?
„Am heutigen 22. März schalten sie sich wieder zusammen, die Ministerpräsidenten und die Bundeskanzlerin, zum nächsten Corona-Gipfel-Gespräch. (…) Nicht unplausibel ist als ein Ergebnis der Bund-Länder-Gespräche heute, dass es einen „lockeren Lockdown“ geben wird, dessen Verästelungen den Normal-Bürger, der sich irgendwie trotz erheblicher Ermüdungserscheinungen an die Regeln zu halten versucht, einer weiteren Bewährungsprobe im Aushalten logischer und sonstiger Widersprüche abverlangen wird. Wie dem auch sei, während zahlreiche Fernsehteams auf der Suche nach Mallorca-Touristen sind, die dann in die Mikrofone ihre Begründungen für den Ausflug in das 17. Bundesland sprechen dürfen, ist seit einigen Wochen die Berichterstattung über die Situation in den Kliniken und darunter über die Lage auf den Intensivstationen zu einem Rinnsal verkümmert. (…) Für die Klinikteams haben die (wieder) steigenden Zahlen Folgen. „Das ist keine fachliche Überforderung, sie ist physisch und psychisch“, so Felix Walcher vom DIVI. Die Erschöpfung des Personals sei bundesweit zu beobachten. Das Verantwortungsgefühl motiviere. „Aber auch das ist irgendwann erschöpft.“ Und weiter: „Es besteht die große Sorge, dass mit der chronischen Überlastung des Personals eine Abwanderung der Mitarbeiter aus der Pflege folgt.“ Das es bislang nicht zu einem Kollaps des Versorgungssystems gekommen ist, lässt sich neben den Lerneffekten aus der ersten Welle auch darauf zurückführen, dass es Fortschritte beim Vermeiden schwerer Krankheitsverläufe gegeben hat: »In Deutschland hat sich Ende 2020 der Anteil der Krankenhaus-Patienten mit Covid-19 auf Intensivstationen im Vergleich zu den ersten Pandemie-Monaten halbiert: nach einer Studie auf 14 Prozent im Dezember. Bei den Patienten, die invasiv beatmet werden, stehen die Überlebenschancen allerdings nicht besser als vor einem Jahr: Ungefähr die Hälfte von ihnen stirbt.« (…) Bereits vor einigen Tagen wurde aus den Reihen der Fachverbände eine Stellungnahme mit konkreten Forderungen veröffentlicht, um Verbesserungen in der Intensivpflege erreichen zu können und um das Berufsfeld attraktiver zu machen: (…) Dazu berichtet Anno Fricke unter der Überschrift Alarmruf: Der Mangel an Intensiv-Fachpflegepersonal ist dramatisch: Die Verbände mehr Attraktivität für den Beruf. Die Fachweiterbildung Intensivpflege und Anästhesie sei der Meisterausbildung im Handwerk gleichzusetzen. »In diesem Rahmen solle die Übertragung „heilkundlicher Tätigkeit“ für die Intensivpflege rechtlich abgesichert werden, zum Beispiel bei der Entwöhnung von der Beatmung (Weaning). Zudem solle der politische Einfluss der Pflege über stimmberechtigte Sitze im GBA gestärkt werden. Um dem Trend entgegenzuwirken fordern die Verbände mehr Grundgehalt für die Intensivpflege, steuerfreie Zuschläge für Sonn- und Feiertags- sowie Nachtarbeit, eine Finanzierung der Fachweiterbildungen und eine Intensivfachkraftquote für alle Bereiche der klinischen Intensivversorgung.« Aus den sechs Kernforderungen der Verbände drei Beispiele: »Die Pflegepersonaluntergrenzen-Verordnung müsse dringend nachgeschärft werden. Sie habe auch auf vielen Intensivstationen zu einem Abbau von Pflegepersonal geführt. Die Verbände warnen davor, in den Intensivstationen „Profitzentren“ zu sehen. Dafür müssten „kreative und moderne Arbeitszeitmodelle“ eingeführt werden, zum Beispiel bei belastenden Tätigkeiten 100 Prozent Entlohnung für 80 Prozent Arbeitszeit.« »Ein Qualifikations- und Fähigkeitenmix auf Intensivstationen müsse definiert und implementiert werden. Dazu zählten die Bereiche Dokumentation, Patiententransporte, Materialbewirtschaftung, Bettenaufbereitung und mehr. Patienten- und pflegeferne Tätigkeiten sowie die Bürokratie sollten drastisch verringert werden.« »Eine Definition von Fach-Intensivpflegekräften vorbehaltenen Aufgaben wie bei der Versorgung von Patienten mit Bauchaortenaneurysma wäre ein deutliches Signal dafür, dass sich Qualifizierung lohnt, finden die Verbände. Dafür müssten die Tarifpartner nachfolgend die Entgeltgruppen neu bewerten.«“ Beitrag von Stefan Sell vom 22. März 2021 auf seiner Homepage - Notstand im Krankenhaus: Was hat sich im Verlauf der Pandemie geändert?
Im Fight!-Interview in der Revolutionären Frauenzeitung Nr. 9, März 2021 schildert die Bremer Krankenschwester Anne Moll die aktuelle Situation ihrer Arbeitsstelle : „Ich arbeite im Klinikverbund Gesundheit Nord gGmbH in Bremen, einem kommunalen Krankenhausverbund der Maximalversorgung. Es gehören vier Häuser, über die Stadt verteilt, dazu, die über 3.000 Betten verfügen. Dort arbeiten 8.000 Menschen zur Versorgung der Bremer Bevölkerung und der aus dem niedersächsischen Umland. Arbeitsüberlastungen und Personalmangel gehören seit Jahren zum Alltag. Mit Ausbruch der Pandemie im Frühjahr 2020 wurde deutlich, dass das Krankenhaus nicht über genügend Intensivplätze für beatmungspflichtige PatientInnen verfügte . Außerdem stand der Mangel an Schutzausrüstung für die Beschäftigten ganz oben auf der Liste der Probleme neben dem an gut ausgebildeten Fachkräften, um die intensivpflichtigen PatientInnen zu versorgen. Seit November, mit der sogenannten 2. Welle, war es eine Erleichterung, dass neue Intensiveinheiten aufgebaut worden waren. Auch an Schutzkleidung gibt es quantitativ keinen Mangel mehr. Die Qualität ist aber oft ungenügend, weil Schutzmasken teilweise nicht auf Virenschutz getestet wurden oder Schutzkleidung schon beim Anziehen reißt. Das Hauptproblem bildet jetzt noch mehr der Notstand an Fachkräften zur Versorgung. Das betrifft vor allem das ärztliche, die Pflege und das Reinigungspersonal. Es wurde über die Sommermonate so gut wie nichts zum Aufbau von mehr gut ausgebildetem Personal unternommen. Außerdem sind in diesem Bereich nicht wenige Fachkräfte abgewandert, weil sie den Arbeitsdruck nicht aushielten. Und natürlich erkranken auch weiter Beschäftigte an Covid-19. (…) Die Sofortmaßnahme heißt gestern wie heute : MEHR PERSONAL, bessere Bezahlung und bessere Arbeitsbedingungen wie z.B. Arbeitszeitverkürzung bei vollem Lohnausgleich, sichere Dienstpläne, sichere Pausen. In Bremen gibt es eine Studie der Arbeitnehmerkammer („Pflegepersonal entlasten, halten und gewinnen“ von Dr. Jennie Auffenberg), die besagt, dass eine geschätzte Anzahl von zwischen 120.000 und 200.000 Pflegekräften, die den Beruf verlassen haben, wiederkommen könnten, wenn sich die Bedingungen ändern. Als erste Schritte wären sofort umzusetzen : Lohnsteigerung von 500 Euro monatlich für die unteren Gehaltsstufen – Arbeitszeitverkürzung, den 3-Schicht- auf einen 4-Schichtbetrieb umstellen, bei vollem Lohnausgleich. (…) Dafür brauchen wir eine Basisopposition, die Aktionen organisieren kann und für eine antibürokratische, klassenkämpferische Neuausrichtung der Gewerkschaften kämpft. Dafür trete ich in bestehenden Bündnissen und Vernetzungen aktiv ein. Vielleicht bist Du demnächst dabei?“ - Pflegeaufstand Rheinland-Pfalz: Pflegebündnis zieht am Internationalen Frauentag durch Mainz – »Wir müssen weg von Unterordnung unter den Markt«
„Kurz vor der Landtagswahl werden Pflegepersonen aus 55 Einrichtungen aus ganz Rheinland-Pfalz den Vertretern der Landtagsfraktionen am 8. März am Mainzer Rheinufer vier Forderungen des Bündnisses „Pflegeaufstand Rheinland-Pfalz“ auf großen Chartbanner überreichen. Um 15 Uhr treffen sich die Vertreterinnen aus den verschiedenen Einrichtungen am Mainzer Hauptbahnhof, um mit Abstand in einer Schlange durch die Mainzer Innenstadt zum Rheinufer in Höhe der Theodor-Heuss-Brücke zu ziehen. Wegen der Corona-Pandemie ist jede Pflegeinrichtung nur mit einer Delegierten vertreten. Die Aktion wird auch von neun gesellschaftlichen Gruppen unterstützt, die ebenfalls sich der Aktion anschließen. So wird die SPD auf der Demonstration durch die Ministerin Sabine Bätzing-Lichtenthäler und Bündnis 90/Die Grünen durch die Ministerin Anne Spiegel und die Gewerkschaft ver.di durch den Landesleiter Michael Blug vertreten werden. Bewusst führen die Organisatorinnen diese „Delegationsdemo“ am Internationalen Frauentag durch, denn über 85 Prozent aller Pflegepersonen sind weiblich. „Geringe Wertschätzung, schlechte Arbeitsbedingungen und Unterbezahlung haben viel mit der fehlenden Gleichberechtigung zu tun,“ stellt der ver.di-Pflegebeauftragte Michael Quetting fest, der seine Gewerkschaft im Bündnis vertritt. (…) Die Pflegefachfrau Julia Stange ist eine der Sprecher*innen des Bündnisses, das sich im September letzten Jahres gegründet hat. Ursprünglich plante man für März eine Pflegedemonstration, die man dann aber wegen der Pandemie auf den 11. September dieses Jahres verlegt hat. „Trotzdem wollen wir beim Pflegenotstand nicht einfach zuschauen. Wir wollen endlich wahrgenommen werden. Deswegen entstand die innovative Idee einer Delegationsdemo. Die 55 Kolleginnen werden aus ihren Einrichtungen als Delegierte geschickt. Sie vertreten damit die 43.000 Pflegepersonen in Rheinland-Pfalz,“ so die Pflegefachfrau, die schon beim Kampf für einen Tarifvertrag Entlastung 2019 an der Unimedizin in Mainz eine tragende Rolle einnahm…“ Meldung beim ver.di Landesbezirk Rheinland-Pfalz-Saarland – siehe dazu:- ver.di fordert „Operation“ des Gesundheitswesens
„Michael Blug, Landesbezirksleiter der Vereinte Dienstleistungsgewerkschaft ver.di, hat sich anlässlich der bevorstehenden Pflegedemonstration, am kommenden Internationalen Frauentag, am Montag, 8. März 2021 in Mainz, an die Landesregierung gewandt und die Forderungen des Pflegebündnisses „Pflegeaufstand Rheinland-Pfalz“ unterstützt und gleichzeitig Erwartungen an die Landesregierung gestellt…“ Meldung beim ver.di Landesbezirk Rheinland-Pfalz-Saarland mit weiteren Informationen - die Homepage vom Pflegeaufstand Rheinland-Pfalz
- »Pflegeaufstand« in Rheinland-Pfalz: »Wir müssen weg von Unterordnung unter den Markt«
Rheinland-Pfalz: Pflegebündnis ruft für Internationalen Frauentag zu »Delegiertendemonstration« auf. Interview von Daniel Behruzi in der jungen Welt vom 05.03.2021 mit Michael Quetting - Siehe ähnlich auch das Hamburger Bündnis für mehr Personal im Krankenhaus
- Siehe auf Twitter auch #EqualCare
- ver.di fordert „Operation“ des Gesundheitswesens
- Pfleger laufen Sturm. Wöchentlich Proteste: Beschäftigte der Gesundheitsbranche kämpfen für bessere Arbeitsbedingungen und gegen Profitlogik
“Seit September schallt es jede Woche vor dem Bundesgesundheitsministerium aus Lautsprechern: »Wir sind hier, mittwochs um vier!« Die Teilnehmenden der wöchentlichen Kundgebungen der Initiative »Walk of Care« sind jung, die Form des Protestes und das jugendliche Auftreten knüpfen einerseits an die Klimaschutzproteste von »Fridays for Future« an, erinnern aber gleichzeitig an Streikposten wie etwa die Mahnwache der Beschäftigten aus der Krankenhauslogistik der Charité (CFM GmbH) vor dem Virchow-Klinikum im vergangenen Jahr. Auszubildende und Angestellte verschiedenster Pflegeberufe haben sich über Betriebsgrenzen hinweg in einer gemeinsamen Initiative organisiert, um sich für ein gutes Gesundheitssystem und gesunde Arbeitsbedingungen stark zu machen. Auf den Kundgebungen verknüpfen sie in Redebeiträgen ihren Arbeitsalltag mit den fünf politischen Kernforderungen der »Gib uns fünf«-Kampagne und geben Außenstehenden so Einblick in die desolate Lage von Pflegenden und Patienten. (…) Wie reagiert die Politik auf den Protest? Auch wenn das Thema Pflege mittlerweile eine prominentere Rolle spielt, so steht eine grundlegende Umwälzung des Gesundheitssystems in nächster Zeit nicht auf dem Zettel der Regierungsparteien. Egal, wie die Wahlen im September ausgehen. Gesundheitsminister Jens Spahn jedenfalls, der, von Personenschutz begleitet, sich ab und an auf dem Weg ins Ministerium bei den Protesten blicken lässt, wirkt eher genervt als offen gegenüber der Kritik und den Hilferufen der Pflegenden. Diese wiederum haben sich auf einen lang dauernden Kampf eingestellt. Das sorgt trotz des straffen Protestplans (jeden Mittwoch bis zur Wahl) dafür, dass die kurzen Kundgebungen energiegeladen sind und die konstante Beteiligung über Monate hinweg anhält…“ Artikel von Jonathan Kamal in der jungen Welt vom 15.02.2021 - DBfK-Umfrage: Pflegekräfte leiden massiv unter Corona-Pandemie – nicht gut geschützt im zweiten Lockdown – Pflexit „gewinnt“ an Fahrt
“Mangelnde Schutzausrüstung, keine oder unsystematische Tests und Überlastung: Das sind auch in der zweiten Pandemiewelle die zentralen Probleme in der Pflege. Das hat eine bundesweite Umfrage des Deutschen Berufsverbandes für Pflegeberufe ergeben. (…) Ganz sicher fühlt auch Sylvia sich nicht bei der Arbeit: Die Masken säßen schlecht, sodass sie Aerosole einatmen könnte. Jetzt in der zweiten Pandemiewelle, sagt sie, könne sie sich testen lassen. Gern gesehen werde es nicht – die Chefs hätten Angst, dass dann noch jemand ausfällt. So wie Sylvia geht es vielen beruflich Pflegenden in Deutschland. Das zeigt eine bundesweite Umfrage des Deutschen Berufsverbandes für Pflegeberufe (DBfK), an der im Dezember rund 3.600 Menschen teilnahmen. Die Ergebnisse liegen BR Recherche und der Rheinischen Post jetzt exklusiv vor. Sie zeigen eine Reihe von Problemen in der zweiten Pandemiewelle. (…) Wie aus der DBfK-Umfrage hervorgeht, wird weniger als ein Drittel der Pflegekräfte auf Isolier- und Intensivstationen getestet. Und selbst bei Beschäftigten, die einer Risikogruppe angehören, geben nur 13 Prozent an, die Möglichkeit zu haben, sich kostenlos testen zu lassen. „Ohne konkrete Anzeichen für eine vorliegende Infektion sind kostenfreie Tests offenbar auch in der zweiten Welle Mangelware“, so das Fazit der Autoren der Umfrage. (…) Im Vergleich zur ersten Pandemiewelle hat sich die Ausstattung mit Schutzausrüstung zwar im Durchschnitt verbessert, allerdings geben über 30 Prozent an, bei ihnen fehle es vor allem an Masken. Auch Schutzkittel und Handschuhe werden in der Umfrage als Mangelware oder aber als qualitativ schlecht bezeichnet. Einzelne Pflegekräfte geben an, dass ihre Arbeitgeber Schutzausrüstung nur dank Spenden stellen könnten oder dass die Kollegen selbst Material kaufen würden. (…) Angesichts der Arbeitsbedingungen zu Pandemiezeiten spielen viele Pflegekräfte mit dem Gedanken, sich beruflich zu verändern. Fast 70 Prozent wollen den Arbeitgeber wechseln, ein Drittel erwägt, aus dem Pflegeberuf auszusteigen…“ Beitrag von Claudia Gürkov vom 12.02.2021 bei BR 24 zur Online-Befragung vom Dezember 2020 des DBfK – siehe:- dessen PM vom 12.02.2021 und die Umfrageergebnisse im Detail , siehe dazu auch:
- Bundesweite DBfK-Umfrage: Pflexit „gewinnt“ an Fahrt
„Ein Drittel der Pflegefachpersonen erwägt, aus dem Pflegeberuf auszusteigen. Grund: Überlastung, mangelnde Schutzausrüstung, keine oder unsystematische Corona-Tests. Das hat eine bundesweite Umfrage des Deutschen Berufsverbands für Pflegeberufe (DBfK) ergeben, an der im Dezember 2020 rd. 3.600 Pflegende teilgenommen haben. Entgegen den Ankündigungen der Politik sind demnach regelmäßige und kostenfreie Corona-Tests für Pflegende nach wie vor nicht Standard: Knapp 14 % der Befragten geben an, dass sie nicht getestet werden. DBfK-Präsidentin Christel Bienstein bezeichnete das im BR am Freitag als „Drama“. Auch wird weniger als ein Drittel der Pflegefachpersonen auf Isolier- und Intensivstationen getestet. Selbst unter Beschäftigten, die einer Risikogruppe angehören, geben nur 13 % an, die Möglichkeit zu haben, sich kostenlos testen zu lassen. „Ohne konkrete Anzeichen für eine vorliegende Infektion sind kostenfreie Tests offenbar auch in der zweiten Welle Mangelware“, schlussfolgert der DBfK…“ Beitrag vom 12.02.2021 bei bibliomed-pflege.de
- Überlastung fordert Tribut. Zeit- und Leistungsdruck: Beschäftigte im Gesundheitswesen leiden besonders oft an psychischen Erkrankungen
“… Unterbezahlung, belastende Arbeitsbedingungen im Schichtsystem, kurzfristig angekündigte Überstunden, schlechte Ausstattung: Der Fachkräftemangel in Krankenhäusern und Pflegeeinrichtungen ist längst eklatant, die Zeit für eine patientengerechte Versorgung im stationären Bereich fehlt vielerorts nicht erst seit Corona. Es brennt lichterloh. (…) Ältere Beschäftigte ab 45 Jahren im Gesundheits- und Sozialwesen, lässt sich ferner der Antwort der Bundesregierung entnehmen, seien mehr als doppelt so häufig wegen psychischer Erkrankungen krankgeschrieben wie diejenigen in allen anderen Branchen und Altersklassen im Durchschnitt. Betrachtet man einzig die älteren Frauen, kristallisiert sich die am stärksten betroffene Gruppe heraus: Im Mittel 6,2 Arbeitsunfähigkeitstage aufgrund psychischer Erkrankungen mussten bei den im Gesundheits- und Sozialwesen beschäftigten Frauen ab 45 im Durchschnitt registriert werden. Zum Vergleich: branchen-, alters- und geschlechterübergreifend lag der Durchschnitt bei gerade einmal drei Tagen. Ein »Offenbarungseid«, findet Krellmann. »Diejenigen, die wir am meisten brauchen, brennen am schnellsten aus (…). Die bestehenden Instrumente reichen nicht aus. Wir brauchen eine Antistressverordnung, die Arbeitgebern klar vorschreibt, wie Beschäftigte vor Stress, Ermüdung und Monotonie zu schützen sind.« Zeit- und Leistungsdruck sowie Multitasking und unfaire Entlohnung seien wesentliche arbeitsbezogene Stressoren, auf welche vor allem ältere Beschäftigte negative Körperreaktionen zeigen. Und die Pflegebranche stellt eben mit all ihren Versäumnissen der letzten Jahre das »ideale« Umfeld zur Potenzierung jener stressfördernden Faktoren dar…“ Artikel von Julian Städing in der jungen Welt vom 11.02.2021 - [Update zur Petition „Corona-Krise: Gemeinsamer Aufruf von Pflegefachkräften an Jens Spahn!“] Raus aus dem Hamsterrad!
„Immer mehr vertretende Institutionen verlangen ein Einstiegsgehalt von 4000€/Brutto für Pflegefachkräfte. Der Kammerpräsident RLP Markus Mai argumentierte in seiner letzten Pressemitteilung „DIE ZUKUNFT DER PFLEGE ENTSCHEIDET SICH JETZT“ folgendermaßen: „Ein flächendeckender und allgemein verbindlicher Tarifvertrag ist ein weiterer wichtiger Schritt, darf aber in seiner Wirkung nicht überschätzt werden, da die derzeit angestellten finanziellen Überlegungen eines solchen Tarifvertrages den Wert der beruflich Pflegenden leider noch nicht ausreichend abbilden, damit auch eine deutliche Signalwirkung in die Gesellschaft hinein entsteht. Dies wird erst dann der Fall sein, wenn die monatliche Grundvergütung von vollbeschäftigten Pflegefachpersonen bei mindestens 4.000 Euro liegt. Hier ist die Politik aufgefordert, klare Signale auch an die Tarifpartner zu senden“ Wie auch wir in unserer fünften Forderung in unserer Petition: „Eine sofortige Zusage über deutliche Lohnsteigerungen für Pflegefachkräfte, die bei einem Einstiegsgehalt von 4.000 Euro liegen muss. Die Refinanzierung können Sie sich für die Zeit nach dieser Krise aufheben.“ (…) Man spricht von ca. 200.000 sogenannten Pflexiter. In einer Umfrage sagten Pflexiter, dass sie sich vorstellen könnten in den Beruf zurückzukehren, wenn die Gehälter angehoben werden würden. Vielen Pflexiter ist bewusst, dass sich nur über die Wiedereinladung von Pflegefachkräften die Rahmenbedingungen verändern lassen. Ansonsten wird das ewige Pflegehamsterrad weitergespielt. Eine ewige Kompensation von nicht besetzten Stellen und daraus resultierend verbliebene und zutiefst erschöpfte Fachkräfte, die ebenfalls seit dem zunehmenden Druck der Pandemie mit den Gedanken spielen, den Beruf zu verlassen. Dies würde die Lage immens verschlechtern, da sich der Pflegenotstand noch einmal erhöhen würde. Bis 2030 werden ca. 40% der Pflegefachkräfte das Renteneintrittsalter erreichen. Seit der Pandemie steigt die Abbruchsquote der Auszubildenden. Sie halten oftmals den Druck nicht aus, oder fühlen sich enttäuscht, dass sie als vollausgebildete Fachkräfte gerechnet werden. Eigentlich sind die Auszubildenen verantwortungsbewusst mit dem Abbruch der Ausbildung. Wie soll ein Beruf erlernt werden, wenn einfach nicht für Ausbildungssicherheit aufgrund der prekären Lage gesorgt werden kann?…“ Update vom 8.2.2021 bei der Petition bei change.org - Pflegegewerkschaft BochumerBund kritisiert unsachliche Diskussion um Impfpflicht für Pflegende!
“Die Pflegegewerkschaft BochumerBund (BB) zeigt sich irritiert über die Debatte um eine Impfpflicht für Pflegekräfte. „Bevor hierüber debattiert wird, sehen wir die Landesregierungen und die Bundesregierung in der Pflicht, endlich für ausreichend Impfstoff und Schutzausrüstung zu sorgen“, so BB-Vorstandsmitglied Kerstin Paulus. Nicht zuletzt müsse die Politik zusätzliches Personal akquirieren, das die Pflegekräfte entlastet: „Denn nur auf diese Weise lassen sich genügend Corona-Testungen durchführen, die das Infektionsgeschehen schnell und zuverlässig aufdecken und eine Verbreitung eindämmen können.“ Impfungen gehören zu den besten und wirksamsten präventiven Mitteln der modernen Medizin und sind daher im Kampf gegen die Pandemie unbedingt zu priorisieren. Kerstin Paulus, Pflegefachkraft auf einer bayerischen Intensivstation geht davon aus, dass sich sehr viele Pflegekräfte schnell impfen lassen würden – wenn denn die Möglichkeit dazu bestünde. „Impftermine werden immer wieder abgesagt und nach hinten verschoben, da nicht ausreichend Impfstoff zur Verfügung steht“, kritisiert sie. Die Politik sei dafür verantwortlich, dass Erst- und Zweitimpfung auch für Pflegefachkräfte im vorgegebenen Zeitfenster stattfinden können. „Die Impftermine müssen verlässlich sein. Die häufigen Verschiebungen führen zu einem Vertrauensverlust unter Pflegenden. Insbesondere bei Pflegekräften, bei denen noch Überzeugungsarbeit bzw, weitere Aufklärung notwendig ist.“, meint sie. „Dieses Versagen auf staatlicher Ebene darf nicht unserer Berufsgruppe angelastet werden.“ Zu bedenken sei auch, dass Pflegende einem besonders hohen Risiko ausgesetzt sind, an Covid-19 zu erkranken. Allerdings werden diejenigen Pflegekräfte, die bereits infiziert sind bzw. waren, vorerst nicht geimpft. „Daher müssen auch die Zahlen erkrankter sowie bereits genesener Pflegekräfte erfasst werden, um aussagekräftigere Zahlen als Grundlage für eine ehrliche Diskussion zu erlangen“, unterstreicht Kerstin Paulus. (…) Mit dieser Art der Kommunikation, wie Herr Söder sie in diesem Falle an den Tag legte, wird die Arbeit von Pflegekräften wieder einmal geringgeschätzt: „Die Gefahr wächst, dass in der Folge weitere Pflegende aus ihrem Beruf aussteigen, wenn sie indirekt für den Verlauf der Pandemie verantwortlich gemacht werden.“ Meldung der Pflegegewerkschaft BochumerBund vom 29.01.2021 - COVID-19-Pflege Studie 2: Pflegekräfte am Limit
“Durch die dauerhaft hohen Corona-Infektionszahlen werden Krankenhäuser und Intensivstationen immer voller. Viele Kliniken arbeiten an ihren Kapazitätsgrenzen. Und auch das Pflegepersonal ist an der Belastungsgrenze. In einer Studie unter der Leitung von Prof. Dr. Uta Gaidys und Anke Begerow vom Department Pflege und Management wurden jetzt 1.000 Pflegende in Deutschland befragt, was sie in der aktuellen Phase der Pandemie besonders belastet. (…) Der aktuelle Befragungszeitraum war vom 31. Oktober 2020 bis zum 5. Januar 2021 mit 1092 Pflegenden, 350 davon sind auf Intensivstationen tätig. Insgesamt beteiligten sich 2300 Pflegende an der repräsentativen Umfrage. In der zweiten Welle der Corona-Pandemie gaben 84 Prozent der Befragten eine höhere Arbeitsbelastung als normal üblich an. Daraus resultiere unter anderem eine nicht mehr adäquate Versorgung der Pflegebedürftigen. Dies war während der ersten Welle der Pandemie lediglich bei 26 Prozent der Pflegenden der Fall. Insgesamt geben 71 Prozent der Befragten an, dass sie die Versorgungsqualität der Pflegebedürftigen beeinträchtigt sehen. Bei den Intensivpflegenden sind es sogar 76 Prozent. Auf die Frage, was die Pflegenden am meisten belaste, antworten viele Pflegende, dass sie „Angst vor Ansteckung“ haben. 70 Prozent der Befragten befinden sich laut Studie in einem emotionalen Dilemma zwischen ihrer beruflichen Aufgabe und der Angst, sich selbst zu infizieren. Bei den Intensivpflegenden sind es 66 Prozent. „Die Befürchtung, sich und damit auch die eigene Familie anzustecken, ist sehr groß“, erklärt Anke Begerow, Mitautorin der Studie. (…) Viele Pflegende ärgert sehr, dass ihre Hilferufe „weder vor der Pandemie noch während oder zwischen den zwei Wellen gehört wurden“. Zudem, so sagen sie, hätten viele Kolleg*innen gekündigt, „weil sie die Situation nicht mehr ertragen“. Das spiegelt sich auch in den Zahlen wieder: 17 Prozent der Befragten haben keine Motivation mehr für ihren Job. Das ist jede sechste Pflegekraft. Diese 17 Prozent sind laut Studienleiterinnen stark gefährdet, komplett aus dem Beruf auszusteigen…“ Beitrag von Katharina Jeorgakopulos vom 14.01.2021 bei HAW Hamburg – Fakultät Wirtschaft und Soziales – zur Studie „Pflege in der COVID 19 Krise II“ - Durfte neue Erfahrungen sammeln auf der Covid ICU – Warum?
„Weil dort das Personal verbrannt wird- 8 Kündigungen bis 31.12.20, viele Krank bzw in Quarantäne. Die Arbeit wird immer absurder und ist mit dem Wort auch gar nicht mehr zu beschreiben. Es gleicht eher einem Arbeiten in einem Flipperspiel. Man rennt, rennt und rennt und schafft nichts. Intubation, CT Fahrten, Umschieben, Lagerungsrunden (Bauchlage), Perfusoren wechseln und Reanimationen 4 1/2 Patienten „versorgt“- eher würdelos vorbeigerannt…“ Twitter-Thread von Kai Wenkert vom 24. Jan. 2021 - Corona-Pandemie: Pflegebedürftige und Pflegepersonal sind stark belastet
„Im Zuge der Pandemie haben sich die gesundheitliche Versorgung und Unterstützung für Pflegebedürftige insbesondere in der stationären Langzeitpflege verschlechtert. Dabei haben viele Bewohner von Pflegeheimen unter anderem an Lebensfreude oder geistigen Fähigkeiten eingebüßt. Zugleich haben sich die psychischen und physischen Belastungen der Pflegenden erheblich erhöht. Ältere pflegebedürftige Menschen haben ein hohes Risiko, schwer an COVID-19 zu erkranken – und daran zu versterben. Entsprechend wurde ein Großteil der in Deutschland mit dem Virus Verstorbenen von einem ambulanten Pflegedienst versorgt oder lebte in einer stationären Pflegeeinrichtung. Etwa 1,8 Millionen pflegebedürftige Menschen im Sinne des Elften Sozialgesetzbuchs werden hierzulande von entsprechenden Anbietern mit ca. 1,2 Millionen Mitarbeitenden unterstützt. Vor diesem Hintergrund weist eine neue Studie des Zentrums für Qualität in der Pflege (ZQP) darauf hin, wie erheblich die Corona-Pandemie häufig auf der Lebens- und Versorgungssituation pflegebedürftiger Menschen lastet – aber auch in welcher Dimension das Pflegepersonal zusätzlichen Anforderungen ausgesetzt ist…“ Meldung vom 18. Januar 2021 des Zentrums für Qualität in der Pflege (ZQP) zur Studie von Simon Eggert und Christian Teubner (2021): Die SARS-CoV-2-Pandemie in der professionellen Pflege: Perspektive stationärer Langzeitpflege und ambulanter Dienste - [Kampagne und Video] Pflegestufe Rot – Applaus reicht nicht aus!
„Deutschland im Jahr 2020. Das Thema Pflegekräftemangel und der Pflegenotstand in Deutschland steht seit gefühlten Ewigkeiten im Raum und wird beschleunigt durch den demografischen Wandel, sinkende Geburtenraten und dem generellen Imageproblem der Pflege an sich. Die Versäumnisse der Gesundheits- und Pflegepolitik liegen klar auf der Hand. Und dann kommt da noch eine globale Pandemie hinzu (…) Statt uns in der Pandemie bestmöglich zu unterstützen, sorgen anders geltende Quarantäne-Zeiten für weitere Irritationen. Während bei einer Infizierung das Gesundheitsamt Pflegende als Privatpersonen dazu auffordert, sich strikt an die Maßnahmen zu halten, kann der Arbeitgeber ein Verbot dieser unter gewissen Voraussetzungen aussprechen – sagt das Robert Koch Institut. Ein verschärfter Zeitmangel, da man für „normale“ Patienten weniger Zeit zur Verfügung hat, sowie die Angst durch zu wenig Schutzmaterialien einen Patienten/Bewohner oder die eigenen soziale Kontakte infizieren zu können, stehen für die Herausforderung, nicht gegen deinen eigenen Berufsethos zu handeln. Unsere mühsam erkämpften Mindeststandards in der Pflege wie zum Beispiel die gesetzlich geregelten Personaluntergrenzen können einfach außer Kraft gesetzt werden. Der Pflegenotstand in Deutschland. All diese Themen sind lange bekannt. Doch was bekommt unsere Berufsgruppe dafür? Applaus. Danke für den Applaus, aber Applaus reicht nicht aus…“ Text zum Video auf youtube – mehr auf der dazugehörenden Aktionsseite Pflegestufe Rot von zwei Pflegewissenschaftlern – wir erinnern an die Petition www.change.org/pflegenotstand - Impfpflicht für Pflegekräfte: Weiße Wut
„Eine Impfpflicht für Pflegepersonal? So etwas kann nur fordern, wer keinen Schimmer davon hat, wie tief die moralischen Verletzungen sind, unter denen diese Berufsgruppe schon seit Langem leidet. Wenn er höre, so Bayerns Ministerpräsident Markus Söder Anfang dieser Woche, „dass sehr wenige Pflegekräfte sich impfen lassen“, dann müsse man über eine Impfpflicht für diesen Berufsstand nachdenken. Das ist eine bemerkenswerte Ansage, und zwar nicht nur, weil die Datenlage über die Impfverweigerer im Pflegewesen unklar ist. Bemerkenswert ist sie vor allem, weil sie erneut zeigt, wie wenig darüber nachgedacht wird, warum es diese Zögerlichkeit unter Pflegenden gibt. Aus meiner Sicht und nach dem Austausch mit vielen beruflich Pflegenden hat dies weniger medizinische als vielmehr politisch-moralische Gründe. Schon seit Jahren herrscht ein Missverhältnis zwischen den Risiken und Zumutungen, die dieses Land beruflich Pflegenden aufbürdet, und der Anerkennung, die sie dafür zurückbekommen. Aus einem solchen Missverhältnis kann eine gefährliche Entfremdung wachsen. Niemand sollte sich wundern, wenn dieser Wertschätzungsmangel unter anderem umschlägt in den Gedanken: „Nein, impfen lasse ich mich für euch nicht auch noch!“ Völlig selbstverständlich scheinen Bevölkerung und Politik davon auszugehen, dass es die Pflicht der Pflegenden sei, sich als Erste gegen Corona impfen zu lassen. (…) Die gesamte Pandemie wird auf dem Rücken der Pflegenden ausgetragen. Ihre Körper bieten die perfekte Projektionsfläche für die Bedürfnisse einer virusgebeutelten Bevölkerung. Ähnlich wie von Soldatinnen und Soldaten erwartet man von ihnen eine Sonderopferbereitschaft in gefährlicher Mission. Der Pflegekörper muss ohne die Ruhepausen auskommen, die andere Berufsgruppen genießen; oft konnten auch schon vor der Pandemie eigentlich garantierte Auszeiten nicht genommen werden. Personal muss in überstrapazierten Schichtplänen auch immer den Ausfall derer kompensieren, die durch mentale Überlastung, so zeigen es die Gesundheitsreporte, krank werden. Neben der erhöhten Gefährdung einer Covid-Ansteckung leidet der zumeist weibliche Körper der beruflich Pflegenden zudem unter Sexualisierung. Viele Pflegende berichten, in ihrer beruflichen Laufbahn mindestens einmal sexualisierter Gewalt durch Patienten ausgesetzt gewesen zu sein. Kurzum: War diese Berufsgruppe schon vor der Pandemie einem überdurchschnittlichen Risiko ausgesetzt und häufiger als andere psychisch belastet und krank, so wird sie in der Pandemie auf eine Weise belastet, die beispiellos ist. (…) Der Pflegekörper war, um es pauschal zu sagen, schon vor der Pandemie moralisch verletzt, weil die Pflegenden für ihren besonderen Einsatz nie einen angemessenen Lohn zurückbekam. Und jetzt sollen sie sich bitte schön zur ersten Verteidigungslinie dieser Gesellschaft aufwerfen, und zwar ohne Murren oder Zweifel. Es kann nicht verwundern, wenn eine solche Erwartung nicht nur Zweifel auslöst, sondern teilweise in Widerstand kippt. (…) „Belohnt“ wurde dieser nicht enden wollende Marathon der Überlastung wahlweise mit Beifall oder dem Rauswurf von Pflegenden aus Supermärkten, in denen das Verkaufspersonal die vermeintlichen Träger des Virus nicht bedienen wollten. „Vergelt’s Gott ist auch keine schlechte Währung“, äußerte sich zynisch der heutige Gesundheitsminister Bayerns, Klaus Holetschek. Den jenseitigen Gotteslohn haben indessen bereits mehr als 150 Pflegende bekommen: Sie sind infolge einer Corona-Infektion gestorben. Der Umgang mit den pflegenden Opfern der Pandemie ist eine Schande. (…) Wer kann es den Pflegenden also verdenken, wenn viele von ihnen sich als Versuchskaninchen fühlen – erst in einem gigantischen Versuch der Gewinnmaximierung der Gesundheitsindustrie, jetzt in der größten Impfkampagne aller Zeiten. (…) Die Annahme, Pflegende hätten eine moralische Bringschuld, sich impfen zu lassen, entlarvt die Sicht auf ihre Berufsgruppe als Verfügungsmasse…“ Artikel von Monja Schünemann vom 13. Januar 2021 in der Zeit online , siehe auch: - Pflegekräfte in der Coronapandemie: Im Stich gelassen
“Diese fehlende Aufmüpfigkeit trägt uns seit Monaten durch die Pandemie. Politik und Gesellschaft reagierten im Herbst viel zu spät auf steigende Infektionszahlen und die zunehmend angespannte Lage in den Kliniken. Und nun können Pfleger*innen, Ärzt*innen, Putzkräfte, alle, die die Kliniken am Laufen halten, nicht einfach hinschmeißen. Sie setzen sich der Gefahr aus, selbst krank zu werden. Für uns alle. (…) Deutschland ist eines der wenigen europäischen Länder , das seinen Gesundheitskräften keine psychologische Hilfe zur Verfügung stellt. Länder wie Polen, Frankreich oder Großbritannien haben angesichts der Covid-19-Krise telefonische Beratungsdienste eingerichtet oder vermitteln Gespräche mit Psycholog*innen. Schon vor der Krise war der Krankenstand bei Pflegekräften teilweise bis zu 9 Prozent höher als in anderen Berufen; wie sich die Pandemie darauf auswirkt, wird sich noch zeigen. Und darauf, wie viele Menschen diesen Beruf überhaupt noch werden ausüben wollen. (…) Es heißt, dass eine Gesellschaft sich darüber definiere, wie sie mit ihren Schwächsten umgeht. Ich glaube, wir als Gesellschaft definieren uns darüber, wie wir mit jenen umgehen, die sich um die Schwächsten kümmern. Ich komme zu keinem anderen Schluss: Wir haben sie schon lange im Stich gelassen.“ Artikel von Cilda Sahebi vom 12.01.2021 in der taz online - Exklusive Einblicke: Intensivstationen am Limit
“… Dauerhaft hohe Corona-Infektionszahlen und immer weniger Intensivbetten – das bekommen vor allem die Pflegekräfte zu spüren: Es sei nicht nur körperlich, sondern mental sehr anstrengend, erzählt Tobias Ochmann. Er ist seit neun Jahren Intensivpfleger in einer Hamburger Klinik. Gemeinsam mit zwei Kolleginnen aus Dresden hat er für Panorama 3 seit Mitte Dezember Video-Tagebuch geführt. Das Material zeigt einen unverstellten und schonungslosen Einblick in die Arbeit auf deutschen Intensivstationen mitten im Corona-Winter. (…) Das belegt auch eine Studie der Hochschule für Angewandte Wissenschaften (HAW) in Hamburg. Die Studienleiterin Prof. Uta Gaidys hat zusammen mit ihrer Kollegin Anke Begerow die Antworten von über 1.000 Pflegekräften in Deutschland ausgewertet, in denen sie erzählen, was sie in der aktuellen Phase der Pandemie besonders belastet.* 88 Prozent der Befragten sagen, dass sie durch die Corona-Pandemie mehr Arbeit haben als sonst. Daraus resultiert, dass sie die Pflegebedürftigen nicht mehr adäquat versorgen können. Laut Studie geben 71 Prozent der Befragten an, dass sie die Versorgungsqualität der Pflegebedürftigen beeinträchtigt sehen. Bei den Intensivpflegenden sagen 75 Prozent, dass sie ihre Patienten nicht mehr so versorgen können, wie es sein sollte. Auf die Frage, was die Pflegenden am meisten belastet, antworten viele Pflegende, dass sie „Angst vor einer Infektion“ haben. 70 Prozent der Befragten geben an, dass sie in einem Konflikt, in einem emotionalen Dilemma sind, zwischen ihrer beruflichen Aufgabe und der Angst sich selbst anzustecken. Bei den Intensivpflegenden sind es 66 Prozent. Denn wann welche Pflegekraft wirklich geimpft werden kann, ist noch nicht abzusehen…“ Video und Beitrag von Brid Roesner, Anne Ruprecht, Isabell Ströh und Kim Mauch in der NDR-Sendung PANORAMA 3 am 12.01.2021 - Pflegekräfte gegen Impfung: Dass sich viele Pflegende nicht impfen lassen wollen, liegt auch daran, wie in den vergangenen Monaten mit ihnen umgegangen wurde
„Dass auf die Gesundheit von Pflegenden Acht gegeben wird, ist eine ganz neue Entwicklung. Seit Jahren sind die Arbeitsbedingungen so schlecht, dass eine Stelle in der Pflege immer mit herbem Raubbau an Körper und Psyche einhergeht. Durch den Schichtbetrieb schleppen sich viele krank zur Arbeit. Während man also auf die Gesundheit anderer achtet, vernachlässigt man die eigene. Diese Grundhaltung hat sich in der Pandemie noch verschärft: So wurde etwa diskutiert, ob positiv getestete Pflegende weiterarbeiten könnten, wenn symptomlos, da sonst die Versorgung nicht zu gewährleisten sei. Die Impfung hat also auch den Zweck, dass Pflegende weiter funktionieren. Den ganzen Sommer über bis in den Herbst hinein haben Laschet, Lindner und Co. für »den Schutz von Risikogruppen« geworben, damit das Leben draußen ganz normal weitergehen kann. »Schutz von Risikogruppen« ist ein Code für Segregation. Damit hatte das Pflegepersonal die Wahl: entweder so normal wie möglich weiterzuleben oder sich aus Selbst- und Fremdschutz so weit es geht zu isolieren. Das hat Pflegenden noch mehr Verantwortung aufgebürdet (…) Die Impfverweigerungen der Pflegenden taugen aber auch als Indikator dafür, wie schlecht Weiter- und Fortbildungsmaßnahmen in den Heimen funktionieren. Es hätte eigentlich einen Wissensvorsprung in der Pflege gebraucht. Damit ist nicht gemeint: besser informiert zu sein als der Forschungsstand; sondern besser informiert zu sein als der Durchschnitt der Bevölkerung (…) Da es in Pflegeeinrichtungen sehr starre Hierarchien gibt und damit einhergehend nur eine äußerst unzureichende Fehlerkultur, waren Pflegende vollständig abhängig davon, wie gut oder schlecht der Leitungsposten besetzt war. Es gab viel Raum für Frustration. Je schlechter die Lösungen kommuniziert wurden, desto mehr wuchs das Misstrauen. Wenn jetzt die Impfung als Lösung propagiert wird, löst das bei manchen den Reflex aus, erst einmal abzuwarten: Muss das sein? Da ist doch was faul! Da die Anliegen der Pflege schon seit Jahrzehnten übergangen werden, verfallen einige auf das letzte Wort, das ihnen geblieben ist: Nein. Nicht mit mir. Fatal war auch die freundliche Zurückhaltung, die die Politik den Corona-Leugner*innen gegenüber an den Tag gelegt hat. Jede falsche Rücksicht gegenüber Querdenken war ein Schlag ins Gesicht der Pflege…“ Artikel von Frédéric Valin vom 11.01.2021 im ND online , siehe dazu:- ver.di ruft Beschäftigte im Gesundheitswesen zur Impfung gegen die Covid-19-Erkrankung auf – Impfpflicht für bestimmte Berufsgruppen abgelehnt.
„Die Vereinte Dienstleistungsgewerkschaft (ver.di) ruft die Beschäftigten im Gesundheitswesen auf, sich so schnell wie möglich gegen die Covid-19-Erkrankung impfen zu lassen, lehnt eine Impfpflicht für bestimmte Berufsgruppen jedoch ab. „Nach Abwägung aller Chancen und Risiken ist es schon aus Gründen des Selbstschutzes und des Schutzes der Angehörigen angeraten, sich impfen zu lassen, sofern nicht ernste gesundheitliche Gründe dagegen sprechen“, sagte der ver.di-Vorsitzende Frank Werneke. „Die Impfung muss freiwillig sein; eine Impfpflicht für bestimmte Berufsgruppen darf es nicht geben.“ Die Betroffenen, beispielsweise Pflegepersonen sowie Ärztinnen und Ärzte, müssten selbst entscheiden, ob sie sich impfen lassen wollten. „Die Debatte um eine Impflicht ist kontraproduktiv für die gesellschaftliche Akzeptanz der Impfmaßnahmen“, so Werneke weiter. „Stattdessen muss deutlich mehr Überzeugungsarbeit für die Impfmaßnahmen geleistet werden.“ Gerade Pflegepersonen in Krankenhäusern und Pflegeeinrichtungen würden seit Jahren am eigenen Leib erfahren, dass Politik und Arbeitgeber die Gesundheitsgefährdung der Beschäftigten auf Grund von viel zu wenig Personal billigend in Kauf nähmen. „Jetzt müssen Politik und Arbeitgeber aktiv und transparent über alle Aspekte der Impfung aufklären.“ Zudem seien Bund und Länder aufgefordert, endlich für eine zügige und reibungslose Umsetzung der Impfkampagne zu sorgen…“ Pressemitteilung vom 12.01.2021 - Siehe auch stellvertretend für viele den Thread von systemrelevanter Tobbelwobbel am 12.1.2021 auf Twitter : „Da die Leute unter dem Thread oder in Retweets öfter schreiben, wir Menschen, die derzeit im Gesundheitswesen arbeiten, seien Helden, will ich darauf dann doch nochmal Bezug nehmen. Wir sind keine Helden. Wollen wir auch nicht sein. Heldentum heißt in meiner Auffassung auch immer eine gewisse Opferbereitschaft zu besitzen. Die habe ich/wir garantiert nicht. Wir sind nicht bereit uns „zum Wohle vieler“ zu opfern. Wir machen nur unseren fckn Job, den wir gelernt haben, weil er meistens Spaß macht, sinnstiftend ist, interessant ist (…) Aber wir wollen auch endlich so bezahlt und behandelt werden, wie wir es verdienen. Heißt mehr Geld, mehr Wertschätzung, kein Klatschen, kein Lavendel oder Brotdosen als „Wertschätzung“ im Business zählt Prestige, Standing und Kohle und die meisten sind nicht mehr bereit, auf das zu verzichten. (…) Helft mit, redet über die professionelle Pflege und andere Berufsgruppen, die gerade in der Scheiße sitzen, erzählt von dem was ihr hier lest, zeigt Wertschätzung, unterstützt uns im Arbeitskampf, der nach Covid kommen wird, bekommt endlich in eure Schädel rein, dass wir verdammt professionell arbeitende Menschen sind – sonst würden eure Verwandten oder ihr oft nicht mehr so gesunden. Und bitte, bitte nennt uns nicht Helden. Sind wir nicht…“
- ver.di ruft Beschäftigte im Gesundheitswesen zur Impfung gegen die Covid-19-Erkrankung auf – Impfpflicht für bestimmte Berufsgruppen abgelehnt.
