[Thüringen und überall] Existiert die „bürgerliche Mitte“ als Wall gegen Rechtsradikale? Was existiert ist: Der fruchtbare Schoss…

[Buch] Der Festungsgraben. Flucht und Migrationspolitiken im Mittelmeerraum„… Angeblich respektierten die FDP und die CDU in Thüringen nur den Wunsch der Wählerinnen und Wähler, als sie eine Regierung der „bürgerlichen Mitte“ ermöglichen wollten. In ihrem Selbstbetrug haben sie nun die Demokratie beschädigt. Ihr Selbstbetrug liegt darin, dass sie an etwas festhalten, was es schon lange nicht mehr gibt, und das sie aktiv mit zerstört haben – das politische Konzept Mitte. Spätestens seit der neoliberalen Agenda von Rot-Grün, aber eigentlich schon seit 1989/90, widersprechen die reale Politik und das von ihr geprägte Wirtschaftssystem in Deutschland der politischen Erzählung von diesem Land. Eine Politik, die auf Ich-AGs setzt, den Mobilisierungsdruck erhöht und von ökonomischen Interessen diktierte Flexibilität von Menschen verlangt, verschleiert die sozialen Kosten und die individuellen Opfer mit der mythischen Erzählung eines zusammenwachsenden Landes. Doch keine Erzählung kann so sehr einnebeln, dass nicht doch irgendwann sichtbar wird, was der Nebel verbirgt. Prekäre Verhältnisse, mehr Armut, Zukunftsangst, höherer Konkurrenzdruck, zunehmende Vereinsamung oder mehr psychische Probleme. Gleichzeitig bietet die gesamte Entwicklung viele Chancen und neue Freiheiten. Mehr Menschen als je zuvor verlangen, gehört zu werden. Wer aber auf seine Bedürfnisse aufmerksam macht, der stört das, was der Begriff „Mitte“ unausgesprochen enthält: Er oder sie stört die Ruhe, die Harmonie und damit auch die scheinbare Stabilität...“ – aus dem Beitrag „Krise der CDU: Die bürgerliche Mitte ist ein Mythos“ von Viktor Funk am 12. Februar 2020 in der FR online externer Link der jedenfalls damit anfängt, jenseits von willkürlichen Zuordnungen politische Positionen zu klären… Siehe dazu drei weitere Beiträge zu verschiedenen Aspekten dieser Entwicklungen:

  • „Was heisst „Alle zusammen gegen den Faschismus“?“ von Jens Störfried am 13. Februar 2020 im Untergrundblättle externer Link hebt hervor: „… Der Appell an „alle“ oder die „Mehrheit“ ist in vielerlei Hinsicht problematisch bis fatal. Menschen, die ihn vorbringen, belügen sich damit selbst und grenzen andere aus, die nicht Teil der Mehrheit sind oder sein sollen. Klar, es kann nicht darum gehen, mit AfDlerInnen zu sprechen, sie an der Regierung zu beteiligen, ihre Meinung als „normal“ stehen zu lassen oder ihnen unkommentiert viel Raum im medialen Diskurs zu überlassen – wie es ja alle Medienhäuser seit 2015 getan hatten. Trotzdem besiegen wir den politischen Feind nicht, wenn wir ihn nicht verstehen und wenn unsere Kritik eine vorwiegend moralische ist. Und wenn wir nicht bereit sind, die Frustration von Menschen zu verstehen – nicht ihren Rassismus und Sexismus, sondern ihre Ohnmachtsgefühle, ihre Erfahrungen der Ausbeutung und Erniedrigung. Das „Wir müssen jetzt aber alle gegen den Faschismus zusammenrücken“ ist weiterhin ein Hohn für alle engagierten AntifaschistInnen, die seit Jahren aktiv sind und die doch meistens nicht gehört und stattdessen als „LinksextremistInnen“ stigmatisiert wurden. Sie wissen: So schnell wie im aufgebauschten Schockmoment viele gegen eine rechts-rechte Regierung auf die Straße gehen, so schnell gehen die meisten von ihnen auch wieder nach Hause. Klar, es können und wollen nicht alle „AktivistInnen“ sein…“
