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Trotz Aufforderung des irakischen Parlaments verlassen die US-Truppen das Land nicht: Der Kampf gegen das von ihnen etablierte konfessionelle System geht weiter

Bagdad und der ganze Irak erleben neue Proteste - Polizei erschießt zwei Menschen„… Doch es gibt auch Regierungen, die im Name der westlichen Werte regelrecht unter Druck gesetzt werden, die Beschlüsse ihres Parlaments zu ignorieren. Besonders dann, wenn es beschließt, dass sämtliche ausländische Truppen und Militärs das Land verlassen sollen. Genau das hat das irakische Parlament mit einer Mehrheit – allerdings in Abwesenheit der meisten sunnitischen und kurdischen Abgeordneten – Anfang Januar dieses Jahres beschlossen. Damit dieser Beschluss nicht wie eine folgenlose Akklamation erscheint, wurde die Regierung ganz konkret aufgefordert, die Forderung nach Nato-Militärunterstützung im Kampf gegen den IS zurückzuziehen und den Truppenanzug konkret einzuleiten. (…) In den vergangenen vier Wochen gab es vielmehr von Seiten der Nato einen massiven Druck auf die irakische Regierung, den Parlamentsbeschluss zu ignorieren (Truppenabzug: USA drohen Irak erneut). Weil die Regierung so schnell nicht dazu bereit war, klangen die Forderungen bald wie Befehle. Man stehe bereit zu einen weiteren Militäreinsatz in den Land, warte aber auf die Zustimmung der Regierung, hieß es da drängend. Dass man die Regierung so drängte, den Beschluss des eigenen Parlaments zu ignorieren, wurde nicht einmal verschleiert. Es wurde von Seiten der Nato nicht einmal versucht, das Parlament dazu zu bewegen, den Beschluss doch noch einmal zu überdenken und zurückzunehmen. Dann hätte es formal demokratisch ausgesehen. Vielmehr wurde der Parlamentsbeschluss als lästige Geste betrachtet, die die Nato-Aktivitäten schon zu lange behinderte, und die Regierung aufgerufen, den möglichst schnell wegzuwischen…“ – aus dem Beitrag „Wie die irakische Demokratie von der Nato verletzt wird“ von Peter Nowak am 15. Februar 2020 bei telepolis externer Link über das Verhältnis NATO und Demokratie (nicht nur) im Irak. Siehe dazu auch einen weiteren aktuellen Beitrag über die Entwicklung und Zielrichtung der Proteste im Irak und den Hinweis auf unseren bisher letzten Beitrag zum Thema:

  • „»Das konfessionelle System und die Milizen schaden unserer Klasse«“ am 18. Febbruar 2020 bei analyse&kritik externer Link – ein Interview von Lilli Helmbold, Hans Stephan und Thomas Waimer mit Sami Adnan von der Gruppe Workers Against Sectarianism, worin dieser zu den Protesten unter anderem ausführt: „… Der Iran hat Anfang Januar im Irak auf einen Schlag zwei Führer verloren: General Qasem Soleimani, Irans Vertreter in der Region, und den proiranischen Milizenführer Abu Mahdi al-Muhandis. Als Reaktion auf ihren Tod reiste der schiitische Milizenführer Muqtada al-Sadr in den Iran, wo er sich mit Ajatollah Khamenei und mit anderen irantreuen irakischen Milizen traf. Al-Sadr ist eine populäre Persönlichkeit, seine sogenannte Reformallianz Saairun hat 54 Sitze im irakischen Parlament. Man muss dazu wissen, dass Anhänger al-Sadrs auch auf dem Tahrir-Platz protestieren. Nach seiner Rückkehr aus dem Iran dachten einige Demonstranten, er wolle vielleicht in Soleimanis Fußstapfen treten und die iranische Politik in der Region durchsetzen. So kündigte er zum Beispiel eine Demonstration gegen die US-Truppen im Irak an. Nach dieser Demonstration forderte al-Sadr, dass sich alle Menschen von den Protestplätzen im Irak zurückziehen sollten, was viele Leute sehr wütend machte. Die Aktivistinnen und Aktivisten sahen hierin einen Verrat. Die Demonstrationen auf dem Tahrir-Platz gingen mit Parolen gegen al-Sadr und den Iran weiter. Die Leute sangen »Kein Amerika, kein Iran, mein Land wird frei sein« oder »Muqtada ist Müll und ein Führer von Dieben«. Nach diesen großen Demonstrationen beschlossen auch viele seiner Anhänger, al-Sadr fallenzulassen. Die Protestierenden machten sich über seinen Aufruf zum Widerstand gegen die USA lustig. Der Irak war seit 2003 von den USA, dem Iran, der Türkei besetzt; es waren diese Besatzer, die al-Sadr stark gemacht haben. Viele sagen, bis jetzt waren al-Sadr und seinesgleichen damit beschäftigt, uns zu bestehlen. Und nun, wo sie uns als Menschen vereint sehen, die ihre Position bedrohen könnten, erwachen sie aus ihrem Schlaf. Ab dem 24. Januar griffen dann Regierungstruppen im ganzen Irak Platzbesetzungen an. Auf dem Tahrir-Platz verbrannte fast die Hälfte der Zelte. Aber sie haben es nicht geschafft, die Besetzung zu beenden. Wir haben eine Regierung, die uns tötet, wenn wir friedlich protestieren. Sie haben uns unseren Reichtum genommen. Sie haben unser Bildungssystem, unsere Landwirtschaft und alles andere zerstört. Deshalb fordern wir ein Ende der Korruption und des konfessionellen Systems, die Beendigung der Herrschaft der Miliz. Wir wollen grundlegende öffentliche Dienstleistungen, Strom, Wasser, Beschäftigung. Wir wollen unsere eigenen lokalen Produkte, eine gute Landwirtschaft. Wir wollen ein säkulares System, um die politischen Islamisten loszuwerden, vor allem Leute wie al-Sadr, Hadi el-Amiri, den Chef der schiitischen Badr Brigaden, und ähnliche Gestalten. Wir wollen einen souveränen Staat. Wir wollen, dass diese kriminellen und korrupten Leute vor Gericht zur Rechenschaft gezogen werden. Wir wollen ein neues System, in dem wir uns vertreten fühlen, auch ein Ende der Umweltverschmutzung, besonders in Basra…“
Kurzlink: https://www.labournet.de/?p=163538
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