- Über mutierte Viren, tödliche Impfungen und den täglichen Wahnsinn in der Notaufnahme
„Medizinisch-wissenschaftliche Hintergrundinformationen zur Corona Pandemie aus einer aktivistisch regierungskritischen Perspektive: Gefährliches Halbwissen, mißinterpretierte Statistiken und richtige Fakten, mit denen falsch argumentiert wird, bestimmen den öffentlichen Diskurs über die Corona Pandemie und ihre Auswirkungen. Medizinisches Wissen, Epidemiologie, Statistik, gesellschaftliche und wirtschaftliche Auswirkungen, sowie politische Stellungnahmen werden wild durcheinander geworfen und die absurdesten Zusammenhänge gezogen. In diesem Vortrag sollen die wichtigsten medizinischen Grundlagen zur aktuellen Pandemie vereinfacht dargelegt (immunologisch, infektiologisch und intensivmedizinisch), ein Blick auf die weltweite Geschichte der Pandemien geworfen, kurz das Themengebiet Statistik gestreift und Einblicke in den Alltag in einem Level-2-Corona-Krankenhauses gegeben werden. Auf der Basis dieser wissenschaftlichen Perspektive einer Medizinerin mit der praktischen Erfahrung einer Krankenhaus-Angestellten soll ein Input aus der Perspektive einer regierungskritische Aktivistin gegeben werden. Schon immer waren die Bereiche Antikapitalismus, Antirassismus, gesundheitspolitische (Un)Gerechtigkeit und der Kampf gegen die Privatisierung des Krankenhaussystems und die Macht der Pharmakonzerne die Kernthemen der Referentin. Heute soll es darum gehen, diese Themen in der aktuellen Debatte (ohne ein Abrutschen in die Schwurblerecke) weiterhin hochzuhalten und einen Weg der wissenschaftlichen Rationalität mit Kritik an der Regierung und dem Gesundheitssystem aufzuzeigen.“ Video des Vortrags von Dr. med. Elisa Stein beim rC3-Kongress (Remote Chaos Experience) am 30.12.2020 (90 Min), siehe dazu:- rC3: Corona-Realität in der Notaufnahme
„Eine Berliner Ärztin hat auf dem Hackerkongress Einblicke in den Notaufnahme-Alltag gegeben. Das gefährliche Halbwissen auf Twitter & Co. sieht sie kritisch. Die Internistin Elisa Stein, Ärztin in der Rettungsstelle des Vivantes-Krankenhaus in Berlin-Friedrichshain, hat auf dem Hackerkongress rC3 über ihren Alltag in der Notaufnahme berichtet. Die Situation spitzt sich aktuell zu: „Viele sterben, egal ob an, mit oder durch Corona in Pandemiezeiten.“ Sie hat daher kein Verständnis für „Querdenker“ und Covid-19-Leugner, die sich stunden- und tagelang über Spitzfindigkeiten der eigentlichen Todesursache in sozialen Netzwerken austauschen. Missinterpretierte Statistiken und Fakten, mit denen häufig falsch argumentiert werde, bestimmten den öffentlichen Diskurs über die Pandemie und ihre Auswirkungen. Viele mehr oder weniger fundierte Forschungsergebnisse und Meinungen würden derzeit unkritisch aufgenommen und diskutiert, monierte Stein. Andererseits herrsche eine gewisse Expertenhörigkeit…“ Artikel von Stefan Krempl vom 31.12.2020 bei heise news
- rC3: Corona-Realität in der Notaufnahme
- [Privatisierte] Kliniken können bald Gehälter nicht mehr zahlen – Spahn gibt Kliniken Gehälter-Garantie [aus Steuergeldern]
- Krankenhausgesellschaft: Kliniken können bald Gehälter nicht mehr zahlen
“Die Deutsche Krankenhausgesellschaft hat in einem eindringlichen Appell davor gewarnt, dass die Kliniken flächendeckend bereits im ersten Quartal des neuen Jahres die Gehälter ihrer Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter nicht mehr zahlen können, wenn die Häuser nicht mehr finanzielle Hilfen erhalten. (…) Der DKG-Präsident schlug vor, dass die Kliniken auf der Basis von 2019 monatlich ihr Budget erhalten sollten. Am Ende des Jahres 2021 könne dann spitz abgerechnet werden. (…) Aus Sicht der Krankenhausgesellschaft reicht das Konzept bei Weitem nicht. „Der neue Rettungsschirm für die Krankenhäuser, der seit dem 17. Dezember gilt, ist nur eine minimale Verbesserung“, betonte Gaß. Lediglich 25 Prozent der Kliniken würden davon erfasst. „Im Frühjahr hatten wir einen Rettungsschirm, der für 100 Prozent aller Krankenhäuser gegolten hat – dabei gab es damals nur etwa halb so viele Covid-19-Patienten.“ Artikel von Eva Quadbeck vom 29.12.2020 beim RedaktionsNetzwerk Deutschland , siehe dazu: - Spahn gibt Kliniken Gehälter-Garantie
“… Bundesgesundheitsminister Jens Spahn (CDU) hat eine Gehälter-Garantie für die Beschäftigten in Krankenhäusern abgegeben. „Bund und Länder stehen gemeinsam in der Verantwortung. Wir wollen und werden die Liquidität der Krankenhäuser in der Krise sichern. Darauf können sich die Beschäftigten verlassen“, sagte Spahn dem Redaktionsnetzwerk Deutschland (RND). Bund und Länder werden Anfang Januar über weitere notwendige Maßnahmen beraten, kündigte das Bundesgesundheitsministerium an. Eine Sprecherin verwies zudem auf bereits bestehende Unterstützungen für die Kliniken. (…) Vielen Kliniken fehlen seit Monaten Einnahmen aus dem Regelbetrieb, weil sie Kapazitäten für die Betreuung von Corona-Patienten vorhalten. Wie der Berliner „Tagesspiegel“ berichtete, rechnen rund zwei Drittel aller Klinikbetreiber in diesem Jahr mit Verlusten. Das gehe aus dem aktuellen Krankenhaus-Barometer des Deutschen Krankenhausinstituts (DKI) hervor. Demnach beurteilen nur 18 Prozent der knapp 2.000 Kliniken mit ihren 1,3 Millionen Mitarbeitern ihre aktuelle wirtschaftliche Lage als gut.“ Meldung vom 29.12.2020 bei tagesschau.de - Deutsche Klinikpolitik: Gewinner und Verlierer
“… Die Botschaft der Klinikbetreiber wirft ein Schlaglicht auf die Fehlentwicklungen. Das Krankenhauswesen braucht grundsätzliche Veränderungen – nicht nur mehr Geld, wie es die DKG fordert. Die betriebswirtschaftliche Steuerungslogik von Krankenhäusern steht in Widerspruch zu ihrem eigentlich Zweck, eine gute Gesundheitsversorgung zu gewährleisten. Das wurde nie so deutlich wie jetzt. (…) Dennoch setzen einige Krankenhäuser alles daran, den normalen OP-Betrieb so lange wie möglich aufrechtzuerhalten, was die Kapazitäten in der intensivmedizinischen Nachsorge zusätzlich beengt. »Die meisten Kliniken haben die OP-Auslastung des Vorjahres noch immer nicht erreicht«, klagte die DKG am Dienstag in ihrer Pressemitteilung. Sie legt damit das Dilemma der Krankenhausbetreiber offen: Sie müssen bei Strafe des Untergangs operieren was das Zeug hält. Denn das Vergütungssystem über Fallpauschalen (Diagnosis Related Groups, DRG) honoriert nur erbrachte Leistungen, nicht das Vorhalten (zeitweise ungenutzter) Kapazitäten. Wenn Klinikmanager planbare Operationen auch jetzt noch nicht absagen, handeln sie betriebswirtschaftlich rational. Der Wahnsinn hat also Methode. Übrigens sind längst nicht alle Krankenhäuser in wirtschaftlichen Schwierigkeiten: 46 Prozent haben 2019 einen Überschuss erwirtschaftet. Ein Teil hat insbesondere in der ersten Pandemiewelle im Frühjahr stark von staatlichen Zuschüssen profitiert und die Erlöse gesteigert. Laut einer von der TU Berlin und dem Leibniz-Institut für Wirtschaftsforschung (RWI) im August vorgelegten Analyse waren freigemeinnützige und kommerzielle Krankenhäuser zumeist die Gewinner, während staatliche Universitätskliniken – die die Hauptlast der Covid-19-Versorgung tragen – große Verluste verbuchten. All das spricht für eine grundsätzliche Abkehr vom Marktsystem. Krankenhäuser sollten weder Gewinne noch Verluste machen, sondern die notwendigen Ausgaben vollständig erstattet bekommen. Die DKG, die auch profitorientierte Betreiber vertritt, mag diese Konsequenz nicht ziehen. Der Rest der Gesellschaft sollte es tun.“ Artikel von Daniel Behruzi in der jungen Welt vom 30.12.2020
- Krankenhausgesellschaft: Kliniken können bald Gehälter nicht mehr zahlen
- Berliner Intensivpfleger an der Corona-Front: „Ich kann dieses ‚Danke‘ nicht mehr hören“
„Ricardo Lange berichtet jede Woche aus dem Krankenhaus. Diesmal: scheinheilige Politiker und zwei Kugeln Eis als Corona-Bonus. (…) [Haben Sie einen Weihnachtswunsch?] Wertschätzung. Ich kann dieses „Danke“ der Politik nicht mehr hören, es ist faul und kostengünstig. Die erste Welle war doch bereits ein Warnschuss, die Bilder aus Italien waren es und der Pfleger Alexander Jorde hat Angela Merkel bereits vor drei Jahren auf den Personalnotstand hingewiesen. Es gibt weiterhin kein Konzept, wie wir diesen Beruf attraktiver machen. (…) Stellen Sie sich vor, kürzlich meldete sich eine Kandidatin der Neuköllner CDU. Sie wolle mir und meinen Kollegen einen Präsentkorb überreichen, als Dank für unsere Arbeit. Ob ich denn in Neukölln arbeite, fragte sie. Ich erklärte ihr, dass ich bei einer Leasingfirma angestellt bin und in verschiedenen Kliniken im Einsatz, seit einem knappen Jahr aber regelmäßig in einem bestimmten Haus – das nicht in Neukölln liegt. Das sei dann schwierig, meinte sie, sie bevorzuge die Leute in Neukölln und sie müsse das erst mit ihrer Partei absprechen. Es ging um einen Präsentkorb, nicht um einen Lottogewinn! Seitdem habe ich nichts mehr von ihr gehört. Für so eine Lobbyarbeit stehe ich nicht zur Verfügung. Und wo wir gerade schon von Wertschätzung sprechen. Ich kenne eine Krankenschwester, deren Arbeitgeber ihr im Sommer nach der ersten Welle zwei Kugeln Eis ausgegeben hat, zum Selbstabholen in der Kantine. Zwei Kugeln Eis dafür, dass sie seit Monaten ihre Gesundheit aufs Spiel setzt, um andere zu retten. (…) Zu Weihnachten wünsche ich mir, dass die Regierung ihre Versprechen hält. Und dazu gehören, wie angekündigt, Boni für alle, die in dieser Pandemie Außergewöhnliches geleistet haben und immer noch leisten.“ Interview von Julia Prosinger vom 24.12.2020 im Tagesspiegel online – Ricardo Lange, 39, arbeitet als Pflegekraft auf einer Berliner Intensivstation.Seine Klinik ist eine der 17 Einrichtungen mit einem Covid-Schwerpunkt. Hier berichtet er jede Woche von Nachtschichten, Provisorien und Hoffnungsschimmern. - Besser ist nicht gut genug. Während der Corona-Pandemie steht Jens Spahn im Rampenlicht. Pflegekräfte sehen bei ihm gute Ansätze, aber auch viel Symbolpolitik
„… In der ersten Welle der Pandemie schwappte die Diskussion über Pflege in Deutschland in die Öffentlichkeit – ein Thema, das sich Gesundheitsminister Jens Spahn schon bei seinem Amtsantritt im März 2018 auf die Fahnen schrieb. Wie sieht es aus, nach fast zwei Jahren Amtszeit des CDU-Politikers und beinahe einem Jahr Pandemie? Wie bewerten Menschen aus der Praxis das, was von seiner Politik erfahrbar wird? »Positiv muss ich sagen, dass Herr Spahn der erste ist, der Pflege in die Öffentlichkeit bringt und angefangen hat, etwas zu tun. Anfangs dachte ich: Er packt’s jetzt an«, sagt Gabi Heise. Die Berliner Krankenpflegerin ist Betriebsrätin bei Vivantes und auch beim Bündnis Gesundheit statt Profite engagiert. Hoffnung hatte auch Annette Stein, Altenpflegerin aus Konstanz, die ihren echten Namen nicht nennen will, um Konflikte mit ihrem Arbeitgeber zu vermeiden. »Wir hatten schon das Gefühl, dass es mit diesem relativ junger Politiker mehr Aufmerksamkeit für die Altenpflege geben könnte.« (…) Mit dem Pflegepersonal-Stärkungsgesetz wurden auch Pflegepersonaluntergrenzen in bestimmten Krankenhausbereichen – wie der Intensivmedizin und der Unfallchirurgie – eingeführt. Die Idee dahinter sei nicht schlecht. »Aber die Methodik zur Ermittlung der Untergrenzen ist eine Katastrophe«, kritisiert Herfurth. Ein Problem sei, dass die Bemessung zu niedrig angesetzt sei. Die 25 am schlechtesten besetzten Prozent der Stationen sollen sich demnach an den besseren orientieren. Aber besser sei eben noch nicht gut, sagt Herfurth. Gabi Heise bezeichnet das Instrument als »Pseudo-Aktivismus«. In der Praxis werde teilweise mit Hinweis auf die neuen Untergrenzen Personal abgezogen – nach dem Motto: Das Mindestmaß reiche aus. »Und sobald die Coronakrise anfing, war das erste, was Spahn einfiel: Setzen wir doch mal die Personaluntergrenzen aus.« Initiativen wie Walk of Care oder das Berliner Bündnis Gesundheit statt Profite fordern statt Untergrenzen eine Personalbemessung, die sich am realen Pflegebedarf orientiert. Nur so könne man Patient*innen angemessen betreuen, betont Julia Hartwig. (…) Das Bündnis Gesundheit statt Profite und Walk of Care fordern eine Kehrtwende: Kliniken sollen überhaupt keine Gewinne mehr machen müssen. »Es fehlt Jens Spahn einfach der Mut, dass er das angeht«, urteilt Gabi Heise. »Er ist derjenige, der das anstoßen müsste. Dass er nicht allmächtig ist, weiß ich auch. Aber er stupst ja nicht mal die Diskussion über eine andere Finanzierung an.« Eine weitere Forderung der »gibuns5«-Kampagne des Walk of Care ist, dass in den Gremien der Selbstverwaltung des Gesundheitswesens neben Ärzt*innen auch Vertreter*innen Pflegender, anderer Gesundheitsberufe und Patient*innen vertreten sein sollten, sagt Lea Friedrich, Gesundheits- und Krankenpflegerin bei den DRK-Kliniken in Berlin. (…) Ob es bei ihr im Altenheim und in der ambulanten Pflege genug Masken gab? Annette Stein lacht. Lange habe es nur die chirurgischen Gesichtsmasken gegeben, die nicht als Schutz der Träger*innen vorgesehen sind. »Dass wir nicht wichtig sind, das kennen wir ja schon zur Genüge«, sagt die Altenpflegerin. Aber sie hätte sich gewünscht, dass mehr auf die alten Menschen achtgegeben werde – zum Beispiel durch regelmäßige Corona-Tests bei den Mitarbeitenden. Erst jetzt, im Winter sei es möglich, regelmäßig Schnelltests durchzuführen. »Bei uns sind FFP2-Masken und Desinfektionsmittel immer noch verschlossen«, erzählt Matthias Marschner. Weil im Frühjahr im Krankenhaus Desinfektionsflaschen aus den Spendern geklaut wurden, seien kleine Fläschchen für die Tasche verteilt worden. Als das handelsübliche Desinfektionsmittel ausgegangen war, gab es nur noch »irgendwo Zusammengebrautes«, von dem abends die Hände brannten. (…) »Ich habe das Gefühl, man ruht sich auf den Pflegepersonaluntergrenzen aus und das war es dann«, sagt auch Julia Hertwig. Der Frust beim Pflegepersonal sei in der zweiten Welle noch höher als in der ersten. »Dadurch, dass es schon so lange geht, können die Leute einfach nicht mehr.«...“ Artikel von Inga Dreyer vom 23.12.2020 im ND online - Klinikmitarbeiter gibt Scheuers Weihnachtsplätzchen zurück – Personalrats-Chef: Keine Zeit zum Plätzchenessen
„Mit Weihnachtsplätzchen hat Bundesverkehrsminister und Passauer Stadtrat Andreas Scheuer den Mitarbeitern am Klinikum Passau eine Freude machen wollen. Der Personalratsvorsitzende schickte sein Geschenk zurück. Mit Plätzchen sei nicht geholfen. Schon vor Weihnachten ist in Passau das Geschenk eines Politikers zurückgegeben worden: Eigentlich wollte der Verkehrsminister und Passauer Stadtrat Andreas Scheuer (CSU) den Mitarbeitern des Klinikums eine Freude machen und brachte am Montag 3.000 Plätzchen-Tüten vorbei. Doch dem Personalratsvorsitzenden schmeckt das so gar nicht. Er sagt, er habe die Nase von Symbolpolitik voll, und hat seine Plätzchen zurückgegeben. „Plätzchen helfen den überlasteten Pflegekräften nicht“, sagt Rüdiger Kindermann, selbst gelernter Pfleger und Vorsitzender des Personalrats am Klinikum. Pflegekräfte hätten ohnehin keine Zeit, Plätzchen während der Schicht zu essen, ärgert er sich. Kindermann stellte seine Plätzchentüte gestern vor der CSU-Geschäftsstelle in Passau ab und hinterließ einen Brief an Andreas Scheuer. Darin erklärt er, warum er die Plätzchen zurückgibt und formuliert mehrere Anliegen. Unter anderem bittet er den Politiker, dass der Personalschlüssel in der Pflege reformiert wird. Kindermann sagte dem BR, dass er für seine Aktion aus der Belegschaft nur positive Rückmeldungen bekommen habe…“ Meldung vom 23.12.2020 beim BR - vdää: Sofort elektive Eingriffe verschieben, DRG aussetzen und Refinanzierung aller Kosten
„Überfüllte Intensivstationen, überlastetes Personal, schlecht versorgte Patient*innen und die Gefahr, dass Methoden der Triage angewendet werden müssen. So sieht es aktuell in den Krankenhäusern aus. „Ein Betreuungsschlüssel von einer Pflegekraft für 3 bis 4 Covid-19-Patient*innen auf der Intensivstation erinnert an Kriegsmedizin“, sagt Dr. Peter Hoffmann, Mitglied im Vorstand des vdää. „Das ist keine unvermeidliche Folge der Pandemie oder Schicksal, sondern Resultat einer desaströsen Planung und der Finanzierung über Fallpauschalen (DRG)“. In der ersten Corona-Welle haben die meisten Krankenhäuser gut planbare elektive Eingriffe heruntergefahren und Betten freigehalten. Vor allem private Kliniken haben mit der Leerstandsprämie ein gutes Geschäft gemacht. Jetzt in der zweiten Welle wird das Freihalten von Betten nicht in gleicher Weise gefördert. Daher versuchen die meisten Krankenhäuser möglichst ihren Regelbetrieb aufrecht zu erhalten, auch wenn es sich um leicht verschiebbare Wahleingriffe handelt. Auch weil in vielen Krankenhäusern zunehmend an Covid-19 erkrankte Beschäftigte ausfallen, andere Kräfte aber durch den weiteren Vollbetrieb gebunden sind, führt diese Vorgehensweise zu Überlastung und schlechterer Versorgung. Dies erfolgt aus rein finanziellen Erwägungen, weil sonst die Defizite bis hin zur Insolvenzgefahr zunehmen. „Es darf nicht sein, dass gerade den Krankenhäusern die Insolvenz droht, die die Hauptlast der Coronakrise tragen – also die, die viele Covid 19-Patient*innen versorgen und es gerade noch schaffen, die Notfallversorgung aufrechtzuerhalten. Besonders diesen müssen alle entstandenen Kosten und entstandenen Erlösausfälle ersetzt werden“, so Dr. Nadja Rakowitz, Geschäftsführerin des vdää. „Es ist offensichtlich, dass die DRG – auch wenn sie um Coronahilfen ergänzt werden – nicht geeignet sind, um die Existenz der Krankenhäuser zu gewährleisten. Eine Finanzierung über Preise (DRG) geht völlig an den Erfordernissen der Daseinsvorsorge vorbei. Die DRG gehören jetzt ausgesetzt oder gleich abgeschafft; ansonsten riskieren wir die Gesundheit und Sicherheit von Patient*innen und Beschäftigten“, so Rakowitz weiter. Angesichts dieser dramatischen Situation fordert der vdää eine sofortige Umsteuerung…“ Pressemitteilung vom 22. Dezember 2020 von und bei vdää zur aktuellen Situation in den Krankenhäusern - Drei Jahre später …
„… Ich fürchte nur es wird nach Impfung und möglicherweise Ende der Pandemie in der Pflege nicht mehr besser werden. Zwölf Stunden Schichten, Arbeitsquarantäne, Dienstverpflichtung, Lavendel und Klatschen tun gerade ihr zerstörerisches Werk, keiner hat mehr Bock wichtig und arm und alleine zu sein. Gotteslohn ist um. Das ist nunmehr der Preis der zu zahlen ist. Das ganze Lied von Verantwortung für die Menschen zieht nicht mehr. Was die Pflege gelernt hat in 2020 ist, sie sind Menschen 2. Klasse. Für jeden systemrelevanten Scheiß ist Geld da, für die Pflege Lavendel. Alles geht von Böllerverbot bis Ausgangssperre, mehr Lohn für die Leute an der Front? Ne, das würde das System zu sehr belasten! Ich habe mich mal verpflichtet gefühlt mich an die Regeln zu halten. Aber warum? Weil ich erwartet habe, dass man sieht: so geht es nicht mehr weiter. Ich dachte Corona zeigt deutlich die Schwächen des Systems Pflege in Deutschland. Aber es passiert nichts. Man redet sich weiter ein, dass alles gut gewesen ist, vor Corona, und danach auch alles wieder gut sein wird. Ich lehne mich so weit aus dem Fenster zu sagen, es wird nicht wieder gut. Ich sehe meine Mitarbeiter zweifeln. Sie zweifeln an dem was sie tun, zum Teil verzweifeln sie…“ Beitrag von Garcon de Piss am 23. Dezember 2020 auf seinem Blog - Situation in den Kliniken: „Ich hätte mir diese Zustände nicht vorstellen können“
“Pflegekräfte aus Hamburg haben auf einer Pressekonferenz der Hamburger Krankenhausbewegung vorgestern darauf hingewiesen, wie sehr sich die Patientenversorgung in der zweiten Welle der Coronapandemie verschlechtert hat. „In vielen Schichten sind wir auf der Intensivstation so wenige Pflegende, dass wir drei oder vier Patienten betreuen müssen“, sagte eine Intensivpflegerin aus der Asklepios Klinik St. Georg, die namtlich nicht genannt werden möchte. Das sei aber nicht zu schaffen, denn viele der Patienten benötigten eigentlich eine 1:1- oder 1:2-Betreuung. (…) Die Intensivpflegerin gab ein Beispiel aus ihrer letzten Schicht: „Ich musste drei Patienten betreuen, einer von ihnen war ein COVID-19-Patient, dem es sehr schlecht ging, der aber noch nicht beatmet werden musste.“ Die COVID-Intensivpatienten seien ohne jede Ressource, sie seien vollkommen erschöpft, würden um Luft ringen und hätten Todesangst. „Für uns ist das eine sehr hohe Belastung. Wir geben alles, um diese Patienten zu begleiten und zu unterstützen. Ich will sie nicht alleine lassen, ich möchte mitbekommen, ob sich ihr Zustand verschlechtert“, sagte sie. „Doch die Zeit ist zu knapp und ich muss noch zwei andere Patienten betreuen, denen es ebenfalls schlecht geht“, fuhr sie fort. (…) Auch auf den Normalstationen sei die Situation dramatisch. „Das sind zum Teil Stationen mit bis zu 30 Patienten, in denen pro Schicht drei Kollegen zuständig sind“, berichtete sie. „Die müssen über die gesamte Schicht Schutzausrüstung tragen, sie haben kaum Zeit für eine Pause, machen Überstunden und haben das Gefühl, verheizt zu werden. Sie schreiben täglich Gefährdungsanzeigen, sie sind verzweifelt und wütend und fühlen sich alleine gelassen.“ Denn im Gegensatz zur ersten Pandemiewelle liefen ja viele elektive Operationen weiter. (…) Eine Pflegerin aus der Asklepios Klinik Wandsbek berichtete, dass es nicht ausreichend qualitativ gute Schutzausrüstung gebe. „Wir können uns nicht vernünftig schützen, auch nicht im COVID-Bereich“, sagte sie. „Es gibt zu wenige Masken, manche Masken sitzen nicht richtig. Unsere Kittel sind wasserdurchlässig, unsere Handschuhe reißen, wenn wir sie anziehen.“ Die Kliniken hätten sich im Sommer vorbereiten müssen, es sei aber so getan worden, als komme die zweite Welle überraschend. „Jetzt ist es ernster als zuvor“, sagte sie.“ Beitrag vom 18.12.2020 beim Ärzteblatt online - Krankenpflegerin Nina Böhmer – „Wir arbeiten alle am Limit“
„Ausgebrannt, frustriert, ausgenutzt: Im ZDF-Interview erzählt Krankenpflegerin Nina Böhmer, wie dramatisch die Situation in den Kliniken ist, und warum Klatschen nichts bringt. Nina Böhmer, der Name ist wohl nur wenigen geläufig, aber ihr Facebook-Post im März ging viral. Menschen hatten begeistert von den Balkonen applaudiert, wollten damit ein Zeichen setzen, sich bedanken bei all den Pfleger*innen für deren Arbeit in der ersten Phase der Corona-Pandemie in den Krankenhäusern. Nina Böhmer (28), Gesundheits- und Krankenpflegerin, reagierte anders als erwartet, ihr platzte der Kragen. Sie postete auf Facebook: Euer Klatschen könnt ihr euch sonst wohin stecken. Plötzlich sollten sie und ihre Kolleg*innen Held*innen sein, dabei hatten sie schon seit Jahren auf die schlechten Arbeitsbedingungen in der Pflege hingewiesen. Nina Böhmer fragte sich: „Wo war der Applaus eigentlich vorher? Und wieso war er so schnell wieder vorbei?“ (…) Einen Bonus für ihre belastende Arbeit hat sie bis heute nicht bekommen. „Der Bonus ist mir nicht so wichtig, bessere Arbeitsbedingungen wären schöner.“ Zwar gab es nach der ersten Corona-Welle Boni für die Altenpflege und später auch eine sogenannte Corona-Prämie, aber nicht alle profitierten. So auch Nina Böhmer nicht. Sie und ihre Kolleg*innen seien frustriert, ausgebrannt, fühlten sich von der Politik im Stich gelassen. (…) „Wir arbeiten am Limit“, sagt sie. Die Politik höre seit Jahren den Pfleger*innen nicht zu, viele Politiker*innen lebten in einer Blase. „Wir brauchen mehr Leute, die vom realen Leben Ahnung haben und sich für mehr Gerechtigkeit einsetzen.““ Interview von Britta Spiekermann vom 13.12.2020 beim ZDF (samt Video) - Fehlanreize mit System: Gesundheits- und demokratiepolitische Überlegungen zur Covid-19-Pandemie in Deutschland
„… Fehlten zu Beginn der Pandemie im Frühjahr Beatmungsgeräte und Intensivbetten, lieferte jetzt der allerdings auch damals schon akute Mangel an Fachkräften in diesem Bereich eine Begründung des Teil-Lockdowns. Woher dieser Personalmangel rührt, wird noch immer zu wenig thematisiert. (…) Dabei wiesen Krankenhausärzte schon sehr früh darauf hin, dass die Finanzierung der Kliniken über Fallpauschalen bzw. »Diagnosis Related Groups« (DRG) das größte Hindernis für eine bedarfsgerechte Covid-19- Behandlungsstrategie ist. Auch Palliativmediziner*innen sowie in Pflegeeinrichtungen und in Hospizen tätige Ärzt*innen wiesen frühzeitig auf Fragestellungen hin, die sich aus der Behandlungsaufnahme oder dem Verzicht auf Beatmungstherapie bei einzelnen Patient*innen ergeben. Wie bedeutend die Beachtung von Patientenverfügungen als Ausdruck unveräußerlicher Autonomie ist, wurde ebenfalls betont. Aber die Parlamentarier*innen folgten einem anderen Kompass. (…) In Wahrheit hat die Bundesregierung in der Pandemie offenkundig falsche Anreize gesetzt, die zusätzliche Probleme geschaffen haben. So betonte der Präsident des Berufsverbandes Deutscher Anästhesisten und Ärztlicher Direktor am Klinikum Ludwigsburg, gegenüber der »Frankfurter Allgemeinen Zeitung«(13.11.): »Ohne eine klare Verordnung der Regierung und ohne finanzielle Anreize wird es wahrscheinlich nicht gehen, denn eine Klinik, die keine Covid-Patienten aufnimmt und den Normalbetrieb zu hundert Prozent weiter macht, steht natürlich auch finanziell besser da.« In dieser Aussage wird deutlich, dass der Hauptgrund für begrenzte intensivmedizinische Kapazitäten in den DRGs liegt, die für die Gewinnorientierung im stationären Versorgungssystem stehen. Vor allem private Klinikkonzerne profitieren von diesem »leistungsorientierten« Bezahlsystem. Denn tatsächlich gibt es also Kliniken, die gar nicht erst Covid-19-Patienten aufnehmen – und derzeit auch nicht dazu verpflichtet werden können. So kommt für die dort tätige Ärzteschaft ein ethisches Dilemma am Krankenbett gar nicht erst auf. Sie verweigern keinem konkreten Patienten die Behandlung. Nein, man zeigt Vollbelegung an, die sich aus dem Normalbetrieb ergibt. Zwar hat Bundesgesundheitsminister Spahn (CDU) mit dem novellierten Infektionsschutzgesetz verfügt, dass freie Betten vorgehalten werden müssen – und die Erhöhung der Kapazitäten mit reichlich Geld bezuschusst. Doch dafür, dass diese Kapazitäten auch genutzt werden, hat er keine Handhabe. Es gibt freie Träger, die nach den Gesetzen des freien Marktes agieren. (…) Die Bevölkerung muss tiefgreifende Grundrechtseingriffe tolerieren, damit die Intensivstationen nicht überlastet werden. In der ersten Pandemiephase fehlte noch vorrangig technische Ausstattung, wie Beatmungsgeräte. Dieser Mangel wurde weitgehend behoben, doch das Fachpersonal ist weiterhin nicht vorhanden. Auch dieser Notstand ist eine direkte Wirkung des Systems der Fallpauschalen. Währenddessen kann der Staat in das äußerst komplex gewordene Gesundheitssystem nicht mehr direkt steuernd eingreifen. Darüber hinaus darbt wegen der allgemeinen Kostenbremse für Kommunen der gemeinwohlorientierte Gesundheitsdienst und kann seinen Aufgaben nicht nachkommen. Andere Folgen des DRG-Systems konnte man während der ersten Pandemiephase beobachten: Private Großkliniken erwogen, Kurzarbeit anzumelden, weil via Infektionsschutzgesetz aufgefordert wurden, Betten für Covid-Kranke vorzuhalten, was Einnahmeeinbrüche bei lukrativen Spezialangeboten erwartet ließ. Und so arbeitet das Personal in Maximalversorgungskrankenhäusern und Unikliniken am Limit, während Private ganz legal die Pandemieerfordernisse ihren Gewinnerwartungen anpassen können…“ Artikel von Monika Knoche vom 07.12.2020 im ND online – wir erinnern an unser Dossier: [DRG] Das Krankenhaus als Fabrik: Die Einführung der Fallpauschalen ermöglichte den Zugriff des Kapitals auf die Kliniken – mit gravierenden Folgen für Personal und Patienten - Stellungnahme der VKG zur Situation an den Krankenhäusern
„Seit Beginn der zweiten Welle der Corona-Pandemie melden Presse und Rundfunk fast Tag für Tag: es fehlt an Pflegekräften und an Fachkräften für die Intensivpflege, um die mit Corona infizierten PatientInnen ausreichend versorgen zu können. Nach Aussage von Uwe Janssens, Präsident der Deutschen Interdisziplinären Vereinigung für Intensiv- und Notfallmedizin (Divi) fehlen 3500 bis 4000 Fachkräfte in der Intensivpflege (SZ vom 19.11.20). Gleichzeitig haben sich aktuell nach RKI-Angaben vom 23.11.20 ca. 2.800 KollegInnen in den Krankenhäusern mit Corona angesteckt. Die Anzahl der infizierten Menschen bleibt trotz aller Kontakteinschränkungen durch die Regierung auf hohem Niveau, nicht nur Ärzte fürchten, dass die Intensivbetten nicht mehr ausreichen könnten. Die KollegInnen und Ärzte arbeiten mittlerweile am Limit, die Belastung steigt. Wie reagiert die Politik auf diese Situation? Niedersachsen führte im November mit einer Allgemeinverfügung zum zweiten Mal den 12-Stunden Arbeitstag ein. Nachdem diese Aushebelung des Arbeitszeitgesetzes im Juni nach der ersten Welle im Juni bundesweit auslief. Viele Ärzte warnen davor, dass die Belastung aus der ersten Welle noch nicht überwunden ist und diese zweite Belastung zu größeren Ausfällen führen kann wie in der ersten Phase im Frühjahr. (…) Tatsächlich ist es so, dass in mehreren Kliniken infiziertes Personal ohne Symptome angewiesen wird und wurde weiterzuarbeiten – vor allem auch in privatisierten Kliniken (z.B. im Helioskonzern), um den Personalnotstand „aufzufangen“. In NRW wurden laut Landesgesundheitsministerium zwischen April und Oktober über 3.500 Krankenhausbeschäftigte aus der Quarantäne zurückgerufen – in einer Phase mit relativ niedriger Infektionszahl. Eine bundesweite Erhebung dazu gibt es jedoch nicht (…) Diese Pandemie hat deutlicher denn je gezeigt, dass die Ausrichtung eines Gesundheitssystems auf die Behandlung von lukrativen Fällen, die möglichst viel Geld mit möglichst wenig Personal bringen sollen, die Ursache für die ganze Misere ist. Deshalb fordern KollegInnen aus Gesundheitseinrichtungen und verschiedene Bündnisse, dass ver.di eine Aktivenkonferenz organisieren muss. Auf dieser soll darüber diskutiert und entschieden werden, wie eine breit angelegte, bundesweite Kampagne aussehen kann, um ein Gesundheitssystem zu erkämpfen, das eine gute Versorgung der PatientInnen unter guten Arbeitsbedingungen für die Beschäftigten garantiert…“ Stellungnahme der VKG vom 3. Dezember 2020 - Corona-Hilfen für Krankenhäuser: Milliarden Zahlungen des Bundes helfen Patienten kaum
„Die Zahl der im Intensivregister als frei gemeldeten Betten ist immer noch viel zu hoch. Vn Krankenhäusern werden freie Intensivbetten gemeldet, die jedoch wegen Personalmangels nicht wirklich genutzt werden können. Die von der Bundesregierung ausgelobten Zuschüsse für neu geschaffene Intensivbetten und für freigehaltene Betten haben zu Fehlanreizen geführt. Krankenhäuser, die viele Covid-Patienten behandelt haben, hatten dagegen Mehraufwendungen, die nicht vollständig kompensiert wurden. (…) Im Frühjahr forderte Bundesgesundheitsminister Jens Spahn die Kliniken auf, die Kapazitäten für Intensivmedizin hochzufahren. Pro neu aufgestelltem Intensivbett gäbe es unbürokratisch und schnell 50.000 Euro. Das hatte zur Folge, dass während im April 22.000 Intensivbetten gemeldet waren, es im Sommer schon 32.000 waren. Rund 626 Millionen Euro haben die Krankenhäuser insgesamt seit April für neue Intensivbetten erhalten. Ein Fehlanreiz des Bundesgesundheitsministeriums, meint Prof. Dr. Götz Geldner, Ärztlicher Direktor im Klinikum Ludwigsburg und Präsident des Berufsverbands Deutscher Anästhesisten. Denn bereits vor der Pandemie konnten viele Intensivbetten in Deutschland aufgrund Personalmangels nicht betrieben werden und nun habe sich die Situation noch verschärft. Es sei kein Personal dazugekommen. Es ist im Gegenteil noch weniger geworden, da auch die Mitarbeiter auf Intensivstationen von Covid befallen oder in Quarantäne seien, aber auch weil ihre Kinder in der Schule sind und in Quarantäne müssten. So ist deutlich weniger Personal vorhanden. (…) Einige Kliniken waren dabei offenbar besonders dreist: Insider berichten uns, dass manche Kliniken die für ein Intensivbett erforderlichen Beatmungsgeräte sogar nur für ein paar Monate geleast hätten und die Geräte danach zurückgegeben hätten. Doch so konnten sie die Prämie von 50.000 Euro kassieren. Und das waren nicht die einzigen Zuschüsse des Bundesgesundheitsministeriums, die bei den Kliniken zu Fehlanreizen führten. Seit Beginn der Corona-Pandemie sollen Krankenhäuser Betten für Covid-Patienten freihalten: Dafür gab es die so genannte Freihaltepauschale. Sie sollte Einnahmeausfälle ausgleichen, die etwa durch verschobene Operationen entstanden sind. Bis Ende September zahlte der Bund bis zu 760 Euro pro Bett pro Tag, insgesamt knapp neun Milliarden Euro. Prof. Stefan Kluge vermutet, dass auch die Freihaltepauschale ein Grund dafür ist, dass immer noch viel zu viele Betten ans Register gemeldet werden. (…) Während Krankenhäuser mit leeren Betten gut kassiert haben, haben andere durch die Behandlung von Corona-Patienten nun mit wirtschaftlichen Schwierigkeiten zu kämpfen…“ Text und Video des Beitrags von Moritz Hartnagel und Barbara Hirl in der Sendung Plusminus am 02.12.20 bei daserste.de - Arbeitskampf im Krankenhaus: Eine Hamburger Pflegerin erzählt
“Die Corona-Pandemie hat Gesundheitsbereich wie Gesellschaft insgesamt zu einem Pulverfass werden lassen. Ausbaden müssen die enormen Mehrbelastungen unter anderem die Arbeiter:innen im Gesundheitssektor, die öffentlich beklatscht und zugleich verheizt werden. In Hamburg ist nun deshalb ein Arbeitskampf ausgebrochen. Unsere Autorin Lena Padberg ist examinierte Gesundheits- und Krankenpflegerin aus Hamburg, politisch innerhalb und außerhalb gewerkschaftlicher Zusammenhänge aktiv. Sie will den Leser:innen einen Einblick hinter die Kulissen der Hamburger Krankenhäuser gewähren und über den Widerstand der Beschäftigten gegen die Profitinteressen der Klinikaktionäre berichten. Insbesondere der Gesundheitssektor, der schon vor der Corona-Krise am Limit war, musste in den letzten Monaten eine nie dagewesene Krise unter menschenunwürdigsten Arbeitsbedingungen bewältigen. Die Pandemie trifft auf absoluten Personalmangel in allen Bereichen. Die Organisation in den Kliniken ist in vielen Krankenhäusern mehr auf Gewinnmaximierung als auf sinnvolles Handeln im Sinne der Gesundheit der Patient:innen ausgerichtet. Unterbesetzung, Fallpauschalen in Krankenhäusern, Zeitvorgaben in der Pflege und Patient:innen als “Gewinnfaktor” dominieren weiterhin die Versorgung in Hamburger Krankenhäuser. Die angekündigten Pflegebonuszahlungen sind bislang nicht ausgezahlt worden und werden auch nie ausgezahlt werden. Der Personalmangel ist an seinem absoluten Höhepunkt angekommen, unter anderem aufgrund der Aussetzung der Personaluntergrenzen. (…) Im Jahr 2019 wurde der sogenannte Volksentscheid für mehr Personal im Krankenhaus vom Hamburger Senat als verfassungswidrig eingestuft. Ein Grund lag darin, dass auf Bundesebene eine Personalregelung schon verabschiedet worden sei, nämlich die am Ist-Zustand orientierende Personaluntergrenzen. Diese haben in der Vergangenheit zu Personalabbau, dauerhaften Patient*innen-Verschiebungen geführt und ganze Stationen wurden einfach umbenannt, damit sie nicht in die Personaluntergrenzenregelung hereinfallen. Während das Verfahren gegen den Volksentscheid lief, hatten sich schon längst viele Beschäftigte aus den Krankenhäusern organisiert. Es fanden sich Pfleger:innen, Hebammen, Therapeut:innen usw. zusammen. All diese hatten schon lange die Idee von der Organisierung “von unten“, also der eigenen Kolleg:innen. Es wurden alte und neue Arbeitskämpfe aufgearbeitet, aus denen sich die theoretische Grundlage für die Praxis gebildet hatte. In den darauf folgenden Monaten wurden in den Krankenhäusern immer mehr Kolleg:innen dazugewonnen. Gleichzeitig kam es zu mehreren Veranstaltungen, in denen gemeinsam der Inhalt der Forderungen ausdiskutiert worden ist. Denn nur die Kolleg:innen selbst wissen, was es braucht, um die Arbeit und die Versorgung im Krankenhaus menschenwürdiger zu machen. (…) Viele von diesen Aktionen hatten natürlich ihren Zweck darin, das Thema Krankenhaus in die Öffentlichkeit zu bringen. Dennoch haben uns am Ende nicht die Unterschriften interessiert, sondern die Kolleg:innen, die hinter ihnen stehen. Der eigentliche Zweck lag nämlich darin, Strukturen aufzubauen. Denn je größer der Organisationsgrad, desto schwieriger die Aktionen. Dabei ist der größte Strukturtest am Ende der Streik. (…) Trotz des ernüchternden Tarifergebnisses müssen sich Linke und die Beschäftigten vor Augen führen, dass in früheren Tarifrunden meistens pro Krankenhaus nicht Mal hundert Menschen die Arbeit niedergelegt hatten. Diese Tarifrunde aber haben sogar 350 Kolleg:innen nur an einem Krankenhaus gestreikt und insgesamt 3500. Gleichzeitig hat die Tarifrunde den gewerkschaftlichen und außer-gewerkschaftlichen Organisationsgrad in den Krankenhäusern enorm erhöht. Die Warnstreiks in der letzten Tarifrunde haben damit ein großes Potenzial innerhalb der Arbeiter*innenklasse gezeigt. Es war nie unser Ziel, diese lächerlichen 4,5 Prozent zu erhalten. Es war verständlich, dass am Ende der Tarifrunde einige Kolleg*innen über das Ergebnis enttäuscht waren. Zudem hatte die Gewerkschaft in Hamburg wieder einmal gezeigt, wie eng sie mit der arbeiter*innenfeindlichen Sozialdemokratie zusammenarbeitet. Trotzdem haben die meisten den wahren Erfolg erkannt und wissen, dass es nicht unser Ziel war, die Gewerkschaftsforderungen durchzusetzen, sondern eben die Organisierung von unten. (…) Gleichzeitig scheint es aktuell so zu sein, dass je schlimmer die Arbeitsbedingungen durch Corona und den bestehenden Personalnotstand werden, desto schwieriger der Arbeitskampf wird. Es wird davon ausgegangen, dass im Dezember die letzte Chance für uns Beschäftigten im Krankenhauswesen liegt, um den Arbeitskampf in einer noch höheren Phase führen zu können. Danach wird es wahrscheinlich erschwert sein, den Arbeitskampf weiterzuführen, da die Lage im Gesundheitswesen aller Wahrscheinlichkeit nach eskalieren wird. Derzeit wird versucht, die Politik in die Verantwortung zu nehmen. Des Weiteren sind noch andere Aktionen und Wege geplant, die jedoch natürlich aus strategischen Gründen nicht beschrieben werden. Dennoch kann man festhalten, dass auch Streiks in dieser Zeit als eine Option und nicht nur als eine Option angesehen werden, sondern als eine Notwendigkeit. Es besteht aber auch die Möglichkeit, dass es zu spontanen Kampfmaßnahmen in den Krankenhäusern kommt. Dergleichen gab es z.B. schon im Jahre 2019 in einem Operationssaal, als die OP-Pfleger*innen sich an einem Morgen in den Sitzstreik begeben hatten…“ Beitrag von Lena Padberg vom 05.122020 bei Lower Class Magazine – siehe zum Hintergrund Hamburger Volksentscheid gegen Pflegenotstand im Krankenhaus, Hamburger Bündnis für mehr Personal im Krankenhaus sowie Hamburger Krankenhausbewegung sowie die Corona-Tagebücher beim Hamburger Bündnis für mehr Personal im Krankenhaus - Pflegenotstand: Politisch verursacht – politisch unlösbar
„Der Wirkungsgrad von Politik ist negativ, d.h. sie erzeugt mehr Probleme als sie löst, und die von ihr gelösten Probleme sind in der Regel zuvor von ihr selbst erzeugt. Die Begründung der These wird am Beispiel des „Pflegenotstandes“ ausgeführt. Es beginnt mit einer Beschreibung des Ist-Zustandes, hinsichtlich Zahl, Einkommen und Wertschätzung von Pflegekräften. Alle drei Indikatoren sind im Wert deutlich zu niedrig – und das bei deutlich zu hoher Arbeitsbelastung. Nach einhelliger Meinung der Experten wird sich an diesem Missverhältnis in den nächsten Jahren nichts ändern. Die Folge für die Pflegebedürftigen: Sie können weiterhin nicht angemessen versorgt werden. Eine Schande in einem der reichsten Länder der Erde, das sich in Art. 20 GG „sozialer Bundesstaat“ nennt. Nach der Beschreibung des Ist-Zustandes wird der Verursacher detektiert: die Politik. Inzwischen zwar aus dem Schlaf erwacht, hat die politische Klasse den desolaten Zustand nicht nur verursacht, sondern ist auch unfähig, ihn zu beseitigen. Grund ist ein Systemfehler: Es fehlt der Zusammenhang von prospektivem Denken und prophylaktischem Handeln. Deshalb sehe ich auf absehbare Zeit nur eine Möglichkeit, das Problem „Pflegenotstand“ zumindest zu entschärfen: mit privatem Engagement im Schutzraum der Familie. Dass und wie dies möglich ist, skizziere ich anhand von vier Regeln, im Sinne von praktischen Empfehlungen für pflegende Familienangehörige. Wichtig ist: Meine Ausführungen basieren nicht auf den üblichen „Recherchen“, sondern auf eigener Erfahrung: Ich habe meine Mutter fünf Jahre lang zu Hause bis zu ihrem letzten Atemzug im 98. Lebensjahr gepflegt…“ Abstract zum Artikel von Winfried D‘Avis vom 29. November 2020 bei telepolis - Ärzte und Pflegende in der Coronakrise: Zwischen Wut und Routine
„Im April gaben uns eine OP-Schwester, ein Pfleger und ein Hausarzt Einblick in ihre Arbeit. Jetzt erzählen sie, wie sich ihr Alltag entwickelt hat. (…) Das größte Problem ist aber nach wie vor der Mangel an Fachpersonal. Das kann man gar nicht oft genug sagen. Wir laufen hier voll und haben nicht genügend ausgebildete Leute, die sich um die Schwerkranken kümmern können. Mittlerweile wird sogar darüber gesprochen, ob positiv getestetes Personal ohne Symptome dennoch mit Infizierten weiterarbeiten könnte – einfach, weil wir zu wenige sind. Die Motivation bei den Kollegen lässt auch sehr nach, das kann ich beobachten. Ich verstehe das gut, so vieles lief besonders zu Beginn des Jahres chaotisch, und eben weil wir nicht genug Personal haben, waren viele von uns überfordert und sind dauerhaft überlastet. Es gibt jetzt nicht wenige, die sagen: Das mache ich nicht mehr mit. Die Leute schauen sich nach anderen Jobs um oder denken darüber nach, zu kündigen. Wir haben da einen riesigen Systemfehler, aber die Politiker sind zu feige für eine echte Systemänderung. Da geht es gar nicht ausschließlich um Gehalt, sondern vor allem auch um die Arbeitsbedingungen…“ Ein Artikel von Antje Lang-Lendorff und Jan Pfaff vom 29.11.2020 in der taz online - Coronavirus: Sie fahren auf Verschleiß
“Die zweite Welle der Corona-Pandemie hat das Land Ende November voll erfasst. Und wieder einmal sollen die Beschäftigten der Krankenhäuser und Pflegeheime, der ambulanten Dienste, aus Behinderteneinrichtungen und Rettungsdiensten in die Bresche springen. Sie sollen über ihre Grenzen gehen, manche sogar trotz Corona-Infektion arbeiten. Das Land Niedersachsen hat erneut pauschal 12-Stunden-Schichten erlaubt. Zugleich operieren einige Krankenhäuser munter weiter, statt elektive Eingriffe zu verschieben – weil sie daran verdienen. Sie fahren auf Verschleiß. Das ist brandgefährlich – für die Beschäftigten, aber auch für den Kampf gegen die Pandemie. Mit einer Corona-Infektion zur Arbeit? Das ist nach den Vorgaben des Robert-Koch-Instituts (RKI) streng verboten. Schließlich geht es darum, Infektionsketten zu durchbrechen, um die weitere Ausbreitung der Pandemie zu verlangsamen. Doch ausgerechnet in Krankenhäusern und Arztpraxen werden Beschäftigte weiter eingesetzt, die mit Infizierten in Kontakt waren oder sich sogar selbst mit dem Coronavirus angesteckt haben. Dies erlaubt das RKI – allerdings nur »in absoluten Ausnahmefällen«, wenn in der betreffenden Einrichtung sonst »die adäquate Versorgung der Patientinnen und Patienten nicht mehr möglich« ist. Zudem dürfen sie ausschließlich zur Versorgung von Covid-19-Fällen herangezogen werden. (…) Doch nun habe die Klinikleitung mehrere Monate Zeit gehabt, sich auf eine erneute Zunahme der Covid-19-Fälle vorzubereiten. »Jetzt sollten die Arbeitgeber dem Betriebsrat konkret darlegen, warum es ohne den Einsatz der Infizierten nicht geht. Ich vermute nämlich, dass oft die seit Jahren bestehende Überlastung zum Notfall deklariert wird, um die Genehmigung des Gesundheitsamts zu erhalten.« Die Zahl der infizierten Beschäftigten in Krankenhäusern und im Rettungsdienst liegt laut RKI-Lagebericht vom 23. November bei rund 2.800 – eine Vervierfachung binnen weniger Wochen. Sie müssen keineswegs nur in Einzelfällen weiterarbeiten. Allein in Nordrhein-Westfalen wurden laut Landesgesundheitsministerium zwischen April und Oktober über 3.500 Krankenhausbeschäftigte aus der Quarantäne zurückgerufen – das in einer Phase mit vergleichsweise niedrigen Infektionszahlen. Eine bundesweite Erhebung über die Gesamtzahl der Betroffenen gibt es nicht. Der Pflegewissenschaftler Michael Isfort von der Katholischen Hochschule NRW in Köln schätzt, dass etwa jedes zehnte Krankenhaus Personal einsetzt, das eigentlich in Quarantäne sein müsste. Manche müssten sich in ihrer Freizeit isolieren und dennoch zur Arbeit gehen. »Das ist eine abenteuerliche Situation«, kritisiert er in der Süddeutschen Zeitung. »Hier wird eine ganze Berufsgruppe verheizt.« (…) Isfort: »Was unter Personalnot verstanden wird, ist völlig ungeklärt. Personalnot in der Pflege ist ja quasi Normalzustand.« (…) Dass Politik und Arbeitgeber auf Verschleiß fahren und die Gesundheit ihrer Beschäftigten aufs Spiel setzen, zeigt auch die von der niedersächsischen Landesregierung beschlossene Allgemeinverfügung. Seit dem 1. November können die Schichten in Krankenhäusern und Rettungsdiensten – wie schon im Frühjahr – auf zwölf Stunden verlängert werden. Pro Woche »soll« die Arbeitszeit demnach 60 Stunden nicht überschreiten. Begründet wird diese Öffnung des Arbeitszeitgesetzes unter anderem ausgerechnet damit, dass »im weiteren Verlauf des Infektionsgeschehens und der seit März 2020 bestehenden hohen Arbeitsbelastung in diesen Bereichen mit einem erhöhten Krankenstand bei den Beschäftigten zu rechnen« sei und daher – sowie wegen der Quarantänefälle – Personal fehle. Mit der Allgemeinverfügung »haben die Betriebe die nötige Flexibilität, um mit dem vorhandenen Personal kurzzeitig erhöhte Fehlzeiten auszugleichen und (…) unverzichtbare Leistungen sicherzustellen«. David Matrai, der bei ver.di in Niedersachsen und Bremen für das Gesundheitswesen zuständig ist, hält das für »kurzsichtig und kontraproduktiv«. Die derzeitige Ausnahmesituation werde noch mindestens den Winter über anhalten, womöglich länger. »In dieser Lage die Beschäftigten vollends auszupowern, ist der falsche Weg.« Er verweist zudem auf internationale Erfahrungen . So hat der Arzt Eckhard Nagel, Präsident des Chinesisch-Deutschen Freundschaftskrankenhauses im chinesischen Wuhan, aufgezeigt, dass lange Arbeitsschichten zu Beginn der Pandemie zu höheren Sterberaten unter Patient*innen und erhöhter Ansteckungsgefahr unter den Beschäftigten führten. Als die Schichten in Wuhan auf sechs Stunden verkürzt wurden, sanken beide Raten. »Die Lehre für Deutschland und Europa ist, dass eine Sechs-Stunden-Schicht Leben rettet«, so Nagel in einem Interview. »Die niedersächsische Landesregierung ignoriert solche Erkenntnisse und geht den entgegengesetzten Weg. Damit gefährdet sie Leben und Gesundheit von Beschäftigten und Patienten«, kritisiert Matrai. Die Beschäftigten und ihre Interessenvertretungen stünden dem jedoch keineswegs machtlos gegenüber. Denn die in Niedersachsen beschlossene Allgemeinverfügung setze Tarifverträge sowie Betriebs- oder Dienstvereinbarungen nicht außer Kraft. »Betriebs- und Personalräte sowie Mitarbeitervertretungen sollten ihre Möglichkeiten nutzen, um einer pauschalen Ausweitung von Arbeitszeiten einen Riegel vorzuschieben«, empfiehlt er…“ Beitrag von Daniel Behruzi bei ver.di Gesundheit & Soziales (ohne Datum, doch vom Ende November 2020) – siehe zum Thema auch unser neues Dossier: Anwesenheit im Krankheitsfall 2.0: Nun mit Sars-CoV-2 im Gesundheitswesen - Aufwertung jetzt! #gibuns4tausend – Es reicht! 4.000€ jetzt! Wir müssen diesen Druck auf die Politik erhöhen!
