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Arm. In der Schweiz

„… Die Spirale in die Armut beginnt oft mit einer Kündigung. Der Gang auf die Regionale Arbeitsvermittlung (RAV), das Anmelden bei der Arbeitslosenkasse und die damit verbundene Kürzung des Einkommens um mindestens 30% trifft viele hart. Zu Beginn denkt die betroffene Person, dass die Aussicht auf eine neue Beschäftigung gut sei. Entsprechend motiviert schreibt er/sie seine Bewerbungen, besucht Kurse des RAV (bspw. wie man sich im heutigen Zeitalter bewirbt) und setzt das Gelernte um. Hat er/sie Glück, dann kann die Person in zumutbarer Zeit eine neue Anstellung finden. Das ersparte Geld ist zwischenzeitlich geschrumpft um den Lebensstandard zu halten. Oder schlimmer, es ist aufgebraucht! Die Taggelder der Arbeitslosenversicherung sind spätestens nach 400 Tagen aufgebraucht. Hat die arbeitslose Person keine neue Stelle gefunden, droht der Gang auf den Sozialdienst der Gemeinde. Konnte bisher auf mindestens 70% des versicherten Verdienstes gezählt werden, zahlt die Sozialhilfe viel weniger. Kann die Person damit umgehen, dass sie mit weniger als CHF 1000.— pro Monat leben muss? Der tägliche Kampf ums (über)Leben hat begonnen…“ aus dem Beitrag „Die reiche Schweiz und die Armut“ von Yvonne Feri am 25. Februar 2020 im Armutsinfo Schweiz externer Link der mit einem Aufruf schließt, sich zur Wehr zu setzen. Siehe dazu weitere Grundinformationen zum Thema:

  • „Handbuch Armut“ von der Caritas Schweiz wurde im Jahr 2014 externer Link veröffentlicht und mit folgenden Ausführungen vorgestellt: „… Armut in der Schweiz ist kein Randphänomen. Über eine Million Menschen in der Schweiz leben in Armut oder knapp über der Armutsgrenze. Mehr als jede fünfte Person ist nicht in der Lage, eine unerwartete Rechnung von 2500 Franken – beispielsweise eine Zahnarztrechnung – zu bezahlen. Armut ist mehr als eine finanzielle Notlage. Es kann bedeuten: lange eine Arbeit zu suchen, keine zu finden und ausgesteuert zu werden; trotz Schmerzen nicht zum Arzt zu gehen, um Kosten zu sparen; keine Ausbildung, keine Perspektive oder einen ungesicherten Aufenthaltsstatus zu haben; ein Leben unter dem Existenzminimum zu führen. Und es bedeutet vor allem, nicht an der Gesellschaft teilhaben zu können…“
  • Siehe zur Armut in der Schweiz auch: SGB-Analyse beweist, was wir schon immer ahnten: Rechte Politik macht Menschen arm.Eine neue Studie des Gewerkschaftsbundes zeigt, wie verheerend rechte Politik für Lohnabhängige und Rentner und Rentnerinnen in diesem Land ist…“ Artikel von Clemens Studer vom 17. Januar 2020 in der UNIA-Zeitung work externer Link sowie die Studie externer Link
  • Widerstand leisten mit offenem Herzen und neuer Sprache
    Den Angriff auf Armutsbetroffene von oben kann nur eine breite solidarische Bewegung stoppen. Die neusten Verschärfungen bieten genug Anlass dafür. Das neue Jahr begann, das oberste Gericht des Landes trat zusammen, und der Bundesrat traf sich zu einer Sitzung. Beiden kam nichts Dringenderes und auch nichts Gescheiteres in den Sinn, als die Rechte und Ansprüche der ärmsten Menschen in diesem Land zu beschneiden. Am 14. Januar 2020 entschied das Bundesgericht, dass SozialhilfebezügerInnen nicht mehr gegen behördliche Weisungen rekurrieren dürfen, etwa gegen die Zuweisung einer billigeren Wohnung (siehe WOZ Nr. 3/2020 externer Link). Damit wird ihnen ein elementares Grundrecht verwehrt, mehr noch: Sie werden förmlich dazu gezwungen, sich renitent zu verhalten. Denn nur wer sich einer Anordnung widersetzt, kann auch eine anfechtbare Verfügung provozieren. Der Entscheid des Bundesgerichts fiel knapp, mit drei zu zwei Stimmen. Initiiert hatte die neue Regel ursprünglich die SVP im Zürcher Kantonsrat. Die Partei hetzt in ihren primitiven Kampagnen seit Jahren gegen «Sozialschmarotzer». Am 15. Januar, nur einen Tag nach dem Urteil des Bundesgerichts, beschloss der Bundesrat neue Massnahmen im Migrationsrecht. Damit will er mehr Druck auf SozialhilfebezügerInnen ausüben, die aus Drittstaaten in die Schweiz gekommen sind. Ihnen sollen die Behörden das Aufenthaltsrecht künftig noch einfacher entziehen können, wenn sie in die Sozialhilfe abrutschen oder es längerfristig nicht aus der Armut herausschaffen. Zudem soll die finanzielle Unterstützung eingeschränkt werden. (…) ExpertInnen weisen schon lange darauf hin, dass die prekäre und perspektivlose Situation vor allem in der vorläufigen Aufnahme dazu beiträgt, dass Menschen keinen Ausweg aus der Armut mehr finden. Zudem ist Armut über Generationen vererbbar, weil die Kinder von ihren Auswirkungen zumeist am stärksten betroffen sind: von der gesellschaftlichen Scham etwa, als arm wahrgenommen zu werden. Der Bundesrat hat mit der Integrationsagenda, die den Eintritt von SozialhilfebezügerInnen in den Arbeitsmarkt verbessern soll, auf solche Erkenntnisse reagiert. Mit den jetzigen Beschlüssen torpediert er seine eigenen Bemühungen. Die Absicherung in der Not ist ein verfassungsmässiges Grundrecht, unabhängig vom Aufenthaltsstatus. Es ist deshalb dringend, den Angriff von oben auf die Sozialhilfe endlich zu stoppen. Dafür braucht es einen Widerstand in der Breite. Alle, die sich einen Rest an Anstand bewahrt haben, sollten sich dafür ein Herz fassen. Die Beschlüsse des Bundesrats kommen als Gesetze ins Parlament. Sie können per Referendum zur Abstimmung gebracht werden. (…) Wer sich durch die bürokratischen Papiere zum Thema und ihre distanzierten, unpersönlichen Begriffe liest, bemerkt noch etwas Letztes: Für eine Wende in der Debatte ist auch eine neue Sprache nötig. SozialhilfebezügerInnen müssen endlich wieder als das verstanden werden, was in den Jahren der Hetze häufig vergessen ging: als armutsbetroffene Menschen in einem der reichsten Länder der Welt.Kommentar von Kaspar Surber in der WOZ vom 23.01.2020 externer Link zum Angriff auf Armutsbetroffene
Kurzlink: https://www.labournet.de/?p=163525
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