Wie der Mensch korrumpiert wird – In der kapitalistischen Gesellschaft wird häufig auf die falsche Art der Motivation gesetzt. Dies hat verheerende Folgen
„Nicht nur in Erziehung und Schule ist eine zentrale Grundfrage, was den Menschen motiviert. Auch in Politik, Gesellschaft und Wirtschaft. Was motiviert den Menschen zum sozial verträglichen, zum altruistischen Verhalten? Was zum Lernen und zur Arbeit? Gemeinhin wird zwischen zwei Formen der Motivation unterschieden: intrinsischer und extrinsischer. (…) Es ist augenscheinlich, dass derzeit die allgemeine Überzeugung herrscht, dass der Mensch am besten und erfolgreichsten extrinsisch motiviert wird. In der Schule wird für Noten in der nächsten Prüfung gelernt und ein mögliches Sitzenbleiben dient als stete Abschreckung. (…) In der Berufswelt wird die Arbeit durch das Gehalt bezahlt und mit einer möglichen Gehaltserhöhung oder durch Boni und Beförderung zusätzlich motiviert. Und nicht zuletzt basiert auch die Sozialpolitik auf der Überzeugung, dass der Mensch am besten extrinsisch motiviert werden kann. Mit Zuckerbrot und Peitsche. Entsprechend lautet das Motto: Fördern und Fordern. (…) Geld ist die extrinsische Motivation par excellence. (…) Der unerschütterliche Glaube, dass Geld den Menschen am besten motiviert, reduziert nicht nur die intrinsische Motivation, sondern hat auch weitere destruktive Schattenseiten, die es im Auge zu behalten gilt. (…) Auch der autoritäre Erziehungsstil, der derzeit in Form des sogenanntes „harsh parenting“ auf dem Vormarsch ist, erreicht genau das Gegenteil der angestrebten Wirkung. Er verursacht beim Kind chronischen Zorn, Unmut und Angst. Strafen führen auch eher dazu, die Empathie der Kinder zu senken und deren Sozialkompetenz zu reduzieren. (…) Die falsche Gewissheit über die Natur des Menschen kann daher also gleichsam zu einer sich selbst erfüllenden Prophezeiung werden, denn in der Realität von Gesellschaft und Wirtschaft herrscht unbestritten das kapitalistische Menschenbild. Mit gravierenden Nebenwirkungen. Richard David Precht gibt daher zu Recht zu bedenken: „Die intrinsische Motivation – das selbstbestimmte Interesse – muss im Mittelpunkt jeder Utopie stehen.“ Beitrag von Andreas von Westphalen vom 19. Januar 2020 bei Telepolis