„Es wird immer wieder gefragt, warum die Pflege nicht laut ist? DIe Pflege ist nicht still, aber es fällt ihr teilweise schwer, sich wirklich verständlich zu machen und mit Nachdruck für ihre Interessen einzustehen. Zudem sind die Begriffe „Pflege“, „Pflege(fach)kraft“ und „Pflegebedürftigkeit“ mit sehr privaten und emotionalen Inhalten gefüllt. Jeder Mensch hat Pflegeerfahrung. Dennoch befindet sich die professionelle Pflege oftmals außerhalb des Wahrnehmungshorizonts politischer und gesellschaftlicher Debatten. Nachdem wir jahrelang angeblich nur „Händchen gehalten“ haben, sah man jetzt, während der Pandemie, die Profis auf den Intensivstationen. Ein kleines Schlaglicht auf die Relevanz und das hochkomplexe Können von professionellen Pflegefachkräften. Professionelle Pflege findet an sehr vielen unterschiedlichen Orten mit oftmals mehrfachqualifizierten oder studierten Pflegefachpersonen statt. Es gibt komplexe Bereiche, die sich im hochspezialisierten Bereich der Medizin abspielen,wie z.B. der Knochenmarkstransplantation oder im psychiatrischen Raum, wie z.B. in forensischen Gefängnissen. Die hochkomplexe und mehrdimensionale Kinderkrankenpflege wird sogar gerne vergessen.Wir könnten noch mehr Bereiche aufzählen, aber das wäre zu lang. Pflege besteht also nicht nur aus dem Gefälle zwischen Intensivstationen und der zu Unrecht abgewerteten professionellen Altenpflege. Uns ist es wichtig, dass die Gesellschaft für die Bedeutung professioneller Pflege sensibilisiert wird. Das würde immens zu einer pflegesensibleren Gesellschaft beitragen und auch sorgende Angehörige entlasten. Momentan ist das Fundament der professionellen Fachpflege marode. Es bricht an allen Ecken und Enden. Wir werden gegeneinander ausgespielt. Laienpflege gegen professionelle Pflege, Krankenpflege gegen Altenpflege. Wir lehnen das ab. Es hindert uns nur daran, die Pflege und die Sorgearbeit insgesamt zu verbessern. (…)Ein Grundstein liegt darin, die berufliche Fachpflege aufzuwerten. Wir denken, dass es dazu ein einheitliches Einstiegsgehalt von 4000€/brutto für Pflegefachkräfte bedarf. Mit diesem Einstiegsgehalt folgen wir Forderungen der berufsständischen Organisationen, die Richtigkeit wird auch durch soziologische Studien untermauert. Schließt Euch dieser Forderung an! Schickt uns Fotos von Euch mit einem Schild und dem folgenden Text: Aufwertung Pflegefachkräfte, jetzt! #gibuns4tausend…“ Aktualisierung vom 19.11.2020 zur Petition „Corona-Krise: Gemeinsamer Aufruf von Pflegefachkräften an Jens Spahn!“ (siehe weiter unten) – siehe dazu „Es reicht! 4.000€ jetzt!“ bei careslam.org - „Nicht warten, bis wir am Limit sind!“ Gemeinsamer Ruf nach politischem Schutzschirm für belastete Kliniken
„„Wir stoßen an unsere Belastungsgrenze!“, schallt es aus den Kliniken in Corona-Hot-Spots. Daher wird die Forderung immer lauter: Die Krankenhäuser in stark belasteten Regionen müssen unverzüglich von der Politik aufgefordert werden, plan- und verschiebbare stationäre Eingriffe je nach Belastungssituation zu reduzieren bzw. einzustellen. Nur dann ist es möglich, kurzfristig weiteres Personal für die Versorgung akut und kritisch erkrankter Patienten einzusetzen. Ohne diese zusätzliche Unterstützung ist die Belastungsgrenze insbesondere auf vielen Intensivstationen schon bald überschritten, erklären gemeinsam der Marburger Bund sowie die Intensivmedizinischen Fachgesellschaften, die Deutsche Interdisziplinäre Vereinigung für Intensiv- und Notfallmedizin (DIVI), die Deutsche Gesellschaft für Anästhesiologie und Intensivmedizin (DGAI), die Deutsche Gesellschaft für Interdisziplinäre Notfall- und Akutmedizin (DGINA) und die Deutsche Gesellschaft für Internistische Intensivmedizin und Notfallmedizin (DGIIN). Derzeit sind die Budgetverantwortlichen in den Kliniken nicht bereit, verschiebbare Eingriffe zurückzustellen. Deswegen lautet die gemeinsame Forderung an die Politik: In allen Bundesländern mit hohem Infektionsgeschehen muss die Politik jetzt verordnen, dass aus medizinischer Sicht verschiebbare stationäre Eingriffe je nach Belastungssituation zu reduzieren bzw. zurückzustellen sind. Die dadurch entstehenden Erlösausfälle müssen gegenfinanziert werden. Die Krankenhäuser müssen in jedem Monat mindestens ein Zwölftel der Erlöse des Vorjahres erhalten, solange die regionale Inzidenz bei 100 Fällen pro 100.000 Einwohner/7 Tage liegt…“ Gemeinsame Pressemitteilung vom 14. November 2020 von Marburger Bund – Bundesverband, Verband der angestellten und beamteten Ärztinnen und Ärzte Deutschlands e.V., Intensivmedizinische Fachgesellschaften (DIVI, DGAI, DGINA, DGIIN) - Konzertierte Aktion Pflege: ver.di fordert mehr Pflegepersonal und dauerhaft bessere Bedingungen
“Gerade jetzt in der zweiten Welle der Pandemie wird den Pflegekräften in Krankenhäusern und Pflegeeinrichtungen enorm viel abverlangt. Schon vor der Pandemie herrschte Personalmangel, jetzt aber erst recht. Anlässlich des heutigen Berichts der Bundesfamilienministerin und der Bundesminister für Gesundheit und Arbeit zur Umsetzung der Konzertierten Aktion Pflege fordert ver.di erneut entschiedene Maßnahmen, um das Pflegepersonal dauerhaft zu entlasten. (…) Konkret fordert ver.di, die vorliegenden Instrumente zur Personalbemessung baldmöglichst auf den Weg zu bringen. Für die Krankenhauspflege haben ver.di, die Deutsche Krankenhausgesellschaft und der Deutsche Pflegerat bereits im Januar ein Personalbemessungsverfahren, die PPR 2.0, vorgelegt. In der Altenpflege hat Professor Heinz Rothgang von der Uni Bremen ein wissenschaftlich fundiertes Verfahren zur Personalbemessung entwickelt, das einen unmittelbaren Mehrbedarf von gut 100.000 Vollzeitstellen aufzeigt, also 36 Prozent mehr. (…)„Das Interesse unter jungen Menschen an der Pflege wächst. Diese gesellschaftlich sinnvolle und befriedigende Arbeit ist attraktiv – aber nur, wenn Arbeitsbedingungen und Bezahlung stimmen“, erklärte die Gewerkschafterin. Die Zahl der Pflegeauszubildenden müsse weiter gesteigert und das Potenzial für die Ausbildung von Fachkräften voll ausgeschöpft werden. Bühler verwies darauf, dass ein zunehmender Anteil der Auszubildenden vor dem Abschluss ausscheide oder ihn nicht schaffe. Sie müssten stärker unterstützt werden, ihre Ausbildung erfolgreich abzuschließen. Es brauche Zeit für Ausbildung und eine weitere Stärkung der Praxisanleitung. „Gute Ausbildungsbedingungen führen zu gut ausgebildeten Fachkräften. Wenn Auszubildende hingegen als Lückenbüßer eingesetzt werden, um den Personalmangel zu kaschieren, bleiben sie oft nicht lange im Beruf“, warnte Bühler. „Die Zeit drängt. Jetzt müssen die Weichen in der Pflege richtig gestellt werden.“ ver.di-Beitrag vom 13.11.2020 - Corona-Gefährdung im Erleben von Pflegekräften – eine explorative Studie mit Hinweisen auf erweiterte Gesundheitsschutzkonzepte
„Ausgangspunkt der vorliegenden Untersuchung war die Fragestellung, wie Pflegekräfte4 in ihrem professionellen Alltag die Corona-Krise erleben und welche Einflüsse sie belasten und ihre Gesundheit gefährden. Da auch neue Konstellationen erkundet werden sollten, empfahl sich der qualitative Ansatz der grounded theory. Im Zuge eines theoretischen Samplings ergaben sich 26 Interviews mit Pflegekräften aus Krankenhäusern und stationären Pflegeeinrichtungen, die zwischen Mai und Juli 2020 durchgeführt wurden. Als hoch belastend zeigte sich weniger die Angst vor dem Virus selbst als eher die Problematik der unzureichenden betrieblichen und überbetrieblichen Organisation. Die Corona-Krise deckte schnell die Versäumnisse und die seit Jahren sich kumulierenden Belastungsstrukturen auf. Neben der unzureichenden Raum-, Material- und Personalausstattung erwiesen sich auch das tradierte Medizin-Pflege-Verhältnis und die fehlende Interdisziplinarität als problematisch. Belastend waren die widersprüchlichen und vielfach als chaotisch empfundenen Verordnungen, Vorgaben und Anweisungen der Behörden, namentlich der Gesundheitsämter. Als positive Ressource wurde in vielen Fällen das unterstützende Team wahrgenommen, auch wenn immer wieder Beispiele unsolidarischen Verhaltens zu beklagen sind. SARS-CoV-2 induzierte in keinem Fall eine differenzierte Gefährdungsbeurteilung. Die Corona-Pandemie zeigt, dass Politik, Gesellschaft und Organisationen herausgefordert sind, ausreichende und klare Strukturen zu schaffen, den Pflegeberuf erkennbar attraktiver zu gestalten, dem Pflegenotstand entgegen zu wirken und die Arbeitsbedingungen sichtbar zu verbessern. Dem Arbeits- und Gesundheitsschutz muss ein deutlich höherer Stellenwert eingeräumt werden. Das Spannungsfeld zwischen Infektionsschutz und Arbeitsschutz muss mit klaren Aufgabenverteilungen für betriebliche und überbetriebliche Akteure definiert werden. Unsere Studie hat dazu einige relevante Hinweise erbracht. Vorgeschlagen wird eine sichtbarere Intervention und Hilfestellung der zuständigen Unfallversicherungsträger vor Ort.“ Abstract zum Forschungsbericht (Langfassung) von Wolfgang Hien und Hubertus von Schwarzkopf vom September 2020 des Projektes des Forschungsbüros für Arbeit, Gesundheit und Biographie (Bremen) - Aushilfen auf der Intensivstation: „Viele sehen uns nur als Verfügungsmasse für medizinische Leistungen“
„Den Intensivstationen fehlt Personal. Pflegerin Kathrin Hüster arbeitet täglich mit Corona-Patienten, die beatmet werden müssen. Warum sie davor warnt, Kollegen aus anderen Abteilungen zum Noteinsatz zu holen. (…) Mit Hilfskräften ist leider niemandem geholfen. Die würden verheizt, ohne dass es die Stammkräfte entlasten würde. Im Gegenteil, der Stress würde für uns eher zunehmen. Und die Fachweiterbildung zum Intensivpfleger dauert zwei Jahre. (…) Beatmungspatienten beobachten wir genau, und dazu braucht es Fachkenntnisse und Erfahrung. Wir müssen präventiv arbeiten – wenn an der Maschine der Alarm losgeht, kann es schon zu spät sein. Dann kann man häufig nur Notmaßnahmen einleiten, die Patienten erst recht belasten. Wenn ich sehe, dass ein Patient in eine kritische Situation kommt, kann ich sofort eingreifen, noch während vielleicht Kollegen zur Unterstützung unterwegs sind. Diese Kompetenz hat eine Hilfskraft nicht. Der Zeitunterschied kann über Leben und Tod entscheiden. (…) Voraussetzung ist eine Ausbildung zur Pflegefachkraft, die dauert drei Jahre. Das ist neuerdings eine generalistische Ausbildung, das heißt: Egal ob die Neulinge später als Pfleger im Krankhaus, in der Altenpflege oder in einer Reha für Kinder arbeiten – sie bekommen die gleichen Grundlagen vermittelt. Damit kann man dann die Fachweiterbildung Intensivpflege machen, die weitere zwei Jahre dauert. (…) Wegen des aktuellen Personalmangels landen derzeit auch Pflegeschüler im dritten Ausbildungsjahr auf den Intensivstationen. Abgesehen von den Gefahren, die das mit sich bringt: Damit bereiten wir den Personalmangel der Zukunft vor. Viele von diesen jungen Kollegen werden das nicht lange mitmachen, und wir wissen nicht, wie viele von ihnen sich komplett von den Pflegeberufen abwenden…“ Interview von Matthias Kaufmann vom 09.11.2020 beim Spiegel online mit Kahtrin Hüster, 39, ist Pflegefachkraft auf der Intensivstation eines Krankenhauses in Nordrhein-Westfalen. Neben ihrem Schichtdienst studiert sie Pflegewissenschaft. - Studie der PFH: Gesundheitsfachkräfte psychisch überdurchschnittlich belastet durch COVID-19-Pandemie
“… Die Corona-Pandemie hat in der Allgemeinbevölkerung zu einem Anstieg der psychischen Belastung geführt (Schelhorn et al., 2020). Die Studie der PFH zeigt, dass systemrelevantes Personal im Gesundheitssektor von diesem Trend überdurchschnittlich betroffen ist. Für die Studie wurden zwischen Mitte Mai und Mitte Juli 2020 Gesundheitsfachkräfte, u.a. aus der Kranken- und Altenpflege, befragt. „Im Vergleich zur Allgemeinbevölkerung berichteten die Studienteilnehmer häufiger von stärkeren Symptomen wie Essstörungen, somatoformen Störungen, Zwangssymptomen, Depression und Angststörungen während der Pandemie“, sagt Prof. Dr. Stephan Weibelzahl, Professor für Wirtschaftspsychologie an der PFH Private Hochschule Göttingen. Auffällig ist, dass gut ein Drittel (34,6%) des Personals im Gesundheitssektor während der Pandemie mittlere bis schwere Depressionssymptome entwickelte, in der Allgemeinbevölkerung lagen vergleichbare Werte bei 18,5%. Gänzlich frei von depressiven Symptomen blieb beim medizinischen Personal nur knapp jeder bzw. jede Fünfte (18%), während der Anteil in der Allgemeinbevölkerung bei 42,3% lag. „Bei den Angststörungen waren die Unterschiede zwischen Gesundheitspersonal und der Allgemeinbevölkerung ebenfalls unerwartet groß“, sagt Weibelzahl. 16,7% des Gesundheitspersonals erzielte mittlere bis schwere Werte auf der Angststörungsskala, in der Allgemeinbevölkerung wiesen hingegen 10,6% mittlere bis schwere Symptome auf. Nur gut die Hälfte (52,3%) der Studienteilnehmer zeigten überhaupt keine Symptome, in der Allgemeinbevölkerung liegt dieser Wert bei 70,7%. Vorherige Studien hatten gezeigt, dass die Pandemie-bedingten Einschränkungen und Unsicherheiten zu einer ungewöhnlich hohen psychischen Belastung der Allgemeinbevölkerung beitragen. Personen, die im Gesundheitssektor arbeiten, zeigen nun eine noch deutlich darüber hinaus gehende Belastung. „Unsere Ergebnisse bestätigen andere Untersuchungen, nach denen MitarbeiterInnen im Gesundheitswesen sich eher sorgen, dass sie Familienmitglieder anstecken als dass sie selbst infiziert werden“, so der Professor. Auch wurden die Einschränkungen im Patientenkontakt als einer der größten Belastungsfaktoren angegeben. „Wir gehen davon aus, dass die Sorge um das physische und psychische Wohlergehen ihrer Mitmenschen – PatientInnen wie auch KollegInnen, Freundeskreis und Familie – in Verbindung mit der erhöhten Unsicherheit und den stark eingeschränkten Handlungsmöglichkeiten – die Symptombelastung verstärken. Das medizinische Personal ist unmittelbar mit den Auswirkungen einer Gesundheitskrise konfrontiert, gegen die es selbst kaum etwas unternehmen kann; das führt zu starker psychischer Belastung“, so Weibelzahl…“ Beitrag von Markus Golla vom 06.11.2020 bei Pflege Professionell online - Ein Schlaglicht auf die Frustration: Probleme der Intensivstationen aus Sicht des Personals. Und in Niedersachsen tritt man den Pflegekräften in den Hintern
“… Wer hat jetzt den Schuss nicht gehört in den Ministerien? Muss man das rausschreien? Keiner der Verantwortlichen kann sich jetzt noch rausreden, dass man das alles nicht gewusst hat. Das ist Handeln mit Vorsatz. Und über die zuspitzende Situation auf vielen Intensivstationen wird gleichzeitig in diesen Tagen umfänglich berichtet (vgl. dazu auch den Hintergrundbeitrag Diesseits und jenseits der Momentaufnahme auf den Intensivstationen: Von leeren Betten, Pflegepersonal als „Flaschenhals“ und Versäumnissen der Vergangenheit vom 1. November 2020). »Die Deutsche Krankenhausgesellschaft erwartet angesichts der deutlich gestiegenen Coronavirus-Zahlen einen neuen Höchststand an Intensivpatienten. Auch Intensivmediziner sehen die Entwicklung mit Sorge«, so diese Meldung: Warnung vor Engpässen in Kliniken . Oder hier: Engpässe auf Intensivstationen: Mediziner schlagen Alarm . Oder wie wäre es damit: Intensivstation am Limit: „Wir haben jetzt eine andere Situation als im Frühjahr“ . Und nicht nur bei uns – auch aus Österreich kommen beispielsweise die gleichen Hilferufe: »Die Tiroler Intensivmedizinerin Barbara Friesenecker von der MedUni Innsbruck hat am Sonntagabend in Hinblick auf die Corona-Krise klargestellt, dass das größte Problem im Intensivbereich die Personalzahl ist – und nicht die Betten. Gerade die Betreuung von Covid-19-Intensivpatienten ist sehr aufwendig, schilderte sie. „Es braucht eine sehr hohe Pflegeexpertise“, so Friesenecker« in diesem Beitrag: Intensivstationen: Personal knapper als Betten . Vor diesem Hintergrund sind die Befunde einer Umfrage unter denen, um die es hier geht, also den Pflegekräften und den Ärzten, die auf Intensivstationen arbeiten, höchst aufschlussreich und relevant. Das Deutsche Ärzteblatt berichtet darüber unter der Überschrift Probleme wegen Personalmangels in der Intensivpflege erwartet : »97 Prozent der Mitarbeiter von Intensivstationen glauben nicht, dass ausreichend Intensivpflegekräfte zur Verfügung stehen, um die etwa 30.000 im Register der Deutschen Interdisziplinären Vereinigung für Intensiv- und Notfallmedizin (DIVI) gemeldeten Intensivbetten in der zweiten Welle der Coronapandemie einsetzen zu können. Zudem befürchten 93 Prozent eine Verschlechterung der Arbeitsbedingungen auf den Intensivstationen in den kommenden Monaten.« Datenbasis ist eine Umfrage der Deutschen Gesellschaft für Internistische Intensivmedizin und Notfallmedizin (DGIIN) hervor. An der Umfrage beteiligten sich 1.098 Mitarbeiter, die auf deutschen Intensivstationen beschäftigt sind – darunter 72 Prozent Intensivpflegekräfte und 25 Prozent Ärzte. (…) Das sollten sich alle gut durchlesen, die jetzt, wo der Karren seit Jahren gegen die Wand gefahren wurde, die verständliche aber eben kaum beantwortbare Frage aufwerfen, was man denn kurzfristig tun könnte: »Dabei stellen die Arbeitgeber bei nur neun Prozent der Befragten alternative Betreuungsmöglichkeiten zur Verfügung.« Genau, da heißt es jetzt handeln, sowohl die Kliniken wie auch die Kommunen vor Ort haben jetzt schnellstmöglich aus den nur 9 Prozent 100 Prozent zu machen. Da kann man ganz praktisch was in der Misere gestalten. Mal sehen, wie viele und vor allem wann das dann in Angriff (oder auf Wiedervorlage) genommen wird. Und das sollte als echtes Warnsignal verstanden werden: »48 Prozent der Befragten berichteten davon, dass sie derzeit nicht mehr so motiviert seien zu arbeiten wie in der ersten Pandemiewelle.« Und weiter: »89 Prozent der Teilnehmenden gaben an, dass sie trotz der deutlichen Herausstellung der Systemrelevanz ihres Berufes im Zuge der Pandemie keine gesteigerte Wertschätzung empfänden. 86 Prozent zeigten sich frustriert angesichts des Hickhacks um die Coronaprämie für Pflegekräfte im Krankenhaus.«…“ Beitrag von Stefan Sell vom 02.11.2020 bei Aktuelle Sozialpolitik - 60 Wochenstunden und 12-Stunden-Schichten: Niedersachsen hebt Pflegearbeitszeit an
“Im Kampf gegen die zweite Welle der Coronakrise hat Niedersachsen die Höchstarbeitszeit für Beschäftigte in Kliniken und Pflegeheimen erneut auf bis zu 60 Stunden pro Woche erhöht. Die Maßnahme, die eine tägliche Arbeitszeit von bis zu 12 Stunden vorsieht, gilt befristet bis Ende Mai kommenden Jahres, teilte das Sozialministerium in Hannover mit. Beim Ausbruch der Epidemie war die Arbeitszeit bereits einmal auf 60 Wochenstunden erhöht worden. Die Pflegekammer Niedersachsen kritisierte die Entscheidung auf das Schärfste. „Monatelang hat das Land verschlafen, die medizinischen Einrichtungen auf die zweite Welle der Corona-Pandemie vorzubereiten“, sagte Pflegekammerpräsidentin Nadya Klarmann. „Jetzt sollen wieder die Beschäftigten in den systemrelevanten Berufen unter Einsatz ihrer eigenen Gesundheit die Situation retten.“ Pflegevertreter seien im Vorfeld nicht in die Entscheidung einbezogen worden, bemängelte Klarmann zudem. (…) Schon jetzt bedeuteten Acht-Stunden-Schichten in voller Schutzausrüstung eine extreme Belastung für Beschäftigte in der Pflege, sagte Klarmann. „Eine weitere Ausdehnung der Arbeitszeit ist unter keinen Umständen zu akzeptieren und wird die Kolleginnen und Kollegen aus dem Beruf treiben.“ dpa-Meldung vom 02.11.2020 beim Ärzteblatt online , siehe dazu:- Pflegegewerkschaft BochumerBund: Systemrelevanz = Ausbeutung
„Die Pflegegewerkschaft BochumerBund (BB) fordert das niedersächsische Sozialministerium auf, die mit einer Allgemeinverfügung geänderten Arbeitszeitregelungen umgehend wieder außer Kraft zu setzen. Laut Verfügung ist es Arbeitgeberinnen und -gebern bis zum 31. Mai 2021 erlaubt, in der Pflege Beschäftigte bis zu zwölf Stunden täglich und bis zu 60 Stunden wöchentlich arbeiten lassen. “Hier zeigt sich leider einmal mehr, welchen Stellenwert wir Pflegenden aus Sicht der Politik einnehmen. Unsere Berufsgruppe scheint vor allem dazu gut zu sein, die jahrzehntelangen Versäumnisse auszubügeln, die Fachfremde aus Politik, Arbeitgeberverbänden etc. zu verantworten haben“, so Benjamin Jäger, Vorstandsvorsitzender der Pflegewerkschaft BochumerBund. „Systemrelevanz und Ausbeutung von Pflegenden sind für das SPD-geführte Landessozialministerium in Hannover offenkundig Synonyme.”…“ PM vom 3.11.2020 zur 60-Stunden-Woche für Pflegende in Niedersachsen (noch nicht online unter http://www.bochumerbund.de )
- Pflegegewerkschaft BochumerBund: Systemrelevanz = Ausbeutung
- Maßnahmen gegen Corona: Nicht zulasten von Pflegenden entscheiden
“Angesichts steigender Corona-Infektionen haben v. a. Pflegefachpersonen unter „aufgeweichten“ Arbeitsbedingungen zu leiden. In Niedersachsen z. B. ist seit 1. November eine Allgemeinverfügung des Sozialministeriums in Kraft, die die Höchstarbeitszeit für Beschäftigte in Kliniken und Heimen aushebelt. Bis voraussichtlich 31. Mai 2021 sind nun bis zu 12 Stunden tägliche Arbeitszeit zulässig bei max. 60 Stunden wöchentlich. „Monatelang hat das Land verschlafen, die medizinischen Einrichtungen auf die zweite Welle der Corona-Pandemie vorzubereiten. Jetzt sollen wieder die Beschäftigten in den systemrelevanten Berufen unter Einsatz ihrer eigenen Gesundheit die Situation retten“, kritisierte die Präsidentin der Pflegekammer Niedersachsen, Nadya Klarmann, am Montag. Die Verfügung enthalte weder Regelungen zu Ausgleichstunden noch zu einer finanziellen Entschädigung für die Mehrarbeit. Lediglich ein Ersatzruhetag innerhalb eines Zeitraums von 8 Wochen sei für die im Rahmen der Ausnahmebewilligung geleistete Sonn- und Feiertagsarbeit zu gewähren. Bisher gilt für Beschäftigte in Pflegeberufen eine gesetzliche tägliche Höchstarbeitszeit von 8 Stunden. Pro Woche dürfen max. 48 Stunden gearbeitet werden. In besonderen Ausnahmefällen darf der Arbeitgeber den Arbeitstag auf max. 10 Stunden verlängern. „Die Regierung sollte sich schämen, auf den Rücken der Menschen, die das System am Laufen halten, ihre eigenen jahrelangen Fehler in der Pflegepolitik auszubügeln“, so Klarmann. (…) Auch der Ansatz, nachweislich infizierte Pflegende auf COVID-19-Stationen arbeiten zu lassen, sei „ein Skandal und absolut fahrlässig“, betonte die Kammerpräsidentin weiter. Der Gesundheits- und Arbeitsschutz von beruflich Pflegenden dürfe nicht mit Füßen getreten werden. Auch der Deutsche Berufsverband für Pflegeberufe lehnt den Einsatz von infizierten Pflegenden bei Personalengpässen strikt ab . Die gesundheitlichen Schäden und Langzeitfolgen einer COVID-19-Erkrankung seien erst teilweise erforscht. Erste Studien zeigten aber, dass selbst bei symptomfreien Krankheitsverläufen Langzeitschäden auftreten könnten. Wenn nicht genügend Pflegepersonal vorhanden sei, müssten Bettenkapazitäten reduziert werden, forderte Klarmann. „Bevor wir Corona-infizierte Pflegefachpersonen einsetzen, müssen Patienten in andere Kliniken verlegt werden.“ Der Schutz des Personals müsse Vorrang haben. „Erkrankte Pflegende gehören ins Bett, nicht ans Bett.“ …“ Beitrag von Nadine Millich vom 02.11.2020 bei BibliomedPflege - Infizierte Pfleger arbeiten auf Corona-Stationen – Expertin entsetzt
“Die Pflegekammer Niedersachsen hat eindringlich davor gewarnt, mit dem Coronavirus infizierte Pflegekräfte auf Covid-19-Stationen arbeiten zu lassen. In einigen Bundesländern wie Bremen und Bayern versorgten positiv getestete Pflegepersonen bereits infizierte Bewohner und Patienten, sagte Kammerpräsidentin Nadya Klarmann am Freitag in Hannover. Die Pflegekammer befürchte, dass dies auch in Risikogebieten in Niedersachsen bald Realität werde. (…) Aktuell mangele es insbesondere auf Intensivstationen an qualifiziertem Pflegepersonal. Die Pflegekammer fordere daher den Abbau von Bettenkapazitäten, wenn nicht genügend Personal vorhanden sei. „Bevor wir coronainfizierte Pflegefachpersonen einsetzen, müssen Patienten in andere Kliniken verlegt werden“, sagte Klarmann. Auch müssten verschiebbare Behandlungen soweit reduziert werden, dass das Personal in Einrichtungen mit vielen Covid-Patienten entlastet werde.“ epd-Meldung vom 01.11.2020 beim RedaktionsNetzwerk Deutschland , siehe auch:- In der Pflege arbeiten trotz Covid-19-Infektion? – Pflegekammer warnt vor Spätfolgen für Pflegepersonal
“… Mit den steigenden COVID-19-Infektionszahlen spitzt sich der Fachkräftemangel in der Pflege weiter zu: In einigen Bundesländern wie Bremen und Bayern versorgen nun Pflegefachpersonen, die positiv auf das Coronavirus getestet wurden, infizierte Bewohner und Patienten. Die Pflegekammer Niedersachsen befürchtet, dass dieses Vorgehen auch in Risikogebieten in Niedersachsen bald Realität wird. Pflegekammerpräsidentin Nadya Klarmann kritisiert: „Dass positiv getestete Pflegende weiter auf COVID-19-Stationen eingesetzt werden, ist ein Skandal und absolut fahrlässig. Der Gesundheits- und Arbeitsschutz von beruflich Pflegenden darf nicht mit Füßen getreten werden. Arbeitgeber und Gesundheitsbehörden sind in einer besonderen Verantwortung, das medizinische und pflegerische Personal zu schützen.“ Die gesundheitlichen Schäden und Langzeitfolgen einer COVID-19-Erkrankung sind erst teilweise erforscht. Erste Studien zeigen aber, dass selbst bei symptomfreien Krankheitsverläufen Langzeitschäden auftreten können. Aktuell mangelt es insbesondere auf Intensivstationen an qualifiziertem Pflegepersonal. Die Pflegekammer Niedersachsen fordert den Abbau von Bettenkapazitäten, wenn nicht genügend Personal vorhanden ist. „Bevor wir coronainfizierte Pflegefachpersonen einsetzen, müssen Patienten in andere Kliniken verlegt werden“, fordert Nadya Klarmann. (…) Auch schlägt die Pflegekammer Niedersachsen vor, verschiebbare Behandlungen soweit zu reduzieren, dass das Personal in Einrichtungen mit vielen COVID-Patienten entlastet wird. „Elektive Eingriffe, die nicht dringend erforderlich sind, müssen jetzt abgesenkt oder komplett ausgesetzt werden“, so Klarmann. Der Schutz des Personals müsse Vorrang haben. „Erkrankte Pflegende gehören ins Bett, nicht ans Bett“, sagt Klarmann. …“ Pressemitteilung vom 30.10.2020 bei Pflegekammer Niedersachsen - Und mittlerweile unser Dossier dazu: Anwesenheit im Krankheitsfall 2.0: Nun mit Sars-CoV-2 im Gesundheitswesen
- In der Pflege arbeiten trotz Covid-19-Infektion? – Pflegekammer warnt vor Spätfolgen für Pflegepersonal
- Probleme wegen Personalmangels in der Intensivpflege erwartet
“97 Prozent der Mitarbeiter von Intensivstationen glauben nicht, dass ausreichend Intensivpflegekräfte zur Verfügung stehen, um die etwa 30.000 im Register der Deutschen Interdisziplinären Vereinigung für Intensiv- und Notfallmedizin (DIVI) gemeldeten Intensivbetten in der zweiten Welle der Coronapandemie einsetzen zu können. Zudem befürchten 93 Prozent eine Verschlechterung der Arbeitsbedingungen auf den Intensivstationen in den kommenden Monaten. Das geht aus einer Umfrage der Deutschen Gesellschaft für Internistische Intensivmedizin und Notfallmedizin (DGIIN) hervor, die exklusiv dem Deutschen Ärzteblatt vorliegt. An der Umfrage beteiligten sich 1.098 Mitarbeiter, die auf deutschen Intensivstationen beschäftigt sind – darunter 72 Prozent Intensivpflegekräfte und 25 Prozent Ärzte. Nur 24 Prozent der Befragten erklärten demnach, dass es ihnen bekannte Pläne in ihrem Krankenhaus gebe, die ein Aufstocken der Pflegekräfte im Krisenfall vorsehen. Von diesen 24 Prozent meinten nur 16 Prozent, dass die zusätzlichen Kräfte für den Krisenfall ausreichend eingearbeitet seien. „Das lässt darauf schließen, dass eine qualitativ hochwertige und vor allem sichere intensivpflegerische Versorgung im Ernstfall nicht flächendeckend gewährleistet werden kann“, betonten die Initiatoren der DGIIN-Umfrage, Christian Karagiannidis, Carsten Hermes und Uwe Janssens. (…) 89 Prozent der Teilnehmenden gaben an, dass sie trotz der deutlichen Herausstellung der Systemrelevanz ihres Berufes im Zuge der Pandemie keine gesteigerte Wertschätzung empfänden. 86 Prozent zeigten sich frustriert angesichts des Hickhacks um die Coronaprämie für Pflegekräfte im Krankenhaus. 82 Prozent der Befragten erklärten, für sie stehe für die kommenden sieben Tage ausreichend persönliche Schutzausrüstung zur Verfügung. Allerdings sagten nur 48 Prozent, dass die zur Verfügung gestellte Schutzausrüstung den Qualitätsanforderungen wie vor der Pandemie entspreche…“ Beitrag vom 02.11.2020 beim Ärzteblatt Online - Diesseits und jenseits der Momentaufnahme auf den Intensivstationen: Von leeren Betten, Pflegepersonal als „Flaschenhals“ und Versäumnissen der Vergangenheit
„Betten pflegen keine Menschen. Und Beatmungsgeräte sind notwendig, aber eben für sich nicht hinreichend. Diese scheinbaren Trivialitäten werden in diesen Tagen wieder einmal zum großen Thema. „Wir wiegen uns bei der Zahl der freien Intensivbetten in falscher Sicherheit.“ Mit diesen Worten wird Christian Karagiannidis, der Sprecher des DIVI-Intensivregisters, in dem Artikel Zahl der verfügbaren Intensivbetten in Deutschland geringer als gedacht zitiert. Und er erläutert: „Bundesweit melden Kliniken freie Betten als verfügbar an, obwohl einige wegen des Personalmangels gar nicht genutzt werden können.“ Er rufe daher alle Kliniken auf, „ganz ehrlich“ ihre freien Betten zu melden. Das sollte man bedenken, wenn man in diesen Tagen die täglich vom Intensivregister der Deutsche Interdisziplinäre Vereinigung für Intensiv- und Notfallmedizin (DIVI) veröffentlichten Zahlen vor allem zu den (noch) freien Kapazitäten für eine intensivmedizinische Behandlung richtig interpretieren möchte. (…) Und das, wo doch so viele Intensivbetten leer stehen. Der Hintergrund ist bekannt: »Die pflegerische Versorgung wird der zentrale Engpassfaktor bei der Versorgung von COVID-19-Patienten auf Intensivstationen sein«, so Florian Staeck in seinem Artikel Intensivstationen: Das Personal ist der Flaschenhals . Intensivmediziner berichten von dem hohen Aufwand in der Versorgung der Corona-Patienten. Diese binde „extrem viele Ressourcen“, so beispielsweise Matthias Kochanek, Leiter der internistischen Intensivstation am Universitätsklinikum Köln. Nötig sei fast eine 1 zu 1-Betreuung. Hinzu kommt, dass man das Schichtsystem berücksichtigen muss: Ein beatmeter COVID-19-Patient braucht allein bis zu fünf Pflegefachkräfte für die Versorgung pro Tag. (…)Und mit Blick auf die immer wieder an dieser Stelle eingeworfenen Hinweise, dass man dann ja Pflegepersonal aus anderen Bereichen abziehen und auf den Intensivstationen einsetzen könne: »Intensivpflegekräfte seien so hochspezifisch ausgebildet, dass ihre Arbeit allenfalls teilweise auf andere Pfleger verteilt werden könnten, hieß es … die bisherige Erfahrung zeige, dass Pflegekräfte aus anderen Stationen höchstens 30 bis 40 Prozent der Tätigkeiten von Intensivpflegekräften übernehmen könnten, berichtete Kochanek. Die übrigen Tätigkeiten seien einfach „viel zu spezialisiert“.« „Wir haben mehr Betten und mehr Beatmungsgeräte als zu Beginn der Pandemie. Aber wir haben nicht eine müde Maus mehr beim Personal“, so wird Uwe Janssens, Präsident der Deutschen Interdisziplinären Vereinigung für Intensiv- und Notfallmedizin (DIVI), in diesem Artikel zitiert: Intensivmediziner warnen vor drohender Überlastung . Und Janssens ergänzt: „Bis jetzt sind wir zurechtgekommen. Aber wir müssen die Pflegepersonal-Untergrenzen wieder aussetzen, wenn das so weitergeht.“ Pflegepersonal-Untergrenzen? Da war doch was, schon lang vor Corona. Und überhaupt – auch die angesprochenen und im Kontext der derzeitigen „zweiten Welle“ der Corona-Pandemie so dramatisch als aktuelles Problem aufgerufenen Personalprobleme gerade auf den Intensivstationen sind doch nicht erst diese Tage gleichsam vom Himmel gefallen?...“ Beitrag vom 1. November 2020 von und bei Stefan Sell - Ärzte warnen vor dramatischem Mangel an Pflegekräften – Fehlendes Personal wird laut Ärzten zum Hauptproblem in der Corona-Krise. Für die Intensivpflege von Covid-19-Patienten seien Tausende zusätzliche Fachkräfte nötig
“… Viele der Zusatzbetten, die in der Pandemie in den Kliniken geschaffen worden seien, könnten „nicht belegt werden, weil das Personal zur Versorgung der Patienten fehlt“, sagte der Präsident der Deutschen Interdisziplinären Vereinigung für Intensiv- und Notfallmedizin (Divi), Uwe Janssens, den Zeitungen der Funke Mediengruppe. Er beklagte einen „dramatischen Mangel an Pflegekräften“. Es gebe inzwischen „ausreichend Kapazitäten an freien Intensivbetten und Beatmungsgeräten“. Das allein helfe aber nicht weiter, „wenn wir kein Personal haben, um die Patienten zu versorgen“. Grob geschätzt fehlten bundesweit 3.500 bis 4.000 Fachkräfte für die Intensivpflege, sagte Janssens. (…) „Pro schwer krankem Covid-Patienten auf der Intensivstation wird eigentlich eine Pflegekraft benötigt.“ Der Präsident der Deutschen Krankenhausgesellschaft (DKG), Gerald Gaß, bezeichnete den Engpass beim Pflegepersonal als „die zentrale Herausforderung, wenn die Patientenzahlen steigen“. Die Kliniken müssen dann Personal umbesetzen und sich wie im Frühjahr auf die Versorgung von dringenden Fällen konzentrieren…“ AFP-Meldung vom 27.10.2020 in der Zeit online - Demaskiert. Warum Jens Spahn Hatz auf medizinische Schutzausrüstung eine Flut an Papier, Stoff und Geld kostet
“Deutschland sitzt auf massenhaft Corona-Masken und weiß nicht, wohin damit. Schuld trägt der Bundesgesundheitsminister, der sich bei seiner überstürzten Shoppingtour im Frühjahr mit Hunderten Händlern und Produzenten zu überhöhten Preisen einließ. Eine eigens engagierte Beraterfirma ist seit Monaten damit befasst, die Forderungen unliebsamer Geschäftspartner abzuwehren. Während die Regierung dabei ist, den Überfluss durch Geschenke ins Ausland abzubauen, sind hierzulande haufenweise Mängelexemplare im Umlauf. Längst nicht absehbar ist der Schaden, den die verkorkste Mission für den Steuerzahler nach sich ziehen wird. Klar ist schon jetzt: Es wird teuer. Vor einem Monat musste sich der Bundesgesundheitsminister ehrlich machen. In den staatlichen Beständen der BRD befänden sich über 1,2 Milliarden medizinische Schutzmasken, ließ das Ressort von Jens Spahn (CDU) auf Anfrage der FDP-Bundestagsabgeordneten Christine Aschenberg-Dugnus ausrichten. Das ist eine Menge Holz, will man meinen, beziehungsweise Stoff und kostet allerhand Kohle. Die Ausgaben für die Beschaffung sogenannter Persönlicher Schutzausrüstung (PSA) schlagen laut Bundesgesundheitsministerium (BMG) in diesem und im nächsten Jahr mit 5,9 Milliarden Euro zu Buche. Wäre die Sache nicht so ernst, könnte man das einen teuren Spaß nennen. Beim Blick auf die drohenden Schäden für den Steuerzahler verbietet sich indes jeder Lacher. Das BMG geht davon aus, dass das Material nur zu 85 Prozent „verkehrsfähig“ ist. 15 Prozent sollen wegen Mängeln für den Gebrauch im Gesundheitsbereich, etwa in Kliniken, Alten- und Pflegeheimen, ungeeignet sein. Das Zeug landet also bestenfalls auf dem Müll oder wird, wenn es schlecht läuft, irgendwie unter die Leute gebracht. Dazu passte eine „Spiegel“-Nachricht vom August, wonach die Bundesregierung mal eben 250 Millionen Masken im Wert von 275 Millionen Euro kostenlos an Staaten abgeben wolle, die besonders unter der Pandemie leiden – als „ein Zeichen sichtbarer Solidarität“, versteht sich. (…) Dieser Jemand heißt bekanntlich Jens Spahn und wird mittlerweile sogar als Kanzleranwärter gehandelt – gerade wegen der Rolle, die er in der Corona-Krise spielt. Während ihn die Medien als großen Anpacker und Macher verkaufen, geht ziemlich unter, dass er in seinem Kaufrausch eventuell mehrere Milliarden Euro für etwas aus dem Fenster geschmissen hat, dessen vermeintliche Notwendigkeit zur Vireneindämmung er selbst erst erkannt hat, als die Masken durch Eigenverschulden in Unmengen vorhanden waren. Wenn schon mal da, muss man ja auch irgendwohin damit. Dass er sich nun ausgerechnet selbst das Virus (oder nur ein genetisches Schnipselchen davon) eingefangen hat, macht seine vermasselte „Mission Maske“ nicht gerade besser. Das gilt noch für einen anderen Punkt: Weil irgendwer die ganze Ware aus aller Welt nach Deutschland schaffen, einlagern und weiterverteilen musste, angelte sich das BMG den Logistikdienstleister Fiege als Partner. Der Auftrag im Umfang eines laut Regierung „niedrigen dreistelligen Millionenbetrags“ erfolgte auf dem kurzen Dienstweg, also ohne die gängige Ausschreibung, was die Regierung mit der Dringlichkeit der Angelegenheit begründete . Kurz ist indes auch der Weg zwischen Spahns Wahlkreis Steinfurt I / Borken I und Fieges Firmensitz in Greven inmitten des CDU-Bezirksverbands Münsterland. Als dessen stellvertretender Vorsitzender amtiert Spahn und Gesellschafter Hugo Fiege ist Präsidiumsmitglied im Wirtschaftsrat der CDU. (…) Derweil ist das ganze Ausmaß der Folgen von Spahns Maskenjagd längst nicht absehbar. Dem „Tagesspiegel“ wurde eine Liste aus dem BMG mit mehr als 200 Unternehmen zugespielt, von denen viele im Clinch mit dessen Ministerium sind. Dabei geht es nicht bloß um die Beteiligten im Open-House-Verfahren. Nach BMG-Darstellung hat Spahn auf insgesamt sechs Beschaffungszweige gesetzt. Einer davon bestand im Abschluss gesonderter Rahmenverträge, wozu in besagter Aufstellung 24 aufgeführt sind. Darunter befinden sich neben internationalen, meist chinesischen Firmen auch eine Reihe deutscher Mittelständler…“ Beitrag von Ralf Wurzbacher vom 27.10.2020 bei den Nachdenkseiten - Universitätsklinikum Frankfurt: Klinik-Mitarbeiter baten um Corona-Tests von Eintracht Frankfurt
„An der Frankfurter Uniklinik gibt es Streit zwischen Leitung und Personalrat. Rund 300 Mitarbeiter baten Eintracht Frankfurt in einem offenen Brief um Spenden für Corona-Tests. Jetzt landet der Fall vor Gericht. „Liebe Spieler, liebe Präsidiumsmitglieder“ – so freundlich beginnt der offene Brief an Eintracht Frankfurt, und so freundlich ist auch sonst der Ton des Schreibens. Absender ist der Personalrat des Universitätsklinikums Frankfurt. 290 Klinikmitarbeiter unterzeichneten den Brief Ende Mai. Die Geschäftsführung der Klinik war und ist mit dem Brief allerdings überhaupt nicht einverstanden. Die Unterzeichner bitten darin die Eintracht, „Testpatenschaften“ zu übernehmen, also Geldspenden, um die Klinik-Mitarbeiter regelmäßig auf Corona zu testen. Bundesliga-Spieler bekämen solche Tests, heißt es in dem Brief: „Uns dagegen, die direkt tagtäglich mit potenziell und tatsächlich an Covid-19 erkrankten Menschen konfrontiert sind, werden diese Routine-Tests nicht zugestanden.“ Es würden nur Mitarbeiter getestet, die schon Symptome zeigten. Die Sache ist inzwischen vor Gericht gelandet. Denn nach Meinung der Klinikleitung ist genau diese Behauptung falsch. Tatsächlich, so ein Kliniksprecher, würden den Mitarbeitern schon seit Monaten so genannte anlasslose Tests angeboten. Unabhängig davon, ob jemand Symptome zeige oder ein konkreter Infektionsverdacht bestehe. Weiter will sich die Klinik nicht zu dem Vorgang äußern – mit Verweis auf den laufenden Rechtsstreit mit dem Personalratsvorsitzenden Uwe Richtmann. Die Klinikleitung hat Richtmann abgemahnt. Er habe gewusst, dass die Behauptungen in dem Brief objektiv unwahr seien, und in Kauf genommen, „das Ansehen des Universitätsklinikums in der Öffentlichkeit zu schädigen“, heißt es in der Abmahnung. Sollte er das noch einmal tun, werde eine Kündigung erwogen. Richtmann hingegen will die Abmahnung nicht hinnehmen und wehrt sich juristisch dagegen. (…) Unterstützung bekommt Richtmann von der Gewerkschaft Verdi. Hilke Sauthof-Schäfer vom Verdi-Fachbereich Gesundheit vermutet, dass die Klinikleitung gezielt einen Mitarbeitervertreter unter Druck setzt: „Das sind Einschüchterungsversuche, die natürlich auch auf Belegschaften Auswirkungen haben.“ Der Brief der 290 Mitarbeiter sei im Übrigen inhaltlich richtig gewesen, glaubt Sauthof-Schäfer. Nach ihren Informationen hätten die meisten Kliniken, so auch die Frankfurter Uniklinik, Mitarbeiter in der Regel nur dann getestet, wenn man – wegen Symptomen oder Kontakten – eine Infektion befürchtet habe. Wöchentliche Routinetests wie in der Fußball-Bundesliga gebe es für Klinikpersonal meist nicht…“ Artikel von Tobias Lübben vom 23.10.20 bei hessenschau.de - [In Bremen und Bayern, auch in NRW möglich] Erstmals arbeiten Pflegekräfte mit Corona-Infektion
„In Bremen und Bayern ist es jetzt zu den ersten Ausnahmefällen gekommen: Infizierte Pflegekräfte dürfen unter bestimmten Voraussetzungen infizierte Bewohner versorgen. Es klingt zunächst befremdlich: Corona-infizierte Pflegekräfte dürfen weiterarbeiten. In Bremen und im unterfränkischen Mellrichstadt ist dieses dem Personalmangel geschuldete Szenario nun Realität geworden. In Bremen, wo sich in einem Wohnheim der Lebenshilfe von den insgesamt 15 Bewohnern mit geistigen Behinderungen neun mit dem Coronavirus infiziert haben, dürfen nun einige der zehn ebenfalls positiv getesteten Mitarbeiter die Versorgung der infizierten Bewohner übernehmen. Möglich macht dies nach den Worten von Manfred Fuhrmann, Pressesprecher der Bremer Gesundheitsbehörde, ein Passus in der jüngsten Corona-Verordnung vom 6. Oktober der Freien Hansestadt. (…) Es sei „das erste Mal, dass eine Ausnahme für positiv getestete Personen erteilt wurde“, berichtet der Sprecher. Die aktuelle Ausnahme erfolge „selbstverständlich unter Auflagen“. Die infizierten Pflegekräfte: müssen symptomfrei sein, tragen eine FFP2-Maske, dürften nur mit ebenfalls positiv getesteten Bewohnern arbeiten, außerdem gilt die Ausnahme nur für die Zeit der Tätigkeit, darüber hinaus müssen die infizierten Pflegekräfte die Quarantäne weiterhin aufrechterhalten. (…) In Nordrhein-Westfalen gebe es die Möglichkeit zur Weiterbeschäftigung von infiziertem Personal nicht, berichtet Andreas Plietker, Leiter des Pflegeheims Haus St. Benedikt in Recke. Unter bestimmten Bedingungen gebe es allerdings die Möglichkeit für quarantänepflichtige Pflegekräfte, die als sogenannte „Kontaktperson eins“ identifiziert wurden, weiterzuarbeiten. Hierzu bedürfe es eines Sonderverfahrens, bei der die „absolute Notwendigkeit der Aufrechterhaltung des Betriebes“ im Vordergrund steht. Wer positiv getestet worden sei, müsse mindestens zwei Tage symptomfrei sein und zwei negative Corona-Tests binnen 24 Stunden nachweisen. Dann könne die Pflegekraft auch aus der Quarantäne heraus weiterarbeiten.“ Artikel von Birgitta vom Lehn vom 15. Oktober 2020 bei pflegen-online.de - [Covid-19-Testungen ab 15. Oktober] BochumerBund kritisiert Spahn: Erst nach Dutzenden Toten wird endlich gehandelt
„Ab dem 15. Oktober sollen flächendeckend u. a. in Einrichtungen der stationären Langzeitpflege Personal und Bewohnerschaft auf Corona getestet werden. Dies sieht ein Referentenentwurf aus dem Bundesgesundheitsministerium vor. Dessen Zielrichtung hält Benjamin Jäger, Vorstandsvorsitzender der Pflegegewerkschaft BochumerBund, zwar grundsätzlich für gut und richtig: „Ob allerdings die geplanten Testkontingente ausreichen, bleibt abzuwarten. Gegebenenfalls müssen sie schnell und unbürokratisch den tatsächlichen Bedarfen angepasst werden.“ Nach Ansicht des BochumerBunds kommen die angekündigten Testungen viel zu spät: „Nicht nur wir als Pflegegewerkschaft fordern angesichts der dramatischen Infektionszahlen seit langem, dass in allen Heimen, Krankenhäusern, Rehakliniken etc. regelmäßig sämtliche Betroffene zu testen sind“, so der Gewerkschaftsvorsitzende. „Doch unsere Berufsgruppe und die alten Menschen waren es der Bundesregierung bzw. dem Bundesgesundheitsminister offenkundig nicht wert.“ Nicht nur in Bezug auf die Covid-19-Testungen wurden und werden die Expertise sowie die Erfahrungen der Pflegenden ignoriert, beklagt die Pflegegewerkschaft BochumerBund. Der als Krankenpfleger tätige Benjamin Jäger findet dies höchst irritierend: „Warum hören die Entscheider im Bundesgesundheitsministerium und auf anderen Ebenen so selten auf den Rat derjenigen, die die Corona-Pandemie täglich auf ihren Wohnbereichen und Stationen zu bewältigen haben?“ Die Pflegenden seien bereit und fachlich bestens gerüstet, sich konstruktiv in die Bewältigung der Corona-Krise einzubringen: „Aber dies scheint sich immer noch nicht bis zu den Verantwortlichen herumgesprochen zu haben.“ Das Agieren der Bundesregierung wie jetzt in Bezug auf die Tests zeigt nach Einschätzung des Gewerkschaftsvorsitzenden: „Pflege kann nun einmal nicht jeder, schon gar nicht in der Ministerialbürokratie des Bundes. Wer aber wie wir Pflegenden Pflege kann, hat im Alltag mit oft unsäglichen Umständen zu kämpfen.“ In etlichen Einrichtungen würden schon wieder Schutzmaterialien knapp – wobei der BochumerBund auch die Dienstleister selbst in der Verantwortung sieht, sich rechtzeitig um ausreichend Nachschub zu bemühen…“ Pressemitteilung vom 16.10.2020 , siehe dazu auch weiter unten: Pflegegewerkschaft BochumerBund: Warum werden Touristen getestet, Pflegende aber nicht? - Pflegewelten 2020: Zwischen Arbeit mit Bauchschmerzen und einer 36-Stunden-Woche bei vollem Lohnausgleich
