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„Kollateralschaden“ auf iranisch: Das späte Eingestehen des Abschusses einer Passagiermaschine ruft neue Proteste hervor

Proteste gegen Preiserhöhung im Iran ab 15.11.2019 - keineswegs nur militante Konfrontationen, hier eine der zahlreichen friedlichen Proteste in Teheran...„… Nur wenige Stunden, nachdem die iranische Regierung und die Revolutionsgarden die Verantwortung für den Abschuss der ukrainischen Linienmaschine, bei dem 176 Menschen starben, übernommen hatten, gingen die Iraner wieder auf die Straßen. Was mit heftiger Kritik in den sozialen Medien begann, weitete sich rasch zu einem Protest in mehreren Städten aus. Nach einer Trauerfeier für die Opfer – überwiegend Iraner und Kanadier mit iranischen Wurzeln – an der Teheraner Amir Kabir Universität, ging ein Demonstrationszug durch die Straßen der Hauptstadt. Den Studenten schlossen sich rasch weitere Menschen an. Rücktritte seien nicht ausreichend, es müsse Anklagen geben, forderten sie. Zuvor hatte Präsident Rohani zugesagt, die Verantwortlichen für den Abschuss des Flugzeugs würden zur Rechenschaft gezogen, dabei aber keine konkreten Schritte angekündigt. Der Regierung und den Behörden warfen die Demonstranten Inkompetenz und Verbrechen vor. Rasch waren auch Slogans zu hören, die sich gegen Revolutionsführer Ayatollah Ali Khamenei (oft auch: Chamenei) richteten und seinen Rücktritt forderten. Khamenei hatte Berichten zufolge bereits am Tag des Abschusses, dem Mittwoch, erfahren, dass das iranische Militär die Maschine versehentlich angegriffen hatte. Die Streitkräfte waren nach dem iranischen Angriff auf US-Militärbasen im Irak in erhöhter Alarmbereitschaft und rechneten mit einem Gegenschlag, dabei hielten sie das Flugzeug offenbar für einen Angreifer. Weshalb in dieser Situation überhaupt zivile Flugzeuge vom Flughafen Teheran starten durften, ist noch unklar. Bis gestern hatten Regierung und Behörden behauptet, es handele sich um einen Unfall, hatten zugleich aber Experten aus mehreren Ländern gebeten, bei der Untersuchung des Vorfalls zu helfen…“ – aus dem Beitrag „Iran: Die Macht der Straße“ von Gerrit Wustmann am 12. Januar 2020 bei telepolis externer Link über die neuerlichen Proteste gegen das Mullah-Regime. Siehe dazu zwei weitere aktuelle Beiträge sowie zwei gewerkschaftliche Erklärungen (nicht zufällig aus Kanada und von der internationalen Pilotenvereinigung), die Aufklärung ohne internationale Eskalation einfordern:

  • „Aufstand gegen die Mullahs“ von Martin Gehlen am 12. Januar 2020 bei der FR online externer Link hebt unter anderem hervor: „… Im Land selbst gingen am Wochenende in zahlreichen Städten die Menschen auf die Straße, aufgebracht über die dreisten Vertuschungsversuche und das späte Geständnis der eigenen Führung, dass die ukrainische Boeing 737-800 durch eine iranische Rakete getroffen wurde. Drei Tage lang hatten die Verantwortlichen alles abgestritten und in großer Hast versucht, die Absturzstelle von den Spuren des Geschosses zu reinigen. Am Samstag früh kam dann die Wende – ausgelöst durch den wachsenden internationalen Druck. Präsident Hassan Ruhani und Außenminister Mohammed Dschawad Sarif erklärten, die Revolutionären Garden hätten die Passagiermaschine kurz nach dem Start irrtümlich angegriffen. „Das ist eine große Tragödie und ein unverzeihlicher Fehler“, twitterte Ruhani. Sarif entschuldigte sich bei den Angehörigen, wies aber auch dem „Abenteurertum der USA“ in der Region eine Mitschuld an dem Desaster zu…“
  • „Die Lügen der Mullahs“ von Bahman Nirumand am 12. Januar 2020 in der taz online externer Link kommentiert diese Entwicklung unter anderem so: „… Aber dann kam der Flugzeugabsturz. Ohne Zweifel war die gesamte iranische Führung gleich nach dem Abschuss der ukrainischen Passagiermaschine über den Vorfall informiert worden. Doch drei Tage lang wurde die Wahrheit vertuscht. Die gleichgeschalteten Medien folgten den Anweisungen der Führung, belogen das eigene Volk und die ganze Welt. Erst als der Druck von außen wuchs und ausreichend Indizien vorlagen, gab Teheran zu, das Flugzeug „versehentlich“ abgeschossen zu haben. Nach dieser dreisten Lüge war es mit dem Burgfrieden zwischen den Machthabern und dem Volk vorbei. In mehreren Städten gingen und gehen Tausende wutentbrannt auf die Straße. Sie machen direkt Revolutionsführer Ali Chamenei für die Tötung der 176 Insassen der abgeschossenen Maschine und für die große Lüge verantwortlich. Die Parolen sind dabei radikal wie nie: Die Demonstranten verlangen Chameneis sofortigen Rücktritt, bezeichnen ihn als „Mörder“, „Lügner“ und „Verräter“…“
Kurzlink: https://www.labournet.de/?p=160883
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