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Brasiliens Rechtsregierung startet Hetzjagd auf Journalisten: Die Sache mit dem Eisberg. Und seiner Spitze…

Brasiliens Präsident Bolsonaro in Galauniform: Zur Feier des Jahrestag des Militärputsches 1964, die er angeordnet hat„… Die brasilianischen Bundesstaatsanwaltschaft erhob Anklage gegen sieben Personen wegen Cyberkriminalität. Im vergangenen Jahr sollen die Beschuldigten die Mobiltelefone des Richters Sergio Moro und des Staatsanwalts Deltan Dallagnol gehackt haben. Unter diesen sieben Personen ist auch der prominente US-amerikanische Journalist Glenn Greenwald. Greenwald, einer der Gründer des Investigativportals The Intercept Brasil, hatte im vergangenen Juni mehrere auf privaten Telegram-Nachrichten basierende Berichte veröffentlicht, welche die Unbefangenheit des Richters Sergio Moro anzweifelten und eine Nähe zwischen dem Richter und dem Staatsanwalt Dallagnol suggerierten. (…) Wie The Intercept Brasil bereits im Juni erklärte, hatte die Plattform die Nachrichten etwa einen Monat zuvor aus anonymer Quelle erhalten. Die Bundesanwaltschaft wirft Greenwald auf Basis eines Gesprächsmitschnitts nun jedoch vor, dieser Quelle beim Zugriff auf die Nachrichten unterstützt und orientiert zu haben. Mitunter soll Greenwald der Quelle empfohlen haben, manche der Nachrichten zu löschen. Damit widerspricht die Bundesanwaltschaft der brasilianischen Bundespolizei, welche zuvor nach Ermittlungen zu dem Schluss gekommen war, dass Greenwald nicht in strafrechtlich relevanten Taten involviert war. Mehr noch: Die Bundespolizei beurteilte Greenwalds Aussagen in besagter Audiodatei als besonders vorbildlichen Umgang mit anonymen Quellen. Das oberste Bundesgericht Brasiliens hatte im August auf einen Antrag der politischen Opposition den Behörden verboten, gegen Greenwald zu ermitteln...“ – aus dem Beitrag „Rache liegt in der Luft“ von Simon Sales Prado am 22. Januar 2020 in der taz online externer Link über die Anklageerhebung, die nach einer monatelangen Hetzkampagne gegen Greenwald vollzogen wurde. Ein Beschluss, wie die Kampagne auch, die „nicht ohne Zutun“ des sogenannten Justizministers Moro stattgefunden haben dürften… Siehe dazu auch vier weitere Beiträge – darunter auch eine Erhebung über Angriffe auf Medien und die persönliche Rolle des Bolsonaro dabei…

  • „Es riecht nach Autoritarismus“ von Trevor Timm am 22. Januar 2020 im Freitag online externer Link zum selben Vorgang unter anderem: „… Dennoch suggerierte Bolsonaro im vergangenen Jahr immer wieder öffentlich, Greenwald gehöre ins Gefängnis. Er sagte, der Journalist habe „Verbrechen begangen“ (ohne Beweise dafür zu haben) und dass er schon bald seine „Strafe absitzen könnte“. Zuvor hatte er Greenwald mit homophoben Verunglimpfungen attackiert. Bolsonaros fanatische Anhänger drangsalierten Greenwald und seinen Ehemann – den Bundeskongressabgeordneten und Guardian-US-Kolumnisten David Miranda – und bedrohten sie körperlich. Im Juni vergangenen Jahres behaupteten rechte, mit dem Präsidenten sympathisierende Publikationen in Brasilien, gegen Greenwald werde polizeilich ermittelt. Zahlreiche internationale Organisationen zum Schutz der Pressefreiheit – darunter die Freedom of the Press Foundation, deren Geschäftsführer ich bin und in deren Vorstand Greenwald sitzt – verurteilten damals die physischen und juristischen Drohungen, die zu eskalieren drohten. Dann fällte ein Richter in Brasiliens Oberstem Gerichtshof ein weitreichendes Urteil, welches besagte, dass jeder Versuch der Regierung Bolsonaro oder der Polizei, gegen Greenwald und The Intercept wegen ihrer Berichterstattung zu ermitteln, „einen eindeutigen Akt der Zensur darstellt“ und Brasiliens Verfassung widerspricht…“
  • „Der Druck auf Glenn Greenwald und die Heuchelei vieler Medien“ von Tobias Riegel am 24. Januar 2020 bei den Nachdenkseiten externer Link zur Beschönigung der Vorgänge im für die deutsche Wirtschaft so wichtigen Brasilien in bundesdeutschen Medien unter anderem: „… Diese Vorgänge werden auch in großen deutschen Medien durchaus korrekt vermeldet – allerdings überwiegend in einer betont knappen und trocken-nachrichtlichen Form. Die „Bild“-Zeitung verschweigt den Vorgang, dass ein renommierter und hochverdienter Enthüllungs-Journalist von der Justiz unter Druck gesetzt wird, laut der internen Suche komplett. Und viele große Medien, die in unangemessener Kürze über den Fall berichten, wiederholen in der Überschrift die Vorwürfe der brasilianischen Staatsanwaltschaft – so titeln etwa die „Süddeutsche Zeitung“, die „Zeit“, der „Spiegel“ und die Nachrichtenagentur DPA wortgleich: „Enthüllungsjournalist Glenn Greenwald wegen Cyberkriminalität angeklagt“. Der „Deutschlandfunk“ verwendet die gleiche Überschrift wie die Privatmedien und verlegt das Thema zudem in die „Kulturnachrichten“. Und das ZDF verschwieg den Vorgang laut interner Suche bisher ganz. Wohlgemerkt: Diese Überschriften und die Artikelinhalte sind nicht falsch – aber ist der gesamte Umgang mit dem Fall Greenwald angemessen? Ist dieser Umgang vergleichbar mit den emotionalen Feuerwerken, die westliche Medien zu anderen Gelegenheiten „für die Pressefreiheit“ abbrennen? Nein: Es gibt ein (etwa im Vergleich zu bedrängten russland-kritischen Journalisten) offensichtliches Bemühen großer Medien, den Vorgang um Greenwald klein und betont sachlich und unpersönlich zu halten…“
  • „Bolsonaro fez 58% dos ataques contra jornalistas no país em 2019, diz Fenaj“ am 16. Januar 2020 bei UOL externer Link dokumentiert (per Weblink) und kommentiert eine Jahresbilanz 2019 der Federação Nacional dos Jornalistas, in der unterstrichen wird, dass die Anzahl der politischen und juristischen Angriffe auf diverse Medien sich in diesem ersten Regierungsjahr Bolsonaros mehr als verdoppelt habe. Und die brasilianische Journalisten-Föderation hebt hervor: Von den offiziell registrierten 208 Angriffen auf die Medien stammten nicht weniger als 121 vom Präsidenten persönlich…
Kurzlink: https://www.labournet.de/?p=161866
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