“Immer wieder wird auf die Bedeutung der Arbeitsbedingungen in den Pflegeberufen hingewiesen, wenn darüber diskutiert wird, ob und wie man genügend Pflegekräfte sowohl in den Kliniken wie auch in der besonders vom Personalmangel gebeutelten Pflegeheimen und Pflegediensten gewinnen und überhaupt halten kann. Man kann in diesem Zusammenhang dann sehr viele Berichte finden, in denen beklagt wird, dass es zu wenige Pflegekräfte gibt, dass die zu schlecht bezahlt werden, dass qualifizierte Pflegekräfte das Berufsfeld frustriert verlassen (Stichwort Pflexit) und dass es schwer fällt, ausreichend Nachwuchs für die Pflegeberufe zu finden. Schon schwieriger wird es dann, positive Beispiele zu finden, wie man konkret dieser Entwicklung gegensteuern kann. In diesem Beitrag sollen zwei Beispiele, für die (angebliche) Schatten- und für die (mögliche) Sonnenseite, präsentiert werden. Die decken die beiden Ränder des Geschehens ab. (…) Diese Zitate findet man in dem Artikel Wie ein katholischer Krankenhausbetreiber seine Kliniken kaputtspart von Jan Keuchel und Teresa Stiens, der im Handelsblatt veröffentlicht wurde: »Im Bistum Trier nutzt die Marienhaus-Gruppe die Coronakrise, um sich zu sanieren. Zu leiden haben offenbar Patienten und Personal – trotz gefüllter Kassen.« »Dem Handelsblatt liegt eine Auswahl von 160 Briefen und E-Mails vor, die Michael Quetting, Pflegebeauftragter der Gewerkschaft Verdi für das Saarland und Rheinland-Pfalz, im April erhielt. Aus Angst vor Konsequenzen trauen die Absender sich nicht, sich offen zu äußern.« »Es herrsche ein Klima der Angst in dem Klinikunternehmen, heißt es immer wieder. Berichtet wird von Arbeitsbedingungen, die das Wohl von Personal und Patienten beeinträchtigen, von einem harten Sanierungskurs und einem ausgedünnten Dienstplan, der sich den coronabedingt veränderten Pflegeschlüssel zunutze macht.« Der saarländische Pflegebeauftragte Jürgen Bender bekam im Mai Akteneinsicht und soll einen Bericht veröffentlichen über die Zustände bei dem großen Klinikträger. Der liegt noch nicht vor, aber: »Ein Fragenkatalog, der dem Handelsblatt vorliegt, deutet jedoch auf massiven internen Druck der Geschäftsleitung, auf unzumutbare Dienstpläne und auf einen laxen Umgang mit dem Coronaschutz von Mitarbeitern hin.« Schon seit längerem steht das Unternehmen in der Kritik, vor allem durch die Schließung kleinerer Krankenhäuser. Die jetzt im Mittelpunkt stehenden Vorwürfe weisen auf eine Eskalation hin, die verbunden ist mit der Corona-Krise, die im März dieses Jahres über uns gekommen ist. Und, so muss man hier gleich ergänzen, mit dem Siegeszug der „BWLer“, die das Unternehmen so sehen und behandeln wie eben andere Unternehmen auch. Im März dieses Jahres »schuf die Politik allerhand Sonderregelungen, um die Krankenhäuser auf den Ansturm von Patienten vorzubereiten. Dazu zählte auch die Möglichkeit, den Pflegeschlüssel zu verändern, um den Betrieb aufrechtzuerhalten.« (…) »Der Ansturm blieb aus, das Marienhaus veränderte den Personalschlüssel trotzdem. Eine Pflegekraft musste nun 15 statt zehn Patienten gleichzeitig betreuen. Auf der Intensivstation waren es vier statt zwei Patienten. Verdi-Mann Quetting bezeichnet die Maßnahmen als Versuch, die Coronakrise auszunutzen, um Einsparungen durchzusetzen. Das eingesparte Personal habe Minusstunden aufbauen müssen, Schichtzulagen seien weggefallen.« Die eingeschränkte Pflege ging offenbar weiter: »Von den schlechten Arbeitsbedingungen berichtet eine Pflegerin aus St. Wendel. Sie und viele Kollegen, auch in Ottweiler, hätten sich zwischenzeitlich krankmelden müssen. „Man sieht die Menschen da liegen und leiden. Das war nicht mehr verantwortbar.“ Marienhaus dagegen spricht von „Kommunikationsproblemen“ an einigen Standorten.« (…) Und wenn seitens des Unternehmens immer gerne darauf hingewiesen word, die Politik und die Rahmenbedingungen seien dafür verantwortlich, wenn man finanzielle Probleme bekomme, dann darf die Kirche nicht fehlen: »Die Bilanzen der Unternehmensgruppe zeigen, dass aber auch interne Faktoren eine Rolle spielen. Die Kliniken müssen nämlich gleichzeitig Gelder an die Kirche abführen, ein Grund ist die Altersvorsorge der Ordensschwestern bis 2031. Einst hatten sie die Marienhaus-Stiftung gegründet. Für die weniger als 200 noch lebenden Franziskanerinnen sind in der Bilanz zwischen 2,1 und 2,7 Millionen Euro jährlich vermerkt. 2014 zog die Holding zudem einen Betrag von 21 Millionen Euro aus der Kliniksparte ab, zur „unternehmensinternen Kapitalkonsolidierung“, wie es heißt.« Vor diesem Hintergrund muss man kein großer Prognostiker sein, um vorherzusagen, dass das modisch-infantilisierend „Fitnessprogramm“ genannte neue Regiment des Herrn General weiter vorangetrieben und damit noch weitaus mehr Beschäftigte in die Frustration treiben wird. Vor allem in der Pflege, die mal wieder als Steinbruch fungiert, auch, weil sie am geringsten organisiert und professionell aufgestellt ist und sich damit als Gegenstand der Abbaumaßnahmen gleichsam anbietet. Und da kommen die Zeiten, unter denen wir alle eigentlich leiden, genau richtig: Der Co-Vorsitzende der saarländischen Grünen, Markus Tressel, wird vom Handelsblatt mit diesen Worten zitiert: „Marienhaus hat aus meiner Sicht Corona ausgenutzt, um Tabula rasa zu machen.“ (…) Wenn man wirklich an substanziellen Verbesserungen (und nicht auch noch Verschlechterungen) der Arbeitsbedingungen für Pflegekräfte interessiert ist, dann könnte man einen Blick nach Ostdeutschland werfen. Dort agiert seit Dezember 2006 die Humanas Pflege GmbH & Co. KG – »betreibt in ganz Sachsen-Anhalt derzeit 16 Wohnparks. Dort bietet das Familienunternehmen neben einer ambulanten Versorgung auch betreutes Wohnen sowie eine Tagespflege an.« Und die tauchen diese Tage mit dieser Nachricht auf: Bei vollem Lohnausgleich: Humanas führt 36-Stunden-Woche ein : »Als erster Pflege-Anbieter führt Humanas die 36-Stunden-Woche ein. Bei vollem Lohnausgleich kommen die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter so durchschnittlich auf zwei lange Wochenenden pro Monat. „Damit haben unsere Kolleginnen und Kollegen mehr Zeit für die Familie, für Hobbys und Freunde als bei anderen Unternehmen in der Branche“, weiß Dr. Jörg Biastoch, geschäftsführender Gesellschafter der Humanas Pflege GmbH & Co. KG. Für aktuell Vollzeitbeschäftigte bei Humanas bedeutet die Einführung der 36-Stunden-Woche mehr Freizeit. Für Teilzeitbeschäftigte erhöht sich hingegen das Entgelt. „Das ist nach der Einführung der 38,5-Stunden-Woche im Jahr 2019 ein weiterer Meilenstein in der fast 15-jährigen Geschichte von Humanas“, ergänzt Dr. Biastoch. „Generell bedeuten 36 Stunden im Vergleich zu einer Arbeitsstelle mit 40 Wochenstunden 23 Tage mehr Freizeit pro Jahr.“« Wenn man weiß, wie bedeutsam die Arbeitszeitfrage bei vielen Pflegekräften ist, dann kann man erst einmal nur sagen, dass das ein innovativer Weg ist, der dort eingeschlagen wird. Wenn es denn so kommt. Das wird von den Betroffenen sicher als eine erhebliche Verbesserung der Arbeitsbedingungen wahrgenommen werden. Es bleiben natürlich auch Fragezeichen. Wie soll so ein Modell auf Dauer funktionieren bei den gegebenen Finanzierungsbedingungen?…“ Beitrag von Stefan Sell vom 13.10.2020 bei Aktuelle Sozialpolitik - Klinikpersonal appelliert an Minister – Beschäftigte im Gesundheitswesen im Ausstand – Konferenz von Bund und Ländern berät Maßnahmen
“Während draußen die Beschäftigten an den Berliner Kliniken Charité und Vivantes sowie an vielen anderen Standorten bundesweit streikten und für bessere Arbeitsbedingungen sowie eine sozial gerechte Krankenversorgung demonstrierten, kamen die Gesundheitsminister von Bund und Ländern per Videoschalte zu Beratungen über die Auswirkungen der Coronapandemie auf das Gesundheitswesen sowie über weitere Eindämmungsmaßnahmen zusammen. Insgesamt 300 Personen aus Krankenhäusern und Altenpflegeeinrichtungen haben nach Angaben der Dienstleistungsgewerkschaft Verdi anlässlich der bis nach jW-Redaktionsschluss noch nicht abgeschlossenen Gesundheitsministerkonferenz (GMK) auf ihre Anliegen aufmerksam gemacht. Aufgrund geltender Hygienebestimmungen waren demnach 12.500 Klinikbeschäftigte aus ganz Deutschland zusätzlich in Form von Fotos auf Transparenten präsent. (…) Die GMK-Vorsitzende Dilek Kalayci (SPD), Gesundheitssenatorin in Berlin, sagte den Beschäftigten am Mittwoch, dass die Pandemie gezeigt habe, wie schnell sich Einsparungen hier rächen könnten. Laut dpa sagte eine Verdi-Sprecherin, viele Beschäftigte hätten »Wut im Bauch«. Die Politik rede zwar schon länger über Verbesserungen, müsse aber endlich grundlegende Änderungen anpacken. Gewerkschaftsvertreter wie Demonstranten forderten unter anderem bessere Arbeitsbedingungen, mehr Geld und Personal sowie ein neues System der Krankenhausfinanzierung. An die Minister wurde eine Petition mit Unterschriften von 12.000 Beschäftigten übergeben.“ dpa-Meldung in der jungen Welt vom 01.10.2020 , siehe dazu:- 12.500 Klinikbeschäftigte zeigen bei der Gesundheitsministerkonferenz mit einer „Foto-Demonstration“ Gesicht für bessere Bedingungen
“Mit einer besonderen Protestaktion haben 300 Beschäftigte aus Krankenhäusern und Altenpflegeeinrichtungen am Mittwoch (30. September) bei der Gesundheitsministerkonferenz in Berlin auf ihre Anliegen aufmerksam gemacht. 12.500 Klinikbeschäftigte aus ganz Deutschland waren mit einer Foto-Demonstration virtuell in Berlin präsent – gedruckt auf 30 Transparenten, mit denen einige hundert Beschäftigte vor Ort ein Spalier für die Gesundheitsminister aus Bund und Ländern bildeten. „Auch in der Corona-Pandemie machen die Beschäftigten im Gesundheitswesen ihre Forderungen sichtbar und handeln gemeinsam. Mit der ersten bundesweiten Foto-Demonstration haben wir einen kreativen Weg gefunden, den Protest corona-gerecht auf die Straße zu tragen“, erklärte Sylvia Bühler, die im ver.di-Bundesvorstand für das Gesundheitswesen zuständig ist. „Die Kolleginnen und Kollegen haben so deutlich gemacht, was sie von den verantwortlichen Politikern erwarten: dass sie die Lehren aus den Erfahrungen während der Pandemie ziehen und das Gesundheitswesen fit machen für die Zukunft.“ Zentral hierfür seien bedarfsgerechte Personalvorgaben. „Grundsätzlich und gerade in Zeiten der Pandemie gilt: Krankenhäuser und Pflegeeinrichtungen brauchen genug Personal, um die Menschen gut und sicher zu versorgen“, betonte Bühler. Doch immer noch gebe es keine gesetzlichen Standards, die eine bedarfsgerechte Versorgung gewährleisteten. „Das muss sich dringend ändern. Der erste Schritt ist, dass die Bundesregierung die PPR 2.0 endlich auf den Weg bringt.“ Gemeinsam mit der Deutschen Krankenhausgesellschaft und dem Deutschen Pflegerat hatte ver.di bereits im Januar mit der PPR 2.0 ein Instrument zur Personalbemessung in der Krankenhauspflege vorgelegt. Die zweite zentrale Forderung der Foto-Demonstration ist eine bedarfsgerechte Finanzierung der Krankenhäuser. „Das System der Fallpauschalen (DRG) setzt die falschen Anreize“, kritisierte Bühler. „Ein drastischer Anstieg der Fallzahlen und Stellenstreichungen beim Personal passen nicht zusammen. Überlastung der Beschäftigten und eine schlechtere Versorgung der Patienten sind die Folgen.“ Zudem fordern die Beschäftigten und ihre Gewerkschaft ver.di, dass keine Tätigkeiten aus den Krankenhäusern mehr outgesourct und ausgegliederte Bereiche zurückgeführt werden. Die Zergliederung der Betriebe in etliche Tochtergesellschaften führe zu Reibungsverlusten, die sich in der Versorgungsqualität niederschlagen. „Ob in der Reinigung, in den Laboren oder anderswo – alle Beschäftigte sind für eine funktionierende Krankenhausversorgung wichtig. Sie alle müssen zu guten und einheitlichen, tariflich abgesicherten Bedingungen angestellt sein“, erklärte Bühler. Deutliche Verbesserungen seien auch in der Altenpflege nötig, für die ver.di unter anderem eine bedarfsorientierte, bundeseinheitliche Personalbemessung einfordert. Die Forderungen der Beschäftigten wurden Bundesgesundheitsminister Jens Spahn (CDU) und der Vorsitzenden der Gesundheitsministerkonferenz, der Berliner Gesundheitssenatorin Dilek Kalayci (SPD), bei der Kundgebung am Tagungsort am Kurfürstendamm in Berlin übergeben. Zeitgleich zur Gesundheitsministerkonferenz fanden am Mittwoch im Rahmen der Tarifrunde für die Beschäftigten des öffentlichen Dienstes von Bund und Kommunen Warnstreiks und Aktionen in kommunalen Krankenhäusern und Gesundheitseinrichtungen statt, unter anderem in Bremen, Middelburg (Holstein), Lüneburg, Hannover, Wolfsburg, Osnabrück, Berlin, Dortmund, Köln, Essen, Hanau, Fulda, Gießen, Stuttgart, Ludwigsburg, Göppingen, Saarbrücken, Saarburg, Völklingen, Kaiserslautern, Pirmasens, Worms, Ludwigshafen, Nürnberg, Aschaffenburg, Bayreuth, Bamberg, Regensburg, Augsburg, München, Rosenheim, Ingolstadt, Dresden, Grimma, Wurzen und Greiz.“ ver.di-Pressemitteilung vom 30.09.2020
- 12.500 Klinikbeschäftigte zeigen bei der Gesundheitsministerkonferenz mit einer „Foto-Demonstration“ Gesicht für bessere Bedingungen
- [30.9.2020 in Berlin] Klinikbeschäftigte demonstrieren mit Foto-Petition für eine bessere Gesundheitspolitik
“Die Vereinte Dienstleistungsgewerkschaft (ver.di) ruft Beschäftigte aus der Kranken- und Altenpflege aus Anlass der Gesundheitsministerkonferenz am Mittwoch (30.9.20) in Berlin zu Protesten auf. „Mehr als 12.000 Beschäftigte mahnen mit einer Foto-Petition, den Worten der Anerkennung zu Beginn der Corona-Pandemie jetzt Taten folgen zu lassen“, sagte Sylvia Bühler, die im ver.di-Bundesvorstand für das Gesundheitswesen zuständig ist. „Die Personalausstattung in den Kliniken muss sich am Bedarf der Patientinnen und Patienten orientieren. Dazu braucht es endlich verbindliche Vorgaben. Außerdem muss der Gesetzgeber der Ausgliederung von Tätigkeiten in unzählige Tochtergesellschaften einen Riegel vorschieben.“ Diese gehe nicht nur zu Lasten der Beschäftigten, sondern auch der Versorgungsqualität. „Während sich die Krankenhäuser auf eine mögliche zweite Corona-Welle vorbereiten, muss die Politik die nötigen Schlussfolgerungen aus den Erfahrungen während der Pandemie ziehen“, forderte Bühler. „Die von der Deutschen Krankenhausgesellschaft, dem Deutschen Pflegerat und ver.di entwickelte Personalbemessung für die Krankenpflege, die PPR 2.0, ist nun schnellstens auf den Weg zu bringen.“ Auch in der Krankenhausfinanzierung müsse sich Grundlegendes ändern. „In der Pandemie ist deutlich geworden, dass die Finanzierung über Fallpauschalen (DRG) zu eklatanten Fehlsteuerungen führt.“ So werde zum Beispiel nicht honoriert, wenn Kliniken Behandlungskapazitäten vorhalten und Schutzmaterial bevorraten. Die Fallpauschalen seien daher durch eine bedarfsgerechte Finanzierung zu ersetzen. Die Forderungen werden Bundesgesundheitsminister Jens Spahn (CDU) und der Vorsitzenden der Gesundheitsministerkonferenz, der Berliner Gesundheitssenatorin Dilek Kalayci (SPD), bei einer Kundgebung am Tagungsort übergeben. (…) Beschäftigte aus der Altenpflege fordern von der Politik eine bedarfsorientierte, bundeseinheitliche Personalbemessung und eine Solidarische Pflegegarantie. „Der Bundesgesundheitsminister ist aufgefordert, die Eigenbeiträge der Bewohnerinnen und Bewohner in der stationären Langzeitpflege unverzüglich zu begrenzen“, so Bühler. „Immer mehr pflegebedürftige Menschen sind von Sozialhilfe abhängig. Damit wird ein wichtiges Ziel der Pflegeversicherung verfehlt.“ Mittelfristig brauche es die Einführung einer Solidarischen Pflegegarantie. Dieses Konzept sieht vor, dass die Pflegeversicherung künftig alle pflegebedingten Kosten abdeckt und durch die Einbeziehung aller Einkommensarten auf eine solide finanzielle Grundlage gestellt wird…“ ver.di-Pressemitteilung vom 28.09.2020 – Kundgebung und Übergabe der Foto-Petition an die Gesundheitsministerinnen und -minister: Mittwoch, 30. September, 13 bis 15 Uhr, Hotel Bristol, Kurfürstendamm 27, Berlin - Eure schlimmsten Dienstplan-Katastrophen
„Dass in der Pflege, trotz Applaus von den Balkonen und kostenlosem Lavendelbusch, so einiges im Argen liegt, wissen wir nicht erst seit der Corona-Pandemie. Miese Arbeitsbedingungen, zahllose Überstunden – und das alles bei schlechter Bezahlung – führen dazu, dass seit Jahren dringend benötigtes Personal fehlt. Besonders bemerkbar macht sich dieser gefährliche Pflegenotstand für die Betroffenen häufig in ihren Dienstplänen. Nun ruft der Twitteraccount @PflegeDie in seinem Thread dazu auf, über die schlimmsten „Gibt’s nicht“-Dienstplan-Katastrophen zu berichten, und was sollen wir sagen: WOW!“ Meldung bei Twitterperlen mit den besten Beispielen – siehe den Thread vom 17.9.20 - [Petition] Geplantes Krankenhauszukunftsgesetz fördert Bettenabbau
“Am kommenden Montag soll das geplante Krankenhauszukunftsgesetz in einer Anhörung erstmalig öffentlich beraten werden. Den Gesetzentwurf kommentiert Klaus Emmerich, langjähriger Klinikchef und von GiB vorgeschlagener Sachverständiger: „Mit dem Gesetzentwurf gibt es war vorübergehend zusätzliche Investitionsmittel für Krankenhäuser. Es wird unter anderem aber auch der Bettenabbau gefördert und dem Kliniksterben nichts entgegengesetzt. Ein weiterer Abbau von Klinikbetten ist – auch unter dem Eindruck der Corona-Pandemie – nicht vertretbar. Bei der Finanzierung geht der Entwurf nicht weit genug. Den Krankenhäusern fehlen jährlich drei Milliarden Euro für notwendige Investitionen. Einmalig drei Milliarden bis 2024 – durchschnittlich 0,75 Milliarden pro Jahr – reichen nicht aus.“ GiB hat eine schriftliche Stellungnahme zum Gesetzentwurf verfasst und dem Gesundheitsausschuss des Bundestags zukommen lassen. Durch Geldmangel sind akut Dutzende Krankenhäuser von der Schließung bedroht, vor allem kleinere Häuser in der Fläche. Keine rosige Zukunft für die Krankenhauslandschaft. Und damit macht auch das neue Krankenhauszukunftsgesetz nicht Schluss. Der Gesetzentwurf sieht eine Förderung des Bettenabbaus vor. Und der bereits bestehende Krankenhausstrukturfonds der Bundesregierung zahlt weiterhin Geld für Schließungen. Dazu Laura Valentukeviciute Vorstandsmitglied von GiB: „Jens Spahn muss zusagen, dass jedes einzelne Krankenhaus erhalten bleibt und finanziert wird. Sein Krankenhauszukunftsgesetz, das nun mit Höchstgeschwindigkeit durch den Bundestag gepeitscht werden soll, lässt kleine und regionale Krankenhäuser, die vor allem unter dem Fallpauschalensystem leiden, weiterhin im Regen stehen und setzt sie der Gefahr der Pleite aus. Es muss Schluss damit sein, dass der Bund weiter Bettenabbau und Kliniksterben finanziell fördert.“ Mit dem vorgesehenen zeitlichen Ablauf des Gesetzgebungsverfahrens wird eine demokratische Beteiligung nicht gewährleistet. Zwischen der ersten und der letzten Lesung im Bundestag – inklusive einer öffentlichen Anhörung und den Ausschusssitzungen dazwischen – gibt es nur sechs bzw. sieben Werktage. Für eine diesem Gesetz angemessene Debatte wird viel zu wenig Zeit eingeräumt. Beispielsweise umfasst die Liste der geladenen Sachverständigen zur Anhörung 36 Personen, die innerhalb von anderthalb Stunden angehört werden. Und dabei ist die betroffene Bevölkerung durch Vertretungsorgane noch nicht einmal hinreichend einbezogen, obwohl das Gesetz von weitreichender Bedeutung ist. GiB kritisiert daher die Eile und die Zusammenstellung der Sachverständigen aufs schärfste. Auch die Feststellung, dass das Gesetz durch den Bundesrat nicht zustimmungspflichtig sei, können wir nicht nachvollziehen, da die Länder unmittelbar davon betroffen sind. GiB fordert den Gesundheitsausschuss des Bundestags auf, den Zeitplan zu entzerren und für die Anhörung am kommenden Montag auch einen Sachverständigen einzuladen, der über die Situation von Klinikschließungen insbesondere in ländlichen Regionen sprechen kann. Bisher sind dort zu dieser Frage nur Lobbyisten geladen, die im Sinne der privaten Klinikkonzerne für Krankenhausschließungen werben…“ Beitrag von Katrin Kusche vom 11.09.2020 bei Gemeingut in BürgerInnenhand (GiB) e. V. und GiB hat eine bundesweite Petition gegen die Klinikschließungen gestartet sowie die Petition selbst - Care Revolution und VdK: Pflegekräfte brauchen bessere Bedingungen
„Was Pflegekräfte jeden Tag leisten, ist anspruchsvoll. Durch die Corona-Pandemie genießen sie derzeit zwar viel Aufmerksamkeit, aber langfristig brauchen sie mehr als das. Care-Arbeit ist meist unbezahlte Arbeit. Als Erwerbsberuf wird sie unterbezahlt. Dies muss sich ändern. Und zwar nicht nur durch mehr Anerkennung, sondern auch durch finanzielle Absicherung. z.B. durch ein Bedingungsloses Grundeinkommen und anständige Mindestlöhne. Hier findet ihr ein Video auf den Seiten des Sozialverbands VdK mit Elfriede Harth, Care Revolution. Auch berichtet die September Ausgabe der Vdk-Zeitung darüber.“ Meldung vom 10. September 2020 beim Netzwerk Care Revolution , siehe dazu:- Care Revolution – mit Aktivismus für eine sorgende Zukunft! Ein Aktionsworkshop
“Die gesellschaftlichen und politischen Entwicklungen im Verlauf der Corona-Pandemie haben gezeigt, dass Care-Arbeit (bzw. Sorgearbeit, wie bspw. Krankenpflege, berufliche und private Erziehungs- und Pflegearbeit) nicht nur systemrelevant, sondern überlebensnotwendig ist. Trotzdem zeigt sich, dass die gegenwärtige Organisation und Anerkennung dieser Arbeiten, an die Grenzen der Kapazität der Beteiligten kommt. Im Rahmen des Aktionsworkshops „Care- Revolution – mit Aktivismus für eine sorgende Zukunft!“, der am 12. September 2020 um 10:00 – 13:00 digital stattfindet, wollen sich die Aktivist*innen des bundesweit organisierten Netzwerk Care Revolution in einer Zukunftswerkstatt gemeinsam mit den Teilnehmenden auf einen Ausflug in die Zukunft einer sorgeorientierten Gesellschaft begeben. Was läuft falsch in der aktuellen Organisation von Sorge/Care? Wie würde ein sorgeorientiertes Gesellschaftssystem aussehen? Und wie fangen wir an den Weg dorthin zu bereiten? Infos zur Anmeldung unter: https://bbb.wandelwoche.org/veranstaltun… Wir haben mit Lisa Höfer vom Netzwerk Care Revolution über die Notwendigkeit einer Care-zentrierten Ökonomie und ihren Workshop gesprochen.“ Beitrag von und bei Radio Corax vom 10.09.2020
- Care Revolution – mit Aktivismus für eine sorgende Zukunft! Ein Aktionsworkshop
- Pflege in der Krise
“Es würde anders werden müssen, das war nur allzu klar und deutlich, sie würden endlich die Anerkennung erhalten, die ihrer tatsächlichen gesellschaftlichen Bedeutung entspricht. Es wurde anders. Kurzarbeit wurde in vielen Kliniken und Arztpraxen eingeführt. Einsparungen sind im mediznischen Sektor vielerorts bereits angekündigt worden. Finanzielle Lücken, die die Pandemie und der behördlich verordnete Lockdown gerissen haben, werden auf das medizinische, pflegende Personal abgewälzt. Von Lohnerhöhungen als Zeichen der Wertschätzung der lebensrettenden – aber auch lebensgefährlichen – Arbeit, ist inzwischen keine Rede mehr. Die Krankenkassen wiegeln ab, mit einer in Aussicht gestellten Beitragserhöhung ist das eben noch solidarische Volk zum schweigen gebracht worden. 1,3 Millionen Ärzt*innen und Pfleger*innen infizierten sich selbst mit dem Covid-19-Virus und stellen damit jede*n zehnten Patient*in weltweit, meldete die WHO am 17.07.2020 durch Tedros Adhanom Ghebreyesus, ihren Generaldirektor. Sie riskieren nicht nur ihr Leben, sondern sind auch derzeit besonders extremen Belastungen ausgesetzt, leiden vielfach an körperlicher und psychischer Erschöpfung. Sicherlich nicht die beste Rekrutierungskampagne für einen Beruf, dessen Personaldecke lebensbedrohlich dünn ist und unbedingt gestärkt werden muss, um solchen Herausforderungen gewachsen zu sein. Stattdessen muss nun damit gerechnet werden, dass viele pflegende Kolleg*innen nur noch das Ende der Pandemie herbeisehnen und – wer will es ihnen unter diesen Arbeitsbedingungen verdenken – anschließend das Handtuch werfen werden. Um der Lobby aus Kassen, Arbeitgeberverbänden und öffentlichen Dienstherr*innen erfolgreich etwas entgegen zu setzen, Arbeitskämpfe erfolgreich führen zu können, ist gewerkschaftliche Selbstorganisation dringend geboten. In unseren basisdemokratischen, kämpferischen Syndikaten der Gesundheitsbranchen erfahren unsere pflegenden Kolleg*innen praktische Solidarität für den langen Atem, den sie dazu brauchen werden.“ Beitrag der FAU Bergisch Land vom 10.09.2020 in der Direkten Aktion – höre es auch als Radiobeitrag bei Youtube - Kabinett beschließt umfassendes Investitionsprogramm für Krankenhäuser
„… Das Bundeskabinett hat heute dem von Bundesgesundheitsminister Jens Spahn vorgelegten Entwurf des „Krankenhauszukunftsgesetzes“ (KHZG) zugestimmt. Der Bund wird 3 Milliarden Euro bereitstellen, damit Krankenhäuser in moderne Notfallkapazitäten, die Digitalisierung und ihre IT-Sicherheit investieren können. Die Länder sollen weitere Investitionsmittel von 1,3 Milliarden Euro aufbringen. Mit dem Gesetz wird das durch die Koalition am 3. Juni 2020 beschlossene „Zukunftsprogramm Krankenhäuser“ umgesetzt. (…) Das KHZG bedarf nicht der Zustimmung des Bundesrates und soll voraussichtlich im Oktober dieses Jahres in Kraft treten. Die wichtigsten Regelungen im Überblick: (…) [u.a.:] Gefördert werden Investitionen in moderne Notfallkapazitäten und eine bessere digitale Infrastruktur, z.B. Patientenportale, elektronische Dokumentation von Pflege- und Behandlungsleistungen, digitales Medikationsmanagement, Maßnahmen zur IT-Sicherheit sowie sektorenübergreifende telemedizinische Netzwerkstrukturen. Auch erforderliche personelle Maßnahmen können durch den KHZF finanziert werden. (…) Der bereits bestehende Krankenhausstrukturfonds (II) wird um zwei Jahre bis 2024 verlängert. Erlösrückgänge, die Krankenhäusern in diesem Jahr gegenüber dem Vorjahr wegen der Corona-Pandemie entstanden sind, werden auf Verlangen des Krankenhauses in Verhandlungen mit den Kostenträgern krankenhausindividuell ermittelt und ausgeglichen. Für nicht anderweitig finanzierte Mehrkosten von Krankenhäusern aufgrund der Corona-Pandemie, z. B. bei persönlichen Schutzausrüstungen, können für den Zeitraum 1. Oktober bis Ende 2021 krankenhausindividuelle Zuschläge vereinbart werden.Der Leistungszeitraum des Kinderkrankengeldes wird zeitlich auf das Jahr 2020 begrenzt ausgedehnt.Im Bereich der Pflege werden wesentliche bisher befristete Regelungen zur finanziellen Entlastung und Unterstützung verlängert…“ Mitteilung des Bundesministeriums für Gesundheit vom 2. September 2020 zum Entwurf eines Gesetzes für ein Zukunftsprogramm Krankenhäuser (Krankenhauszukunftsgesetz – KHZG) - Covid19: Attac warnt vor weiterer Bevorzugung privater Kliniken – Ausgleichszahlungen müssen Kosten öffentlicher Krankenhäuser decken
“Das globalisierungskritische Netzwerk Attac warnt vor einer weiteren Bevorzugung privater Kliniken gegenüber öffentlichen Krankenhäusern im Zusammenhang mit Covid19. Das Bundesgesundheitsministerium plant zum Jahresende eine Neuregelung der Ausgleichszahlungen für Krankenhäuser. Die bisherigen Regelungen laufen am 30. September aus. „Es darf nicht erneut dazu kommen, dass die meist privat betriebenen Fachkliniken profitieren, während die großen Allgemeinkrankenhäuser in öffentlicher Trägerschaft weiter auf ihren Kosten sitzen bleiben“, fordert Dagmar Paternoga von der bundesweiten Attac-Arbeitsgruppe Soziale Sicherungssysteme. „Private Kliniken, die ihren Aktionären Dividenden von zehn Prozent versprechen, dürfen nicht weiterhin auf Kosten der Versicherten bevorzugt werden. Wir sind es leid, diese Dividenden mit unseren Versichertenbeiträgen zu finanzieren.“ (…) „So ist eine schreiende Ungerechtigkeit entstanden: Durch die Spezialisierung auf lukrative Eingriffe hatten viele Privatkliniken 2019 höhere Erlöse als Allgemeinkrankenhäuser. Die Folge: Viele Privatkliniken bekommen pro freiem Bett 760 statt der 560 Euro, mit denen sich öffentliche Krankenhäuser meist begnügen müssen. Und das, obwohl die Privatkliniken ihren Betrieb nicht im selben Maß auf die Versorgung von Corona-Patient*innen umgestellt haben“, kritisiert Arndt Dohmen, ebenfalls aktiv in der Attac-AG Soziale Sicherungssysteme. Tatsächlich reichten die Ausgleichszahlungen für große Allgemeinkrankenhäuser und Unikliniken bei Weitem nicht aus, so dass sie mit deutlichen Defiziten für 2020 rechnen. (…) Dennoch hat das Bundesgesundheitsministerium entschieden, dass die Pauschalen, die Krankenhäuser für nicht belegte Betten nach der bis 30. September geltenden Regelung erhalten haben, bei den Krankenhäusern verbleiben dürfen. Das soll selbst dann gelten, wenn dadurch Erlösüberschüsse erzielt wurden. Statt die Schieflage 2 zwischen öffentlichen und privaten Trägern zu beheben, wird sie also weiter verschärft. Neuregelung muss reale Kosten der Krankenhäuser decken. (…) Das Bündnis „Krankenhaus statt Fabrik“, in dem unter anderem Attac und Verdi mitarbeiten, wird zusammen mit vielen lokalen Initiativen und regionalen Bündnissen die Zeit bis zur Bundesratssitzung am 18. September und der Gesundheitsministerkonferenz am 30. September nutzen, um öffentlichen Druck für eine grundlegende Reform der Krankenhausfinanzierung jenseits von Profitorientierung und Fallpauschalen aufzubauen.“ Attac-Pressemitteilung vom 27.08.2020 - „Systemrelevant werden wir plötzlich genannt …“
„Systemrelevant, davon haben wir jahrelang nichts gemerkt, relevant war immer nur möglichst viele Patienten aufzunehmen – egal ob ausreichend qualifiziertes Personal da war oder nicht. „Das schafft ihr schon“ bekamen wir immer zu hören. Die Frage ist doch: was schafft eine Pflegekraft, die im Tagdienst häufig für 15-20, nachts sogar für über 30 Patienten Sorge tragen soll?! Mehr als eine Patientenversorgung, die der Arbeit am Fließband in einer Fabrik gleicht, ist da nicht möglich. Man könnte es auch so ausdrücken: Die Patienten sind sich selbst überlassen. Wer sich nicht selbstständig meldet, wenn es ihm nicht gut geht oder wer dies nicht kann, der hat Pech und muss stundenlang warten bis eine Krankenschwester kommt, um nach dem Rechten zu sehen. (…) Viele Kollegen halten diesen Druck, den Stress im Alltag, diese innerlichen Gewissensfragen und den täglichen Spagat zwischen Zeitnot und ihrem eigenen Anspruch den Bedürfnissen der Patienten gerecht zu werden, nicht mehr aus. Sie enden im Burnout oder wechseln vorher den Beruf, der sie kaputt macht, den sie einst aus Überzeugung gewählt haben, der vielleicht sogar einmal ihr Traumberuf war. Das alles war schon unsere Alltagsmisere vor Corona! Aber zu Beginn der Pandemie wurden vor lauter Angst, das wohl bekannt knäppliche Personal könnte für einen hohen Ansturm von Patienten nicht ausreichen, einfach die Arbeitszeitgesetze ausgehebelt. Nun dürfen die Arbeitgeber uns anweisen 12-Std.-Schichten zu leisten- ganz legal! Diese Gesetzesänderung hat bis heute Bestand. Wie unverhältnismäßig das ist, zeigt, dass zur Zeit Kollegen unfreiwillig Urlaub und Überstunden abbauen müssen oder sogar in Minusstunden geschickt werden, denn aktuell stehen einige Betten leer, die vorsorglich für Covid-Patienten freigehalten werden, wodurch sich die Kliniken eine Bonuszahlung vom Bund sichern. Aber die Frage ist doch, worum geht es hier in dieser Krise wirklich? Um Infektionsschutz und Patientensicherheit?? Dann muss man sich fragen, wie dies mit der Tatsache zu vereinen ist, dass wir als Klinikpersonal -wenn wir Kontaktpersonen von covid-positiv-Getesteten sind- nur in eine Art „Scheinquarantäne“ geschickt wurden. Das heißt wir durften nicht einkaufen gehen, nicht die öffentlichen Verkehrsmittel nutzen, unsere Familien wurden auch gleich mitisoliert, aber im Krankenhaus arbeiten sollten wir weiterhin – zwar mit Mund-Nasen-Schutz, aber auch mit hochgefährdeten Patienten! (…) Hinzu kam noch zu jedem Dienstbeginn die Sorge, ob denn noch genügend Schutzausrüstung für die Schicht zur Verfügung steht, denn es werden bis heute immer nur kleine Tagesrationen für die Stationen ausgegeben, die dann auch reichen müssen. Vorräte im Lager gibt es schon lange nicht mehr, und auch bis heute nicht. So sah monatelang unser Arbeitsalltag aus. Aber nun bekamen wir wenigstens Applaus aus dem Bundestag. Danke Herr Spahn!...“ Bericht von G.N., Krankenschwester in einem Hamburger Krankenhaus, am 14.8.2020 beim Jour Fixe der Gewerkschaftslinke Hamburg - Wertschätzung für Pflege-Personal in Coronakrise als „Show-Veranstaltung“ der Politik kritisiert
„Der Vorsitzende des Vereins „Pflege in Bewegung“ und Leiter zweier Pflegeheime, Marcus Jogerst, hat den Umgang der Bundesregierung mit Pflegekräften kritisiert. Dass die Pflegebranche während der Corona-Pandemie als systemrelevant hervorgehoben worden sei, spüre man längst nicht mehr, sagte Jogerst im Deutschlandfunk (Audiolink ). Die kurzzeitige Wertschätzung bezeichnete der Pflegeheim-Leiter als „Show-Veranstaltung“. Es sei einfach eine Pleite, die die Bundesregierung da hinlege. Es gebe weiterhin keine höheren Löhne und Arbeitsbedingungen. Nur Altenpfleger hätten einen einmaligen Bonus in der Corona-Krise erhalten, Krankenpfleger jedoch nicht. Dabei sei in den Krankenhäusern während der ersten Corona-Welle „eine massive Last“ getragen worden. Nach Jogersts Worten ist über Jahrzehnte die Lohnentwickung in der Pflege hinter anderen Berufen zurückgeblieben. In der Industrie verdiene ein Facharbeiter an einer Maschine wesentlich mehr als ein „Facharbeiter am Mensch“. Das sei ein moralisches Unding, kritisierte der Pflegeheimleiter. Ähnlich äußerte sich der Pflegebeauftragte der Bundesregierung, Andreas Westerfellhaus. Er warnte vor einer zunehmenden Personalnot in der Branche. Falls sich Bezahlung und Arbeitsbedingungen nicht verbesserten, drohe eine weitere Abwanderung von Pflegekräften…“ Meldung vom 11. August 2020 beim Deutschlandfunk - Pflegegewerkschaft BochumerBund: Warum werden Touristen getestet, Pflegende aber nicht?
„Das Bundesministerium für Gesundheit hat allen Pflegenden den nächsten Tiefschlag versetzt: „Während mittlerweile jeder Reiserückkehrer auf Kosten der Allgemeinheit von Corona-Tests profitiert, werden diese bei Pflegekräften und anderen stark gefährdeten Berufsgruppen im Gesundheitswesen nach wie vor kaum durchgeführt“, empört sich Benjamin Jäger, Vorstandsvorsitzender der Pflegegewerkschaft BochumerBund. „Sogar in der Akutpflege wird daran gespart, obwohl die Pflegenden dort massiv ansteckungsgefährdet sind. Das empfinden viele Kolleginnen und Kollegen als Herabsetzung.“ Die Pflegegewerkschaft fordert daher Tests für ausnahmslos alle Beschäftigten im Gesundheitssektor. Der BochumerBund verweist auf die aktuellen Vorgaben des Robert-Koch-Instituts (RKI). Demnach zählt medizinisches Personal – also auch das Pflegepersonal – ohne Schutzausrüstung zu den Kontaktpersonen ersten Grades. Dieser ist definiert als enger Kontakt mit infizierten Patienten oder Bewohnern. Pflegekräfte in Schutzausrüstung bei einem Abstand von weniger als zwei Metern sowie ohne Schutzausrüstung bei einem Abstand von mehr als zwei Metern zu einer pflegebedürftigen Personen wiederum rechnet das RKI zu den Kontaktpersonen dritten Grades. „Allerdings spielt beispielsweise die Qualität der Schutzausrüstung keinerlei Rolle“, erläutert Jäger. Kontaktpersonen ersten und dritten Grades – auch mit ungenügender Schutzausrüstung – werden in Deutschland nicht routinemäßig getestet. Der BochumerBund hält die Ignoranz der Politik gegenüber Pflegenden und Pflegebedürftigen für verantwortungslos. Jäger vermutet als Grund für das Nichtstun: „Bei regelhaften und regelmäßigen Tests von uns Pflegekräften würde die wahre Durchseuchung in den Krankenhäusern sichtbar werden. Dann müssten die Verantwortlichen in der Gesundheitspolitik Konsequenzen ähnlich wie bei Tönnies ziehen. Davor scheinen sie zurückzuschrecken – und riskieren Menschenleben.“ Der BochumerBund wertet das Agieren nicht nur in Krankenhäusern, sondern auch in Pflegeeinrichtungen als Verstöße gegen das Arbeitsschutz- sowie das Infektionsschutzgesetz…“ Pressemitteilung vom 7.8.2020 (noch nicht online ) - Mehr als Applaus: EU-Mindeststandards für Arbeitsbedingungen in Gesundheitsberufen erforderlich
„Nicht nur Österreich kämpft im Gesundheitsbereich, insbesondere in der Pflege und Betreuung älterer Menschen, seit Jahrzehnten mit zu wenig Personal. Der chronische Personalnotstand in den Gesundheitsberufen ist ein europaweites Problem – mit drastischen Auswirkungen, die sich während der Corona-Pandemie deutlich zeigen. (…) Eine langfristige Behebung des Personalmangels muss mit der europaweiten Sicherstellung von attraktiven und einheitlichen Arbeits- und Beschäftigungsbedingungen in den Gesundheitsberufen einhergehen. Denn nur gute Arbeitsbedingungen sichern das Interesse an der Tätigkeit in einem Gesundheitsberuf. Die Einführung einer EU-Gesundheitsberuferichtlinie, die Mindeststandards für zentrale Arbeits- und Beschäftigungsbedingungen in diesem Bereich festlegt, ist ein adäquates Mittel, um die Arbeitswelt in den Gesundheitsberufen fairer und besser zu gestalten. Dies kann dazu beitragen, ausreichend Personal für den Beruf zu gewinnen und der hohen Fluktuation entgegenzuwirken. In den Anwendungsbereich einer solchen Richtlinie müssen alle nach nationalen Kriterien festgelegten Gesundheitsberufe fallen, die in der stationären, der mobilen und der niedergelassenen Akut- bzw. Langzeitversorgung arbeiten. (…) Ein weiteres wesentliches Regelungselement ist der Bereich des Jugendschutzes. Neben besonderen Vorkehrungen, die für Jugendliche während der praktischen Ausbildung zu treffen sind, ist das Mindestalter für den Beginn der praktischen Ausbildung festzulegen. Diese Altersgrenze darf keinesfalls unter 17 Jahren liegen. Zusätzliche Punkte betreffen beispielsweise verpflichtende Angebote für Supervision und Coachings, die während der Arbeitszeit in Anspruch genommen werden können. Darüber hinaus sollen Möglichkeiten zur Beschwerde bzw. spezielle Ombudsstellen geschaffen werden, an die sich Beschäftigte im Konfliktfall wenden können. Da Berufstätige häufig unter Gewalterfahrungen leiden, sollen ebenfalls Mindeststandards für die Implementierung von Aggressions- und Gewaltmanagementsystemen eingeführt werden, um die Sicherheit der Beschäftigten zu gewährleisten. (…) Vorschläge für die Eckpunkte einer EU-Richtlinie zur Stärkung der Rechte der Berufstätigen in dem Bereich liegen mittlerweile auf dem Tisch. Nun braucht es die Initiative der Europäischen Kommission und der europäischen Sozialpartner, um diesen Vorschlägen europaweit zum Durchbruch zu verhelfen.“ Artikel von Miriam Fahimi vom 4. August 2020 beim A&W Blog - Fehler im Corona-Krisenmanagement: „Es ist ganz viel über angeblich fehlende Beatmungsgeräte geredet worden“
„Nein, Intensivbetten und Ventilatoren waren nicht das größte Problem in der Corona-Pandemie, sagt Hermann Reichenspurner, Direktor an der Uniklinik Hamburg-Eppendorf. Davon gab es genug, gefehlt hat Personal. (…) Was nicht gut lief und läuft: Es geht nicht nur um die reine Kapazität, also etwa Intensivbetten, sondern auch darum, dass wir ausreichend Pflegekräfte haben, um die Patienten in diesen Betten auch gut zu betreuen. Wir haben schon zu normalen Zeiten Engpässe. Aber in einer solchen Krise hat das eine ganz andere Dimension. (…) Ich denke, es geht um eine Gehaltserhöhung von mindestens 20 Prozent, und die können die Krankenhäuser unter keinen Umständen allein stemmen. Das geht nur über die Krankenkassen, und die werden höhere Beitragssätze von den Versicherten brauchen. Aber wir sprechen da über zumutbare Erhöhungen für den Einzelnen. Kosten dürfen kein Totschlagargument sein, denn sonst haben wir das Problem, dass wir in naher Zukunft einfach keine Pflege mehr haben in dem Maße, wie wir sie brauchen. (…) Ein Arzt kann sich auch in Hamburg oder München die Miete leisten. In der Pflege ist das ganz anders. Jemand, der heute als Pflegekraft in Hamburg anfängt, hat vielleicht 2800 Euro brutto. Das Gehalt steigt erst, wenn man Schichtzulagen bekommt, im OP oder auf der Intensivstation arbeitet. So weit muss man aber erst mal kommen. Der Grundtarif in der Pflege ist dringend verbesserungsbedürftig…“ Interview von Martin U. Müller vom 22.07.2020 im Spiegel online - Profit zu Lasten Kranker – Bericht: Coronahilfen vom Bund für Intensivbetten wohl teilweise zweckentfremdet
“Aus Angst vor einem Zusammenbruch des Gesundheitswesens steckte die Bundesregierung seit Beginn der Coronapandemie viel Steuergeld in die Kliniken. Mehr als sieben Milliarden Euro flossen bislang, um Intensivbetten für erwartete Covid-19-Fälle freizuhalten und neue zu schaffen. Doch ein Großteil der Betten, für die das Geld ausgegeben werden sollte, gibt es gar nicht. Und Klinikkonzerne hielten gezielt bestimmte Betten frei, um von der Pauschale zu profitieren. Das legt ein Schreiben aus dem Gesundheitsministerium nahe, über welches das ARD-Magazin »Kontraste« am Donnerstag abend berichtete . Demnach rätselt die Bundesregierung offenbar selbst, wo die 534 Millionen Euro für neue Intensivbetten – 50.000 pro Stück – wirklich versickert sind. Das wurde wohl nie kontrolliert. Denn eigentlich müsste es laut Rechnung des Ministeriums heute knapp 40.000 Betten für intensiv behandlungsbedürftige Patienten geben, das Register der Deutschen Interdisziplinären Vereinigung für Intensiv- und Notfallmedizin (DIVI) wies am gestrigen Freitag aber nur knapp 32.600 aus. Dem Bericht zufolge forderte Staatssekretär Thomas Steffen mit dem Schreiben die Bundesländer auf, die Abweichungen bis zum 10. Juli aufzuklären. Passiert ist das bisher wohl nicht, wie es hieß. »Wir reden hier über eine nicht aufgeklärte Fördersumme von 350 Millionen Euro«, verdeutlichte Reinhard Brückner, Vorstand der Krankenkasse Viactiv BKK, und kommentierte: »Das finde ich schon ein starkes Stück.« (…) Djorge Nikolic, Geschäftsführer der Firma »Consus Clinicmanagement«, bestätigte die Einschätzung, wonach es vielen Kliniken mehr ums Geldverdienen als um das Patientenwohl ginge. Sein Unternehmen berät Krankenhäuser und wirbt mit dem Slogan: »Steigern Sie mit uns Ihre Erlöse.« Krankenhäuser aller Art hätten in Coronazeiten »gehäuft angefragt, ob es überhaupt Sinn hat, mehr Patienten aufzunehmen oder die Pauschale zu nehmen«, berichtete Nikolic. Auch hätten Kliniken vermehrt erfahren wollen, welche Krankheiten am lukrativsten seien. Man wählte also nach Profitkriterien aus, wer noch behandelt wurde…“ Artikel von Susan Bonath in der jungen Welt vom 18.07.2020 - Statistik der WHO: 10 Prozent aller Corona-Fälle sind Ärzte oder Pflegekräfte
„Mehr als 1,3 Millionen Ärzte und Pflegekräfte weltweit sind laut Weltgesundheitsorganisation (WHO) bislang am neuartigen Coronavirus erkrankt. Beschäftigte im Gesundheitssektor machten bisher etwa 10 Prozent aller weltweiten Covid-19-Fälle aus, sagte WHO-Chef Tedros Adhanom Ghebreyesus am Freitag in Genf. (…) Ärzte und Pflegekräfte riskierten nicht nur ihr Leben, sondern litten vielfach auch an körperlicher und psychischer Erschöpfung nach Monaten extrem fordernder Arbeit während der Pandemie, sagte Tedros. «Wir alle schulden den Beschäftigten im Gesundheitssektor enorm viel», betonte er. Ausbreitung und Risiken von Infektionen unter medizinischen Fachkräften sollen besser erforscht werden…“ dpa-Meldung vom 17. Juli 2020 in der Zeit online - [Infektionen der Pflegekräfte und Ärzte] „Das Virus greift auch die Seele an“
“Die Zahlen der AOK Bayern und des Landesamtes für Gesundheit und Lebensmittelsicherheit bestätigen: Pflegekräfte oder Ärzte erkranken besonders häufig an Covid-19. Oft leidet nicht nur ihr Körper. (…) Krankenschwestern, Pflegekräfte, Ärzte und im Behindertenbereich tätige Personen sind einem hohen Risiko ausgesetzt, sich mit dem Erreger Sars-CoV-2 anzustecken. Nach den aktuellen Zahlen, die dem Landesamt für Gesundheit und Lebensmittelsicherheit (LGL) vorliegen, sind bislang knapp mehr als 5300 infizierte Menschen gemeldet worden, die in diesen Bereichen tätig sind. Die Mehrzahl der Betroffenen – konkret 3152 Fälle – arbeitet in der Gesundheitsversorgung, etwa in Krankenhäusern, Arztpraxen oder Tageskliniken. Die anderen vom LGL auf Anfrage der Süddeutschen Zeitung genannten Infizierten – insgesamt 2154 Fälle – üben eine Tätigkeit in Einrichtungen zur Pflege älterer, behinderter oder pflegebedürftiger Menschen aus. Wie das LGL betonte, sind die Zahlen allerdings „mit Bedacht zu interpretieren“. Die Zahl der Fälle könne „möglicherweise höher liegen“. Da zudem im Rahmen der ärztlichen Meldepflicht im Infektionsfall die Erfassung des Berufs nicht vorgesehen sei, könne auch nicht unterschieden werden „zwischen medizinischem, pflegerischem oder sonstigem Personal“. Weitere Details liefert indes eine neue Studie der AOK Bayern, in welcher die Kasse die Arbeitsunfähigkeitsdaten ihrer Versicherten ausgewertet hat. Demnach entfielen im Freistaat auf Beschäftigte in Pflegeberufen „während der Lockdown-Phase besonders viele Krankschreibungen“ im Zusammenhang mit der durch das Coronavirus übertragenen Lungenerkrankung Covid-19. Zwischen März und Mai haben demnach in Bayern von je 100 000 Beschäftigten in der Gesundheits- und Krankenpflege alles in allem 1916 Personen pandemiebedingt am Arbeitsplatz gefehlt. In der Altenpflege waren es nach Angaben der Kasse 1760 Versicherte, die sich mit dem Coronavirus infiziert hatten…“ Artikel von Dietrich Mittler vom 14.07.2020 in der Süddeutschen Zeitung online - Krankenpflegerin über Coronakrise „Wir haben uns wie Kanonenfutter gefühlt“
„In der Coronakrise feierten manche sie zwar als „Heldin“ – wütend wurde sie trotzdem. Oder gerade deswegen? Ein Gespräch mit Krankenpflegerin Nina Böhmer über Arbeiten am Limit und schwierige Patienten. (…) Erst hatte der Gesundheitsminister Jens Spahn die Personaluntergrenzen in der Krankenpflege ausgesetzt, dann konnte sich das Robert Koch-Institut vorstellen, dass wir als Personal nicht 14 Tage in Quarantäne müssen. Da kam eins nach dem anderen zusammen. Das hat mich ziemlich sauer gemacht. (…) Wir alle wurden in den Medien als Helden gefeiert, haben uns aber wie Kanonenfutter gefühlt, das verheizt werden sollte – das fand ich ungerecht und mit dieser Meinung war ich nicht allein. SPIEGEL: Es kam ein Mangel von Schutzkleidung und Masken hinzu. Wie sind Sie konkret im Berufsalltag damit umgegangen? Böhmer: Man hat halt das benutzt, was da war. Die Leute sind auf einmal in die Krankenhäuser gegangen und haben Dinge geklaut: Ich bin aus einem Patientenzimmer rausgekommen, wollte mir die Hände desinfizieren – und auf einmal gab es die Flasche nicht mehr. Ich konnte das nicht verstehen, weil es im Krankenhaus viel dringender gebraucht wurde als bei irgendjemandem zu Hause. Wir haben dann nur eine Maske am Tag benutzt zum Beispiel, weil es nicht anders ging, und sie eben nicht jedes Mal nach Patientenkontakt gewechselt. Wir mussten sparsam sein und hatten oft ein schlechtes Gefühl damit, weil wir uns ja nicht nur vor Corona schützen müssen, sondern auch vor weiteren Krankenhauskeimen. So konnten wir das nicht mehr…“ Interview von Enrico Ippolito vom 13.07.2020 beim Spiegel online – lesenswert zur Gesamtsituatuion des Berufes! - [ver.di zu Kliniken] Gesetzliche Personalbemessung schnell einführen – Corona-Prämie für alle Beschäftigten!