  • „Die »bürgerliche Mitte« gibt es nicht“ von Sebastian Bähr am 12. Feruar 2020 in neues deutschland online externer Link zum Thema im Gespräch mit Ulrike Sommer von der NIKA, worin sie unter anderem ausführt: „… Dass CDU und FDP lieber mit Faschisten kooperieren, ist ein schreckliches Zeichen und spricht für den dort herrschenden Antikommunismus. Da steht das Kapital definitiv hinter dem Faschismus. Die Linkspartei hat dabei in Thüringen ja keinen Kommunismus eingeführt, sondern sozialdemokratische Politik gemacht. Es braucht das Verständnis, dass es die »bürgerliche Mitte«, als die sich CDU und FDP ausgeben, einfach nicht gibt. Die Politik, die diese Parteien vertreten, ist nicht »neutral«. Sie bedeutet ebenso Gewalt und Ausgrenzung. Solange links und rechts weiter gleichgestellt werden, gewinnen rechte Kräfte massiv an Einfluss. Die Aufgabe von Antifaschist*innen ist hier weiter klarzumachen, dass eben Faschismus keine Meinung unter vielen ist. Er ist menschenfeindlich, ein Verbrechen und nicht Normalität…“
  • „Die Rechte sortiert sich neu“ von Sebastian Friedrich am 13. Februar 2020 in der WoZ externer Link (Ausgabe 07/2020) unterstreicht zu Positionen in der CDU und parteiübergreifenden rechten Gemeinsamkeiten unter anderem: „… Mit dem Rücktritt von CDU-Chefin Annegret Kramp-Karrenbauer beginnt in der Union jetzt die offene Auseinandersetzung über die strategischen Optionen. Sollte Friedrich Merz den Vorsitz und die Kanzlerkandidatur übernehmen, wird es für die Union nach rechts gehen. Mit Armin Laschet, derzeit Ministerpräsident in Nordrhein-Westfalen, würde der Merkel-Kurs fortgesetzt werden. In Thüringen gelang es den rechten Strippenziehern erst einmal nicht, ein Bündnis aus CDU, FDP und AfD zu schmieden. Kemmerich gab schnell seinen Rücktritt bekannt, und nun sieht es so aus, als würde es in Thüringen bald Neuwahlen geben. Doch die Farce um die Wahl macht offen diskutabel, was vorher nur hinter vorgehaltener Hand besprochen wurde: Bereits jetzt werden die Stimmen jener lauter, die über eine Regierungsbeteiligung der AfD in Sachsen-Anhalt nachdenken, wo nächstes Jahr gewählt wird. Die Debatten um Thüringen offenbaren ideologische Gemeinsamkeiten zwischen Konservativen, Liberalen und extremen Rechten. Unisono reaktivierten die jeweiligen Vertreter den Antikommunismus – gegen den Linken-Ministerpräsidenten Bodo Ramelow wohlgemerkt, der sich gesellschaftspolitisch eher konservativ präsentiert und wirtschafts- und sozialpolitisch klassisch sozialdemokratische Politik macht. «Hauptsache, die Sozialisten sind weg», kommentierte Maassen Kemmerichs Wahl. Und der frisch gewählte FDP-Ministerpräsident beteuerte Stunden nach seiner Wahl im ZDF, er wolle zwar Politik gegen die AfD machen, aber eben auch gegen «linke radikalistische Forderungen», gegen «Enteignungsfantasien». Hier deutet sich das grosse Potenzial für das rechte Bündnis in Zukunft an: Sollte es dem linken politischen Spektrum gelingen, stärker die soziale Frage zu thematisieren, so wie in Berlin, wo seit Monaten über die Enteignung von grossen Immobilienkonzernen diskutiert wird, könnten zwischen Neoliberalen, Konservativen und extremen Rechten schon bald neue Bündnisse entstehen, um den Status quo der Eigentumsverhältnisse zu schützen. Union und FDP haben das Kapital traditionell auf ihrer Seite – und auch vor der AfD brauchen sich die Vermögenden kaum zu fürchten...“
  • Siehe zuletzt zum Thema am 12. Februar 2020: Der „Pakt von Thüringen“ ist kein Akt von Steigbügelhaltern, sondern der Formierung eines neuen Rechtsblocks. Und Magdeburg lag bisher auch nicht in Thüringen…
Kurzlink: https://www.labournet.de/?p=162916
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