Die Vereinte Dienstleistungsgewerkschaft sieht sich in vielen Punkten einig mit der Deutschen Krankenhausgesellschaft (DKG), die heute (1. Juli 2020) ihre Lehren aus der Corona-Pandemie der Öffentlichkeit präsentiert hat. „Vorhaltekosten und Investitionen müssen auskömmlich finanziert, die Potenziale der Digitalisierung genutzt und für Schutzausrüstung muss Vorsorge getroffen werden – in all diesen Fragen ziehen wir mit der Deutschen Krankenhausgesellschaft an einem Strang“, sagte ver.di-Bundesvorstandsmitglied Sylvia Bühler. „Unser wichtigstes gemeinsames Anliegen ist die rasche Einführung einer bedarfsgerechten Personalbemessung. Der Bundesgesundheitsminister steht in der Pflicht, die PPR 2.0 schnell per Gesetz auf den Weg zu bringen.“ Gemeinsam mit der DKG und dem Deutschen Pflegerat hat ver.di bereits im Januar ein Instrument zur Personalbemessung in der Pflege, die PPR 2.0, vorgestellt. „Überhaupt nicht einverstanden sind wir allerdings mit der generellen Aussetzung der Pflegepersonaluntergrenzen“, betonte Bühler. „Die Untergrenzen sind weit davon entfernt, eine bedarfsgerechte Versorgung zu ermöglichen. Sie sind das Minimum, mit dem eine akute Patientengefährdung ausgeschlossen werden soll. Sie pauschal auszusetzen ist der falsche Weg.“ Der engagierte Einsatz der Klinikbeschäftigten werde zu Recht öffentlich gewürdigt. „Wie ihre Kolleginnen und Kollegen in der Altenpflege haben auch die Beschäftigten der Krankenhäuser eine Prämie als Anerkennung ihrer besonderen Leistungen verdient“, so die Gewerkschafterin. In der Altenpflege erhalten alle Beschäftigten eine einmalige Sonderzahlung von bis zu 1.500 Euro, was auch auf eine ver.di-Initiative zurückgeht. DKG-Präsident Dr. Gerald Gaß hatte zuvor bedauert, dass die Prämie nicht auch für Klinikbeschäftigte gezahlt wird. Bühler verwies in diesem Zusammenhang auf die Erhöhung des Pflegeentgelts, das vollständig in den Kliniken verbleibt. „Diesen Spielraum sollten die Krankenhäuser nutzen, um die Leistungen aller Beschäftigten mit einer Prämie zu honorieren – selbst wenn der Gesetzgeber hier nicht tätig wird.“ Beim Finanzierungssystem über Fallpauschalen (Diagnosis Related Groups, DRG) sieht ver.di grundsätzlichen Änderungsbedarf. „In der Pandemie ist noch einmal deutlich geworden, dass das DRG-System die falschen Anreize setzt“, erklärte Bühler. „Die Herausnahme der Pflegepersonalkosten aus den Fallpauschalen ist ein erster richtiger Schritt. Es müssen weitere folgen. Das DRG-System insgesamt sollte durch eine bedarfsgerechte Finanzierung ersetzt werden, um eine hochwertige Versorgung und gute Arbeitsbedingungen zu ermöglichen.“ ver.di-Pressemitteilung vom 01.07.2020 , siehe auch Sonderprämie von 1500 Euro in der Pflegebranche: ver.di und BVAP einigen sich auf Tarifvertrag für Corona – „Einmalprämie und dafür den Mund halten? Nicht mit uns!“ - [VKG] Vorschlag für eine Kampagne im Gesundheitsbereich
“… Die Coronakrise bringt es an den Tag und ist auch mit schönen Worten nicht mehr wegzureden: die jahrzehntelange neoliberale Privatisierungswelle, die daraus resultierenden Sparprogramme und Personalabbau in den Krankenhäusern – nicht nur in Deutschland – bringen das Gesundheitssystem an den Rand des Kollapses. Diese Ausnahmesituation, die schon ein gut funktionierendes Gesundheitssystem an die Grenzen seiner Belastbarkeit bringen würde, zeigt nochmal sehr deutlich auf, dass ein System das auf einem ruinösen Wettbewerb aufgebaut ist, einer solchen Belastung nicht gewachsen ist. Wann wenn nicht jetzt müssen die Weichen für ein funktionierendes Gesundheitssystem gestellt werden! Weg von der Orientierung der Krankenhäuser auf Gewinnmaximierung hin zu einem System, das alle Patient*innen – ob jung oder alt, ob chronisch krank oder erkrankt an selten und komplizierten Leiden – gleichermaßen voll und gut versorgt, bei guten Arbeitsbedingungen aller Beschäftigten. Es ist an der Zeit, gemeinsam aktiv zu werden. Wir schlagen dafür die Diskussion über folgende Themenbereiche und Forderungen vor: Gegen die Privatisierung der Krankenhäuser: (…) Für mehr und besser bezahltes Personal: (…) Für Arbeitsbedingungen für die Beschäftigten, die eine gute Versorgung gewährleisten können: (…) Um dies vorzubereiten, muss ver.di jetzt Aktivitäten der Beschäftigten – in Koordination mit den Patient*innen – initiieren. Als erster Schritt schlagen wir die Einberufung von Aktiventreffen der Beschäftigten bundesweit und lokal vor. Als nächsten Schritt schlagen wir vor, diese Aktivitäten in einer bundesweiten Aktionskonferenz aller im Gesundheitsbereich aktiven Kräfte (wie ver.di, BR/PR, gewerkschaftliche Strukturen in den Einrichtungen, Pflegebündnisse, PatientInnenorganisationen, Bündnis Krankenhaus statt Fabrik, DIE LINKE, SPD etc.) z.B. im Herbst zusammenzufassen und weitere gemeinsame Schritte zu besprechen. Nur wenn die Beschäftigten und die arbeitende Bevölkerung (Patient*innen) gemeinsam gegen die Krise in den Krankenhäusern und Pflegeeinrichtungen vorgehen, kann sich daraus eine Kraft entwickeln, die ein Gesundheitssystem durchsetzen kann, das alle Patient*innen gleichermaßen voll und gut versorgt, bei gleichzeitig guten Arbeitsbedingungen aller Beschäftigten.“ Vorschlag vom 11.06.2020 bei der Vernetzung für kämpferische Gewerkschaften - Entleerte Krankenhäuser, verloren gegangene Patienten, eine Leere-Betten-Prämie mit Durchschnittsproblem und die Vor-Corona-Strukturprobleme erneut in Sicht
“… Bis zum Ausbruch der Corona-Krise stand eine seit Jahren laufende Debatte über angeblich „zu viele“ Krankenhäuser, über fehlendes Personal vor allem im Pflegebereich, über ein fallpauschalierendes Vergütungssystem mit zahlreichen Anreizen, aus monetären Motiven bestimmte Eingriffe besonders häufig zu machen auch jenseits der tatsächlichen Notwendigkeit, zugleich aber auch aus anderen Bereichen wie der Versorgung kranker Kinder oder der Geburtshilfe zu flüchten, weil die sich nicht mehr „rechnen“, im Mittelpunkt der gesundheitspolitischen Auseinandersetzungen. Und dann war von einem Moment auf den anderen alles anders. Vollbremsung im bislang normalen Krankenhausbetrieb. Die Kliniken sollten sich vorbereiten auf eine große Zahl an Covid-19-Patienten. Hinterher ist man immer schlauer. Heute können wir sagen, dass das hochkomplexe System der Krankenhausversorgung in kürzester Zeit auf die Bewältigung der damals erwarteten Welle an behandlungsbedürftigen Patienten umgestellt werden konnte, dass das angestrebte Hochfahren der Kapazitäten für eine intensivmedizinische Behandlung gelang. Ein solcher Kraftakt bleibt naturgemäß nicht ohne „Kollateralschäden“. Denn das konnte nur geleistet werden, in dem man am Anfang vollständig aus der Normalität der durchgetakteten Abläufe der als erlösoptimierende Wirtschaftsbetriebe aufgestellten Kliniken ausgebrochen ist. Die Krankenhäuser wurden vom Bundesgesundheitsminister aufgefordert, auf alle nicht zwingend erforderlichen Operationen und andere Behandlungen zu verzichten, um genügend Ressourcen für die von vielen Seiten erwartete Notlage zur Verfügung zu haben. Und auch das wurde von den Kliniken umgesetzt. Als man in den Krisenbewältigungsmodus gewechselt ist, war allen Beteiligten klar, dass das bestehende System der Finanzierung der Krankenhäuser im Grunde außer Kraft gesetzt werden musste, denn ein durchgängig fallpauschalierendes System macht nur Sinn, wenn „der Laden läuft“ und man den notwendigen Umsatz aus den Fällen in Verbindung mit deren Fallschwere machen kann. Insofern war klar, dass man den Kliniken unter die Arme greifen muss, um die erwartbar fehlenden Einnahmen durch die wegfallenden Behandlungen zu kompensieren. Ansonsten wären die Krankenhäuser innerhalb kürzester Zeit pleite. Vor diesem Hintergrund haben sich Bundesregierung, Krankenkassenverbände und Kliniken in der zweiten Märzhälfte darauf verständigt, die Krankenhäuser durch Zusatzentgelte und eine Vorhaltepauschale für jedes frei gehaltene Bett am Netz zu halten. Es wurde vereinbart, eine pauschale Tagespauschale von 560 Euro für jedes im Vergleich zu den Belegungszahlen von 2019 frei gehaltene Bett zu zahlen. (…) Bis Ende September, wenn die Regelung ausläuft, könnten daraus 11,5 Milliarden Euro werden«, so Peter Thelen in seinem Artikel Wohin fließt das Geld für leere Klinikbetten? Er weist auch darauf hin, dass es bereits am Anfang hinsichtlich der Regelung Kritik gab: »Die Regelung sei zu pauschal, hieß es. Die … vereinbarten 560 Euro für jedes im Vergleich zu den Belegungszahlen von 2019 frei gehaltene Bett werde zu teuren Mitnahmeeffekten führen, warnten etwa die Grünen.« (…) Nun sind wir an einem Punkt angelangt, an dem es hilfreich wäre, wenn man Zahlen hätte, um wie viele Fälle es hier eigentlich geht. Das eine ist die anekdotische Evidenz, wenn man den Berichten von Pflegekräften oder Ärzten, die in den Kliniken arbeiten, folgt. Dabei wird durchaus davon berichtet, dass es Kliniken gab, in denen das Personal Überstunden abbauen konnte, weil man schlichtweg nichts zu tun hatte. Und wo von Krankenhausverwaltungen berichtet wird, die an dem Zustand der Abschottung möglichst lange festhalten wollten, da sich die Erlössituation mit der Leere-Betten-Prämie besser dargestellt hat als wenn man lebende Patienten behandelt hätte. Auf der anderen Seite erinnert man sich auch an die Aufrufe von Ärzten, doch bitte in de Kliniken zu kommen, wenn man ernsthaft krank sei, denn es wurde befürchtet, dass dringend behandlungsbedürftige Patienten nicht die Hilfe suchen und bekommen, die sie brauchen. Nun hat das Wissenschaftliche Institut der AOK (WIDO) die Fallzahl-Rückgänge bei den Krankenhaus-Behandlungen aufgrund des Coronavirus-Lockdowns erstmals auf einer validen bundesweiten Datenbasis untersucht und das hier veröffentlicht…“ Beitrag von Stefan Sell vom 30.6.2020 bei Aktuelle Sozialpolitik - Corona und medizinisches Personal: Mit konsequenten Tests Ausbrüche eindämmen
“Nach wie vor testen nur wenige Krankenhäuser ihre Mitarbeiter großflächig auf Corona. Dabei zeigt eine Studie, dass Tests helfen, Ausbrüche schnell einzudämmen – und das Infektionsrisiko des Personals besonders hoch ist. (…) Die Ansteckungsgefahr für medizinisches Personal ist zehn- bis 20 mal höher als in der Normalbevölkerung, besonders gefährdet sind Krankenschwestern und -pfleger. Dies sei eine wichtige Erkenntnis dieser heute veröffentlichten Studie , sagt Susanne Johna, Vorsitzende des Marburger Bundes, „weil der Faktor zehn bis 20 tatsächlich hoch ist. Und auch höher, als in den anderen Untersuchungen, die wir bisher vorliegen haben.“ Solche Zahlen machten deutlich, dass Abwarten die falsche Strategie sei, sagt auch der Tumorchirurg Björn Brücher, einer der Autoren der Studie: „Daran zeigt sich, dass während der Pandemie nicht der normale bürokratische Weg einzuhalten ist und man zwei, drei Tage wartet. Würde man das in einem solchen Fall tun, entstehen Katastrophen.“ Nicht einfach warten, bis es irgendwo zu einem Ausbruch kommt, sondern frühzeitig testen: Das sei eine Bestätigung dessen, was der Marburger Bund schon seit langem fordere, so Johna vom Marburger Bund: „Mitarbeiter, die keine Symptome haben, einfach einer Routinetestung zu unterziehen, haben nur einige Kliniken gemacht.“ (…) Bis Dienstag dieser Woche hatten sich nach Angaben des Robert Koch-Instituts mehr als 13.500 Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter in Krankenhäusern und Arztpraxen infiziert.“ Beitrag von Peter Hornung vom 18.06.2020 bei tagesschau.de - Bundesweiter gesundheitspolitischer Aktionstag am 17.06.: Keine Profite mit unserer Gesundheit! Gesundheit für alle heißt Ende der Profitorientierung! Vergesellschaftung des Gesundheitswesens!
„Wir sind ein Bündnis von Gruppen, Organisationen und Einzelpersonen, das sich gegründet hat, um ein Zeichen gegen die aktuelle Gesundheitspolitik zu setzen. Wir forden ein Ende der Profitorientierung, die Vergesellschaftung des Gesundheitswesens und Selbstbestimmung für alle Gesundheitsberufe! Ursprünglich wollten wir mit der größten gesundheitspolitischen Demonstration der letzten jahre auf die Straßen gehen. In Anbetracht der aktuellen Lage wollen wir unseren Protest in anderen Formen ausdrücken. Wir planen verschiedene Aktionen und Ereignisse . Am 17.06. wollten sich ursprünglich die Gesundheitsminister*innen der Länder und der Bundesgesundheitsminister treffen. Das Treffen ist abgesagt, wir werden in einem Aktionstag trotzdem auf die Straße gehen – die Politik hat zwar nichts zu besprechen, wir aber eine Menge zu sagen! Wir werden um 17 Uhr vor dem Berliner Gesundheitssenat (Oranienstraße 106) demonstrieren. Ihr könnt unsere Proteste in einem Livestream mitverfolgen, der am 17.06. aus vielen Städten Aktuelles zeigen wird…“ Infos zur Aktion samt Mobi-Video beim Bündnis Keine Profite mit unserer Gesundheit! und dort auch der Aufruf: „Die Aufmerksamkeit, die das Gesundheitswesen aktuell bekommt, ist erfreulich. Klatschen reicht jedoch nicht! Die mühsam erkämpften – und bei weitem nicht ausreichenden – Personaluntergrenzen im Krankenhaus wurden aufgehoben und die Maximalarbeitszeit ausgeweitet. Das führt uns vor Augen, dass das Gesundheitswesen auf Kante genäht ist. Der Krisenfall einer Pandemie zeigt einmal mehr die Anfälligkeit dieses Systems. Jetzt ist der richtige Moment, um eine grundlegende Umgestaltung des Gesundheitswesens einzuleiten! (…) Wir fordern: Gerechte tarifliche Bezahlung für alle Beschäftigten im Gesundheitswesen statt nur Klatschen und falsche Anerkennung ! Kein Ausweiten der Arbeitszeit auf 12 Stunden! Verbindliche, am Bedarf und an Qualität orientierte Personalschlüssel für alle Bereiche im Gesundheitswesen statt Spahns gefährlich niedrigen Personaluntergrenzen! Bezahlte Zeit für gute Pflege und menschliche Zuwendung durch Pflegekräfte statt Minutenpflege, Zersplitterung der Aufgaben und Deprofessionalisierung! Gesundheitseinrichtungen gehören zur Daseinsvorsorge! Demokratische Kontrolle durch die Allgemeinheit statt Markt und Profit! Solidarische Bürger*innenversicherung für alle statt Zwei-Klassenmedizin! (…) Gesunde Lebensbedingungen statt Ausbeutung bis zum Burn-Out!…“- Livestream – leider nur bei Fratzebuch
- Protest von ÄrztInnen und PflegerInnen: „Hört auf uns. Nicht auf BWLer“
„Die Krankenpflegerin Silvia Habekost kämpft gegen die Ökonomisierung im Gesundheitswesen, nicht nur als Lehre aus Corona. Protestiert wird bundesweit. (…) Es ist die Unsicherheit dazugekommen, sich anzustecken. Die Gefahr ist ja groß, denn wir können nicht mit Mindestabstand pflegen. Vor allem zu Beginn der Krise hat es zudem massiv an Schutzkleidung gefehlt. Da wurden wir geschult, wie wir sparsam mit der Ausrüstung umgehen können. Das ist inzwischen besser geworden, aber dennoch bekommen wir weiterhin nur eine FFP2/3-Maske pro Schicht und nicht genügend Desinfektionsmittel. Positiv ist, dass wir zumindest auf unserer Station zurzeit noch weniger Patienten haben. Das würde ich mir immer wünschen. Generell sieht es auch deutlich schlechter aus: Gesundheitsminister Jens Spahn hatte ja sogar die Pflegepersonaluntergrenzen, etwa auf Intensivstationen, ausgesetzt. (…) Und wir müssen dahin kommen, dass nicht mehr BWLer, sondern Ärztinnen und Pfleger was zu sagen haben. Mit Gesundheit sollen keine Gewinne gemacht werden. Fallpauschalen, also die pauschale Bezahlung pro Fall, egal was er wirklich kostet, gehören abgeschafft. Krankenhäuser haben dadurch den Anreiz, nur bestimmte Behandlungen durchzuführen, um möglichst viel Geld einzunehmen. Das ist bei privaten Krankenhäusern noch schlimmer. Die schütten von den Einnahmen aus den Fallpauschalen – bezahlt durch die Krankenkassenbeiträge – Dividenden an ihre Aktionäre aus. Eine Finanzierung, die Anreize schafft, die nicht den Patienten oder dem Personal dient, muss beendet werden, auch im Bereich der ambulanten Versorgung und der Altenpflege. Der Spardruck führt im Übrigen auch dazu, dass Vorhaltekosten, etwa Lagerkapazitäten, aber auch eine Vorhaltung von Betten und Personal, gestrichen werden – das Ergebnis hat man jetzt bei Corona gesehen. (…) Die Hauptlast der Ökonomisierung und der gesunkenen Investitionskosten der Länder bezahlt das Personal – durch Outsourcing, Lohndumping, Stellenstreichungen. Richtig hart trifft es Beschäftigte, die angeblich nichts mit direkter Patientenversorgung zu tun haben, wie Reinigung, Technik, Transport, Wäsche, Speisenversorgung. Das sind Bereiche, in denen am ehesten neue Leute gefunden werden können und die sich am wenigsten wehren. Die ganzen ausgegliederten Bereiche müssen zurückgeholt werden…“ Interview von Erik Peter vom 17.6.2020 in der taz online - Bundesweite Aktion am 17. Juni in Nürnberg: Kämpft mit für die Abschaffung der Fallpauschalen
“Die Corona-Krise macht deutlich: Das Sparen an Beschäftigten und Patienten ist im Krisenfall ein Spiel mit dem Feuer. Seit vielen Jahren beklagen die ArbeiterInnen im Gesundheitswesen den Pflegenotstand. Dass die Arbeit an pflegebedürftigen und kranken Menschen sich an Fallpauschalen orientieren soll, erzeugt Wut und Frustration. Stress durch personelle Unterbesetzung, Zwangsversetzungen auf andere Stationen, sowie der Profitdruck, der von oben nach unten gereicht wird, erzeugen miserable Arbeitsbedingungen und führen zu schlechter Versorgung der PatientInnen. Menschen sind keine Fälle. Pflegen und heilen geht nicht pauschal. Ein Krankenhaus darf keine Fabrik sein. Turnusgemäß wäre für den 17. Juni eine Konferenz der Gesundheitsminister des Bundes geplant. Es ist ein Skandal, dass diese entfällt, obwohl das Haus brennt. Doch wir machen jetzt richtig Druck! Beteilige dich an der Demonstration vor dem Nürnberger Nordklinikum im Rahmen der bundesweit stattfindenden Aktionen. Mittwoch 17.06., 14:15 Uhr, Klinikum Nord, Haupteingang Fordere mit uns: Weg mit den Fallpauschalen! Schluss mit den Zwangsversetzungen! Gute Bezahlung und mehr Personal! Gesundheit kostenlos für Alle! Krankenhauskonzerne enteignen!“ Aufruf vom 04.06.2020 bei Initiative solidarischer ArbeiterInnen - Siehe auch das Interview von Gitta Düperthal in der jw vom 16.6. mit Fabian Müller in der (Sprecher der bundesweiten Kampagne »Vergesellschaften statt klatschen« aus Halle an der Saale)
- #TagderPflegenden / #VergesellschaftenStattKlatschen
- Chaos beim Mundschutz: Hunderttausende von Jens Spahn bestellte Masken verstauben im Lager
“Der Lieferant, der anonym bleiben möchte, setzte im April alles daran, an Atemschutzmasken zu kommen, um diese aus China an das deutsche Bundesgesundheitsministerium (BMG) liefern zu können. Er arbeitet schon länger mit chinesischen Herstellern zusammen, die Geschäfte laufen meist über eine Agentin vor Ort. „Sie hat vor der Fabrik übernachtet“, berichtet der Mann. Denn in jener Zeit seien US-amerikanische Behörden aggressiv auf die Suche nach Masken gegangen, hätten anderweitig bestellte Lieferungen teils vor den Fabriktoren weggekauft. Wenig später, so der Lieferant, wurde die erste Marge von Atemschutzmasken reibungslos nach Deutschland ausgeflogen, wo Kliniken, Arztpraxen und das gesamte Gesundheitswesen sie auf dem Höhepunkt der Corona-Krise dringend erwarteten. Ein Großteil der mehr als halbe Million Masken läge nun immer noch in den Lagern des von der Bundesregierung beauftragten Logistikpartners Fiege. Der Lieferant selbst hingegen warten weiterhin auf die Hälfte des Geldes dafür, einen „niedrigen siebenstelligen Betrag“, wie er sagt. „Mit dem BMG oder überhaupt der Regierung werde ich jedenfalls meinen Lebtag keine Geschäfte mehr machen.“ Er ist nicht der einzige, der frustriert ist: Bei mehr als 700 Lieferanten hat das BMG bestellt. Es geht um Milliardenbeträge, unzählige offene Rechnungen und viele Anwälte, die derzeit erwartungsvoll Klagen gegen das BMG vorbereiten. (…) „Das ist schlimmer als mit Amazon zu handeln“, sagt einer am Telefon, und alle Betroffenen teilen eine Erfahrung: Seit Wochen werden ihre Anfragen nicht nur vom BMG ignoriert, sondern auch von Fiege Logistik und der Unternehmensberatung „Ernst & Young“ (EY), mit der das Ministerium einen sechsmonatigen Vertretungs-Vertrag auf Tagessatzbasis abgeschlossen hat. EY dürfte gut zu tun haben: Eine inoffizielle Gruppe von Lieferanten, die sich derzeit über juristische Schritte austauscht, umfasst nach Background-Informationen 101 Händler und Anwälte, im Forum sind es um die 40. Unter den Beteiligten wird immer wieder von einer Summe von 4,2 Milliarden Euro gesprochen, die das BMG schulde. (…) Auf die Frage, ob es die Summe bestätigen oder dementieren kann, antwortete das BMG nicht. Stattdessen kam eine Auskunft darüber, dass man „aus dem Open-House-Verfahren Lieferungen über insgesamt 198 Millionen FFP2- und 64 Millionen OP-Masken“ erhalte. Das entspricht ziemlich exakt dem vorhandenen Geld. „Es stehen 1,2 Milliarden Euro Haushaltsmittel zur Begleichung der Rechnungen zur Verfügung“, so eine BMG-Sprecherin. Bislang seien knapp 190 Millionen FFP2- und OP-Masken geliefert worden. (…) Auch Thomas Mösinger hat inzwischen ein Mandat in der Sache angenommen. Der Frankfurter Fachanwalt für Vergaberecht sieht den Grundfehler darin, dass das BMG das Open-House-Verfahren nicht als Rahmenvertrag aufgesetzt habe, wie es zum Beispiel die Gesetzliche Krankenversicherung bei der Beschaffung von Arznei- und Hilfsmitteln praktiziere. Stattdessen habe jeder, der sich auf die Ausschreibung mit einer selbst gewählten Menge von Masken beworben habe, auch einen Vertrag bekommen. Daraus ergibt sich nach Mösingers rechtlicher Interpretation auch eine Abnahmegarantie, also ein „Leistungsaustausch“. Es mache eben einen Unterschied, verdeutlicht Mösinger, „ob ich eine Pizza bestelle oder verlautbare, dass ich alle Pizzen, die mir geliefert werden, dann auch bezahle“. Das BMG habe offenbar „unterschätzt, wie viele Menschen irgendwelche China-Connections haben, mit denen sie dann hofften, leicht einen Millionenauftrag an Land zu ziehen“. Spahns Haus habe aus seiner juristischen Sicht bei der Vergabe „einen gewaltigen Fehler gemacht, man hätte auch ohne Probleme und mit einer Obergrenze für die Liefermenge ein Dringlichkeits-Vergabeverfahren aufsetzen können“. „Hunderte von Händlern werden derzeit“, schreibt einer der Lieferanten auf Anfrage, „mit Pseudoargumenten und Nebeleien, inszeniert von Ernst & Young“, hingehalten. Er selbst habe zum im Open-House-Verfahren festgelegten Stichtag, dem 30. April, „mangelfrei Ware“ geliefert, sei dann den gesamten Mai um Geduld mit der Rechnungsbegleichung und dann schließlich im Juni um Rücknahme der Lieferung gebeten worden. „Ein Prüfbericht, womit ja der Rücktritt begründet wird, wurde nicht vorgelegt“, schreibt er. „Anwalt wurde eingeschaltet und Mahnschreiben ging raus. Selbstverständlich keine Reaktion bisher.“…“ Artikel von Thomas Trappe vom 12.06.2020 beim Tagesspiegel online - Petition: Stoppt Gewinnmaximierung in der Altenpflege! Jetzt!
“… Die aktuelle Corona-Krise zeigt nun uns allen, dass einige der Alten- und Pflegeheime äußerst schlecht aufgestellt sind, wenn es darum geht die Bewohner und die Mitarbeiter vor einer Infektion zu schützen. Es gibt Pflegeheime, die werden mit den Herausforderungen dieser Krise fertig und es gibt die „Anderen“. Warum ist das so? Warum sterben Bewohner in einigen Häusern in so hoher Anzahl? Die Privatisierung und die damit einhergehende „Selbstverwaltung in der Pflege“ hat das Verhalten der Pflegeheimbetreiber intransparent und unkontrollierbar werden lassen. Denn seit Jahrzehnten steht die Gewinnmaximierung und die damit verbundenen hohen Renditen in der Pflegewirtschaft im Vordergrund, der oftmals auch aus dem Ausland handelnden Investoren. (…) Covid19 ist nur ein Virus, die Ursachen der Katastrophe liegen woanders! Herr Minister Spahn, die Bewohner müssen überall und zu jeder Zeit qualitativ gut versorgt werden! Die „Selbstverwaltung der Pflege“ arbeitet im Verborgenen und generiert über unsere Gelder aus der Renten-, Kranken- und Pflegeversicherung unkontrolliert exorbitant hohe Renditen, bis zu 15%! Renditen, die an die Investoren weitergegeben werden und nicht den Bewohnern und den Pflegekräften zugutekommen. Es muss jetzt gehandelt werden! Viele Bewohner werden aus Kostengründen schlecht ernährt. (…) Herr Minister, wir fordern Sie auf, den Missständen in der stationären Altenpflege endlich schnellstmöglich entgegenzuwirken, die die Sicherheit der in den stationären Einrichtungen lebenden Senioren gefährden, die ordnungsgemäße Durchführung der Pflegemaßnamen beeinträchtigt oder erhebliche Nachteile für die Mitarbeiter oder Senioren nach sich ziehen. Deshalb fordern wir: Um die Bewohner zu schützen, muss jedes Fehlen von Personal einen sofortigen Aufnahmestopp zusätzlicher Bewohner in einer Einrichtung zur Folge haben, bis die Anzahl des Personals wieder dem Personalschlüssel entspricht. Jedes Auftreten von Qualitätsmängeln in der Bewohnerversorgung muss einen sofortigen Aufnahmestopp zusätzlicher Bewohner zur Folge haben, bis nachgewiesene Maßnahmen zu einer dauerhaften Abhilfe bzw. Beseitigung der Qualitätsmängel geführt haben…“ Petition bei change.org - Finanzspritze für Kliniken. »Zukunftsprogramm Krankenhäuser« fördert vor allem große Einrichtungen – weiterer Bettenabbau droht
„Die Bundesregierung hat ein milliardenschweres Konjunkturprogramm beschlossen, und ein Teil des Geldes soll in die Krankenhäuser der Bundesrepublik fließen. Drei Milliarden Euro sind für das »Zukunftsprogramm Krankenhäuser« vorgesehen. Gerald Gaß, Präsident der Deutschen Krankenhausgesellschaft (DKG), kommentierte am Donnerstag in Berlin die Entscheidung: »Wir freuen uns darüber, dass die Regierungskoalition herausgestellt hat, welche herausragende Rolle die Krankenhäuser bei der Bewältigung der Coronapandemie gespielt haben.« Die nun vorgesehenen Mittel seien »ein dringend notwendiger erster Schritt, um die Investitionslage in den Kliniken zu verbessern«, so Gaß. Man könne der Politik garantieren, diesen Konjunkturimpuls sehr schnell umzusetzen, »da die Krankenhäuser Pläne schon in den Schubladen liegen haben«. Die vorgesehenen Mittel dürften allerdings kaum ausreichen. (…) Die Bundesregierung möchte mit ihrem Zukunftsprogramm regionale Versorgungsstrukturen gezielt entwickeln, sowohl für den Normalbetrieb als auch für Krisenzeiten. Der Einsatz von Ressourcen soll laut Eckpunktepapier »effizienter« werden. Telemedizin, Vernetzung und medizinische Kooperation sind entscheidend dafür. Was das am Ende für einzelne Kliniken hierzulande bedeuten könnte, beschreibt die Wirtschaftswoche in ihrer Ausgabe vom 5. Juni anhand eines neoliberalen Rosskurprogramms. Danach habe sich in der Coronakrise angeblich gezeigt, dass Deutschland zu viele Krankenhäuser habe; stünden normalerweise von den bundesweit rund 500.000 Krankenhausbetten ein Fünftel leer, seien es in diesen Wochen deutlich mehr. Diese »Überkapazitäten« müssten dem Wirtschaftsblatt zufolge abgebaut werden, und die Politik müsse sich dann entscheiden, ob es nützlich sei, für Krisen und Katastrophen eine Reserve vorzuhalten. Diese Notfallbetten sollten an wenigen, ausgesuchten Zentren stehen und extra – nicht über die Fallpauschalen – vergütet werden.“ Artikel von Bernd Müller in der jungen Welt vom 06.06.2020 - Arzt erhebt schwere Vorwürfe gegen Spahn: „Unfassbar, dass ein Gesundheitsminister so auftritt
Der Arzt und Autor Bernd Hontschik kritisiert im Gespräch mit Stephan Hebel bei der Frankfurter Rundschau vom 4. Juni 2020 : „… Ökonomen haben das Kommando übernommen und die Medizin immer mehr an den Rand gedrängt. Sie ist bald nur noch Mittel zum Zweck. Ich bin mit der ganzen Richtung nicht einverstanden, in die das große Schiff Gesundheitswesen gesteuert wird. Wenn die Richtung nicht stimmt, nützen die schönsten Reformen nichts. Das Sozialsystem Gesundheitswesen verkommt zu einer Gesundheitswirtschaft. Dividenden werden aus den Krankenkassenbeiträgen der Solidargemeinschaft generiert. Das muss aufhören. Sozialsysteme kann man nicht optimieren. Man verkauft ja auch nicht die Feuerwehr an Investoren und schaut dann zu, wie Stellen gestrichen werden, weil es länger nicht gebrannt hat. (…) Ein Virus kann man nicht erfinden. Neue Viren wird es immer geben. Allerdings hat man das ignoriert und sich dann nur noch mit Notstand und autoritärem Regieren behelfen können, als es zu spät war. Einigen Politiker*innen scheint das Regieren im Notstand aber gar nicht so unangenehm zu sein. Jetzt dürfen sie es und hauen dabei atemberaubende Sprüche raus wie zum Beispiel, die Gesundheit habe zu 100 Prozent Vorrang. Das empört mich. Die Gesundheit hatte noch nie Vorrang, schon gar nicht zu 100 Prozent! Sie hatte beim Nachtflugverbot keinen Vorrang, nicht bei den Hospital-Infektionen, nicht beim Glyphosat, nicht beim Tempolimit, nicht bei der Energiewende – und schon gar nicht bei der Wertschätzung und Bezahlung der Pflegekräfte. (…) Was mich dabei wirklich verblüfft, ist die überwältigende Zustimmung, die unsere Anführer in Land und Bund dafür erhalten. Ich fürchte, dass wir bald eine bittere Bilanz ziehen müssen. (…) Die wichtigste Erkenntnis aus den vergangenen drei Monaten ist, dass nur eine staatliche Organisation Mittel und Fähigkeiten hat, eine derartige Lage zu meistern. Und das wäre mein erstes und wichtigstes Vorhaben: Die Daseinsvorsorge gehört in die Hand des Staates. Die Gemeinnützigkeit hätte bei mir absoluten Vorrang. Private Klinikkonzerne sind zu enteignen und durch Rückkauf zu entschädigen. Im Gesundheitswesen müssen alle Gewinne im System bleiben, statt an der Börse zu landen. Flächentarifverträge wären wieder überall gültig, ärztliches und Pflegepersonal könnte endlich mit guten Arbeitsbedingungen rechnen. (…) Mein zweites Projekt wäre die Einführung der Bürgerversicherung. Mit den privaten Krankenversicherungen verabschiedet sich das gutverdienende Zehntel der Bevölkerung aus der gesellschaftlichen Solidarität. (…) Mein drittes Projekt beendet die Trennung der stationären von der ambulanten medizinischen Versorgung. Wer jetzt immer noch Krankenhausschließungen propagiert, hat nichts verstanden. Hausarztmedizin, die Allgemeinmedizin muss ins Zentrum rücken. Um diese Basis herum gruppieren sich Pflegestützpunkte, Fachärzt*innen aller Art und stationäre Einrichtungen. Niedergelassene und Krankenhausärzt*innen behandeln ihre Patient*innen gemeinsam. Integrierte Versorgungskonzepte genießen absoluten Vorrang. Krankenhäuser werden in Kategorien eingeteilt, vom kleinen 50-Betten-Haus der Grundversorgung bis hin zu universitären Einrichtungen mit allen Spezialabteilungen. Die Finanzierung baut nicht auf Fallpauschalen auf, sondern geschieht entsprechend dem Auftrag beziehungsweise der Größe des Krankenhauses mit pauschalen Budgets. Bezahlt wird die Erfüllung des gesellschaftlichen Auftrages, nicht eine konkrete medizinische Tat…“ - Ware Gesundheit: Im Dauernotstand – Misere Neoliberalismus?
„…Die Gesundheit im Kapitalismus ist einerseits Bedingung für jedwede Tätigkeit der Menschen im Allgemeinen und ihres Daseins als funktionierende Konkurrenzsubjekte im Besonderen. Andererseits gefährdet und ruiniert diese Wirtschaftsweise die Gesundheit der Menschen umfassend. Eine Arbeitswelt, die ganz daran orientiert ist, möglichst viel Leistung für möglichst wenig Geld aus den Arbeitskräften herauszuwirtschaften; Produkte, bei denen Verträglichkeit klar hinter der Gewinnträchtigkeit steht; ein Verkehrswesen, das Waren und Menschen mit viel Lärm und Feinstaub just in time dorthin befördert, wo sie gebraucht werden; eine im Dienste des kapitalistischen Wachstums weitgehend zerstörte Umwelt; permanente Hetze und Stress bei der Konkurrenz in Schule, Uni, Beruf und am Ende auch noch in Freizeit und Familie – all das findet seinen Niederschlag in den »Zivilisationskrankheiten«. Allgemein gefasst: Produktion und Verkauf von Waren dienen nicht der Versorgung und Bedürfnisbefriedigung von Produzenten und Konsumenten, sondern der Vermehrung von Geld. Die Rücksichtnahme der Unternehmen auf die Gesundheit der Arbeitskräfte, die Verwendung von Giftstoffen bei der Produktion und als Bestandteile der Waren und die Schonung der natürlichen Ressourcen sind vom Standpunkt der Kapitalverwertung zusätzliche Kosten bzw. ein Konkurrenznachteil. Diese Produktionsweise erzielt ihren Erfolg – das Wachstum der Unternehmens- und Bankbilanzen –, indem sie die dafür nötigen menschlichen Ressourcen (in ihren Rollen als Beschäftigte, Konsumenten, Verkehrsteilnehmer usw.) wie die natürlichen (Boden, Wasser, Atmosphäre, Biosphäre) rücksichtslos in Beschlag nimmt und schädigt. Die staatliche Gesundheitspolitik widmet sich in der Folge dem (Dauer-)Notstand, den ihre Wirtschaftsordnung hervorbringt (…) Kritik am Gesundheitssystem im Kapitalismus sollte nicht beim Krankenhaus anfangen – das ist deutlich zu spät. Gesundheit ist in der kapitalistischen Gesellschaft nur mittelbar »systemrelevant«, nämlich als Bedingung einer Wirtschaftsweise, die die Gesundheit ihrer Mitglieder im Interesse der Profitproduktion systematisch schädigt und zugleich braucht. Die sogenannten Volkskrankheiten, deren Ursachen und Verlauf wesentlich von dieser Produktionsweise bestimmt werden, sind insofern der eigentliche Kern des Problems. (…) Beim Fordern nützt deshalb die Berufung auf den »systemrelevanten Dienst« und die Erinnerung an die bisher und in der Krise gebrachten Opfer nichts. Auch wenn die »Helden des Alltags« gerade berechnend gefeiert werden, zählt danach natürlich wie eh und je, dass ihre Bezahlung gering bleiben muss – darin ist nämlich die schlechte Behandlung von Patienten und Krankenhauspersonal systemrelevant. Wenn die so vorgetragenen Forderungen nicht erfüllt werden, weil es nach Auskunft derer, die das Allgemeinwohl dieser Gesellschaft definieren, nicht »im Rahmen des Möglichen« liegt, sollten die Betroffenen ihrerseits Grundsatzfragen aufwerfen…“ Artikel von Suitbert Cechura und Renate Dillmann in der jungen Welt vom 30. Mai 2020 - Krankenkassen wollen Massentests nicht bezahlen
“Gesundheitsminister Spahn will Massentests für Menschen ohne Corona-Symptome einführen, die Krankenversicherungen wollen das aber nicht bezahlen. Sie halten die Laborpreise für zu hoch und sehen nicht ein, warum sie auch für Nichtversicherte aufkommen sollen. (…) Tatsächlich sind die Kosten gewaltig, die wegen der geplanten starken Ausweitung der Nachweise auf das gesetzliche Krankenversicherungssystem zukommen. Bei wöchentlich einer Million zusätzlicher Tests entstünden bis zum Jahresende Mehrausgaben von 1,7 Milliarden Euro, heißt es in dem Verbandspapier. Für die gesamte Geltungsdauer der Verordnung bis einschließlich März 2021 belaufe sich die Summe auf 2,4 Milliarden Euro. Das entspreche einem zusätzlichen Beitragssatzbedarf der Kassen von 0,2 Beitragssatzpunkten. Im Falle einer regelmäßigen systematischen Testung der Gesundheitsberufe würden jede Woche aber 4,5 Millionen Tests benötigt; diese Zahl habe auch das Ministerium im Ursprungsentwurf seines „Zweiten Bevölkerungsschutzgesetzes“ genannt. Bis Jahresende werde dieser Testbedarf Kosten von 7,6 Milliarden Euro verursachen. Bis Ende März seien 10,6 Milliarden Euro notwendig. Das entspräche einer Anhebung des Beitragssatzes um 0,8 Punkte. (…) Der Spitzenverband der Krankenkassen bekennt sich zu dieser Vorsorge. Falsch sei aber die geplante Regelung, dass die Kassen die Kosten übernehmen sollten – und zwar sowohl für ihre eigenen Versicherten als auch für andere Gruppen, etwa für Privatversicherte. Das GKV-Papier argumentiert, dass den gesetzlichen Krankenkassen auf unstatthafte Weise Kosten auferlegt würden, „die versicherungsfremd sind und den Aufgabenstellungen des Öffentlichen Gesundheitsdienstes erwachsen“. Obgleich diese Aufwendungen eigentlich vom Staat zu übernehmen wären, bürde die Verordnung die Last dem Gesundheitsfonds auf. Der Fonds ist eine wesentliche Stütze des gesetzlichen Krankenversicherungssystems. An ihn reichen die Krankenkassen die Beiträge ihrer Versicherten weiter und erhalten normalerweise das Geld nach einem bestimmten Schlüssel zurück, um es dann an die Krankenhäuser oder an die Kassenärztlichen Vereinigungen auszuzahlen. Für die Tests von asymptomatischen Personengruppen sieht Spahns Verordnung aber vor, dass die Kassenärztevereinigungen das Geld direkt aus der Liquiditätsreserve des Fonds erhalten. (…) Sauer stößt den Kassen auch auf, dass der Testumfang in den Krankenhäusern bisher in keiner Weise reguliert sei: „Ohne Begrenzung werden ökonomisch getriebene Ansätze unnötige und unwirtschaftliche Mengenausweitungen auslösen, die – ohne evidenten Nutzen für die Patientinnen und Patienten – gleichwohl von der Solidargemeinschaft zu tragen wären.“ Die Kassen setzen jetzt darauf, dass das GKV-System die Milliardenkosten für die Tests nur „vorfinanzieren“ muss, das Geld später aber aus dem Bundeshaushalt erstattet bekommt. In dem Papier heißt es, das Gesundheits- und das Finanzministerium wollten im zweiten Halbjahr festlegen, „in welchem Umfang die gesetzliche Krankenversicherung zusätzliche Zuschüsse des Bundes zur Stabilisierung des Beitragssatzes, mithin auch zur Refinanzierung der genannten versicherungsfremden Ausgaben, erhalten sollte“. Allerdings fürchten die Kassen, dass ihr Anliegen in den vermutlich schwierig werdenden allgemeinen Haushaltsberatungen zerrieben wird.“ Artikel von Christian Geinitz vom 02.06.2020 in der FAZ online - Infiziertes Klinikpersonal: Ärzte klagen über fehlende Masken und zu wenig Corona-Tests
„Deutschland hat die erste Corona-Welle gut überstanden. Ärzte und Krankenpfleger standen dabei an vorderster Front – und Tausende haben sich dabei infiziert. Viele klagen nun über zu wenig Schutzausrüstung und fordern mehr Tests. (…) Tausende Ärzte und Krankenpfleger haben sich in der Bundesrepublik seit Beginn der Coronakrise mit dem Virus angesteckt. Jeder vierzehnte Infizierte hierzulande arbeitet in einem Krankenhaus, in ärztlichen Praxen, Dialyseeinrichtungen und bei Rettungsdiensten. Laut den aktuellsten Zahlen des Robert-Koch-Instituts (RKI) vom Samstag gibt es in diesen Einrichtungen mittlerweile 12.813 bestätigte Corona-Fälle. 584 Mitarbeiter mussten selbst in einer Klinik behandelt werden, 20 der Erkrankten starben. Unsere Redaktion hat Mediziner und Pfleger zur Situation befragt, sie um eine Einschätzung gebeten sowie Untersuchungen ausgewertet. Die Recherchen zeigen: Die meisten fühlen sich ausreichend geschützt. Allerdings beklagen viele fehlende Schutzausrüstung in ihren Kliniken. Sie mahnen zudem zu regelmäßigen Corona-Tests sowohl beim Personal als auch bei den Patienten. (…) Die Infiziertenquote bei Ärzten und Krankenpflegern in Deutschland ist tatsächlich immer größer geworden. Sie betrug am 9. April, als das RKI erstmals Zahlen dazu veröffentlichte, noch 4,3 Prozent, am Samstag hingegen schon 7,1 Prozent. Während sich im gleichen Zeitraum die Gesamtzahl aller bestätigten Corona-Fälle in Deutschland nicht einmal verdoppelt hat, hat sich die Summe des infizierten medizinischen Personals fast verdreifacht. (…) Dass die Schilderungen aus Fulda kein Einzelfall sind, zeigt eine Online-Umfrage des Marburger Bundes unter seinen Mitgliedern. 38 Prozent der Ärzte hätten demnach angegeben, adäquate Schutzkleidung nicht in ausreichender Anzahl zur Verfügung zu haben. „Unsere Umfrage hat gezeigt, dass nicht nur Atemschutzmasken fehlen, sondern auch Schutzkittel oder Desinfektionsmittel“, erläutert die Vorsitzende des Marburger Bundes, Johna. „FFP3-Masken – die für bestimmte Tätigkeiten sehr nah am Patienten gebraucht werden – sind derzeit praktisch nicht lieferbar.“ Auch sie bestätigt, dass das Schutzmaterial viel länger als früher eingesetzt werde. „FFP2-Masken und chirurgische Mund-Nasenschutz sind eigentlich Einmalmaterial. Nun werden diese in der Regel eine ganze Schicht lang verwendet. Durch die Mehrfachnutzung besteht gerade beim Ab- und Aufsetzen ein höheres Kontaminationsrisiko für das Personal.“…“ Beitrag von Marco Fieber vom 31. Mai 2020 bei web.de - ver.di und Lebenshilfe fordern ausreichend Schutzausrüstung, Tests und Corona-Prämie für Beschäftigte der Behindertenhilfe
„Die Vereinte Dienstleistungsgewerkschaft (ver.di) und die Bundesvereinigung Lebenshilfe e.V. fordern eine bessere Ausstattung der Einrichtungen für behinderte Menschen mit Schutzausrüstung, Tests und die Zahlung einer Corona-Prämie für die Beschäftigten aufgrund der besonderen Anforderungen während der Pandemie. Die Beschäftigten in der Behindertenhilfe sind derzeit extrem gefordert. Sie tragen die Verantwortung für Menschen mit einem besonderen Schutzbedarf, und gleichzeitig sind Maßnahmen zum Infektionsschutz bei Menschen mit geistiger oder psychischer Beeinträchtigung nur schwer umzusetzen. Zudem sind nicht überall die notwendigen Schutzausrüstungen vorhanden. Der Wegfall der gewohnten Tagesstruktur sowie Maßnahmen zum Gesundheitsschutz verunsichern viele Menschen, die unter den Bedingungen von Behinderung leben. (…) Die Beschäftigten in der Behindertenhilfe ermöglichen Förderung, Assistenz und gesellschaftliche Teilhabe von Menschen mit Beeinträchtigungen. Diese Unterstützung findet z.B. in heilpädagogischen Kitas, durch eine Schulassistenz, in Wohngruppen oder in Werkstätten für Menschen mit Behinderung statt. Schätzungsweise 500.000 Menschen arbeiten in Deutschland in der Behindertenhilfe, davon ca. 250.000 in der direkten Pflege und Betreuung von Menschen mit Behinderung.“ ver.di-Pressemitteilung vom 29.05.2020 - Gesundheitsministerium plant mehr Tests in Krankenhäusern und Pflegeheimen
“Das Bundesgesundheitsministerium arbeitet an einer Ausweitung der Corona-Tests in Krankenhäusern und Pflegeheimen. Noch im Mai wolle er eine Verordnung vorlegen, die präventive Reihen-Tests in Krankenhäusern und Pflegeheimen ermöglicht, sagte Gesundheitsminister Jens Spahn (CDU) der Tageszeitung »Die Welt« (Freitag). »Wenn Patienten und Bewohner aufgenommen oder verlegt werden, sollten Sars-CoV-19-Tests die Regel sein«, sagte er. Im Falle einer Infektion in der Einrichtung soll zudem beim gesamten Personal sowie bei allen Bewohnern und Patienten vorsorglich ein Abstrich gemacht werden. Auch symptomlose Kontaktpersonen von Infizierten sollen erstmals Anspruch auf einen Test haben. Mit der Verordnung will Spahn dem Zeitungsbericht zufolge Kriterien definieren, bei denen die gesetzlichen Krankenkassen zu einer Übernahme der Kosten verpflichtet sind…“ epd-Meldung vom 22.05.2020 in Neues Deutschland online - Forderungen nach Corona-Reihentests in Kliniken werden lauter
„Eine Umfrage des BR zeigt, dass die Kliniken unterschiedlich mit Corona-Tests beim medizinischen Personal umgehen. Fast 12.000 sind laut Robert Koch-Institut infiziert. Nun werden Forderungen nach Reihentestungen lauter. Auch in der zehnten Woche der Corona-Pandemie fühlen sich Pflegekräfte und Ärzte in Krankenhäusern nicht ausreichend geschützt und getestet. Nach der Berichterstattung von BR Recherche haben sich weitere Klinikmitarbeiter gemeldet. (…) Der Deutsche Berufsverband für Pflegeberufe (DBfK) fordert Reihentestungen in allen Pflegeberufen. Schutz, so schreibt der DBfK auf Anfrage, bedeute auch, Arbeitszeit- und Arbeitsschutzgesetze vollständig anzuwenden. Detaillierter äußert sich die Vereinigung der Pflegenden in Bayern (vdpb): Die Vizevorsitzende Agnes Kolbeck überraschen die BR-Recherchen nicht. Ihr Verband bekomme die teils „katastrophalen Verhältnisse“ in den Kliniken gespiegelt, so Kolbeck im BR-Interview. Es mangele zum Teil immer noch an persönlicher Schutzausrüstung, vor allem aber an klaren Testkonzepten. Zum einen fehle es an Plänen, wie und wann das Personal auf Corona getestet werde, zum anderen brauche es klare Konsequenzen aus Testergebnissen. Derzeit würden manche Häuser ihre Mitarbeiter nach einem positiven Test nach Hause in Quarantäne schicken, andere nicht, sagt Agnes Kolbeck…“ Beitrag vom 20.05.2020 bei BR - Bremer Krankenhaus: Vorbereitung auf die Pandemie? Wir spüren nur planloses Chaos
„Seit Wochen bereitet sich dieses Krankenhaus auf die mittlerweile dritte große Welle von Corona-Patient*innen, die intensiv-medizinisch betreut werden müssen, vor. Eine gewisse Anspannung und Unbehagen ist zu spüren. Die beiden ersten Wellen blieben aus. Krankenhausbetten werden aufgerüstet, so dass in diesem Krankenhaus über 100 PatientInnen beatmet werden können/sollen. Wie sollen im Falle eines Falles die vielen Kranken dann versorgt werden, wenn das entsprechende Pflegepersonal nicht vorhanden sind und die bestellten Beatmungsgeräte noch gar nicht eingetroffen sind? (…) Normale Beatmungsgeräte sind ganz einfach (noch) nicht da und wir fragen uns: wer soll all diese PatientInnen betreuen? Wir sollen jetzt pro Pflegekraft vier PatientInnen versorgen, nachdem Spahn ja dieses Gesetz außer Kraft gesetzt hat. Der Pflegedienstleitung ist es durchaus bewusst, dass so mit diesem Personalschlüssel diese Menschen nicht adäquat betreut werden können. Da auch hier die angeblich nicht notwendigen (!?) Op´s radikal reduziert worden sind, sollen dann diese Pflegekräfte aus dieser Abteilung einschließlich Anästhesie den Intensivpflegekräften zuarbeiten. Nur wo sind sie? In vielen Schichten sind sie nicht zu sehen. Also, schreibt man dann auch weiterhin Gefährdungs- bzw. Überlastungsanzeigen. Auch die Logistik und die Ausstattung kann nicht Schritt halten mit den schnell zusätzlich aufgestellten Intensivbetten. Nur ein Beispiel: Ein Verbandswagen muss für vier PatientInnen ausreichend sein. (…) Für etliche KollegInnen ist es klar. Geht dieser Zustand noch eine längere Weile, werden weitere mit einer „Flucht“ aus dem Krankenhausalltag versuchen, sich den krankmachenden Arbeitsbedingungen zu entziehen. Die Krankenhausleitung (Direktion, Geschäftsführung) und die Krisenleitung erwähnen immer wieder in ihren Mitteilungen, wie strukturiert und planvoll sie vorgehen. Die Beschäftigten dagegen empfinden und spüren nur dieses: ein planloses Chaos!“ Bericht von zwei Intensivstationen einer Bremer Klinik am 21. Mai 2020 im Blog corona-at-work.de - [Elf Prozent aller Infizierten arbeiten im Gesundheitsbereich] Gesundheitsberufe und Corona: Gefährdete Helfer
„Sie helfen Kranken und begeben sich dabei oft selbst in Gefahr: Ärzte und Pfleger infizieren sich laut einem Bericht derzeit besonders häufig mit dem Coronavirus. Elf Prozent aller Infizierten arbeiten im Gesundheitsbereich. Infektionen mit dem Coronavirus betreffen in Deutschland überdurchschnittlich oft Mitarbeiter von Krankenhäusern sowie Alten- und Pflegeheimen. Das geht aus Recherchen der „Süddeutschen Zeitung“ hervor. Insgesamt haben sich seit Beginn der Corona-Krise mehr als 20.400 Mitarbeiter aus diesen Bereichen infiziert, teilte das Robert Koch-Institut (RKI) mit. Das entspreche etwa elf Prozent aller Infizierten. Alleine in Krankenhäusern, Praxen, Dialyseeinrichtungen und bei Rettungsdiensten verzeichnete das RKI bislang mehr als 11.800 Corona-Fälle (Stand 18.5. 0 Uhr). In Pflege- und anderen Wohneinrichtungen waren es mehr als 8500 Infektionen. Insgesamt 895 erkrankte Mitarbeiter mussten demnach stationär behandelt werden, 61 sind gestorben. (…) Ein in der vergangene Woche beschlossenes Gesetz von Gesundheitsminister Jens Spahn sieht eine Ausweitung von Tests vor. Sie sollen auch unabhängig von Symptomen auf Kassenkosten ermöglicht werden. Ausdrücklich mehr getestet werden soll auch im Umfeld besonders gefährdeter Menschen, zum Beispiel in Pflegeheimen. Der Marburger Bund fordert seit Wochen, Ärzte und Pflegekräfte sehr viel häufiger auf das Coronavirus zu testen. Derzeit wird nur punktuell getestet.“ Meldung vom 19.05.2020 bei tagesschau.de , siehe auch:- Regelmäßige Corona-Tests gefordert: Jeder neunte SARS-CoV-2-Infizierte ein Heilberufler?
„Sind elf Prozent aller Corona-Infizierten Mitarbeiter in Gesundheitsberufen? Die offiziellen Zahlen geben diesen Befund – noch nicht – her. Doch der Ruf nach regelmäßigen Tests wird lauter…“ Artikel von Denis Nößler vom 19.5.2020 in der Ärzte-Zeitung online
- Regelmäßige Corona-Tests gefordert: Jeder neunte SARS-CoV-2-Infizierte ein Heilberufler?
- Krankes System: Mit der Mordanzeige gegen eine »Reinigungskraft« im Hamburger Krankenhaus UKE erreicht das Ausmaß der Absurditäten im Gesundheitssystem einen neuen Höhepunkt
„… Tatsache ist, im Universitätsklinikum Hamburg-Eppendorf (UKE) wurden 20 an Krebs erkrankte Menschen mit dem Coronavirus infiziert, einige davon mussten intensivmedizinisch und -pflegerisch betreut werden. Drei Patent*innen sind bereits verstorben. (…) Zurzeit sind laut unterschiedlicher Medien »Klinikverantwortliche« und »eine Reinigungskraft« wegen versuchten Mordes angezeigt. In Wirklichkeit handelt es sich nicht um eine Reinigungskraft, sondern um eine sozialdienstleistende Person. Tatsächlich werden solche freiwilligen Hilfskräfte auch als Reinigungskräfte eingesetzt. Warum aber wurde sich medial auf dieses Wording versteift? Weil freiwillige Hilfskräfte als Lückenbüßer*innen eingesetzt werden. Sie federn den Personalnotstand ab, sie putzen, füllen auf, übernehmen Transporte und sogar viele pflegerische und therapeutische Tätigkeiten. Sie sind billige bis kostenlose Arbeitskräfte, oft mit der gleichen Verantwortung wie professionalisiertes Personal. (…) Und jetzt wird eine Person, ein*e Kolleg*in in diesem Ausbeutungssystem wegen versuchten Mordes angezeigt, weil sie krank zur Arbeit erschien. Anstatt diese*n Kolleg*in dafür zu verurteilen, sollte man sich anschauen, was dahintersteht. Eigentlich wissen wir es alle, nur wollen es viele nicht sehen: Der Kapitalismus und das ausbeuterische System zwingen Menschen dazu, krank zur Arbeit zu gehen. Viele bleiben erst dann zu Hause, wenn Krankheitssymptome so stark sind, dass es nicht mehr anders geht. Kaum jemand meldet sich wegen eines Schnupfens oder wegen eines leichten Husten krank. Denn viele haben den Eindruck, am Arbeitsplatz immer präsent sein zu müssen, sie befürchten sonst die Kündigung des Jobs, auf den sie angewiesen sind. Und als wäre der gesellschaftliche Druck nicht hoch genug, werden wir durch Vorgesetzte nicht selten psychisch erpresst. Viele bekommen Sätze zu hören wie: »Du bist selber daran Schuld, wenn es den Patient*innen schlecht geht, du lässt deine Kolleg*innen im Stich!« (…) Auch die Reinigungskräfte sind Teil dieses kaputten Systems: eine schlechte Ausrüstung und Ausbildung, ein utopisches Arbeitspensum – und die Folge? Das Fehlen elementarster Formen der Infektionsprophylaxe. Und jetzt sollen wir auch noch für das Missmanagement und für die menschenverachtenden Bedingungen dieses profitgesteuerten Gesundheitssystems zur Rechenschaft gezogen werden! Wenn wir, die Beschäftigten, neben dem Burnout nicht noch mit einem Bein im Knast stehen wollen, sollten wir uns die Frage stellen, ob wir uns für dieses System weiterhin krumm machen oder gegen diese Zumutungen kämpfen wollen!“ Kommentar von Alena Will und Benny Ehlers vom 18. Mai 2020 in ak 660 - Alexander Jorde: Das Pflegesystem wird uns um die Ohren fliegen
„Die Pflegekräfte sind nicht erst seit der Corona-Krise am Limit. Alexander Jorde spricht über die Situation in der Pflege und wie sich die Beschäftigten selbst organisieren können. (…) Man muss natürlich dazusagen, dass es in der Pflege – egal ob im Krankenhaus, in Pflegeeinrichtungen oder im ambulanten Pflegedienst – schon vorher so war, dass viele Kolleginnen und Kollegen an der Belastungsgrenze arbeiteten. Die Pandemie kommt jetzt noch on top und wirft alles ein bisschen durcheinander. Aber grundsätzlich war die Belastung auch vorher schon enorm. (…) Was ich als sehr krass empfunden habe, war, dass eine der ersten Maßnahmen der Politik – insbesondere in Person von Herrn Spahn – die Aussetzung der Personaluntergrenzen war. Diese wurden in der letzten Legislaturperiode beschlossen und für einige wenige Krankenhausstationen auch bereits eingeführt, wobei weitere Stationen folgen sollten. Die gesetzlichen Personaluntergrenzen legen fest, dass es eine maximale Anzahl von Patienten gibt, die eine Pflegekraft in einem bestimmten Bereich betreuen darf. (…) In Niedersachsen beispielsweise haben im letzten Jahr ein Drittel der Kliniken Betten in den betroffenen Stationen fast permanent gesperrt, weil sie zu wenig Personal hatten, um diese Untergrenzen einzuhalten. Ich kenne Intensivstationen, in denen aufgrund der Personaluntergrenzen fast die Hälfte der Betten gesperrt waren. Wenn diese Untergrenzen nun aufgehoben werden, werden alle diese Betten wieder eingesetzt. In der Altenpflege gibt es Bereiche, in denen deutlich über 50 oder noch mehr Bewohner auf eine Pflegekraft kommen. Und durch Corona ist es jetzt zu einer noch größeren Mehrbelastung gekommen. Man muss sich Schutzkleidung anziehen, Schutzmasken häufig wechseln. Das ist eine zusätzliche Arbeitsbelastung und verschärft natürlich noch einmal die Situation. (…) Ich hätte mir gewünscht, dass die Gewerkschaft, die ja die Tarifverträge für Pflegende aushandelt, die Forderung nach fünf Euro steuerfreier Zulage pro Stunde aufstellt. Dadurch schafft man einen Anreiz dafür, dass die Menschen mehr arbeiten, die sagen, dass sie die Kapazitäten haben. Dadurch hätte man viel mehr erreicht als damit, alle Schutzmaßnahmen außer Kraft zu setzen. Jetzt wird gesagt: »Ihr könnt im Prinzip zwölf Stunden arbeiten ohne Personaluntergrenzen – für den gleichen Lohn, den ihr vorher auch bekommen habt.« Das ist natürlich nicht der richtige Schritt – und ich glaube, das wird uns spätestens nach Corona oder in ein paar Jahren um die Ohren fliegen, weil sich sehr viele auch jetzt schon dafür entscheiden, ihre Arbeitszeit zu reduzieren oder den Beruf zu verlassen…“ Interview mit Alexander Jorde geführt von Steve Hudson und Ines Schwerdtner am 14.05.2020 im Jacobin - [Gegen das Fallpauschalen-System] Ex-Ethikrat Nagel fordert grundlegende Reform der Krankenhausfinanzierung
„Der langjährige Ethikrat Eckhard Nagel sieht das Fallpauschalen-System langfristig am Ende. Er plädiert für eine Reform der deutschen Krankenhausfinanzierung. Der Bayreuther Medizinprofessor und langjährige Ethikrat Eckhard Nagel fordert als Konsequenz aus der Coronavirus-Krise eine grundlegende Reform der deutschen Krankenhausfinanzierung. „Das heutige Fallpauschalen-System, wie wir es in Deutschland entwickelt haben, ist sicher kein Zukunftsmodell“, sagte Nagel unserer Redaktion. „Die generell gute Gesundheitsversorgung in Deutschland war ein wichtiges Fundament, um mit der Pandemie umgehen zu können“, sagte Nagel. (…) Er plädierte für mehr generelle Grundfinanzierungen, nicht nur wie geplant für Pflegekräfte, sondern auch in der Ärzteschaft, sowie „neue Anreizsysteme für eine bessere Versorgung, die zum Beispiel den Erfolg einer Behandlung in die Vergütung mit einbeziehen“. In verschiedenen Ländern zeige sich, dass dies nicht zu Fehlanreizen, sondern zu einer Verbesserung der Versorgung führen könne. „Deshalb ist es aller Mühen wert, darüber zu diskutieren, wie man ein neues differenziertes Finanzierungssystem aufsetzen kann“, sagte Nagel. „Denn unser heutiges Fallpauschalen-System wird nach meiner Ansicht zu einem Ende kommen.“ Die positiven Erfahrungen in der Krise änderten nichts an den großen Problemen der deutschen Klinken: „Wo Pflegemangel geherrscht hat, wird er auch weiterbestehen, wo Fachkräfte- und Ärztemangel herrscht, wird er weiterhin zu beklagen sein“, warnte der Medizinmanagement-Professor. Zudem werde die Verschärfung der Hygienemaßnahmen an den Krankenhäusern eine überfällige Lehre sein, die allerdings zu Mehrbelastungen in der alltäglichen Arbeit führen werde…“ Artikel von Michael Pohl vom 14.05.2020 in der Augsburger Allgemeinen Zeitung online - [Gesundheitsbündnisse berichten am 19.05.20] Corona: Brennglas der Krise des Gesundheitssystems – „Jetzt reden wir!“
“Die Ausbreitung des neuartigen Coronavirus SARS-CoV-2 stellt im Gesundheitswesen sowohl die Beschäftigten als auch die Patient*innen vor Herausforderungen. Im Mittelpunkt der gesellschaftlichen Organisation der Krankheitseindämmung stehen – neben individuellen Infektionsschutzmaßnahmen – die Behandlungskapazitäten in den Krankenhäusern und die Bedingungen zur Pflege von Senior*innen und besonders gefährdeten Gruppen. Berichte von den „Brennpunkten der Pandemie“ (SZ, 22.04.2020), vom „Altenpfleger in Mülltüten“ (FAZ, 28.04.2020) und über „Die wachsende Angst vor dem Infektionsherd Krankenhaus“ (WELT, 16.04.2020) verdeutlichen: In den Gesundheits- und Pflegeeinrichtungen verdichtet sich die Pandemie und die aktuelle Krise. Dabei stellen sich weitreichende gesundheitspolitische Fragen, die vor allem auch die Beschäftigten und Patient*innen selbst beantworten können und wollen. Nicht erst seit der Coronakrise treten hierfür deutschlandweit zivilgesellschaftliche Gesundheits- und Pflegebündnisse für gute Arbeitsbedingungen und Versorgung ein und stellen Forderungen nach einem bedarfs- statt marktgerechten Gesundheitswesen. In der virtuellen Pressekonferenz geben Pfleger*innen, Patient*innen und Aktivist*innen Einblick in ihre derzeitige Situation und stellen gesundheitspolitische Forderungen und Konsequenzen aus der Corona-Krise vor. (…) Technik: Das Gespräch findet via Zoom statt. Zuschauer*in können unter folgendem Link teilnehmen: https://us02web.zoom.us/j/86735862386 …“ Ankündigung beim Gesundheitsbündnis NRW zur virtuellen Pressekonferenz der Gesundheits- und Pflegebündnisse am 19.05.2020, 10.30-11.15 Uhr - Tag der Pflegenden: Lob und Nebelkerzen
„Es ist wie am Muttertag: Einmal im Jahr werden Pflegekräfte am »Tag der Pflegenden« mit Lobpreisungen überhäuft. An den restlichen 364,24 Tagen des Jahres sollen sie ihre Arbeit tun, ohne zu klagen und zu fordern. Besonders viel Lob gab es zum diesjährigen 12. Mai, da die Pflegeberufe allseits als »systemrelevant« erkannt wurden. Das gilt freilich nicht nur für sie, sondern für sämtliche Beschäftigte in den Gesundheitseinrichtungen. Allerdings spüren die ebenso »systemrelevanten« Reinigungskräfte im Krankenhaus und die Hauswirtschafterin im Pflegeheim bislang wenig von der Wertschätzung. Doch auch Pflegekräfte haben allen Grund, ihre Forderungen lautstark auf die Straße zu tragen, wie sie es am Dienstag in etlichen Städten getan haben. Denn die Bedingungen, unter denen sie ihre lebenswichtige Arbeit machen müssen, sind nicht erst seit der Verbreitung des Coronavirus miserabel. (…) Und auch in Zeiten der Pandemie hat die Bundesregierung sofort klar gemacht, dass die Bedürfnisse der Gesundheitsbeschäftigten zurückstehen sollen: Als erste Maßnahmen setzte sie die ohnehin unzureichenden Untergrenzen beim Pflegepersonal in einigen Krankenhausbereichen aus und ermöglichte Dienstverpflichtungen, 12-Stunden-Schichten sowie verkürzte Ruhezeiten. Bis heute mangelt es vielerorts an qualitativ hochwertigem Schutzmaterial. Trotz des Geredes scheint die Gesundheit der Beschäftigten nicht viel zu zählen. 54 von ihnen sind laut Robert Koch-Institut bereits an Covid-19 verstorben. Durchschnittsalter: 41 Jahre, drei von vier waren Frauen. »Klatschen allein hilft nicht«, heißt es denn auch bei den Protesten. Die Beschäftigten wollen, dass Politiker und Klinikchefs endlich handeln. Das heißt unter anderem: rasche Einführung bedarfsgerechter und verbindlicher Personalvorgaben in Krankenhäusern und Pflegeheimen, flächendeckende Tarifbindung in der Altenpflege, ein Ende von Lohndumping durch Ausgliederungen und Privatisierung. Und nicht zuletzt: Die Beseitigung des Finanzierungssystems der Fallpauschalen, das die Krankenhäuser in eine gnadenlose Preiskonkurrenz getrieben hat. Die Regierung steht in diesen Fragen mittlerweile gehörig unter Druck. Um diesen zu mindern, setzt ihr Pflegebevollmächtigter Andreas Westerfellhaus auf Ablenkung…“ Kommentar von Daniel Behruzi in der jungen Welt vom 13.05.2020 - [ver.di: virtuelle Townhall am 12. Mai 20] Schluss mit Ausreden: Applaus reicht nicht- jetzt handeln!
„Beschäftigte des Gesundheits- und Sozialwesens treffen in einer virtuellen Townhall am 12. Mai auf Politik und Arbeitgeber – und lassen keine Ausreden mehr gelten. Anmelden und mitmachen. Zu wenig Personal im Gesundheitswesen, zu schlechte Bezahlung in der Altenpflege, arbeiten bis zum Umfallen. Seit Jahren prangern wir die Missstände an. Und nicht erst seit der Corona-Krise kennen wir das Spiel. Es gibt ein Problem und alle schieben sich die Verantwortung zu: Die Politik sagt, die Arbeitgeber*innen seien schuld. Die Arbeitgeber*innen sagen, die Politik sei schuld. Und am Ende ändert sich für die Beschäftigten wenig. Am Tag der Pflegenden soll Schluss sein mit den Ausreden. Wir bringen Politik und Arbeitgeber an einen Tisch mit den Beschäftigten, damit sich niemand aus der Verantwortung schleichen kann. Wie läuft das ab? ver.di richtet ein virtuelles Townhall Meeting aus. 12. Mai, 18:30 – 20:00 Uhr. In einer Videokonferenz konfrontieren Branka Ivanisevic, Altenpflegerin; Dana Lützkendorf, Fachkraft für Intensivpflege; Kerrin Deisler, medizinisch-technische Assistentin die Verantwortlichen mit ihren Erfahrungen und Erwartungen. ver.di lädt alle Beschäftigten aus dem Gesundheitswesen ein teilzunehmen. Seid dabei, bringt euch ein und zeigt, dass hinter den Sprecherinnen und Forderungen Hunderte stehen…“ Infos und Anmeldung bei ver.di Gesundheit & Soziales zu #townhall1205.- Siehe nun den Bericht bei ver.di, Fachbereich Gesundheit, Soziale Dienste, Wohlfahrt und Kirchen : #townhall1205: Beschäftigte reden Tacheles
„Kolleginnen senden bei Internetdebatte am Tag der Pflegenden eine klare Botschaft an die Vertreter der Arbeitgeber und der Bundesregierung: Applaus reicht nicht – jetzt handeln! Klare Worte, eindeutige Botschaften: Die Kolleginnen, die am Tag der Pflegenden (12. Mai 2020) beim ver.di-»Townhall-Meeting« stellvertretend für tausende Beschäftigte aus dem Gesundheitswesen sprachen, nahmen kein Blatt vor den Mund. Sie konfrontierten die anwesenden Regierungs- und Arbeitgebervertreter mit ungeschminkten Berichten über die Zustände in Kliniken, Pflegeheimen und anderen Einrichtungen. Und sie artikulierten deutlich ihre Forderungen: mehr Personal, eine flächendeckend gute Bezahlung und den Schutz ihrer Gesundheit…“
- Siehe nun den Bericht bei ver.di, Fachbereich Gesundheit, Soziale Dienste, Wohlfahrt und Kirchen : #townhall1205: Beschäftigte reden Tacheles
- ver.di fordert zum Tag der Pflegenden dauerhaft bessere Arbeitsbedingungen
„ver.di fordert zum Tag der Pflegenden am 12. Mai eine dauerhafte Verbesserung der Arbeitsbedingungen in Krankenhäusern und Pflegeeinrichtungen. „Es ist schön, wenn die Menschen für Pflegekräfte applaudieren. Damit die Anerkennung ihrer wichtigen Rolle für die Gesellschaft glaubwürdig bleibt, braucht es jetzt aber auch verlässliche Zusagen für dauerhaft bessere Arbeitsbedingungen“, sagte Sylvia Bühler, die im ver.di-Bundesvorstand für das Gesundheits- und Sozialwesen zuständig ist. „Die Beschäftigten in der Kranken- und Altenpflege sorgen an jedem Tag und in jeder Nacht dafür, dass kranke und pflegebedürftige Menschen gut versorgt werden. Dafür fordern sie Respekt auch im Alltag – das heißt vor allem gute Arbeitsbedingungen und mehr Personal.“ Bühler kritisierte, dass grundlegende Schutzrechte der Beschäftigten außer Kraft gesetzt blieben, während zugleich wieder verstärkt planbare Operationen durchgeführt würden. „Die pauschale Aussetzung der Pflegepersonaluntergrenzen in Kliniken und die mögliche Ausweitung der Arbeitszeiten auf zwölf Stunden pro Schicht müssen unverzüglich aufgehoben werden“, so die Gewerkschafterin. „Die Beschäftigten verlangen, dass auch ihre Gesundheit geschützt wird. Dazu gehört, dass sie regelmäßig auf den Corona-Virus getestet werden und genug qualitativ hochwertiges Schutzmaterial zur Verfügung steht. Das ist längst noch nicht überall der Fall.“ Am Dienstag werden zum Tag der Pflegenden vielerorts Aktionen stattfinden, entweder im virtuellen Raum oder unter Beachtung des Abstandsgebots. Zudem gibt es eine Internet-Debatte von Beschäftigten aus dem Gesundheitswesen mit dem Pflegebevollmächtigten der Bundesregierung, Andreas Westerfellhaus. Als Arbeitgebervertreter werden der Präsident der Deutschen Krankenhausgesellschaft, Dr. Gerald Gaß, und der Vorsitzende des Bundesverbands der Arbeiterwohlfahrt, Wolfgang Stadler, teilnehmen…“ Pressemitteilung vom 11. Mai 2020 - [ver.di] Krankenhäuser und Covid-19: Schutzrechte wiederherstellen
„Die Beschäftigten der Krankenhäuser und ihre Gewerkschaft ver.di haben bereits vor der Corona-Pandemie immer wieder auf den Personalmangel und die Überlastung hingewiesen. Die Zahl der Patient*innen und die Schwere der Fälle hat sich Jahr für Jahr gesteigert. Zugleich haben die Kliniken den permanenten Spardruck des Finanzierungssystems über Fallpauschalen (Diagnosis Related Groups, DRG) an die Belegschaften weitergegeben – durch Arbeitsverdichtung, Personalabbau und Outsourcing. Das rächt sich jetzt. Die Personaldecke ist so auf Kante genäht, dass sich die politisch Verantwortlichen nur mit der Aussetzung von Schutzrechten zu helfen wissen. Beschäftigte sollen bis zu zwölf Stunden arbeiten können, bei verkürzter Ruhezeit. Die ohnehin unzureichenden und auf wenige Bereiche beschränkten Pflegepersonaluntergrenzen wurden generell ausgesetzt. Das sind die falschen Signale. Denn gerade jetzt braucht es mehr Personal – nicht weniger. Die Kolleginnen und Kollegen in den Krankenhäusern geben alles, um ihre Patient*innen zu schützen. Doch sie fordern auch für sich Schutz vor Ansteckung und Überlastung. Sie wollen, dass ihre Leistungen in dieser Pandemie honoriert werden – auch finanziell. Und vor allem: Es müssen grundlegende Konsequenzen aus den aktuellen Erfahrungen gezogen werden. Im Gesundheitswesen haben Methoden Einzug gehalten, die man sonst aus der industriellen Produktion kennt. Dazu gehören auch der Abbau von Lagerkapazitäten und Produktionsverlagerungen in Niedriglohnländer, die zum aktuell dramatischen Mangel an Schutzausrüstung beigetragen haben. Dieser bedeutet für die Beschäftigten eine zusätzliche Belastung und Gesundheitsgefährdung. Oft muss der Mundschutz den ganzen Tag getragen werden, manchmal über mehrere Schichten hinweg. Auf Intensivstationen mit Covid-19-Patient*innen müssen Pflegekräfte oft stundenlang im Behandlungszimmer ausharren, um Schutzmaterial zu sparen. Arbeitgeber und Staat tragen die Verantwortung, solche Zustände zu beenden und für genug qualitativ hochwertiges Schutzmaterial in den Einrichtungen zu sorgen. Zudem müssen Beschäftigte in Krankenhäusern regelmäßig auf eine Infektion mit dem Coronavirus getestet werden. Dafür müssen die Testkapazitäten massiv ausgeweitet werden und die Testung des Gesundheitspersonals Priorität haben. Die Quarantänezeit sollte wann immer möglich die vollen 14 Tage andauern. Beschäftigte, die zu Risikogruppen gehören, dürfen nicht in der direkten Versorgung von Covid-19-Patient*innen eingesetzt werden…“ Flugblatt vom Mai 2020 - [Baden-Württemberg] Offener Brief: Jetzt handeln – Klatschen reicht uns nicht
„Offener Brief zur Corona-Pandemie von Betriebsräten, Personalräten, Mitarbeitervertretungen, Jugend- und Auszubildendenvertretungen aus dem Sozial- und Gesundheitswesen in Baden-Württemberg. Betriebliche Interessenvertretungen aus dem Sozial- und Gesundheitswesen wenden sich gemeinsam mit der Vereinten Dienstleistungsgewerkschaft – ver.di und BIV – Betriebliche Interessenvertretungen der Krankenhäuser Baden-Württembergs mit einem Offenen Brief an Ministerpräsident Kretschmann und Sozialminister Lucha: „Wir erleben in der COVID-19-Krise überdeutlich, dass unsere Arbeit durch eine jahrzehntelang verfehlte Politik und in der Folge auf Effizienz und Wettbewerb getrimmte Einrichtungen und Dienste massiv erschwert wird. Die Erkenntnis ist nicht neu, die Krise legt nun aber die Mängel frei.“ „Wir erwarten ernsthafte Bereitschaft zu Veränderungen, nachhaltiges Handeln und einen ernsthaften Dialog mit uns Expert*innen.“…“ Offener Brief vom 08.05.2020 bei ver.di Baden-Württemberg - Corona: Über 10.000 infizierte Ärzte und Pfleger – 16 Tote
„Angesichts eines deutlichen Anstiegs der Coronavirus-Infizierten im Gesundheitswesen auf über 10.000 Beschäftigte mit mehr als einem Dutzend Todesfällen fordern die Fraktion der Linken und Mediziner Arbeitsentlastungen für Krankenpfleger. Wie jüngste Daten des Robert-Koch-Instituts belegen, stieg die Zahl der Infektionen von Beschäftigten im Gesundheitssystem binnen zwei Wochen um über ein Drittel auf 10.101 registrierte Fälle, die Zahl der im Zusammenhang mit einer Corona-Infektion verstorbenen Berufstätigen im medizinischen Bereich hat sich seit Mitte April auf 16 verdoppelt. Das Robert-Koch-Institut geht von einer hohen Dunkelziffer aus. Die tatsächlichen Zahlen könnten dabei noch höher liegen, da nur für zwei Drittel aller Corona-Infektionen entsprechende aufgeschlüsselte Daten vorlägen, erklärt das RKI in seinem Lagebericht. “Da Angaben zu Betreuung, Unterbringung und Tätigkeit bei 36 Prozent der Fälle noch fehlen, sind die Anteile der Fälle mit einer Betreuung, Unterbringung oder Tätigkeit in den einzelnen Einrichtungen als Mindestangaben zu verstehen“, heißt es in dem Bericht. Zu den medizinischen Einrichtungen zählt das Institut Krankenhäuser, ärztliche Praxen, Dialyseeinrichtungen und Rettungsdienste. Die stellvertretende Fraktionschefin der Linken, Susanne Ferschl fordert eine Verkürzung der Arbeitszeit für das Pflegepersonal und beruft sich auf Erkenntnisse der Behandlung von Corona-Patienten. „Kürzere Arbeitszeiten im Gesundheitswesen retten Leben und schützen die Gesundheit von Beschäftigten und Patienten“, sagte Ferschl unserer Redaktion. Sie fordert generelle Sechs-Stunden–Schichten und eine sofortige Rücknahme der Corona- Arbeitszeitverordnung, die zwölf Stunden Arbeitstage zulässt…“ Artikel von Michael Pohl vom 06.05.2020 in der Augsburger Allgemeinen online - ver.di fordert flächendeckende Corona-Testungen der Beschäftigten im Gesundheits- und Sozialwesen
„ver.di begrüßt die Ausweitung der Corona-Testungen, die in dem am heutigen Donnerstag (7. Mai) im Deutschen Bundestag beratenen Zweiten Bevölkerungsschutzgesetz vorgesehen ist und fordert die flächendeckende Testung von Beschäftigten im Gesundheits- und Sozialwesen. Statt wie geplant die Finanzierung der Testungen der Gesetzlichen Krankenversicherung aufzubürden, müssten die Kosten durch die öffentliche Hand getragen werden. „Regelmäßige und symptomunabhängige Tests des Personals sind nicht nur in Krankenhäusern notwendig, sondern vor allem auch in Altenpflege-Einrichtungen und in der Behindertenhilfe“, sagte Sylvia Bühler, Mitglied im ver.di-Bundesvorstand. Solche Tests schafften Sicherheit für Patientinnen und Patienten, für Pflegebedürftige und für Menschen mit Behinderungen, und sie dienten dem dringend notwendigen Arbeits- und Gesundheitsschutz der Beschäftigten. Schließlich werde das Corona-Virus zunehmend auch innerhalb von Krankenhäusern und Pflege-Einrichtungen verbreitet. Bühler: „Dieser gefährliche Trend muss dringend gestoppt werden.“ Die Übertragung der Kosten der Tests auf die Beitragszahlerinnen und Beitragszahler der Gesetzlichen Krankenversicherung lehne ver.di entschieden ab, so Bühler weiter. „Diese Tests dienen der epidemiologischen Gefahrenabwehr und sind eine gesamtgesellschaftliche Aufgabe, sie gehören in die Finanzverantwortung der öffentlichen Hand und sind aus Steuermitteln abzudecken.““ Pressemitteilung vom 7. Mai 2020 - Corona im Asklepios Klinikum Harburg: „Bei uns wurde ein Ausbruch vertuscht“
“… Das Asklepios Klinikum Harburg, ein 868-Betten-Krankenhaus im Süden Hamburgs, kämpft seit Wochen mit einem Corona-Ausbruch. Drei Patienten, darunter eine Frau Jahrgang 1970, sind gestorben, ein weiterer ist erkrankt. Alle waren Patienten des Krankenhauses und haben sich womöglich erst dort mit dem Virus infiziert. Fünf Klinikmitarbeiter wurden positiv auf Covid-19 getestet, 48 Ärzte und Pfleger mussten in Quarantäne. Zwei Stationen sind geschlossen. Das Virus kam wahrscheinlich mit zwei betagten Patienten aus einem Pflegeheim in Hamburg-Wilhelmsburg in das Allgemeine Krankenhaus. Der Fall zeigt exemplarisch, wie gefährlich es für einen Klinikbetrieb sein kann, wenn Seniorenheime nicht sorgfältig jeden Verdacht auf Corona bei einer Überstellung von Patienten melden. Am 1. und 2. April trafen zwei Bewohner des Pflegeheims „Am Inselpark“ aus Hamburg-Wilhelmsburg in dem Asklepios-Krankenhaus ein, sie hatten urologische Beschwerden. Dass die beiden Männer aber möglicherweise auch mit dem Coronavirus infiziert waren, teilte das Seniorenzentrum des Betreibers KerVita der Klinik nicht mit. Denn bereits am 31. März war in dem Heim ein erster Bewohner positiv auf Covid-19 getestet worden. Einer der beiden eingelieferten Senioren war noch am Morgen des 2. April kurz vor seinem Transport nach Harburg auf Covid-19 getestet worden. Am selben Tag meldete auch das zuständige Gesundheitsamt einen Corona-Ausbruch in dem Heim an das Robert Koch-Institut in Berlin. Die Klinikärzte erfuhren von alledem nichts. Ohne die beiden Senioren zu testen, legten sie den einen auf die Urologie, den anderen auf die Thoraxchirurgie. Gut eine Woche später mussten beide Stationen schließen: wegen Corona. (…) Die beiden Klinikmitarbeiterinnen, die sich beim SPIEGEL meldeten, sind überzeugt davon, dass sich die Patienten erst auf ihren Stationen angesteckt haben – so wie mehrere ihrer Kolleginnen und Kollegen. Letzteres räumt auch Asklepios ein: Fünf Angestellte auf den betroffenen Stationen wurden positiv auf das Virus getestet, darunter der Arzt, der den Patienten auf der Urologie operierte. Sie würden sich immer noch zu Hause erholen. Insgesamt wurden sechs Ärzte und 42 Pflegekräfte in Quarantäne geschickt. Die beiden Stationen sind seit dem 9. April geschlossen.“ Artikel von Annette Bruhns vom 07.05.2020 beim Spiegel online - Die Anstalt vom 5. Mai 2020: Krankenhaussystem à la Bertelsmann
Video der Sendung vom 05.05.2020 beim ZDF (48 min, verfügbar bis 10.05.2021), dort auch einige Einzelclips der Sendung – besondere Empfehlung: Fach- und Sachgeschichten : „ein kleines Erklärstück zum deutschen Krankenhaussystem. Kabarett kinderleicht erklärt“ sowie Lobbyargumente widerlegen : Undercover-Patient Newton scheitert erneut mit einem Versuch, sich in die Klinik einzuschleusen. Auf frischer Tat ertappt, möchte er vom Klinik-Manager wissen, wer dafür verantwortlich ist, dass die deutschen Krankenhäuser zu „Profit-Zentren“ geworden sind… Und natürlich der umgangreiche Faktencheck zur Sendung vom 5. Mai 2020 - Protest gegen neuen Personalschlüssel: Fast alle Intensivpfleger an Klinik in Ottweiler melden sich krank – [ver.di Saarland] Gefährliche Pflege im Marienkrankenhaus in St. Wendel
- Katholische Marienhaus-Kliniken im Saarland sollten Personalschlüssel auf Anweisung der Konzernspitze reduzieren – ohne Notsituation
“In der Marienhaus-Unternehmensgruppe scheint die katholische Soziallehre nicht viel zu zählen. Statt dessen wird ihr Handeln offenbar von betriebswirtschaftlichen Kennziffern bestimmt, seit der ehemalige Asklepios-Manager Thomas Wolfram das Amt als »Generalbevollmächtigter« der Klinikkette übernommen hat. Dafür spricht nicht nur der Beschluss, mitten in der Coronapandemie die Krankenhäuser St. Goar und Oberwesel in Rheinland-Pfalz zu schließen (siehe jW vom 30. April). Auch der Versuch, sich mittels Kurzarbeit durch Geld der Arbeitslosenversicherung zu sanieren, spricht Bände – scheitert aber wohl am Unwillen der Bundesagentur für Arbeit. Ebenfalls scheitern könnte eine weitere Idee des Generalbevollmächtigten Wolfram, der sein »Handwerk« beim für seine Methoden bekannten Asklepios-Konzern gelernt hat: Er wies die saarländischen Marienhaus-Kliniken an, die Personalbesetzung im Dienst zu reduzieren. Die örtlichen Leitungskräfte scheinen das aber nun nicht umzusetzen, nachdem harsche Kritik von Verdi zu einer öffentlichen Debatte geführt hatte. (…) Ausgerechnet einige »Mitarbeitervertreter« versuchten daraufhin, ihrem Chef beizuspringen. Der Vorsitzende der Mitarbeitervertretung (MAV) des Marienkrankenhauses St. Wendel, Frank Decker, und sein Stellvertreter Werner Wilhelm erklärten Anfang vergangener Woche in einem offenen Brief, Wolfram versuche lediglich, »Marienhaus vor dem Konkurs zu bewahren«. Quetting warfen sie vor, Arbeitsplätze zu gefährden. Der Verdi-Mann versuche wohl, »den sogenannten dritten Weg abzuschaffen. Der erlaubt es nämlich den Kirchen und so auch uns als kirchlichem Träger, dass wir unsere Angelegenheiten selbst regeln. (…) »Hier geht es nicht um den dritten Weg, sondern darum, Schaden von Beschäftigten und Patienten abzuwenden«, betonte Quetting am Montag auf jW-Nachfrage. »Wenn Klinikbetreiber versuchen, die wegen der Pandemie erfolgte Aufweichung von Schutzrechten für betriebswirtschaftliche Zwecke auszunutzen, muss dem ein Riegel vorgeschoben werden – unabhängig von der Trägerschaft.« Hintergrund ist das von Bundesgesundheitsminister Jens Spahn (CDU) verfügte Aussetzen der Pflegepersonaluntergrenzen, die ohnehin nur für wenige Bereiche der Krankenhäuser gelten. Die Geschäftsführerin der Arbeiterkammer des Saarlandes, Beatrice Zeiger, forderte am 27. April gegenüber der Saarbrücker Zeitung denn auch, Spahns Rechtsverordnung wieder außer Kraft zu setzen. Sie wies darauf hin, dass Kliniken die Untergrenzen nur dann unterschreiten dürfen, wenn sie durch Pandemiepatienten überlastet und alle anderen Personalressourcen ausgeschöpft sind. Von einer Überlastung infolge der Pandemie kann in den Marienhaus-Kliniken indes keine Rede sein…“ Artikel von Daniel Behruzi in der jungen Welt vom 05.05.2020 - Protest gegen neuen Personalschlüssel: Fast alle Intensivpfleger an Klinik in Ottweiler melden sich krank
„In den Krankenhäusern von Marienhaus gelten neue Personalschlüssel. In Ottweiler meldeten sich aus Frust daraufhin zahlreiche Intensivpfleger krank. Sie sprechen von „unhaltbaren Zuständen“. Die Vorwürfe wiegen schwer: Die Gewerkschaft Verdi spricht davon, dass pflegerische Standards in den Marienhauskliniken außer Kraft gesetzt würden. Das sei „lebensgefährlich, unverantwortlich und zugleich gesundheitsgefährdend“. Die Corona-Krise solle genutzt werden, um „in übelster Ausbeutung die Marienhaus-Gruppe zu sanieren“, sagt der Verdi-Pflegebeauftragte Michael Quetting. Was ist geschehen? Der katholische Träger Marienhaus hat den Personalschlüssel geändert. Auf den Intensivstationen kommen auf eine examinierte Pflegekraft laut Marienhaus statt 2,5 jetzt bis zu vier Patienten. Auf den Normalstationen ändert sich der Schlüssel von 1:10 bis 1:12 auf jetzt 1:15. (…) In Ottweiler haben sich aus Protest gegen den neuen Stellenschlüssel am Freitag 16 der 18 Beschäftigten der Intensivstation krankgemeldet, wie eine Krankenschwester der SZ berichtet. Die Pflegedienstleitung der Marienhausklinik habe daraufhin die Station abmelden wollen, doch dies habe „Doktor Wolfram“, also der Generalbevollmächtigte von Marienhaus, untersagt. Von „unhaltbaren Zuständen“ berichteten Pflegekräfte. Die Probleme gebe es schon seit einem Jahr, also lange vor Corona. Jeder Tag, an dem nicht gehandelt werde, könnten Menschen sterben…“ Artikel von Daniel Kirch vom 28. April 2020 in der Saarbrücker Zeitung online , siehe dazu: - [ver.di Saarland] Gefährliche Pflege im Marienkrankenhaus in St. Wendel
“Als „lebensgefährlich; unverantwortlich und zugleich gesundheitsgefährdend“ bezeichnete der ver.di-Pflegebeauftragte Michael Quetting heute eine Anweisung des Generalbevollmächtigen der Marienhausgruppe Dr. Thomas Wolfram, die im Marienhaus St. Wendel alle pflegerischen Standards außer Kraft setzt. Laut Berichten von Beschäftigten soll das Personal dort, obwohl keine Corona-Sonderlage in St. Wendel vorliegt, so ausgedünnt werden, dass auf vier Intensivpatienten lediglich eine Pflegekraft, auf Normalstation eine Pflegekraft auf 15 Patienten und im Nachtdienst prinzipiell nur eine Pflegekraft pro Einheit zur Verfügung stehen. Die Auszubildenden sollen ebenfalls voll eingesetzt werden. „Dies ist gefährliche Pflege.“ konstatiert der ver.di-Gesundheitsexperte und meint: „Nachdem offensichtlich die Kurzarbeitspläne nicht in der gewünschten Form aufgingen, beabsichtigt man nun, die Corona-Krise zu nutzen, um unterhalb aller Standards in übelster Ausbeutung die Marienhausgruppe zu sanieren.“ Dr. Wolfram kommt von dem privaten Asklepios-Konzern und soll die Marienhausgruppe wohl auf Vordermann bringen. Mit seinem Namen sei ein „katholische Chaos“ an Rhein, Mosel und Saar entstanden, meint der Gewerkschaftsvertreter. Krankenhäuser würden geschlossen und Beteiligungen geschaffen und wieder aufgelöst. Nicht der Mensch stände im Mittelpunkt, sondern lediglich der wirtschaftliche Erfolg. Quetting „Solchen Leuten darf man nicht das Gesundheitswesen überlassen. Ich erwarte endlich ein Machtwort des Bischofs und der staatlichen Aufsichtsbehörden.“ Die Marienhausgruppe kommt nicht aus den Schlagzeilen heraus. Die Bürger in Ottweiler vermuteten schon mit der Verlegung von Einrichtungen und Personal nach St. Wendel, dass damit Fakten für die Schließung geschaffen werden sollten. Die Rolle in Lebach bleibt über die Hildegard-Stiftung zwielichtig und ist ungeklärt. Letzte Woche wurde bekannt, dass man den Betriebsführungsvertrag für die Altenhilfeeinrichtungen der ctt gekündigt hat, wegen der Verantwortung der Marienhaus für die Schließung von Lebach sind auch dort viele Fragen offen. Selbst gegenüber der Landesregierung spielt die Gruppe offensichtlich mit verdeckten Karten. Quetting betont, es reiche nicht von angeblichen Helden des Alltages zu sprechen, sie dann aber schamlos auszunutzen. Wenn man Pflege als systemrelevant bezeichne, dann solle man sie auch menschenwürdig behandeln. Das Beispiel zeige wie dringend nötig eine andere Gesundheitspolitik sei.“ Mitteilung vom 27. April 2020 von Michael Quetting (ver.di FB 3 im Saarland)
- Katholische Marienhaus-Kliniken im Saarland sollten Personalschlüssel auf Anweisung der Konzernspitze reduzieren – ohne Notsituation
- Pflege nach Corona: Der Exodus wird kommen
„Wird es mit der Ökonomisierung sozialer Arbeit nach der Pandemie aufhören? Unser Autor – der auch Pfleger ist – hat wenig Hoffnung. (…) Ich erwarte eine baldige Rezession und damit auch eine Beschneidung finanzieller Mittel im Sozialen. Damit einhergehend erwarte ich eine Verschärfung der Professionalisierungsdebatte. Soziale Arbeit soll effektiver und messbarer werden, das heißt mehr Bürokratie, mehr Hierarchie. Das wird zulasten der Menschen gehen, die Hilfe brauchen. Und diese Menschengruppe wird größer werden. Von den Sozialarbeiter:innen wird nur wenig Widerspruch kommen: An den Hochschulen wird das Professionalisierungsdogma schon seit Jahren gelehrt. Einige wenige im Sozialen werden sich politisieren und dann mangels Strukturen in der großen Normalisierungsmühle, die das Sozialwesen ist, aufgeraucht werden. Ich erwarte schon für die nahe Zukunft einen Exodus der Mitarbeiter:innen, die in den Krisenzeiten am engagiertesten waren. Insgesamt erwarte ich eine noch stärkere sozialdarwinistische Ausrichtung des Diskurses. Es wird sehr viel mehr über die Rettung des Wirtschaftssystems gesprochen als über die Rettung von Menschenleben. Die Infektionsrate auf unter 1 zu senken geschieht mit dem Ziel, das Gesundheitssystem nicht zu überlasten, über eine Ausrottung des Virus wie in Neuseeland wird nicht einmal nachgedacht. Eine Gesellschaft zu entwickeln, die die Menschen vor Ansteckung schützt, wird, wenn überhaupt, nur am Rande diskutiert. Dass auch bei einer Infektionsrate von 1 viele Menschen an dem Virus sterben werden, wird einfach hingenommen: wer stirbt, war ohnehin nicht zu retten, wird es heißen. Ich erwarte, dass der bereits tief verankerte Fatalismus im Sozialen weiter um sich greift. Und ich erwarte, dass sich noch mehr Pflegende diesem Fatalismus entziehen, indem sie sich in eine unpolitische, obskurantistische Traumwelt von Verschwörungstheorien, Esoterik und rechtslastiger Propaganda flüchten...“ Kommentar von Frédéric Valin vom 1.5.2020 in der taz online - „Ich hab Momente erlebt, wo wir weinend irgendwo saßen“
„Hoher Druck, niedriger Lohn: Pflegende in Deutschlands Kliniken waren schon vor Corona am Limit. Im Podcast erzählt eine Krankenschwester, warum sie ihren Wunschberuf nach 15 Jahren aufgegeben hat…“ Ein Podcast von Jelena Berner und Yasemin Yüksel vom 30.04.2020 beim Spiegel online - Warum sich Pflegende nicht als Helden verstehen
„Was in Zeiten von Corona gefordert ist und was Pflegende wirklich erwarten, erklärt unser Gastautor Professor Ernst Engelke. (…) Wir sollten uns erinnern: Nichts anderes haben Pflegende in den Heimen und Kliniken schon immer gemacht. Ihre Arbeit war auch vorher hart. Oft seelisch an der Grenze des Ertragbaren. Auch vor der Corona-Pandemie sind Menschen in Heimen und Kliniken gestorben. Manchmal viele in kurzer Zeit. Vor wenigen Jahren in einem Pflegeheim 30 Bewohner innerhalb von drei Monaten, vor zwei Monaten auf einer Palliativstation 17 Patienten in einer Woche. Wer hat das damals gewürdigt? Offensichtlich sind die Leistungen der Pflegenden von uns bislang nicht wirklich wahrgenommen worden. Der Pflegenotstand hat sich mit der exponentiellen Ausbreitung des Coronavirus noch verschärft. Hinzu kommt: Für die Pflegenden besteht in ihrer Arbeit eine erhöhte Ansteckungsgefahr durch das Virus. Das Klima in den Heimen und Kliniken ist derzeit angespannt, trotz guter Zusammenarbeit. (…) Müssen wir nicht vielmehr die Pflegenden um Entschuldigung bitten? Dass wir ihre Tätigkeit nicht als systemrelevant angesehen haben? Für die schlechte Bezahlung? Für das Alleinlassen? Für die Abwertung ihres Berufs, insbesondere der Altenpflege? Und nicht zuletzt für den Rassismus gegenüber Pflegenden mit einem Migrationshintergrund? Was macht die Stilisierung zu Helden mit den Pflegenden – auch mit den Ärztinnen und Ärzten? Wollen sie überhaupt als Helden verehrt werden? Vermutlich nicht. Als Held angesehen zu werden, bedeutet ja nicht nur riesiges Lob, sondern löst zugleich auch enormen Druck aus: Helden werden nicht müde, haben keine Angst, geben nicht auf, stellen sich dem Kampf bis zum eigenen Tod. Nein, die Pflegenden verstehen sich nicht als Helden. Sie sind Menschen wie Sie und ich. Sie tun ihre Pflicht und freuen sich über die ungewohnte Anerkennung, befürchten aber, dass es bei schönen Worten bleiben könnte. Viele Pflegende haben Angst, dass sie bald im Zentrum heftiger Angriffe stehen könnten, wenn erkannt wird, dass die Helden auch nur Menschen sind und die Ansprüche an die Pflege nicht wie gewünscht erfüllt werden konnten…“ Gastbeitrag von Ernst Engelke vom 26. April 2020 bei mainpost.de - Interview mit Kalle Kunkel vom Bündnis „Krankenhaus statt Fabrik“
„In der Berliner Runde vom 22.4. sprechen wir mit Kalle Kunkel vom Bündnis „Krankenhaus statt Fabrik“ über die aktuellen Probleme im deutschen Krankenhaussystem – Kommerzialisierung, Fallpauschale, Probleme der Beschäftigten – und über die aktuelle verdi-Kampagne in Berlin, bei der die Beschäftigten 4.500 Unterschriften gesammelt haben, um einen „Corona-Pakt“ zu erreichen.“ Interview von Radio STAN am 23.4.2020 im Audioportal Freier Radios - Sie sollen schweigen. Pflegekräfte, die in der Corona-Krise Kritik äußern, klagen über Einschüchterungen und Drohungen
„Einige werden plötzlich versetzt. Ist Kritik in der Klinik unerwünscht? (…) Aus einer normalen Abteilung war eine Corona-Station geworden. Schmidt fühlte sich wie einige andere Kolleginnen und Kollegen überfordert. „Mehr als eine halbstündige Einweisung in die Überwachungsmonitore gab es nicht“, sagt sie. Alles hatte sich verändert, nur der Personalschlüssel war gleich geblieben. Dafür stieg die Arbeitsbelastung. Denn während andere Kliniken lange von der Ruhe vor dem Sturm berichteten, wurden in Essen früh erste Corona-Patienten behandelt. Schmidt wollte sich schützen und „Fehler und Gefahren aufzeigen“. Immerhin sollte sie mit nur einer weiteren Kollegin im Nachtdienst arbeiten. Das sei aber viel zu wenig, die Arbeit zu zweit nicht zu leisten. Sie klagte intern über fehlende Schulungen, Materialmangel und den Zeitaufwand, den es machte, ständig Schutzkleidung zu tragen. Schließlich stellte Schmidt eine Überlastungsanzeige. (…) Einen Tag später wurde Schmidt auf eine andere Station versetzt. Das empfindet sie als „Bestrafungsakt für die Überlastungsanzeige“ und fürchtet, bald gekündigt zu werden. Zudem sorgt sie sich, dass sie nun auf einer „völlig neuen Station, in einem anderen Fachbereich und einem neuen Team“ arbeiten muss – vor allem, weil sie dorthin versetzt wurde, ohne zuvor getestet zu werden, obwohl sie direkten Kontakt zu Corona-Patienten hatte. Die Versetzung wurde Schmidt später in einem Brief mitgeteilt, das Schreiben liegt ZEIT ONLINE vor. Zwei Kolleginnen bestätigen die Aussage. Auch sie wurden versetzt, am selben Tag wie Schmidt, kurz nachdem sie Überlastungsanzeigen geschrieben hatten. (…) Der Gewerkschaft „liegen Berichte von Beschäftigten vor, die betriebsintern oder öffentlich den mangelnden Infektionsschutz kritisiert haben und in der Folge mit Abmahnungen oder Kündigungen bedroht wurden“, sagt Bühler. (…) Frank Lutz* ist Pfleger am Universitätsklinikum Augsburg. Dort habe man während der Corona-Krise unnötige Operationen durchgeführt, anstatt sie abzusagen, sagt er. „Wir haben noch eingewachsene Zehennägel behandelt oder Brustrekonstruktionen durchgeführt, als die Krise schon überall ein Thema war“, sagt Lutz. Dabei sollten elektive Operationen abgesagt werden. Beschäftigte starteten daraufhin eine Petition an die bayerische Staatsregierung, sammelten laut eigenen Angaben 500 Unterschriften von Pflegekräften. Doch als die Klinik von den Bemühungen erfuhr, stellte sie Lutz eine Unterlassungserklärung zu…“ Artikel von David Gutensohn vom 21. April 2020 in der Zeit online - Bremer Krankenhaus: Vorbereitung auf die Pandemie? Wir spüren nur planloses Chaos
„… Wir sollen jetzt pro Pflegekraft vier PatientInnen versorgen, nachdem Spahn ja dieses Gesetz außer Kraft gesetzt hat. Der Pflegedienstleitung ist es durchaus bewusst, dass so mit diesem Personalschlüssel diese Menschen nicht adäquat betreut werden können. Da auch hier die angeblich nicht notwendigen (!?) Op´s radikal reduziert worden sind, sollen dann diese Pflegekräfte aus dieser Abteilung einschließlich Anästhesie den Intensivpflegekräften zuarbeiten. Nur wo sind sie? In vielen Schichten sind sie nicht zu sehen. Also, schreibt man dann auch weiterhin Gefährdungs- bzw. Überlastungsanzeigen. Auch die Logistik und die Ausstattung kann nicht Schritt halten mit den schnell zusätzlich aufgestellten Intensivbetten. Nur ein Beispiel: Ein Verbandswagen muss für vier PatientInnen ausreichend sein. Die Pflegekräfte waren schon vorher am Limit. Die Krankheitsrate und die Kündigungen bzw. Versetzungen sind schon seit längerem hoch. Und jetzt kommt auch noch die Pandemie auf uns zu. Ich kann mich mich noch sehr gut an die Situation bei uns auf der Intensivstation erinnern, wie nach der Ehec-Epidemie in 2010 etliche KollegInnen vollkommen ausgebrannt waren und lange ausfielen. Für etliche KollegInnen ist es klar. Geht dieser Zustand noch eine längere Weile, werden weitere mit einer „Flucht“ aus dem Krankenhausalltag versuchen, sich den krankmachenden Arbeitsbedingungen zu entziehen…“ Bericht von zwei Intensivstationen einer Bremer Klinik am 20.4.2020 (Teil 1) bei Jour Fixe der Gewerkschaftslinke Hamburg- Siehe auch das Video : Pflegenotstand. Warum ist Corona so ein Problem für das deutsche Gesundheitssystem?
- Die stetige Absenkung der Schutzmaßnahmen für das medizinische Personal in der aktuellen Situation ist ein Riesenskandal
„… Auch Pflegekräfte und Mediziner haben chronische Lungenerkrankungen, Diabetes mellitus, sind dick oder haben einen Bluthochdruck. Außerdem schwächen Schicht- und Nachtarbeit, Überstunden und Personalmangel das Immunsystem massiv. 10-15 % der Infizierten in Spanien und Italien sind Mitarbeiter aus dem Gesundheitswesen. Angesichts dieser Zahlen muss doch absolut klar sein, dass der Schutz des medizinischen Personals maximal sein muss und oberste Priorität hat. Abgesehen davon, dass es zu lebensgefährlichen Situationen mit Todesfolge kommen kann, bringt das auch die Versorgung der Bevölkerung in Gefahr. Spahn und Co erwähnen immer wieder wie wichtig ihnen der Schutz für das Personal ist – doch Worte und Ergebnisse liegen hier unfassbar weit auseinander. Die Schutzmaßnahmen wurden in den letzten vier Wochen sukzessive abgesenkt. (…) Auch vom RKI wird auf Arbeitsschutzmaßnahmen bei längerem Tragen der FFP2- u 3 Masken hingewiesen, wie z.B. 30 Minuten Pause nach 2h Arbeiten mit Maske. Sehr fraglich, wo und wie diese Regelung Anwendung findet. In Industrie und Handwerk gibt es eine Erschwerniszulage, wenn mit diesen Masken gearbeitet wird – für die Beschäftigten im Gesundheitswesen gibt es so eine Zulage bisher nicht. (…) die Devise lautet: Einmal-Masken nicht wegschmeißen, sondern über eine Schicht von 8 Stunden wiederverwenden. In dieser und auch in anderen Stellungnahmen des Bundes taucht auf, dass selbstverständlich bei Kontamination oder Durchfeuchtung die Masken verworfen werden sollen. (…) Nochmal, ab wann ist eine Einmal-FFP-Maske also durchfeuchtet? Es ist aktuell eine rein subjektive Einschätzung, bei so einer wichtigen Frage. Die Mitarbeiter bekommen teilweise nur eine einzige Maske pro Schicht ausgehändigt. (…) Die Bundesregierung hätte dafür sorgen können – oder kann immer noch jetzt sofort dafür sorgen, dass die Industrie ihr Vorräte in dieser besonderen Pandemie-Situation abgeben MUSS. Wenn ein Betrieb jetzt nach der vierten Woche der Krise ankommt und Masken „spendet“ – dann gehört da kein Applaus hin, sondern eine Klage wegen unterlassener Hilfeleistung. Nach der vierten Woche der Krise sollte man auch annehmen, dass eine Produktion im eigenen Land endlich funktioniert. Denn wo auf dieser Welt, wenn nicht hier in Deutschland, kann eine eigene Produktion für Masken besser funktionieren?! So wie es aussieht bringt die Masken-Produktion einfach nicht genügend Gewinne ein…“ Beitrag von Angela Münch vom 19.4.2020 – wir danken! Angela Münch ist Notfallmedizinerin und Ärztin auf einer Intensivstation - Warum Krankenhäuser trotz Schutzschirms in finanzielle Not geraten
“Klamme Kliniken, wiedereröffnende Läden und protestierende Pflegekräfte – während sich Berlin auf die angekündigten Lockerungen vorbereitet, steht die Landespolitik vor heftigen Debatten. Am Montag wird sich Senatorin Dilek Kalayci (SPD) im Gesundheitsausschuss des Abgeordnetenhauses den Fragen aus Koalition und Opposition stellen. (…) Ein entsprechendes Schreiben wird die Gewerkschaft Verdi in dieser Woche auch an die Senatskanzlei schicken: Das Land solle sich über den Bundesrat für einen Stopp der oft knapp kalkulierten Fallpauschalen in der Klinikfinanzierung einsetzen, dem sogenannten DRG-System. Auch die Krankenhausleiter diskutieren darüber, wie sie die Coronakrise überstehen. Zwar gilt der von Bundesgesundheitsminister Jens Spahn (CDU) angekündigte Schutzschirm als umfangreich: Für jedes für Covid-19-Fälle frei gehaltene Bett gibt es 560 Euro pro Tag sowie einmalig 50.000 Euro für jeden neuen Intensivplatz. Ungewiss ist aber, ob der Schutzschirm die Millionenverluste durch das eingebrochene Alltagsgeschäft ausgleicht. Denn in Deutschland werden Kliniken anders als Schulen und Feuerwehr pro Einsatz bezahlt. Derzeit aber sind fast 50 Prozent der 20.000 Krankenbetten in Berlin leer, planbare Eingriffe wurden für potenzielle Covid-19-Fälle verschoben. Zudem fehlen die zahlungskräftigen Gesundheitstouristen. (…) Uwe Alschner vom Verband der kommunalen Krankenhäuser IVKK, der viele Kliniken im Umland vertritt, spricht von „stellenweise eklatantem Versagen“ der Kassenärztlichen Vereinigungen: Diese sind per Gesetz für die ambulante Versorgung zuständig. Die Krise zeige zudem, sagte IVKK-Geschäftsführer Alschner, dass das „Experiment, Krankenhäuser wie kommerzielle Profit-Center zu betreiben“, abgebrochen werden müsse: „Daseinsvorsorge ist kein marktfähiges Produkt!“…“ Artikel von Hannes Heine vom 20.04.2020 beim Tagesspiegel online - Post an Spahn: Krankenhausbeschäftigte aus drei Bundesländern übermitteln Bundesgesundheitsminister ihre Forderungen
„… Spahns Maßnahmen kamen bei den betroffenen Beschäftigten mitunter nicht besonders gut an. Es sei »keine Unterstützung« gewesen, meinte denn auch Ellen Ost im Gespräch mit jW am vorigen Donnerstag, »es war ein Tritt in den Hintern«. Gemeinsam mit einem »Verdi-Netzwerk aktiver Krankenhausbeschäftigter« aus drei Bundesländern initiierte die Fachkrankenschwester am Universitätsklinikum in Jena einen Brief mit Forderungen an den Bundesgesundheitsminister, sowie die zuständigen Landesminister aus Sachsen, Petra Köpping (SPD), Heike Werner (Die Linke) aus Thüringen und Petra Grimm-Benne (SPD) aus Sachsen-Anhalt. Darin verlangen die Gewerkschaftsmitglieder die »Bereitstellung von ausreichendem Schutzmaterial« für Beschäftigte. Notfalls müsse dies mit einer »staatlichen Verordnung an entsprechende Unternehmen« durchgesetzt werden. Neben dieser Forderung stellen die Gewerkschafterinnen und Gewerkschafter weitere nach Sofortmaßnahmen auf: So sollen Quarantänevorschriften künftig auch für Klinikbeschäftigte gelten. Wer krank ist, sei krank, heißt es in zitiertem Brief, der auch eine monatliche »steuerfreie Belastungszulage von 500 Euro für alle Beschäftigten im Gesundheitswesen« fordert. Wenn es nach dem Willen des Initiatorenkreises geht, sollen Arbeits- und Gehaltsausfälle, die wegen Quarantäne oder durch Kinderbetreuung entstehen könnten, zu 100 Prozent vergütet werden. Zudem verlangen die Autoren des Briefes die Rücknahme der Lockerung des Arbeitszeitgesetzes und somit auch die Rücknahme der »Ausweitung des Arbeitstages auf zwölf Stunden«. Für die Zeit nach der Krise besteht das »Netzwerk aktiver Krankenhausbeschäftigter« darauf, »grundlegende Probleme des deutschen Gesundheitssystems« zu beheben. Das bedeutet für die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter aus 17 Kliniken auch die »Abschaffung der Fallpauschalen und kostendeckende Finanzierung der Krankenhäuser«. Darüber hinaus erneuert der Brief die seit Jahren vorgetragene Forderung nach einem »verbindlichen, bedarfsgerechten Personalschlüssel« und die »Rekommunalisierung« privatisierter Krankenhäuser, die Anhebung von Löhnen und das sogenannte Insourcing ausgegliederter Klinikbereiche…“ Artikel von Steve Hollasky in der jungen Welt vom 20.04.2020 – siehe auch:- Zum Offenen Brief aktiver Krankenhausbeschäftigter in Sachsen, Sachsen-Anhalt und Thüringen
„In der letzten Woche hat das Netzwerk aktiver Krankenhausbeschäftigter aus verschiedenen Kliniken in Sachsen, Sachsen-Anhalt und Thüringen gemeinsam mit der Gewerkschaft verdi einen offenen Brief veröffentlicht. Dieser Brief richtet sich an den Bundesgesundheitsminister Jens Spahn und an die entsprechenden Staatsministerien der drei Bundesländer. In dem offenen Brief wird einerseits die enorme Belastungssituation thematisiert, die insbesondere die Krankenhausbeschäftigten derzeit unter Corona verspüren. Zum anderen richtet sich der Brief gegen die Ökonomisierung der Krankenhäuser. Über den offenen Brief und die Situation an den Krankenhäusern in Zeiten von Corona sprachen wir mit den KrankenpflegerInnen des Uniklinikums in Halle Luisa Förster und Eike-Holger Maruck, sowie mit Sander Fuchs, Gewerkschaftssekretär von ver.di.“ Interview vom 20.4.2020 bei Radio Corax - „Danke lieber @jensspahn @BMG_Bund, ab Mai dürfen wir nicht nur unter #COVID19 arbeiten, sondern auch wieder in den alltäglichen Krisenmodus zurückkehren. Was ist mit den 12 Std. Schichten @hubertus_heil Die bleiben oder wie? Happy Burn Out! #hörtaufuns ist #systemrelevant !“ – so Berliner Bündnis für Mehr Personal im Krankenhaus am 20.4. bei Twitter
- Zum Offenen Brief aktiver Krankenhausbeschäftigter in Sachsen, Sachsen-Anhalt und Thüringen
- Corona im Krankenhaus: »Ist es die Ruhe vor dem Sturm, oder zieht er vorüber?«
„Als Leasingkraft kennt die Pflegerin Tanja Lang-Gernath viele Berliner Krankenhäuser. Die sind gut auf Corona vorbereitet. Andere Krankheiten machen aber keine Pause…“ Interview von Nelli Tügel vom 18.04.2020 im ND online - Offener Brief eines Netzwerkes aktiver Krankenhausbeschäftigter aus verschiedensten Kliniken in Sachsen, Sachsen-Anhalt und Thüringen
„… Die Covid-19-Pandemie ist für uns alle eine noch nie dagewesene Situation. Diese Pandemie trifft auf ein kaputtgespartes deutsches Gesundheitssystem. Mit Einführung der DRGs in Deutschland gab es einen grundlegenden Kurswechsel. Nicht mehr die Bedürfnisse der Patient*innen stehen im Mittelpunkt, sondern die betriebswirtschaftlichen Aspekte jeder einzelnen Erkrankung. Aufgrund des politisch gewollten Wettbewerbs zwischen den Krankenhäusern wurde über Jahrzehnte an Personal und Material gespart. Zentrale Teile des Klinikbetriebs wurden outgesourct, von der Wäscherei über die Küche bis zur Reinigung. Die Durchökonomisierung des Gesundheitsbereichs wie etwa die Einführung von just-in-time-Belieferung zeigt sich spätestens in der aktuellen Krise als ungeeignet. Zudem werden mehr und mehr Kliniken privatisiert, was zu einer zunehmenden Profitorientierung und dem Verlust von Eingriffsmöglichkeiten durch die Öffentlichkeit führt. Durch Entscheidungen der letzten Jahrzehnte wurden Krankenhäuser zu Fabriken umgebaut. (…) Wir, Beschäftigte aus Krankenhäusern in Sachsen, Sachsen-Anhalt und Thüringen, sind täglich rund um die Uhr und an 365 Tagen im Jahr mit Fachwissen, Leidenschaft und Engagement für unsere Patient*innen und deren Angehörige im Einsatz. Wir bieten den Menschen Hilfe in akuten Notlagen und die bestmögliche medizinische und pflegerische Versorgung. Jedoch haben wir auch Forderungen an die politischen Entscheidungsträger. Wir erwarten in dieser zugespitzten Situation die Umsetzung von Sofortmaßnahmen zum Schutze der Gesundheit von Patient*innen und Beschäftigten: Bereitstellung von ausreichendem Schutzmaterial für alle Beschäftigten im Gesundheitswesen – notfalls durch staatliche Verordnung an entsprechende Unternehmen; Quarantäne muss auch für infizierte Krankenhausbeschäftigte gelten – krank ist krank.; Staatlich voll refinanzierte Zahlung einer steuerfreien Belastungs-Zulage von 500,00 € im Monat für alle Beschäftigten im Gesundheitswesen inklusive ausgegliederter Tochtergesellschaften sowie in weiteren versorgungsrelevanten Bereichen (Einzelhandel etc.); Hundertprozentige Vergütung von Arbeits- bzw. Gehaltsausfällen (z.B. wegen Quarantäne oder Kinderbetreuung); Rücknahme des gelockerten Arbeitszeitgesetzes mit einer Ausweitung des Arbeitstages auf 12 Stunden und eine Verkürzung der Mindestruhe auf 9 Stunden; Über diese kurzfristigen Maßnahmen hinaus erwarten wir eine politische Weichenstellung für die Zukunft, welche grundlegende Probleme des deutschen Gesundheitssystems angeht: Abschaffung der Fallpauschalen und kostendeckende Finanzierung der Krankenhäuser, Einführung gesetzlich verbindlicher, bedarfsgerechter Personalschlüssel und entsprechender Konsequenzen bei Unterschreitung, Rekommunalisierung des Gesundheitssystems von und für die Gesellschaft, Insourcing von Reinigung, Küchen und anderen ausgegliederten Servicegesellschaften, denn auch diese Mitarbeiter*innen sind unersetzliche Teile des Teams, Deutliche Anhebung der Löhne und attraktivere Arbeitsbedingungen in Gesundheitsberufen. Nur so können wir genug qualifiziertes Personal für die Gesundheitsversorgung gewinnen und halten…“ Offener Brief des Netzwerks aktiver Krankenhausbeschäftigter in SAT bei ver.di Gesundheit & Soziales in Sachsen, Sachsen-Anhalt und Thüringen - Offener Brief von Beschäftigten aus über 20 Brandenburger Krankenhäusern: Schutz der Beschäftigten und Patienten muss an erster Stelle stehen
„Beschäftigte von über 20 Brandenburger Krankenhäusern – darunter die größten in Potsdam, Cottbus, Eisenhüttenstadt, Brandenburg, Niederlausitz und Eberswalde – haben sich am Dienstag in einem offenen Brief an Ministerpräsidenten Dietmar Woidke, Gesundheitsministerin Ursula Nonnemacher, die Gesellschafter der Krankenhäuser und ihre Klinikleitungen gewandt und fordern dringend Unterstützung. Sie wollen z.B. ausreichende Schutzkleidung, Desinfektionsmittel und die schnelle unbürokratische Einstellung von Personal. Ursula Kregel (OP-Schwester am Werner Forßmann Krankenhaus Eberswalde) führt aus: „Das Land Brandenburg muss einen Weg finden, Masken, Schutzkittel, Schutzbrillen, Handschuhe und Desinfektionsmittel zu produzieren. Es ist bereits absehbar, dass die vorhandenen Bestände nicht ausreichen werden. Bayern und Baden-Württemberg machen es vor: dort werden Produktionsstätten umgerüstet.“ (…) Oftmals schlecht bezahlt, ohne Schutz durch Tarifverträge und mit harten Arbeitsbedingungen läuft das viel zu wenige, über Jahrzehnte „weggesparte“ und „outgesourcte“ Personal in fast allen Bereichen hart an der Grenze der physischen und psychischen Belastbarkeit. „Diese Kolleginnen und Kollegen, die nun auch noch durch den Kontakt mit Infizierten selbst einer hohen Gefährdung ausgesetzt sind, die selbst nach Orientierung suchen, erweisen sich in der Krise als verlässliche Stützen des Brandenburger Gesundheitswesens“, führt Frank Ploss, ver.di-Gewerkschaftssekretär für Nordostbrandenburg aus. Die Krankenhäuser wurden über Jahrzehnte durch ein widersinniges Prinzip des „Marktes“ kaputtgespart, statt es ausschließlich an der Gesundheit der Bevölkerung zu orientieren. Deshalb fordern die Gewerkschafter/innen auch die sofortige Abschaffung der „Fallpauschalen“ (DRGs) und die Gewährleistung einer kostendeckenden Finanzierung…“ Meldung (ohne Datum) bei ver.di Gesundheits- und Sozialwesen in Berlin-Brandenburg – mit beigefügter Blanko-Petition können in den Brandenburger Krankenhäusern und Kliniken weitere Unterschriften gesammelt werden, siehe dazu auch:- Einfach nach Tarif bezahlen. Über 4500 Beschäftigte von Charité und Vivantes stellen Forderungen an den Senat
Artikel von Claudia Krieg vom 16.04.2020 beim ND online
- Einfach nach Tarif bezahlen. Über 4500 Beschäftigte von Charité und Vivantes stellen Forderungen an den Senat
- Coronavirus: Mehr Infektionen bei medizinischem Personal
„Rund 6400 Ärzte und Pflegekräfte haben sich in Deutschland mit dem Coronavirus infiziert, acht sind bereits gestorben. Nicht alle Fälle sind bisher erfasst – zudem wird eine große Dunkelziffer in der Altenpflege befürchtet. 6395 Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter in Krankenhäusern und Arztpraxen sind in Deutschland mit dem Coronavirus infiziert, acht von ihnen sind bereits verstorben. Das meldet das Robert Koch-Institut (RKI) in seinem Lagebericht vom Donnerstag. Damit hat sich die Zahl der gemeldeten Infektionen in dieser Berufsgruppe innerhalb der letzten zwei Wochen beinahe verdreifacht. Vor zwei Wochen hatte das RKI erstmals die Zahl von 2300 infizierten Klinikmitarbeitern bekannt gegeben, gleichzeitig aber darauf hingewiesen, dass es eine Dunkelziffer gebe, weil manche Gesundheitsämter aus Kapazitätsgründen auf die Berufsgruppe bezogene Zahlen nicht weiterleiteten. Eine von NDR, WDR und „Süddeutscher Zeitung“ (SZ) durchgeführte Abfrage unter allen rund 400 Gesundheitsämtern in Deutschland hatte große Meldelücken offenbart…“ Beitrag von Antonius Kempmann, Reiko Pinkert, NDR, und Martin Kaul, WDR vom 16.04.2020 bei tagesschau.de - ver.di: Betriebswirtschaftliche Überlegungen dürfen keine Rolle dabei spielen, ob zurückgestellte Krankenhausbehandlungen wieder aufgenommen werden – mehr Tests beim Gesundheitspersonal gefordert
„Die Vereinte Dienstleistungsgewerkschaft (ver.di) mahnt ein verantwortungsvolles Vorgehen bei der Wiederaufnahme zurückgestellter Krankenhausbehandlungen an. „Jetzt Entwarnung zu geben und rasch den Regelbetrieb in den Krankenhäusern wieder hochzufahren, wäre grundfalsch“, warnte Sylvia Bühler, die im ver.di-Bundesvorstand für das Gesundheitswesen zuständig ist. Die Deutsche Krankenhausgesellschaft hatte sich am gestrigen Mittwoch (15. April) dafür ausgesprochen, die Regelversorgung schrittweise wiederaufzunehmen. (…) „Es passt überhaupt nicht zusammen, wenn Klinikbetreiber die Wiederaufnahme der Regelversorgung fordern und zugleich die im Zuge der Pandemie geschaffenen Ausnahmen vom Arbeitszeitgesetz nutzen wollen, um Zwölf-Stunden-Schichten zu ermöglichen“, betonte die Gewerkschafterin. „Sich auf die Zunahme der an Covid-19-Erkrankten vorzubereiten, heißt auch, die Beschäftigten zu schonen und zu schützen.“ Erfahrungen mit der Corona-Pandemie in China hätten gezeigt, dass überlange Arbeitsschichten die Wahrscheinlichkeit von Ansteckungen und Todesfällen erhöhten. Auch gebe es keinen Grund, die Personalstandards während der Pandemie abzusenken. „Auch und gerade in dieser Krise muss ausreichend Personal eingesetzt werden, um Patienten und Beschäftigte zu schützen.“ Entscheidend sei zudem, dass das Personal ausreichend mit Schutzmaterial versorgt und regelmäßig auf eine Infektion mit dem Coronavirus SARS-CoV-2 getestet werde, um Infektionsketten in den Einrichtungen zu unterbinden. Die angestrebte deutliche Ausweitung der Testkapazitäten sei daher ein richtiger Schritt.“ Pressemitteilung vom 16.04.2020 - Jetzt ist die Zeit, wieder für faire Arbeitsbedingungen in den Krankenhäusern zu sorgen
„Die Covid-19-Pandemie hat deutschlandweit etwas sichtbar gemacht, was vorher kaum mediale Beachtung fand: Wie radikal in den deutschen Kliniken in den vergangenen Jahren gekürzt worden war und unter welcher Überlastung das Personal arbeiten muss. In einem Offenen Brief fordert jetzt ein Netzwerk aktiver Krankenhausbeschäftigter aus verschiedensten Kliniken in Sachsen, Sachsen-Anhalt und Thüringen von den Landesregierungen und dem Bundesgesundheitsminister ein Umdenken. Denn eine Einmalzahlung oder ein Balkonklatschen für die „Helden in der Krise“ ändert am Grundproblem nichts. Und dabei steht Deutschland noch relativ gut da, weil der Radikalumbau des Gesundheitswesens noch nicht so weit getrieben wurde wie in Großbritannien und den USA, die sichtlich mit der Corona-Pandemie viel schlechter zurechtkommen. Man baut ein Gesundheitswesen nicht auf Rendite und Effizienz um und spart ausgerechnet bei jenen Beschäftigten, die gerade in Krisenzeiten dringend gebraucht werden. Aber auch schon in normalen Zeiten funktionierte das nicht und hat in den letzten Jahren dazu geführt, dass tausende Pflegekräfte auch aus Überlastungsgründen ihren Wahlberuf verlassen haben…“ Artikel von Ralf Julke vom 15. April 2020 in der Leipziger Internet-Zeitung - [Helios und Asklepios] Retter auf Standby. Privatkliniken setzen Beschäftigte in Kurzarbeit oder in »Freizeit« – und kassieren aus Hilfsfonds der Bundesregierung
“… Die Einrichtungen bereiten sich derzeit auf den Pandemieernstfall vor und organisieren zusätzliche Intensiv- und Behandlungskapazitäten für potentielle Patienten, sagte Havemann. Damit diese Betten sofort zur Verfügung stehen können, bleiben sie vorerst im »Standbybetrieb«. Für diese freibleibenden Unterbringungsmöglichkeiten und Erlösausfälle erhalten die Krankenhäuser Ausgleichszahlungen aus den Fonds der aufgelegten Hilfsprogramme der Bundesregierung. Ein lukratives Geschäft: Für jedes dieser Betten streichen die milliardenschweren Klinikkonzerne satte 50.000 Euro ein. »Zusätzlich«, so Havemann, »eine Tagespauschale von 560 Euro.« Beschäftigte haben davon nichts. Havemann nannte Beispiele: Die Klinikleitungen fahren in der niedersächsischen Region um Braunschweig zwei Modelle. Asklepios setzt auf Kurzarbeit, Helios auf Minusstunden bei den Beschäftigten. Der Betriebsrat bei Asklepios in Seesen wurde seitens der Unternehmensführung »sofort unter Druck gesetzt, Kurzarbeit zuzustimmen«, weiß Havemann. Wie? »Betriebsbedingte Kündigungen vor allem für Beschäftigte in der Probezeit standen im Raum.« Der Betriebsrat gab nach, sah die Gefahr, dass eventuelle Kündigungen ihm angelastet würden. Laut Vereinbarung wird das Kurzarbeitergeld auf 80 Prozent des Nettolohns durch den Konzern aufgestockt, Entlassungen sind erst einmal vom Tisch. Asklepios bestätigte die Betriebsvereinbarung auf jW-Anfrage am Mittwoch, schränkte zugleich ein: »Es steht derzeit nicht fest, ob es Kurzarbeit geben wird« – und in welchem Umfang. (…) Helios hingegen macht sich die oftmals deregulierte Arbeitszeit mit ihrem Schichtsystem in den Kliniken zunutze. Für Jens Havemann ist das ein leicht durchschaubares Manöver: »Die Beschäftigten werden kurz vor dem erwarteten Ansturm schnell ins Freie geschickt.« Sie erhalten zwar weiterhin ihr Geld, müssen die angesammelten Minusstunden aber später abarbeiten. Die Klinik kann die billige Arbeitskraft abrufen, wenn sie sie benötigt…“ Artikel von Oliver Rast in der jungen Welt vom 16.04.2020 - Ich scheiß‘ auf Euer Danke
„Zwei Frauen im Krankenbett. Die eine zur anderen: „Oh Gott, Sie sehen aber heute verdammt schlecht aus. Soll ich nicht doch eben der Krankenschwester klingeln?“ – Die andere zur einen: „Ich bin die Krankenschwester“. Dass sich die Welt in ein paar Monaten weiterdreht wie bisher, ist ziemlich sicher, alles andere nicht mehr. So schnell kann’s gehen: Alle Sicherheiten sind den Bach runter, aber noch glaubt das kaum jemand. Es wird ein paar Millionen ArbeitslosInnen mehr geben als bisher, ja, überwiegend Frauen, und ein paar weitere Millionen rutschen ins Elend. Da und dort winkt ein Aufstand, hier grüßen Revolten, Unruhen. Die Polizei sorgt für Sicherheit und Ordnung, der Einsatz der Bundeswehr nicht nur in Afrika, sondern auch im Inneren wird bejubelt wie der Sandsäckebau bei der Oderflut. Parlamente und parlamentarische Regeln werden vom Tisch gewischt wie die Krümel der Geburtstagstorte. Rien ne va plus. Widerstand ist sinnlos. Oder? Der selbe Staat, die gleichen Parteien, Medien und Meinungsmacher, die vorgestern HartzIV erfanden, Banken, Establishment und Demokratie retteten, die gestern noch grübelten, ob man dreimarkfuffzig mehr geben könnte für die Kinder der armen Ärsche, pfeifen heute auf jedwede Haushaltsführung: 5 Milliarden oder 50 oder 500 – alles kein Thema, alles ohne Quittung. Als in den letzten Jahren beispielsweise das Personal der Krankenhäuser immer wieder mal protestierte, ja gar reglementiert und vorsichtig rebellierte, auf die Straßen ging, da blieben die „Sozialen“ weitgehend allein, also unter sich, oft ohne Publikum auf den Plätzen, regelmäßig eher unbeachtet und unbegleitet von ihrer Kundschaft. Als Kindergärtner*innen oder Pfleger zusammenklappten, sich Ärzte krankmeldeten: Funkstille. Allenfalls ein Kommentar am Rande – so wie man einen alten Ackergaul tätschelt. Von Solidarität keine Spur, aber hin und wieder eines der großspurigen und allgemein gehaltenen Versprechen. Jetzt musiziert das Land. Götterfunken von den Balkonen. Ganzseitige Danke-Anzeigen für’s schlecht bezahlte Personal. Und das OK der Mandateure für ein durchökonomisiertes Gesundheits- und Sozialsystem…“ Beitrag von Peter Grohmann vom 9.4.2020 bei Corona@Work - „Ohne Schutzkleidung, ohne Schutzmasken; aber Zwangsverpflichtung. Welches Gesetz soll das mittragen?“
„Pflegekräfte arbeiten seit mindestens 4 Jahren über ihr Limit hinaus um den Pflegenotstand auszugleichen. Überstunden ohne Ende, Einspringen ohne Ende, bis zu völligen Erschöpfung ohne einen warmen Händedruck.Das nennt man Gewinnorientierung und Maximierung. Dabei bleibt halt die Pflegekraft auf der Strecke. Ausländische Pflegekräfte mit wenig oder gar keinen Deutschkenntnissen werden in jedem Fall anerkannt. Bei Medikamentengabe wird es wohl gutgehn oder haftet wieder die anwesende Fachkraft. Man sollte sich mal kundig machen welche Ausbildung diese Pflegefachkräfte mit speziellem Wissen haben; aber nein, hier setzt man die Pflegestandards runter, dann kann jeder Pflege. Ein Studium oder Weiterbildung, null. In der Kinderkrankenpflege müssen die Medikamente für die Kinder und Säuglinge von den Pflegekräften ausgerechnet werden. Die jetzigen Auszubildenden stellen bei praktischen Einsätzen jetzt schon fest, dass sie mit dieser Ausbildung nicht in der Lage sind. Diese o.a. Pflegekräfte wird man mit neuer Verabschiedung für Corona Zwangsverpflichten. Eine grössere Menschenverachtung eines Berufszweiges kann ich mir nicht vorstellen Jetzt sind es die Helden; welche in Ihrer Rentenzeit auch noch auf Grundsicherung angewiesen sind. Diesen Beruf zu ergreifen bedarf es schon einem sozialen Hintergrund. Viele Kollegen wollen sich auf Corona testen lassen; ist einfach nicht möglich, denn sie könnten ja ausfallen. Der Test auf Antikörper wird in naher Zukunft aber ausreichend getestet werden. Dann kann man als Pflegekraft ohne Schutz an Coronapatienten arbeiten. Ohne Schutzkleidung, ohne Schutzmasken; aber Zwangsverpflichtung. Welches Gesetz soll das mittragen?“ Anonyme Zuschrift per e-mail am 7.4.2020 – wir danken unbekannterweise! Siehe zum Hintergrund auch unser Dossier: [NRW] Laschet will Epidemie-Gesetz im Eilverfahren – mit „Verpflichtung zum Einsatz medizinischen und pflegerischen Personals“ - Gesetzesmaßnahmen der Bundesregierung im Zuge der CoViD-19-Pandemie
„… Die Zeitschrift Lancet fragte angesichts der Krise nicht umsonst ob die CoViD-19-Pandemie nun dazu führen könnte, dass das Thema des „Preparedness“ nun auf der gesundheitspolitischen Agenda deutlich an Bedeutung gewinnen würde. Denn im Grunde verhält es sich bei der pandemischen Gefahr durch übertragbare Krankheiten nicht wesentlich anders, wie beim Klimawandel bzw. der Übernutzung der Ökosphäre, oder den Finanzmarktblasen. (…) Preparedness folgt […] nicht dem alten „schwäbischen“ Leitspruch „Spare in der Zeit, dann hast du in der Not“. Vielmehr können wir als Preparedness einen für Gesundheitswissenschaftler bekannten, auf Antonovsky zurückgehenden Begriff der „Resilienz“ bemühen, allerdings auf der gesellschaftlichen Systemebene. (…) Eine kürzlich im Lancet erschienene Studie zur Preparedness von Gesundheitssystemen kommt zu dem Ergebnis, dass etwa der Hälfte der Staaten, vor allem wirtschaftlich arme, weltweit unvorbereitet auf gesundheitliche Krisenlagen sind. Im Lichte der aktuellen Pandemie scheint diese Einschätzung unverhältnismäßig positiv. Verhältnismäßig reiche Staaten, wie Italien, Spanien und vor allem die USA scheinen auf die Pandemie nicht vorbereitet zu sein. Die Kriterien des Preparedness sind spätestens im Anschluss an die Krise daher neu zu bewerten. Selbst Deutschland hat im Verständnis des Preparedness große Defizite. (…) Der deutsche Gesetzgeber hat nun im Schnellgang zwei Gesetzesvorhaben auf den Weg gebracht, um den Nachteil der mangelnden Preparedness zu begegnen und gleichzeitig die Grundlagen für eine Coronawirtschaft im Gesundheitswesen zu legen: Zum einen das „Gesetz zum Schutz der Bevölkerung bei einer epidemischen Lage von nationaler Tragweite“, des Weiteren das „CoViD-19 Krankenhausentlastungsgesetz“. Während das erste Gesetz eine Mischung aus Ermächtigungsgesetz und ad-hoc-Maßnahmenpaket ist, will das zweite die versprochene finanzielle Absicherung der Krankenhäuser und Pflegeeinrichtungen sicherstellen. (…) Während das Gesetz gerade bei den Krankenhäusern, die die Hauptlast für die Bewältigung der Pandemie zu tragen haben, schlecht formuliert, inhaltlich bürokratisch und inkonsequent ist, kann es bei den ergänzenden Regelungen, die offener formuliert sind, den Entlastungseffekt wahrscheinlich sicherstellen. Eines ist das Gesetz aber nicht: ein Krankenhausentlastungsgesetz.“ Beitrag von Manfred Fiedler vom 7. April 2020 beim Attac Theorieblog - „Netzwerk solidarisches Gesundheitswesen“ fordert Konsequenzen aus der COVID-19-Pandemie – Transparente vor Freiburger Kliniken aufgehängt
„Das Freiburger „Netzwerk solidarisches Gesundheitswesen“ fordert Konsequenzen aus der COVID-19-Pandemie. Die aktuelle Situation zeige einmal mehr, wie systemrelevant eine gute Gesundheitsversorgung und damit einhergehend die Gesundheitsarbeiter*innen für die Gesellschaft seien. Die Politik der zunehmenden Ökonomisierung und Privatisierung der vergangenen Jahrzehnte habe zu einem massiven Mangel an Pflegepersonal geführt. (…) Das Netzwerk thematisiert auch die aktuelle Situation in den Krankenhäusern. Das Krankenhauspersonal sei durch die COVID-19-Pandemie noch stärker belastet als sonst und dem ständigen Risiko ausgesetzt, sich selbst anzustecken. Das Netzwerk fordert deshalb die Stärkung und Einhaltung von Sicherheits- und Hygienestandards in den Kliniken und Pflegeheimen, kein Aussetzen der wichtigen Personaluntergrenzen und einen Risikozuschlag für das gesamte medizinische Personal. „Den Beschäftigten in den Krankenhäusern nur zu applaudieren reicht nicht. Es braucht endlich eine finanzielle Anerkennung dieser wichtigen Arbeit und eine langfristige Entlastung durch deutlich mehr Personal. Dies ist nur durch die Überwindung des Fallpauschalensystems und die Hinwendung zu einer bedarfsgerechten Finanzierung möglich.“ so Katharina Rühlmann. Um auf das Thema aufmerksam zu machen, hatte das Netzwerk in der Nacht Transparente vor verschiedenen Freiburger Krankenhäusern aufgehängt...“ Pressemitteilung vom 6. April 2020 - [Frankfurter Bündnis für mehr Personal im Krankenhaus] Corona und der Zustand des Gesundheitswesens – Für einen Neuanfang nach Corona! Packen wir es an.
„Zum jetzigen Zeitpunkt stellt das Corona-Virus weiterhin eine große Bedrohung dar, es ist bisher noch nicht ersichtlich, wie sich die Lage in den nächsten Tagen, Wochen, Monaten weiterentwickeln wird. Hier am Universitätsklinikum Frankfurt ist die ganze Belegschaft in Alarmbereitschaft versetzt, täglich finden Umstrukturierungen statt. Es ist dies auch eine Krise unseres politischen und ökonomischen Systems. Profitinteresse und Marktmechanismen verschärfen die ohnehin schon schwerwiegenden Probleme. Der Personalmangel im deutschen Gesundheitswesen, vor allem im Bereich des Pflegepersonals, hat zuletzt Widerstand hervorgerufen. Beginnend mit der Charité in Berlin entstand eine bundesweite Tarifbewegung, die sich für mehr Personal in den Kliniken und bessere Arbeitsbedingungen stark macht und bereits erste Erfolge erzielen konnte. Doch jetzt offenbart sich der Personalmangel in krassester Form. Die Bundesregierung möchte innerhalb kürzester Zeit die Zahl der Intensivbetten verdoppeln, um sich so auf die bevorstehende Katastrophe vorzubereiten. Man fragt sich, woher das qualifizierte Personal herkommen soll. Man erahnt das kommende Chaos, die Überstrapazierung der Ressourcen, die zu erbringenden Opfer– Überstunden, Doppelschichten, psychische Belastungen (…) Für einen Neuanfang nach Corona! Packen wir es an. Neben all den Gefahren und bereits bestehenden negativen Auswirkungen der Corona-Krise bietet diese auch eine Chance. Es gilt nun, sich vorzubereiten auf die Zeit nach Corona und dann muss es heißen: Wir wollen mehr! Und so geht es nicht weiter! Für einen Neuanfang im Gesundheitswesen! (…) Längerfristig gilt es auch, für einen Umbau des Gesundheitswesens einzustehen. Wir müssen weg von den Mechanismen der kapitalistischen Verwertungslogik, hin zu einer Gesundheitsversorgung, bei der Patienten und Beschäftigte an erster Stelle stehen. Gesundheit kostet Geld, weg vom Ziel der schwarzen Null! Wir fordern in der aktuellen Krise: Eine Erschwerniszulage für ALLE Beschäftigten im Krankenhaus von 500 Euro monatlich; Gesund bleiben am Arbeitsplatz; Tests nach ungeschütztem Kontakt auf COVID19 für Beschäftigte auch ohne Symptome; Bereitstellung von genügend Schutzkleidung – nach bisherigen Hygienestandards; Dienstbefreiung für positiv getestete Beschäftigte; Ausreichend Ruhezeiten; Freiwilligkeit als Prinzip bei Versetzungen und Arbeitszeitänderungen; Sieben zusätzliche Erholungstage, und die Übertragung von Urlaub in das Jahr 2021...“ Appell vom 4. April 2020 von und bei Frankfurter Bündnis für mehr Personal im Krankenhaus – Ver.di Aktive an der Uniklinik Frankfurt - Kliniken in Finanznot: Gesundheitsminister lässt Krankenhäuser auf Kosten sitzen. Verdi warnt vor Kurzarbeit
“Gesundheitsminister Jens Spahn (CDU) bringt die Krankenhäuser in der Coronakrise weiter in eine finanzielle Schieflage. Einrichtungen, die ihre intensivmedizinischen Kapazitäten erhöhen, bleiben auf einem erheblichen Fehlbetrag sitzen, sagte am Mittwoch Simone Hoffmann, Unternehmenssprecherin der DRK-Kliniken Nordhessen, im jW-Gespräch. Spahn hatte in den vergangenen Wochen angekündigt, Krankenhäusern für jeden neu geschaffenen Platz mit Beatmungsmöglichkeit einen Bonus in Höhe von 50.000 Euro zu zahlen. Das reiche aber bei weitem nicht, machte Hoffmann deutlich: Mindestens 85.000 Euro würde jeder Platz kosten. Das würde die Einrichtungen in dieser Krise noch stärker belasten als ohnehin schon. Die Kliniken müssten hohe Summen für Hygieneausstattung bezahlen, deren Preis momentan weltweit exponentiell steigen würde. Außerdem bräuchten die Kliniken Finanzhilfen, um dringend benötigte Beatmungsgeräte kaufen zu können. Die Dienstleistungsgewerkschaft Verdi in Nordhessen forderte am Montag in einer Pressemitteilung gleichfalls, Kliniken finanziell abzusichern, die auf eigene Initiative ihre Beatmungsplätze auf die Versorgung von möglichen Covid-19-Patienten angepasst haben. Als Beispiel hierfür nannte der zuständige Gewerkschaftssekretär Florian Dallmann die DRK-Kliniken Nordhessen. Aus eigenem Antrieb hatte das Unternehmen einen stillgelegten Standort reaktiviert und damit die Zahl der Beatmungsplätze verdoppelt. (…) Verdi warnte auch davor, dass zunehmend Personal ausfallen könnte, weil Schutzausrüstung fehle und die Gefahr einer Infektion bestehe. Deshalb appellierte der hessische Landesverband vorige Woche an die Landesregierung, notwendige Schutzkleidung für Kliniken und das Pflegepersonal zu besorgen. »Trotz der kreativen Bemühungen, bei der Produktion zu helfen, fehlt es überall«, sagte Stefan Röhrhoff, Verdi-Gewerkschaftssekretär des Fachbereichs Gesundheit, jüngst in einer Pressemitteilung.(…) Diese Situation werde jetzt nur noch extremer. Deshalb dürfe es auch keine Kurzarbeit im Krankenhaus geben, wie das in Hessen paradoxerweise schon mancherorts angestrebt werde.“ Artikel von Bernd Müller in der jungen Welt vom 02.04.2020 - Coronavirus: Immer mehr Ärzte und Pfleger infiziert
„Immer öfter infizieren sich Ärzte und Pflegekräfte mit dem Coronavirus. Doch nach Recherchen von NDR, WDR und SZ hat bundesweit niemand einen Überblick, wie viel medizinisches Personal bereits ausfällt. (…) Wie weit das Coronavirus inzwischen in Alten- und Pflegeeinrichtungen sowie beim medizinischen Personal in Kliniken gekommen ist, zeigt eine Umfrage von NDR, WDR und „Süddeutscher Zeitung“ (SZ) unter den knapp 400 Gesundheitsämtern der Republik. In Nordrhein-Westfalen, teilen die Behörden auf Anfrage mit, seien bis zum Mittwoch 322 Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern von ambulanten und vollstationären Pflegeeinrichtungen mit dem Virus infiziert gewesen. Bei diesen Einrichtungen handelt es sich überwiegend um Altenpflegeheime. 1485 Mitarbeiter befänden sich zudem in Quarantäne. In Baden-Württemberg wurden nach Angaben des Landesgesundheitsamts, Stand Mittwoch, 566 Infektionen bei medizinischem Personal registriert. Das ist nahezu eine Verdopplung der Fälle im Vergleich zur Vorwoche. In Bremen wurden bisher 18 Beschäftigte im medizinischen Bereich positiv getestet. Im Landkreis Zwickau sind nach Angaben des dortigen Gesundheitsamts 60 Ärzte und Pflegekräfte mit dem Virus infiziert. Besonders betroffen ist Bayern: Dort waren nach Angaben der Kassenärztlichen Vereinigung 244 Arztpraxen geschlossen wegen Quarantäne, fehlender Schutzausrüstung oder fehlender Kinderbetreuung. Damit liegt das Bundesland im bundesweiten Vergleich vorn. In Baden-Württemberg sind mindestens 80 Arztpraxen geschlossen…“ Beitrag von Martin Kaul, Antonius Kempmann und Reiko Pinkert vom 02.04.2020 bei tagesschau.de - [DGB] Am Fenster klatschen reicht nicht – Besseren Schutz und Tarifverträge für Pflege-Beschäftigte
“Angesichts der Corona-Krise stehen die Beschäftigten in der Pflege und im Gesundheitswesen unter besonders großem Druck. Sie leisten unter besonderen Bedingungen und mit hohen Ansteckungsrisiken Beachtliches. Der DGB fordert, dass die Arbeitgeber ihre Fürsorgepflicht jetzt besonders ernst nehmen, die Beschäftigten besser schützen und damit die Versorgung sichern. Annelie Buntenbach, DGB-Vorstandsmitglied, sagte dazu am Mittwoch in Berlin: „Am Fenster klatschen ist ein Zeichen von Wertschätzung, aber das reicht in Zeiten der Pandemie nicht aus. Die unglaubliche Einsatzbereitschaft der Pflegekräfte verdient es einmal mehr und gerade jetzt, dass flächendeckend bessere Löhne in Form von allgemein verbindlichen Tarifverträgen zustande kommen. Das wäre jetzt ein wichtiges Zeichen. Die Arbeitgeber müssen jetzt außerdem besonderes Augenmerk auf ihre Kontroll- und Fürsorgepflichten legen, denn die ohnehin belastenden Arbeitsbedingungen der Pflegekräfte werden durch die Pandemie noch einmal erheblich erschwert. Es darf nicht sein, dass Arbeitgeber den Arbeitsschutz und die Ruhezeiten hintenanstellen, um die personellen Kapazitäten zu erhöhen. Dass die Beschäftigten irgendwann wegen psychischer und körperlicher Überlastung in die Knie gehen oder sich wegen mangelnder Schutzausrüstung infizieren und ausfallen, müssen wir unbedingt verhindern, auch um die medizinische Versorgung weiter sicherzustellen. Auch Bundesgesundheitsminister Spahn ist jetzt in der Verantwortung, ausreichend Schutzausrüstung zu beschaffen.“ DGB Pressemitteilung vom 01.04.2020 - Pflegenotstand in den Zeiten von Corona. Videobotschaft Dresdner Pflegekräfte
Video vom 30. März 2020 bei solidaritaet.info - „Ein sehr guter Freund von mir ist Krankenpfleger und hat einen offenen Brief an Jens Spahn geschrieben. Da er selbst kein Twitter hat, teile ich das hier für ihn…“ Thread vom 30. März 2020 von Komodowaranin bei Twitter
- Akuter Mangel an Schutzausstattung: Paritätischer fordert staatliche Intervention und Unterbindung des freien Handels mit Schutzkleidung und Atemmasken
„Der Paritätische Gesamtverband zeigt sich alarmiert aufgrund des akuten Mangels an Schutzkleidung und der Preisexplosionen bei entsprechenden Produkten während der Corona-Krise. Der freie Markt sei ganz offensichtlich nicht in der Lage, eine sachgerechte Beschaffung und Verteilung notwendiger Schutzutensilien sicherzustellen, konstatiert der Verband. Deshalb müsse jetzt das Infektionsschutzgesetz konsequent angewendet werden. Der freie Handel mit Schutzausstattung sei zu unterbinden, stattdessen müsse der Staat für eine sachgerechte Versorgung sorgen. Der Paritätische weist erneut auf die prekäre Lage und den akuten Mangel an entsprechender Ausstattung insbesondere auch im Bereich der Pflege und bei anderen Einrichtungen der sozialen Arbeit hin. (…) Der Verband weist darauf hin, dass nicht nur in Krankenhäusern, sondern auch in der Alten- und Behindertenhilfe sowie bei anderen Angeboten und Hilfen für Menschen in existenziellen Notlagen wie Obdachlose, Suchtgefährdete oder auch in Jugendhilfeeinrichtungen sowie Flüchtlingsunterkünften Schutzkleidung und Desinfektionsmittel fehlen. Der Paritätische warnt vor dramatischen Infektionsketten und -verläufen, wenn diese Bereiche aus dem Blick geraten. Die aktuelle Situation in anderen Ländern wie Spanien zeige, wie wichtig es sei, insbesondere auch die Mitarbeitenden in sozialen Diensten aller Art wirksam vor Infektionen zu schützen, um Hilfen aufrecht zu erhalten und rasante Ansteckungsketten in Einrichtungen zu verhindern. Schneider: “Überall wo viele Menschen zwangsläufig zusammenkommen müssen, weil sie nicht allein zuhause bleiben können oder auf Hilfe angewiesen sind, muss bester und unbürokratischer Schutz garantiert sein.” Pressemeldung vom 30. März 2020 beim Paritätischen Gesamtverband - Arbeiten im Krankenhaus während der Pandemie – „Euren Applaus könnt ihr euch sonstwohin stecken“
- Dürfen die das jetzt? Arbeiten im Krankenhaus während der Pandemie
„Wir wollten wissen, was dort gerade so abgeht, welche Anforderungen werden etwa an Arbeitszeit und Arbeitsbedingungen gestellt? Michael Heldt hat mit Tobias Michel, dem Autor der Schichtplanfibel , geplaudert…“ Video bei OKG - Was geht eigentlich ab in den Krankenhäusern?!
„Wie im Teaser schon angedeutet, wird es heute um unsere Krankenhäuser gehen, vor allem auch um das Thema Pflege. Krankenhäuser stehen in der gegenwärtigen Corona-Pandemie besonders im Fokus des öffentlichen Interesses. Die Gefahr einer Überlastung ihrer Infrastruktur steht drohend im Raum: dass es zu wenig Betten auf den Intensivstationen gibt, zu wenig Beatmungsgeräte verfügbar sind und vor allem zu wenig Pfleger*innen und Ärzt*innen zur Verfügung stehen. Wir möchten heute etwas genauer hinschauen. Dafür haben wir mit einigen Expert*innen gesprochen und uns gefragt: Wie sieht eigentlich ihr Klinikalltag aus? Welche Erfahrungen haben sie gemacht? Und was sind ihre politischen Forderungen?...“ Folge 1 des Podcast der iL Hamburg : Corona – Krise – Kapitalismus vom 28. März 2020 - Berliner Krankenpflegerin klagt an „Euren Applaus könnt ihr euch sonstwohin stecken“
„Nina Magdalena Böhmer, 28, ist Krankenpflegerin in Berlin. Hier schildert sie ihren Joballtag und erklärt, warum sie nachts nicht schlafen kann. In diesen Tagen verabreden sich Menschen auf Balkonen, um anderen wie Nina Magdalena Böhmer Applaus zu geben für ihren Einsatz in der Coronakrise. Vor einigen Tagen postete die Krankenpflegerin auf Facebook frustriert und wütend: „Euren Applaus könnt ihr euch sonstwohin stecken.“ Ich weiß, er ist als nette Geste gemeint. Aber glaubt mir: Es verändert absolut nichts. Ich bin gelernte Gesundheits- und Krankenpflegerin, früher sagte man Krankenschwester. Seit ich 16 bin arbeite ich in der Pflege, seit zwei Jahren auf einer peripheren Station in einer Berliner Klinik. Wie sie heißt, will ich nicht sagen, weil mein Arbeitgeber nichts für unser Gesundheitssystem kann. (…) Vor ein paar Wochen hat Jens Spahn entschieden, wegen Corona die Personaluntergrenzen für bestimmte Stationen aufzuheben. Natürlich ist das jetzt eine Ausnahmesituation, aber es war doch vorher schon kaum zu schaffen. Wir sind keine Maschinen! Der Pflegenotstand ist ja seit Jahren bekannt. Es gab Berichte, Talkshowdiskussionen, passiert ist nix. Heute ist alles so schnelllebig, die Buschbrände in Australien sind auch erst ein paar Wochen her. Insofern bin ich mir nicht so sicher, ob sich durch die Coronakrise für meinen Berufsgruppe langfristig was ändert...“ Artikel von Julia Prosinger vom 28.03.2020 beim Tagesspiegel online
- Dürfen die das jetzt? Arbeiten im Krankenhaus während der Pandemie
- Angst vor dem Virus, Vertrauen auf den Staat?
„Krisen-Politik: Wie ist die „ernste Lage“, die die Kanzlerin in ihrer Rede an das Volk zitiert hat, überhaupt zustande gekommen? (…) Diese „Lage“ ist nämlich nicht – wie das Wort suggeriert – einfach „vorgefunden“, ganz ohne das Zutun der politischen Entscheider, die umgekehrt einzig und allein für das „Lösen der Probleme“ zuständig sein sollen. In Bezug auf andere Länder ist die deutsche Presse in diesem Punkt sehr hellsichtig: Man erkennt, wie gezögert, versäumt, heruntergespielt, desinformiert und wertvolle Zeit vertan wird – dort! Man deutet auch mit ausgestrecktem Zeigefinger auf die „schlechten Gesundheitssysteme“, die nicht in der Lage sind oder sein werden, die Patienten zu bewältigen – dort! Und man stellt insbesondere die Länder an den Pranger, die unter Sanktionen, auch deutschen, so leiden, dass es bei ihnen massenhaft Tote geben wird, wie den Iran oder Venezuela. Aber hier, im eigenen Land, ist es anscheinend nicht so einfach möglich, zu erkennen, dass einige politische Entscheidungen nicht unmaßgeblich dazu beigetragen haben, dass ein Virus solche Folgen zeitigt. Deshalb eine kleine Erinnerungshilfe. (…) Der Beginn des staatlichen Handelns in der Corona-Krise ist insofern gekennzeichnet von Bagatellisieren und Beschwichtigen zugunsten eines möglichst lange ungestörten Betriebs der deutschen „Wachstumsmaschine“. (…) Wie es für die Verwaltung eines kapitalistischen Standorts sachlich ganz angemessen ist, setzt die Regierung in Normalzeiten die Volksgesundheit, die sowieso nicht mit der Sorge für die Gesundheit jedes einzelnen zu verwechseln ist (davon zeugen Grenzwerte ebenso wie die Definition von Berufskrankheiten), ins Verhältnis zu dem, wovon in dieser Gesellschaft alles lebt und wofür hier deshalb auch alles da ist: dem Wirtschaftswachstum ihres Standorts (Was heißt hier Volksgesundheit?). Deshalb ist es auch nicht verwunderlich, dass in der ersten Phase beschwichtigt, klein geredet, laviert wurde – billigend in Kauf nehmend, dass gerade dadurch die Infektionen weiter steigen. Dass alle Nationen zunächst so agieren, ist übrigens kein Gegenargument, sondern zeigt nur das „Systemische“: Sie alle, ob China, Italien, die USA oder eben Deutschland, wollen möglichst großes, möglichst ungestörtes Wachstum ihres Geschäfts. (…) Die Corona-Krise macht einige gravierende Mängel des deutschen Gesundheitsbetriebs, die von Betroffenen und Kritikern seit Jahren angeklagt werden, offenbar (jedenfalls, wenn man vom Standpunkt der Patienten her denkt). Da es dazu bereits eine Vielzahl von informativen Veröffentlichungen gab, hier nur einige Stichworte (…) Es ist ein Unding, dass in Deutschland die Forderung nach einem Shutdown aller nicht-lebensnotwendigen Arbeitsplätze noch nicht aufgekommen ist. Wer den Schaden hat, braucht auf den Spott nicht lange zu warten. Der Kanzlerin wie den Qualitätsjournalisten fällt „jetzt“ auf, wer eigentlich das Essen herschafft, die Regale einräumt, den Müll wegmacht und Menschen pflegt, wenn sie krank werden. Diese Leute – auch das sagen sie laut – werden „erbärmlich schlecht bezahlt“. Fragt sich nur, wer dafür eigentlich sorgt. Und ob diese „Helden unseres Alltags“ eigentlich gut beraten sind, so auf die Politik zu vertrauen. Oder ob nicht aus Gründen der Vernunft und des persönlichen Wohlergehens endlich etwas mehr „Distanz“ sinnvoller wäre – nämlich zu diesem Staat, seinen Kalkulationen und seiner Wirtschaft.“ Artikel von Renate Dillmann vom 24. März 2020 bei telepolis - ver.di: Bundesregierung muss Schutz der Beschäftigten in Gesundheitswesen höchste Priorität einräumen – Maßnahmen für Krankenhäuser reichen nicht aus
“Die Vereinte Dienstleistungsgewerkschaft (ver.di) fordert, keine Möglichkeit zu unterlassen, um Beschäftigte im Gesundheitswesen vor einer Ansteckung mit dem Coronavirus zu schützen. „Alle Beschäftigten in Krankenhäusern, Pflegeeinrichtungen und im Rettungsdienst müssen die Schutzausrüstung und Desinfektionsmittel erhalten, die sie brauchen, um sich und andere zu schützen“, erklärte der ver.di-Vorsitzende Frank Werneke. Es sei offensichtlich, dass der Markt an dieser Stelle versage. Es gebe zu wenig Material, und wenn es angeboten werde, müssten völlig überhöhte Preise gezahlt werden. „Wenn Geschäftemacherei mit dringend benötigten Schutzausrüstungen betrieben wird, muss die Bundesregierung diese beschlagnahmen und für eine zügige Verteilung sorgen. Alle gewerblichen Firmen, die dazu beitragen können, müssen jetzt verpflichtet werden, ihre Produktion umzustellen und dringend benötigte Schutzanzüge, Mundschutz und Desinfektionsmittel herzustellen, um den Schutz der Beschäftigten sowie der Patienten und Pflegebedürftigen sicherzustellen.“ Wie viele Menschen gerettet werden könnten, hänge maßgeblich von ausreichenden Schutzmaßnahmen ab. „In den Krankenhäusern brauchen nicht nur die Pflege und der ärztliche Dienst, sondern auch Reinigungskräfte und andere Beschäftigte mit Patientenkontakt Schutzausrüstung. Gleiches gilt für die stationäre und ambulante Altenhilfe“, so Werneke. Obwohl ältere Menschen am stärksten gefährdet seien, seien die Schutzmaßnahmen ausgerechnet hier oft unzureichend oder nicht existent. Die von der Bundesregierung am Montag auf den Weg gebrachten Maßnahmen zur Entlastung der Krankenhäuser und anderer Gesundheitseinrichtungen seien nicht ausreichend. „Der Rettungsschirm ist löchrig“, kritisierte Werneke. So dürfe in den Krankenhäusern die Finanzierung zusätzlicher Personalkosten nicht auf die Pflege beschränkt bleiben. Auch im Reinigungsdienst müsse dringend mehr Personal eingesetzt werden. Reinigung „auf Sicht“ dürfe es weder im Krankenhaus noch in der stationären Langzeitpflege geben…“ ver.di-Pressemitteilung vom 24.03.2020 - RKI lockert Quarantäne-Empfehlungen für medizinisches Personal [bei Personalmangel!!!]
“Das Robert-Koch-Institut hat seine Empfehlungen für COVID-19-Kontaktpersonen unter medizinischem Personal an Situationen mit relevantem Personalmangel angepasst: „Medizinisches Personal muss künftig nach engem ungeschützten Kontakt zu COVID-19-Erkrankten nicht mehr so lange in Quarantäne und darf bei dringendem Bedarf in Klinik oder Praxis arbeiten, solange keine Symptome auftreten“, sagte RKI-Präsident Lothar Wieler heute in Berlin. Mit den neuen Empfehlungen „soll die Balance zwischen Praktikabilität und Patientenschutz gewahrt bleiben“, so Wieler. Er betonte, dass das Vorgehen möglichst mit dem zuständigen Gesundheitsamt abgesprochen werden sollte und ausschließlich bei Personalmangel infrage komme…“ Meldung vom 23.03.2020 beim Ärzteblatt online - DKG zum Gesetz zur Finanzierung der Krankenhäuser im Ausnahmezustand: Das ist kein Schutzschirm, das ist ein fataler politischer Fehler des Ministers / 7,8 Milliarden Euro angebliche Zusatzfinanzierung der Kliniken hält einem Faktencheck nicht stand
„Mit dem heute bekannt gewordenen Gesetzentwurf zum Ausgleich der finanziellen Belastungen für die Krankenhäusern bricht der Bundesgesundheitsminister das Versprechen der Kanzlerin zu einem umfassenden Schutzschirm für die Krankenhäuser. Damit werden die, die vor den größten Herausforderung stehen und am dringendsten in der Corona Krise gebraucht werden, im Stich gelassen. „Der Gesetzentwurf von Herrn Minister Spahn schafft nicht das notwendige Vertrauen in die Politik. Das Ministerium verlangt mit seinem Gesetzentwurf von den Krankenhäusern, dass in einem klein-klein mit den Krankenkassen sogar die Personalkosten für unsere Krankenschwestern und Pfleger ausgehandelt werden sollen. Es wird kein einziger Euro für die hohen Mehrkosten für die persönliche Schutzausrüstung der Mitarbeiter als Finanzierungspauschale bereitgestellt. Die finanziellen Hilfen zur Schaffung der von der Politik so vehement geforderten zusätzlichen Intensivplätze sind viel zu niedrig angesetzt. Wir sind fassungslos, dass der Minister die Vorschläge der Krankenhäuser zur schnellen und unbürokratischen Hilfe einfach vom Tisch gefegt hat“, so der Präsident der Deutschen Krankenhausgesellschaft (DKG) Dr. Gerald Gaß. Mit diesem Gesetzentwurf kann kein Krankenhaus sicher sein, dass es die Krise unbeschadet übersteht. Es gibt keine Budgetsicherheit, es gibt keine Liquiditätssicherung und auch die ausufernde Dokumentations- und Verhandlungsbürokratie zwischen Kassen und Kliniken wird weitgehend beibehalten. „Derzeit rekrutiert jede Klinik Mann und Maus, um für die Versorgung Schwerstkranker parat zu stehen. Wir haben in diesen Zeit viel wichtigere Aufgaben, als Belege zu sammeln und uns auf die einzelne Rechnungsstellung mit den Krankenkassen nach der Krise vorzubereiten“, so Gaß. Die im Entwurf genannten angeblichen 4,5 Milliarden Euro Finanzhilfen, die sich aus der Erhöhung des Pflegefinanzierung ergeben, sollen den Kliniken nur geliehen werden, denn sie müssen im nächsten Jahr an die Kassen zurückgezahlt werden. Im Gesetzentwurf fehlt auch ein Ausgleich für die hohen Mehrkosten für Schutzausstattung der Mitarbeiter und ähnliches. Die Krankenhäuser hatten hier einen pauschalen Mehraufwand von 160 Euro pro Patient beziffert. Die Aufforderung an die Krankenhäuser, mehr Intensivplätze zu schaffen, wird nun dadurch konterkariert, dass den Kliniken gerade einmal 30.000 Euro für jedes bis zum 30. September aufgestellt oder vorgehaltene Bett bezahlt werden. Die Kalkulationen der Krankenhäuser liegen bei 85.000 Euro. Die Differenz wäre nur aufzufangen, wenn der Bundesminister im Gesetz klarstellt, dass die Güter kostenlos von Bund und Länder bereitgestellt werden…“ Pressemitteilung vom 21. März 2020 ,- siehe auch: DKG zur Behauptung des Ministers in der BILD Zeitung die Kliniken erhielten 7,8 Milliarden Euro zusätzlich: 7,8 Milliarden Euro angebliche Zusatzfinanzierung der Kliniken hält einem Faktencheck nicht stand. Pressemitteilung vom 21. März 2020
- Interview zur Coronakrise im Krankenhaus: „Die Ruhe vor dem Sturm“
“… Unsere Gesprächspartnerin möchte anonym bleiben. Sie ist Krankenpflegerin auf einer Intensivstation am Universitätsklinikum Jena und aktiv bei ver.di. [marx21: Du arbeitest auf einer Intensivstation am Uniklinikum Jena. Wie wirkt sich die Coronakrise bisher auf Deine Arbeit im Krankenhaus aus?] Bis zu meiner letzten Schicht am Freitag hatten wir noch keinen belegten Fall von Covid-19 an unserer Klinik. Dementsprechend ist im Moment noch alles ruhig. Es ist diese Ruhe vor dem Sturm. Ich kann es gar nicht richtig beschreiben. (…) [Gab es keine Vorbereitungen auf die Coronakrise?] Kaum. Wir wurden zwar aufgeklärt, dass es das Virus gibt, und wir hatten auch bereits einige Verdachtsfälle in der Klinik, aber ausreichende Informationen, was da auf uns zurollt und wie wir damit umgehen, gab es nicht. (…) [Was erwartest Du, wieweit sich die Situation in den Kliniken zuspitzen wird und wo bestehen die Hauptprobleme?] Das wird davon abhängen, wie viele Corona-Fälle tatsächlich kommen werden. Und wir müssen die Situation von mehreren Seiten betrachten, etwa wie viele Fälle über die Notaufnahme kommen. Wenn wir mit einem Mal Hundert Patienten mit Verdacht auf Corona haben, kann ich mir vorstellen, dass es schon in der Notaufnahme problematisch wird, weil die Personalkapazitäten gar nicht vorhanden sind, die Fälle zusätzlich zu den anderen Patientinnen und Patienten zu versorgen. Ich habe das Gefühl, dass ganz oft vergessen wird, dass all die anderen Patienten ja auch weiter kommen werden und behandelt werden müssen. Parallel läuft auch noch die Grippewelle und wir haben auch Influenza-Patienten, die vital bedroht sind. Corona müssen wir jetzt zusätzlich dazu bearbeiten. (…) [Mit welchem Gefühl wirst Du nun den nächsten Dienst in der Klinik antreten?] Mit Sorge, aber auch Wut. Wir werden nun die Folgen von Ökonomisierung und Sparpolitik mit aller Wucht zu spüren bekommen. Das Problem ist nicht nur, dass nun das Coronavirus wütet, sondern dass das Virus auf ein Gesundheitssystem trifft, das dafür einfach nicht ausgerüstet ist. Wenn schon der Alltag nicht funktioniert, wie soll dann eine Krise gemeistert werden? Die Länder, die es jetzt getroffen hat – Italien, Spanien, Frankreich, USA –, haben alle ein marodes Gesundheitssystem und in Deutschland ist das nicht anders. Überall wurde in den letzten Jahren gespart und massiv Kapazitäten und Personal abgebaut. Das rächt sich nun. Das Gesundheitswesen war schon vorher kaputt. Jetzt im Notfall fliegt uns das um die Ohren. Wir Beschäftigten im Krankenhaus haben die Probleme schon lange angesprochen, sind damit aber viel zu oft auf taube Ohren gestoßen. Wirksame Maßnahmen gegen den Pflegenotstand sind nicht erfolgt. Nun werden wir alles dafür tun, unsere Arbeit zu machen und Menschenleben zu retten. Jetzt kommt es darauf an, dass wir gemeinsam durch die Krise gehen und uns gegenseitig unterstützen, damit fertig zu werden. Dennoch sagen wir auch jetzt: Die Ursache der Coronakrise liegt auch im System. Wenn die Pandemie vorbei ist, kann es nicht so weitergehen wie bisher. Wir brauchen ein grundlegend anderes Gesundheitssystem!“ Interview von Martin Haller vom 18.03.2020 bei marx21 - Politiker, die die letzten Jahrzehnte damit verbrachten, Gesundheitssystem kaputtzusparen, bedanken sich bei Gesundheitspersonal für unermüdlichen Einsatz
„Berlin (dpo) – Politiker sind derzeit voll des Lobes über jene Menschen, die in Krankenhäusern und in der Notfallmedizin unermüdlich gegen das Coronavirus kämpfen. Unter welchen schwierigen Voraussetzungen das geschieht, wissen die Politiker nur zu gut – immerhin haben sie selbst eifrig dazu beigetragen, dass die Arbeitsbedingungen im Gesundheitswesen immer schlechter wurden. (…) Auch in den Medien heißt es derzeit immer wieder, dass die Leistungen von Angestellten in den Bereichen Pflege und Gesundheit gewürdigt werden müssen, obwohl dieselben Medien seit Jahren unkritisch Studien – etwa der Bertelsmann Stiftung – verbreiteten, die eine weitere Reduktion von Klinikkapazitäten zur Folge haben sollen. Das medizinische Personal in Deutschland nimmt das Lob und den Dank der Politik derzeit eher mit gemischten Gefühlen entgegen. „Das können sich die Deppen in den Arsch schieben. Stattdessen würden wir viel lieber eine sofortige und pauschale bundesweite 20-prozentige Gehaltserhöhung annehmen und das Versprechen, dass wir uns nach der Krise mal über Arbeitszeiten und -bedingungen unterhalten“, erklärte etwa eine Krankenpflegerin aus Nordrhein-Westfalen, die seit 20 Stunden ununterbrochen im Dienst ist.“ Postillon am 18. März 2020 - Pandemien sind im DRG-System nicht vorgesehen – warum sind unsere Krankenhäuser für unvorhersehbare Katastrophen schlecht vorbereitet?
“Ist das deutsche Gesundheitssystem gut gerüstet für die Bewältigung der Herausforderungen, die mit einer unvorhersehbaren Anzahl von Kranken im Katastrophenfall oder im Rahmen der derzeitigen Pandemie mit dem neuen Coronavirus auf uns zukommen können? Diese Frage bewegt viele in unserem Land und Minister Spahn lässt keine Gelegenheit aus, das deutsche Gesundheitssystem als eines der besten weltweit zu preisen und uns alle zu beruhigen nach dem bekannten Motto: „Wir schaffen das!“ Wir haben diese beruhigende Botschaft einem Faktencheck unterzogen und kommen insbesondere bei der Funktionsprüfung unserer Krankenhäuser zu einem ganz anderen besorgniserregenden Ergebnis. Die prekäre Lage unseres Gesundheitssystems hat einen langen Vorlauf und begann bereits Mitte der 70er-Jahre mit einer Kostendämpfungspolitik, in deren Folge unter anderem das Selbstkostenprinzip der Krankenhäuser außer Kraft gesetzt wurde. Zuerst wurde die Budgetierung eingeführt, dann folgte die Einführung der DRGs (Fallpauschalen). (…) In diesem Finanzierungssystem gibt es keinerlei Anreize, Behandlungskapazitäten vorzuhalten, um unvorhersehbaren Krisensituationen gerecht werden zu können, denn bezahlt werden nur erbrachte Leistungen, nicht aber eventuelle in der Zukunft eintretende Katastrophen wie Massenunfälle, Havarien von Industrieanlagen mit plötzlichem Andrang unbekannter Zahlen an Verletzten, GAUs in benachbarten oder weiter entfernten Atomkraftwerken oder eben Pandemien wie wir das jetzt bei den weltweit rasant zunehmenden Covid-19-Erkrankungen erleben. Krankenhäuser haben im Rahmen der Daseinsvorsorge neben der alltäglichen stationären Krankenversorgung aber genau diese Aufgabe: Sie sind die entscheidenden Einrichtungen unseres Gesundheitswesens, die Betroffenen helfen sollen, wenn wir mit Katastrophen konfrontiert werden – auch das ist ein Zeichen der Solidarität, dass wir als Gesellschaft in solchen Ausnahmesituationen Verantwortung übernehmen für die Opfer. Mit Krankenhäusern als gewinnorientierten Wirtschaftsunternehmen ist diese Solidarität nicht einlösbar. Wir können uns noch glücklich schätzen, dass die Vorschläge neoliberaler Thinktanks wie der Bertelsmannstifung noch nicht Realität geworden sind, die in einem aktuellen Gutachten empfohlen hat, die Zahl der Kliniken in Deutschland von 1900 auf 330 zu reduzieren und so die Prozesse in der stationären Behandlung noch schlanker und effektiver zu gestalten. (…) In Folge dieser den Kräften des Marktes überlassenen „Krankenhausplanung“ ist von 1991 bis 2017 die Anzahl der Krankenhäuser von 2400 auf 1942 vermindert worden. Der Anteil der Privatkliniken hingegen ist von 21,7 Prozent im Jahre 2000 auf 37 Prozent 2017 gestiegen, wobei in einigen Bundesländern wie zum Beispiel Mecklenburg Vorpommern der Anteil bei über 50 Prozent liegt (Zahlen: Statista/Bundesamt für Statistik)…“ Beitrag von Arndt Dohmen und Dagmar Paternoga vom 18.03.2020 im ATTAC-Theorieblog - Corona Pandemie – Forderungen der Beschäftigten am Klinikum Dachau
- Die Ausgabe von „uns reicht`s“ Nr. 41 vom März 2020: Kolleg*innen, die sich mit dem Coronavirus infiziert haben, sollen weiter arbeiten! … Und zu guter Letzt fordern wir in der jetzigen aktuellen Coronasituation: 500 Euro an die Beschäftigten!
- Covid-19: Forderungen von Pflegefachkräften
„… Inzwischen scheinen Sie, Herr Spahn, verstanden zu haben, dass Deutschland ganz schnell Italien sein kann und es absehbar auch sein wird. In Italien fehlten Intensivkapazitäten und Pflegekräfte, bei uns fehlt nur Letzteres. Einen Unterschied macht das jedoch nicht, denn selbst bei vorhandenen Kapazitäten an Betten und Technik, wer pflegt denn die Patienten auf den Intensivstationen, wer bedient die Maschinen? Es freut uns, dass Sie unsere Texte offensichtlich zur Kenntnis nehmen und sich zumindest partiell daran orientieren, denn die großen Player in der Pflege reagieren wie immer sehr zeitverzögert. Das ist bei einer Pandemie natürlich sehr gefährlich, denn Zeit ist hier Leben! Sie haben nun endlich verstanden, dass Pflegekräfte so rar sind, dass Sie begonnen haben, die Geschäftsführerinnen und Geschäftsführer der Kliniken anzuweisen, jetzt Rentner und Studenten ins Geschehen einzubeziehen und „anzulernen“. Wir freuen uns jetzt schon auf die Hochrisikogruppe an der Beatmungsmaschine hoch infektiöser Patienten. Eine unglaublich aussichtsreiche, durchdachte Maßnahme! (…) Wir werden die Situation natürlich jetzt nicht retten, indem wir mit Ihren bekannten Werkzeugen (warme Worte, Merci-Schokolade…) weiterarbeiten, sondern nur dann wenn Sie jetzt ganz klare Versprechungen an die Pflege geben und diese auch umsetzen. Denn: Pflege(-fach)kräfte sind ein wertvolles Gut, dass es nun zu schützen und zu schätzen gilt! Schade, dass diese Wahrheit noch nicht bei allen durchgedrungen ist, ist (man hatte sich wohl an die devote Haltung der Pflege gewöhnt). Nur in diesem Kontext ist eine offensichtlich mit dem Sozialministerium Baden-Württemberg abgestimmte Mitteilung der Baden-Württembergischen Krankenhausgesellschaft e.V. zu verstehen, die gestern Abend an die Pflegeeinrichtungen in diesem Land ging: „Man bemühe sich Schutzmaterial zu besorgen, aber die Verteilung müsste organisiert werden und man wisse auch nicht, wann es überhaupt vorhanden ist, und falls keines mehr organisierbar ist, sollen wir einfach ohne Schutz weiterarbeiten“. Sie werden jetzt vielleicht verwundert sein, aber genau so geht es nicht! (…) Wir alle werden nun gemeinsam Prioritäten setzen müssen, aber nicht die Pflegekräfte alleine! Wir erwarten von Ihnen ganz konkret: Eine sofortige Organisation der Beschaffung von wirksamer Schutzmaterialien unter Einbezug aller Möglichkeiten. Im Notfall auch durch die Verstaatlichung von Herstellern und deren Zulieferern, um uns Pflegekräfte zu schützen! (Bitte Schutzkleidung, die wir brauchen und die zugelassen ist!) Nein, es ist nicht wertschätzend, Kanonenfutter zu sein! Ein sofortiges Aussetzung aller Prüfungen in den Pflegeeinrichtungen dieses Landes. Erstens ist das eine mögliche Infektionsquelle und zweitens muss alles vermieden werden, was in dieser Krisensituation zusätzlich Arbeitszeit der Pflegekräfte in Anspruch nimmt, die bei der Pflege der Patienten dann fehlt. Mobilisierung aller Pflegefachkräfte aus diesen Prüfbehörden für einen Einsatz in der Praxis. Jetzt sofort eine verlässliche Zusage über eine kräftige staatlich finanzierte Lohnzulage für alle, die dieser Situation standhalten, die ihre Kinder in Notbetreuungsgruppen bringen, Überstunden machen, Pausenzeiten nicht nehmen können, Ruhezeiten nicht einhalten können. Eine sofortige Zusage über deutliche Lohnsteigerungen für Pflegefachkräfte, die bei einem Einstiegsgehalt von 4.000 Euro liegen muss. Die Refinanzierung können Sie sich für die Zeit nach dieser Krise aufheben…“ Gemeinsamer Aufruf von engagierten Pflegefachkräften vom 14.3.2020 bei Careslam , siehe auch die Petition bei change.org: Corona-Krise: Gemeinsamer Aufruf von Pflegefachkräften an Jens Spahn! - [Petition] Covid-19 – Gesundheitsarbeiter*innen fordern: Menschen vor Profite
„… Doch die Sparpolitik im Gesundheitswesen stellt uns angesichts der Krise vor große Herausforderungen. Seit 20 Jahren sind die Krankenhäuser der Logik „Der Markt regelt das schon“ unterworfen. Kostendruck und Profitorientierung haben dazu geführt, dass immer mehr Patient*innen in immer kürzerer Zeit mit weniger Personal versorgt werden mussten. Jetzt in der Covid-19-Krise rächt sich diese Politik besonders. Um diese Krise zu bewältigen, bedarf es außergewöhnlicher Maßnahmen. Wir sehen aktuell, was möglich ist, wenn die politischen Entscheidungsträger*innen es wollen. Deswegen fordern wir angesichts einer absehbaren Ausnahmesituation für die Krankenhäuser konkret: Konsequente Aktivierung und Mobilisierung aller verfügbaren Ressourcen (Menschen, Material, Geld) – vor allem aber: JETZT mehr Personal und ausreichend Schutzkleidung! Vorausschauend planen: “Worst case” annehmen und agieren statt reagieren. Hygienemaßnahmen unmittelbar verbessern; sofortige Aufstockung des Reinigungspersonals; engmaschige Tests von Mitarbeiter*innen. Konsequente Absage planbarer Eingriffe, wo es medizinisch vertretbar ist. Einbindung der verschiedenen Fachbereiche und Berufsgruppen in erweiterte Krisenstäbe an den Krankenhäusern. Transparenz bzgl. betroffener Patient*innen, Maßnahmen, Planungen, Bettenkapazitäten und Materialbeständen in jeder Klinik! Ausreichend Testzentren und mobile Test-Teams zur Entlastung der Notaufnahmen. Sofortiger Stopp geplanter und laufender Krankenhausschließungen!“ Petition bei weact.campact.de an Bundesgesundheitsminister Jens Spahn sowie alle Entscheidungsträger*innen in der Gesundheitspolitik und in den Krankenhäusern - Attac fordert ein gemeinwohlorientiertes Gesundheitssystem und einen Umbau der Wirtschaft!
„Mit der steigenden Zahl von Infizierten durch den Corona-Virus wachsen auch persönliche Ängste und die Sorge um uns nahestehende Menschen, die zu Risikogruppen gehören. Gleichzeitig erleben wir aus der Not geborene Solidarität und Menschen, die tatkräftig der Krise trotzen. Die Beschäftigten im Gesundheitssektor und im Krisenmanagement der Kommunen leisten Übermenschliches um trotz fehlender Ressourcen Menschen zu versorgen und die lokale Infrastruktur sicherzustellen. In dieser ohnehin bedrohlichen Situation müssen wir jedoch befürchten, dass unser heruntergespartes Gesundheitssystem, das bereits im Normalbetrieb überlastet ist, nun in der Krise zu kollabieren droht. Privatisierung der Krankenhäuser, Reduzierung der Krankenhausbetten und die Ausrichtung des Gesundheitswesens auf Profitorientierung statt auf eine möglichst gute Gesundheitsversorgung für alle rächt sich nun. Die Krise muss Anlass sein, die Prioritäten wieder geradezurücken und die Versorgung von Menschen in den Vordergrund zu stellen. Menschen zu helfen, ist der Zweck eines Gesundheitssystems, nicht Profite für private Krankenhauskonzerne zu erzielen. Die von der Regierung angekündigten Anreize für zusätzliche Betten, Appelle an die Krankenhäuser und geplante Abrechnungserleichterungen sind völlig unzureichend und setzen weiterhin auf Marktmechanismen. Dabei hat gerade die Einführung von immer mehr Markt in das Gesundheitswesen die Misere verursacht. Mit der unvorhersehbaren Corona-Pandemie werden die Konstruktionsfehler einer profitorientierten globalisierten Wirtschaft deutlich. (…) Die eng getaktete internationale Arbeitsteilung, die einzig der Logik der Lohnkostenvorteile folgt, hat gefährliche Abhängigkeiten geschaffen, z. B. bei der Produktion von Medikamenten und von medizinischen Ausrüstungsgegenständen. In den aufgeblähten Finanzmärkten droht der systembedingte Widerspruch zwischen anlagesuchendem Kapital und fehlender Nachfrage erneut, die Welt in eine Wirtschaftskrise zu stürzen. (…) Die Rettungsaktionen dürfen nicht zu Lasten der unteren und mittleren Einkommensbezieher*innen gehen – sie müssen vielmehr von denen getragen werden, die in den letzten Jahren besonders von der zunehmenden Ungleichverteilung von Einkommen und Vermögen profitiert haben…“ Erklärung des Koordinierungskreises von Attac Deutschland vom 16.03.2020 - [Berlin] Anlässlich des Corona-Virus: Sofortprogramm für die Verteidigung und die Wiederherstellung der öffentlichen Krankenhäuser als Teil der Öffentlichen Daseinsvorsorge
„der Politische Arbeitskreis Gesundheit hat am 12 März 2020 über die Lage an den Berliner Krankenhäusern nach Auftreten des Corona-Virus diskutiert. Wir können festhalten, der Virus trifft auf eine schon existierende Notstandssituation der Berliner Krankenhäuser. Sie ist das Ergebnis einer jahrelangen Kostensenkungspolitik unter den Vorgaben der Schuldenbremse und des Dumpingwettbewerbs bei Lohn und Versorgungsleistungen im Gesundheitswesen. Diese Politik hat eine Spur der Verwüstung gezogen: Personalnotstand, Tarifflucht in jeglicher Form, am schlimmsten in privatisierten Krankenhäusern und Altenheimen, Lohndumping und Prekarisierung der Arbeitsverhältnisse, Bettenabbau, Reduzierung von Reserven und Schließungen von Krankenhäusern und Krankenhausabteilungen. Der Corona-Virus hat die Situation verschärft, dem Gesundheitswesen in Berlin droht der Kollaps. Angesichts dieser dramatischen Lage braucht es die politische Initiative, um die schlimmsten Auswirkungen zu bekämpfen. Dafür schlagen wir folgende Maßnahmen vor: Sofort mehr Personal durch Neueinstellungen (…) Sofort Investitionen in Sachmittel, Finanzierung von Tests, Betten, Räumen, Schutzmaßnahmen für das Personal (…) Stopp aller Pläne oder auch in Umsetzung befindlichen Pläne zur Schließung von Krankenhäusern, Stationen und Bettenabbau (…) Integration der Töchter von Charité und Vivantes in die Mutterbetriebe (…) Stopp aller Privatisierungspläne und Integration in die staatliche Planung und Kontrolle (…) Wiederherstellung der kommunalen Infrastruktur für das Gesundheitswesen (…) Faktisches Aussetzen des DRG-Systems (…) Sofortige staatlich organisierte und kontrollierte Produktion von Medikamenten und Schutzmitteln…“ Aus dem Flugblatt des politischen Arbeitskreises Gesundheit - Wir hatten Euch gewarnt!
„Wir haben Euch alle vor dem Pflegenotstand gewarnt. Nur wollte NIEMAND auf uns hören. Stattdessen werden uns immer noch sinnbildlich die Füße geküsst und wir mit Merci-Packungen überworfen, weil man uns doch so „dankbar“ ist. Wir bewegen uns nicht auf eine Katastrophe zu. Nein, wir sind mittendrin. Und all das, was Ihr jetzt in den Medien lest oder erfahrt, sind die Auswirkungen, die nun alle von uns und Euch betreffen! Die Pandemie ist da. Und trifft auf eine dank eines Neoliberalismus ausgedünnte Gesundheitspolitik. Jetzt werden so manche Heuschrecken merken, dass man Geld nicht essen kann und Geld auch nicht vor dem Virus schützen wird. Während Jens Spahn von 28.000 intensivmedizinische Betten spricht, die für beatmete Personen zur Verfügung stehen, er mittlerweile auch 10.000 Beatmungsgeräte geordert hat – sollte jeder Mensch, dem der Liebe Gott das Gehirn gegeben hat, um den Platz zwischen den Ohren zu füllen, dieses auch mal endlich anwenden und nachdenken. Es ist faktisch kein ausreichendes Fachpersonal vorhanden. Und bei der Prognose, dass ca. 60-70% der Bevölkerung vom Virus befallen werden, ist davon auszugehen, dass mit dieser Quote auch das Fachpersonal wie auch die Mediziener erkranken werden. Dazu kommt, dass alle Länder, in denen Jens Spahn Pflegekräfte anwerben wollte, diese jetzt selbst benötigt. (…) Unser Fluch „Dann pflegt Euch doch selbst!“ an die Ignoranten in der Politik, Gesellschaft und Wirtschaft wird sich schneller bewahrheiten als so Manchem lieb ist.“ Beitrag vom 15. März 2020 von und bei Frau Sofa , siehe dazu:- Coronavirus: „Schon für das normale Tagesgeschäft sind Kliniken aus pflegerischer Sicht nicht gewappnet“
„Personalmangel, spärliche Ausstattungen und Pflegekräfte, die an ihrem Limit arbeiten: In Zeiten der Coronakrise dürfte so manchem langsam dämmern, dass die seit langem bekannten Probleme in unserem Gesundheitssystem und in der Pflege sich irgendwann bitter rächen werden. Monja Schünemann, ausgebildete Krankenschwester und Historikerin, findet auf ihrem Blog mypflegephilosophie.com immer wieder klare Worte zum Thema Pflege. Im NachDenkSeiten-Interview verdeutlicht sie, wie schlimm es um die Pflege bestellt ist…“ Interview von Marcus Klöckner am 16. März 2020 bei den Nachdenkseiten
- Coronavirus: „Schon für das normale Tagesgeschäft sind Kliniken aus pflegerischer Sicht nicht gewappnet“
- Bündnis Krankenhaus statt Fabrik zur Corona-Pandemie: Krankenhäuser gut vorbereitet? Was hat die aktuelle Corona-Virus-Pandemie mit der Finanzierung deutscher Krankenhäuser über Fallpauschalen zu tun?
“Das Bündnis Krankenhaus statt Fabrik äußert sich in einer Pressemitteilung zu Schwachpunkten der deutschen Krankenhauslandschaft: „Da das Finanzierungssystem über Fallpauschalen für das Vorhalten von Betten und Therapiekapazitäten für den Not- und Katastrophenfall keine Mittel bereitstellt, werden solche Situationen in der Planung der Klinikabläufe auch nicht ausreichend berücksichtigt.“ Pressemitteilung vom Bündnis Krankenhaus statt Fabrik vom 12.03.2020 - „Schreibt euch jede einzelne verfickte Überstunde auf! Jede einzelne!“
„Liebe Pflegekräfte, liebe ärztliche Kolleg*innen, liebes medizinisches Fachpersonal aller Arten, hier mein gut und ernstgemeinter Rat in Zeiten der Pandemie: Schreibt euch jede einzelne verfickte Überstunde auf! Jede einzelne! Es werden viele werden. (…) Und dann gibt es nur noch Dienst nach Vorschrift solange, bis sie das System ändern. Bis sie den Profit rausnehmen. Bis sie einsehen und verstehen, dass Gesundheit kein Wirtschaftsgut ist, sondern ein verdammtes Grundrecht eines jeden Menschen auf diesem Planeten. Und das es ein Grundrecht jedes einzelnen Mitarbeiters ist, fair und angemessen entlohnt zu werden und die bestmöglichen Arbeitsbedingungen gestellt zu bekommen. #COVID19 hat die transformative Potenz, dieses beschissene System zu demontieren und seine Grenzen aufzuzeigen. Nutzen wir diese Gelegenheit zu einer wahren Reformation!“ Toller Thread von @Doktor_FreakOut am 15.3.20 bei Twitter , siehe auch:- „Warum ich mich als Krankenpfleger von der Politik im Stich gelassen fühle und unser Gesundheitssystem schon vor #COVID19 am Rande des Abgrunds stand…“
Thread von Alexander Jorde vom 13. März 2020 bei Twitter
- „Warum ich mich als Krankenpfleger von der Politik im Stich gelassen fühle und unser Gesundheitssystem schon vor #COVID19 am Rande des Abgrunds stand…“
- Krankes System. Pandemie-Stresstest für die BRD
„… Weil Ideologen wie die Bertelsmänner den Takt angeben, weil das Kapital um jeden Preis profitieren will, haben wir diese ganze Scheiße am Hals. Weil »Hartz IV« und »Agenda 2010« dieses Land in einen Schlachthof für Anstand und Würde verwandelt haben, sind Ehrenamtliche für Teile der Grundversorgung zuständig. (…) Wenn die Krankenhäuser nicht mehr tun können, wofür sie erfunden wurden, übernimmt die Armee, die ihr Image aufzupolieren hat. Die Bundeswehr beginne »erste Amtshilfe für das zivile Gesundheitswesen«, hieß es ebenfalls am Freitag. Denn die Truppe »verfüge über besondere Fähigkeiten«, die zum Einsatz kommen könnten, »wenn zivile Stellen überfordert sind«. Dass diese das sein werden – dafür ist alles getan worden, mit pseudowissenschaftlichem Gütesiegel von Bertelsmann und Co. (…) Anstatt zu tun, was helfen würde – bundesweite Schulschließungen, die Kinder für drei Wochen nach Hause holen, dabei volle Lohnfortzahlung für alle Arbeiter und Angestellten (und wenn es ein paar verdammte Milliarden kostet!) – haben wir ein Flickwerk an teils sinnlosen, teils widersprüchlichen Maßnahmen. Es rangeln zwei Fraktionen im Herrschaftsapparat, die Notstandsplaner und Bundeswehr-im-Innern-Fans auf der einen, die eiskalte Wirtschaftslobby in banger Sorge um Profit auf der anderen Seite. Nur an die Gesundheit der Menschen wird in diesem armen, reichen Land zuletzt gedacht.“ Kommentar von Sebastian Carlens in der jungen Welt vom 14.03.2020 - Der Kern der deutschen Krankenhausmisere: Deren Finanzierung nach den sog. Fallpauschalen
“… Zeitgleich zur Verbreitung des Corona-Virus entbrennt eine Diskussion darüber, ob das deutsche Gesundheitssystem für einen solchen Krisenfall gewappnet ist. Erste Signale, dass es hier nicht zum Besten steht, hat die Regierung selbst unfreiwillig gesendet: Bereits vergangene Woche erklärte Bundesgesundheitsminister Jens Spahn (CDU), die erst kürzlich in Kraft getretenen minimalistischen (Pflege-) Personalvorgaben („Untergrenzen“) für die Krankenhäuser vorerst wieder außer Kraft zu setzen, damit die Krankenhäuser auch dann unter Volllast behandeln können, wenn das (Pflege-) Personal knapp wird. In dieser Hinsicht wirkt die Cornona-Pandemie eher wie ein Brennglas, in dem schon länger bekannte Probleme besonders scharf sichtbar werden: es fehlt an Personal in den deutschen Krankenhäuser. (…) Diese Entwicklung macht deutlich, dass Krankenhäuser eine gesellschaftliche Infrastruktur sind, die für Krisenfälle eine ausreichende Kapazität vorhalten muss. Diese Kapazitäten können per Definitionem im nicht-Krisenmodus zumindest zum Teil nicht genutzt werden. Damit sind wir beim Kern der deutschen Krankenhausmisere: der Finanzierung nach den sog. Fallpauschalen (DRG). Denn deutsche Krankenhäuser bekommen nur ein Minimum ihres Budgets für die Vorhaltung von Kapazitäten. Die Krankenhäuser werden pro Patientenfall bezahlt, den sie behandeln. Sie müssen ihre Kapazitäten immer so auslasten, dass sie über die Erlöse durch die einzelnen Patientenfälle genug Geld einnehmen, um den Betrieb ihrer gesamten Infrastruktur (inklusive Personal) finanzieren zu können. In einem solchen System handelt betriebswirtschaftlich unverantwortlich, wer seine Kapazitäten nicht so weit wie möglich auslastet. Für den Krisenfall vorgehaltene (leere) Betten sind aus der individuellen Krankenhausperspektive Erlösausfälle. Das Problem beginnt also nicht erst – wie man es aktuell in verschiedenen Stellungnahmen hört – mit der Gewinnorientierung. Es beginnt bereits mit der „Erlösorientierung“ – also dem Zwang den gesamten Betrieb durch das Erbringen von „Leistungen“ finanzieren zu müssen – unabhängig davon, ob diese individuell oder gesellschaftlich gerade sinnvoll sind. Es wäre, wie wenn die Feuerwehr nur für jeden gelöschten Brand bezahlt werden würde. (…) Bis zu der jüngst angekündigten Absage der planbaren Behandlungen wurde das Problem vor allem durch das Aussetzen der „Untergrenzen“ auf dem Rücken der Beschäftigten gelöst. Wie reibungslos diese Ankündigung angesichts des Erlösdrucks umgesetzt wird, werden die nächsten Tage zeigen. Der Pflegeberufsverband DBfK berichtet bereits davon, dass Kliniken das Aussetzen der Untergrenzen nutzen um Betten mit Nicht-Corona-PatientInnen zu belegen. Dabei ist das Aussetzen der Personalstandards bei der Ausbreitung eines hoch ansteckenden Virus besonders widersinnig. Eine der zentralen Gegenmaßnahmen gegen die Übertragung im Krankenhaus, ist eine ausgiebige Händedesinfektion. Umfragen unter Pflegekräften habe gezeigt, das diese bei Unterbesetzung mit als erstes vernachlässigt wird. Wir lernen also jetzt schon aus der Krise, dass die Propagierung angeblicher Überkapazitäten und der Notwendigkeit von flächendeckenden Krankenhausschließungen, wie sie die Bertelsmann-Stiftung und andere betreiben , unverantwortlich ist. Es ist aber darüber hinaus überfällig, Alternativen zum bestehenden System der Fallpauschalen-Finanzierung zu entwickeln. Krankenhausversorgung darf nicht den Marktanreizen überlassen, sondern muss demokratisch geplant werden.“ Beitrag von Kalle Kunkel vom 13.03.2020 bei Freitag online - ver.di weist angesichts der Ausbreitung des Coronavirus auf die hohe Belastung der Beschäftigten im Gesundheitswesen hin und fordert grundlegende Verbesserungen
„Angesichts der raschen Ausbreitung des Coronavirus (Covid-19) auch in Deutschland weist die Gewerkschaft ver.di auf die hohe Beanspruchung des Krankenhauspersonals hin und fordert strukturelle Verbesserungen. „Die Beschäftigten der Krankenhäuser sind Profis. In einer Krisensituation tun sie alles, um Menschenleben zu retten und die Verbreitung des Virus zu bremsen“, erklärte Sylvia Bühler, die im ver.di-Bundesvorstand für das Gesundheitswesen zuständig ist. „Auch ohne die Extrembelastung der Epidemie gehen die Beschäftigten allzu oft über ihre eigenen Grenzen hinaus, weil ihnen das Wohl und die Sicherheit der Patientinnen und Patienten am Herzen liegen. Es muss damit Schluss sein, dass Klinikträger und politisch Verantwortliche dieses Engagement ausnutzen. Alle Verantwortlichen müssen jetzt das Signal setzen: Wir arbeiten mit Hochdruck an besseren Arbeitsbedingungen. In erster Linie bedeutet das mehr Personal.“ Das von ver.di, der Deutschen Krankenhausgesellschaft und dem Deutschen Pflegerat im Januar vorgelegte Instrument zur Personalbemessung im Krankenhaus, die PPR 2.0, müsse vom Gesetzgeber zügig umgesetzt werden, so Bühler. „Die Bundesregierung kann das Vertrauen der Beschäftigten im Gesundheitswesen zurückgewinnen, wenn sie in dieser Krisensituation die richtigen nachhaltigen strukturellen Maßnahmen auf den Weg bringt. Es braucht für das gesamte Krankenhaus verbindliche Vorschriften für eine bedarfsgerechte Personalausstattung.“ Genauso wie die Bundesregierung für die Wirtschaft Hilfspakete schnüre, müssten jetzt die Beschäftigten im Gesundheitswesen unterstützt werden, so Bühler. Statt dessen würden sogar Entscheidungen getroffen, die Pflegekräfte weiter belasten. Als „völlig falschen Weg“ bezeichnete Bühler die Ankündigung von Bundesgesundheitsminister Jens Spahn (CDU), die Pflegepersonaluntergrenzen in Krankenhäusern pauschal auszusetzen…“ ver.di-Pressemitteilung vom 12.03.2020 , siehe zur Aussetzung der Pflegepersonaluntergrenzen auch unser Dossier: Breites Bündnis warnt vor DGK/GKV-Plänen zu Pflegepersonaluntergrenzen - Kampf gegen Corona: Wie fit ist unser Gesundheitssystem?
MONITOR vom 12.03.2020 - Corona entlarvt den Wahnsinn: 60 Patienten, eine Pflegekraft. Dieser untragbare Zustand ist vielerorts leider Realität. Jetzt kommt noch das Coronavirus dazu
„In Aachen muss das medizinische Personal trotz direktem Kontakt mit COVID-19-Patienten weiterarbeiten. Ich bin fassungslos. (…) Während der Kreis Heinsberg nach mehr medizinischem Personal ruft, sagt Aachen: „Alles halb so wild“. Bei Hochrisikoexposition bleiben alle zuhause – nur bitte nicht das medizinische Personal. Für unsere Arbeitszeit und unseren Arbeitsschutz gelten wie für viele weitere Bereiche andere Regelungen, Gesetze und Empfehlungen. Wir müssen etwas ganz besonderes sein. (…) Als die Schutzkleidung knapp wurde, wurde als erstes die Isolationspflichtigkeit angepasst. Jahrelang gültige Regelungen, die bestimmen, wie wir mit erheblichem Aufwand isolieren und zum Beispiel erst nach Anlage von erweiterten Schutzmaßnahmen, Patienten mit multiresistenten Erregern untersuchen und behandeln sollen, sind auf einmal nicht mehr so wichtig. Unter der Hand gab es die Anweisung, mehrere Patienten mit einem Kittel zu untersuchen, Schutzkittel sollen bitte mehrfach verwendet werden und nicht direkt weggeworfen werden. Bevor es nämlich unbequem, aufwändig oder sogar teuer wird, weil man OPs absagen muss, Betten sperren oder sogar (Intensiv)stationen abmelden müsste, ändert man lieber die Hygienepläne. Zur Not auch gegen die Empfehlung des RKI, siehe Aachen. Alle Kollegen, die im Krankenhaus arbeiten und nicht nur Merci-Packungen verteilen und darüber reden, wissen, wie es um unser Gesundheitssystem bestellt ist. (…) 60 Patienten für eine Pflegekraft. Das ist genauso wahnsinnig, verantwortungslos und zum Scheitern verurteilt, wie es sich anhört. Ich habe Menschen morgens tot im Bett liegend gefunden, die zuletzt vom Spätdienst gesehen wurden. Einfach, weil keine Zeit war für eine normale Zimmerrunde. Das ist dann eben so, ein schicksalhafter Verlauf, herzliches Beileid, weitermachen. Und wer glaubt, dass es nicht schlimmer geht, hat noch nicht den Plänen von teuer bezahlten Beraterfirmen gelauscht, die immer noch Einsparpotenzial sehen. Immer mehr Chefärzte führen stolz einen MBA im Titel, das ist ein Master of Business Administration. Mit diesem berufsbegleitenden Studiengang sollen besondere Kenntnisse in Betriebswirtschaft, Controlling und Finanzwesen nachgewiesen werden. Viel wichtiger als medizinische Inhalte sind finanzielle Aspekte. Das wissen wir seit Jahren, aber so richtig gerne mag das keiner mehr hören. Wir sollen weiter arbeiten und das Krankenhaus soll Geld erwirtschaften. Geld verdienen mit Menschen, die krank sind. Das ist genauso wahnsinnig, verantwortungslos und zum Scheitern verurteilt, wie es sich anhört…“ Bericht von und bei DocCheck vom 5. März 2020 - Corona und Pflege: ackern, bis Du Fieber kriegst! Pflegende als Dritte-Klasse-Bürger
„Vor einhundert Jahren starben Pflegende zumeist an Infektionen. Konnte man nichts machen. Gab ja noch keine Antibiose und überhaupt: sich opfern war der höchste Wert. Bis heute kursieren Anekdoten, Florence Nightingale soll einmal ein glühendes Ofenrohr mit ihren Armen aufgefangen haben, damit es nicht auf einen Arzt fällt. Nächstenliebe. Warum nur ist Pflege so unattraktiv hat man sich in den letzten Jahren gefragt. Man hat leider nur sich gefragt und nie die Pflegenden, sonst wäre es vielleicht zu Ergebnissen gekommen. Nun ist da Corona. Und – ja, wer HÄTTE das gedacht ?- die Personalausstattung reicht bei weitem nicht aus, um den Bedarf zu decken. Ist Pflege also systemrelevant? Ei guck. Aber die Kliniken haben da eine gute Idee. So verkündete heute die Charité, dass sie die Empfehlungen des RKI aussetzen wolle. Man könne sonst die Versorgung der Kranken nicht gewährleisten. Es sei, so Drosten, notwendig, dass das RKI seine Empfehlungen nach und nach der Realität anpasse. OB EUCH DER HUT BRENNT, HAB ICH GEFRAGT!!!!?? Weshalb haben Kliniken nicht nach und nach mal die Personalsituation der Realität angepasst? Wo ist hier bitte die Arbeitgeberfürsorgepflicht? Was ist mit dem Recht auf Unversehrtheit? Gilt das für Pflegende nicht? (…) Selten hat sich eine Gesellschaft bezüglich Gesundheitsberufen so demaskiert wie unter Corona. Pflege, die die den Hintern hinhalten sollen, die als Service Ärsche wischen, die kleingeredet werden. Die nicht einmal den empfohlenen Schutz wert sind. Kanonenfutter. Bauernopfer. Menschen Dritter Klasse. Warum nur möchte diesen Beruf niemand mehr ausüben? Ich komm nicht drauf!“ Beitrag von Monja Schünemann vom 6.3.2020 auf ihrem Blog , dort weitere (empfehlenswerte!) Beiträge zum Thema - »Beschäftigte sind die Gelackmeierten« – Coronaepidemie hat Konsequenzen für die Wirtschaft. Privatisiertem Gesundheitssystem droht Kollaps
Rudolf Hickel antwortet im Gespräch mit Gitta Düperthal bei der jungen Welt vom 6. März 2020 auf die Frage: „… Wenig beleuchtet wird bislang die Frage, wer von der aktuellen Situation profitiert. Tut dies eine sich weiter verzockende Finanzwirtschaft, die eine willkommene Gelegenheit sieht, sich erneut vom Staat retten zu lassen? [Rudolf Hickel:] So zugespitzt würde ich es nicht formulieren. Allerdings haben die Banken in den vergangenen Jahren viele faule Kredite angesammelt, die ihnen Probleme bereiten. Die Niedrigzinsphase und entsprechend zinsgünstige Kredite ermöglichten es eigentlich schon insolventen Unternehmen, sich dank sogenannter Zombiekredite über Wasser zu halten. Infolge der Verbreitung des Coronavirus wird der ganze Wertberichtigungsbedarf erst sichtbar. Im Windschatten der Krise könnten sich die Banken folglich mit Rettungsmaßnahmen auf Staatskosten sanieren. (…) Eine Interessengruppe, die sagt, »Lasst uns mal wieder die Banken mit Steuergeld retten«, existiert vermutlich nicht. Aber dass die gegenwärtige Situation instrumentalisiert wird, liegt auf der Hand. Wichtiger ist aber, dass in der Coronakrise die Folgen der Privatisierung des Gesundheitssystems richtig offenbar werden. Die dramatischen Folgen zeigen, wie problematisch die Zerschlagung von gemeinnützigen und öffentlichen Krankenhäusern ist. Finanzspekulanten, die Arztpraxen und Kliniken übernommen haben, fragen sich: Wie kann ich aus der Situation Profit schlagen? Mit der Sicherung von Quarantäneplätzen können sie jedenfalls nicht absahnen, die kostet viel Geld. (…) Die sozialen Bewegungen müssen scharf kritisieren, in welche fatale Lage uns dieser aggressive Globalisierungskapitalismus gebracht hat. Es muss jetzt für ein öffentlich abgesichertes stabiles Gesundheitssystem mit Krankenhäusern vor Ort demonstriert werden. Parole: Raus mit den Finanzspekulanten aus dem Gesundheitssystem! Wir brauchen einen ökologischen und sozial abgefederten Umbau des gesamten Systems sowie eine Förderung der Binnenwirtschaft. Mit der aggressiven Exportstrategie muss Schluss sein.“ - Der virale Kapitalismus. Die Corona-Epidemie ist auch eine Krise des Neoliberalismus und seiner exzessiven Privatisierungspolitik
„… Bei uns warnen Jens Spahn, eine Ministerkonferenz und der Städte- und Gemeindetag vor Panik. Kaum etwas kann die Menschen jedoch schneller beunruhigen, als wenn Behörden vor Panik warnen. Viele fragen sich jetzt: War es wirklich so schlau, die Krankenhäuser massenweise zu privatisieren, sie „effizienter“ zu machen und Betten abzubauen? (…) Mehr als unter allen neuen Killer-Keimen leidet unser Gesundheitswesen unter der Ideologie des Neoliberalismus. (…) In dramatischem Ausmaß werden die Mittel für Krankenhäuser, Behandlung von Armen, Medikamente und medizinische Forschung beschnitten, um sie per Steuersenkung in die Taschen reicher, nutzloser Möchtegerneliten umzulenken. Dieses neoliberale Verbrechen an der Menschheit könnte sich schneller rächen, als die Diebe des Gemeingutes Gesundheit gedacht hatten. Ihre absurden Ideen von einer zwanghaften Effizienz anstelle gesunder Effektivität — insbesondere der Krankenhäuser — kosten immer mehr Menschen Leben und Gesundheit. Kostensparen an der Gesundheit ist Sparen am falschen Platz…“ Artikel von Hannes Sies vom 6. März 2020 beim Rubikon - Corona-Epidemie: Gesundheitspolitik ist jetzt wichtiger als Wirtschaftspolitik
„Einige fordern, mit Steuersenkungen und Konjunkturhilfen müssten die Folgen der Coronavirus-Krise für die Wirtschaft eingedämmt werden. Doch das ist gar nicht nötig. (…) Wer dafür ist, das deutsche Wachstum mit Staatsgeld zu stützen, sollte nicht „Corona“ rufen, sondern lieber vorrechnen, woher die Milliarden kommen können und wohin sie fließen sollen. (…) Hart trifft es deutsche Firmen, die von China abhängig sind. Denn die chinesische Wirtschaft lag wochenlang quasi brach. Viele Fabrikbänder standen still, erst langsam geht nun die Produktion wieder los. Unternehmen, die nach China exportieren, haben auf einen Schlag ihre Käufer verloren. Auf Zulieferungen aus China angewiesene Firmen bekommen nun auch Probleme, wegen der langen Wege aus Asien etwas zeitverzögert. Für beide Fälle ist Deutschland jedoch so gut aufgestellt, neue Maßnahmen sind nicht notwendig. Weil die Wirtschaft in China Stück für Stück wieder hochfährt, verringern sich die Probleme der Firmen in ein paar Wochen voraussichtlich wieder. Kritisch ist nur die Zeit bis dahin. Eng kann es werden, wenn zwischendurch beispielsweise ein Kredit bedient werden muss. Hier kann die Staatsbank KfW einspringen und Bürgschaften oder Überbrückungskredite ausgeben, die Firmen können dann ihre Hausbank bedienen und zahlen dem Staat das Geld später zurück, wenn die Chinesen wieder kaufen und liefern. Fachleute nennen das Liquiditätshilfe. Um mit staatlicher Hilfe flüssig zu bleiben, sollten die Firmen nachweisen, dass wirklich der Corona-Ausbruch in China die Ursache ist. Das ist durch Absatzmärkte und Lieferketten gut zu überprüfen. Außerdem kennen die deutschen Arbeitgeber die Kurzarbeit. Sie ist ein mächtiges Mittel in schwierigen Zeiten, weil sie Arbeitsplätze sichert. Auch das ist eine Option für besonders betroffene Branchen. Liquiditätshilfen und Kurzarbeit haben sich bewährt. Mehr braucht die deutsche Wirtschaft derzeit nicht. Gesundheitspolitik ist im Kampf gegen das Virus nun wichtiger als Wirtschaftspolitik.“ Kommentar von Bastian Brinkmann vom 5. März 2020 bei der Süddeutschen Zeitung online - [Typisch] Einschnitte wegen des Coronavirus: Bundesregierung bereitet Hilfe für Unternehmen vor
„Die Bundesregierung prüft ein Konjunkturprogramm für den Fall, dass eine Ausbreitung des Corona-Virus die deutsche Wirtschaft stark treffen sollte. „Wir prüfen derzeit verschiedene Szenarien und Hilfen für die Wirtschaft“, erfuhr das Handelsblatt aus Regierungskreisen. Je nachdem, wie stark das Virus sich verbreite, gebe es unterschiedliche Möglichkeiten zum Gegensteuern. Ein Plan mit möglichen Maßnahmen, an dem unter anderem das Bundesfinanzministerium und das Bundeswirtschaftsministerium arbeiten, soll in wenigen Tagen vorliegen. Neben klassischen allgemeinen konjunkturellen Stützungsmaßnahmen wie Steuersenkungen oder besseren Abschreibungsregeln prüft die Bundesregierung vor allem, wie sie einzelnen Unternehmen helfen kann, die besonders vom Virus betroffen sind. (…) Der Bundesverband der Deutschen Industrie (BDI) hatte am Donnerstag ein koordiniertes wirtschaftspolitisches Vorgehen der Bundesregierung angemahnt. „Die Corona-Epidemie ist ein Stresstest für die Wirtschaft, den einige Lieferketten mit starkem China-Fokus derzeit nicht bestehen“, sagte BDI-Hauptgeschäftsführer Joachim Lang. „Die Auswirkungen des Virus sind in der globalen Wirtschaft und der exportorientierten deutschen Industrie deutlich zu registrieren.“ Die mehr als 5000 deutschen Unternehmen in China seien derzeit in Beschaffung, Produktion und Absatz stark eingeschränkt.“ Artikel von Martin Greive und Jan Hildebrand vom 27.02.2020 beim Handelsblatt online – mimimi - Siehe auch Italien im Virus-Notstand: Jetzt müssen sie die Armee einsetzen, weil sie jahrzehntelang das öffentliche Gesundheitswesen abgebaut haben