Nazis bei der Polizei: Es geht nicht um „schwarze Schafe“ oder nicht – sondern um die Gefahr, die Nazis in Uniform darstellen
„… Sebastian Kayser erlangte die Informationen für seine Drohbriefe durch seine Tätigkeit beim LKA 52 AE, der Auswerteeinheit des Staatsschutz. Seine Partnerin, Zarah Pulver, arbeitete zumindest bis vor kurzem bei der gleichen Dienststelle. Sie veranlasste im Frühjahr 2016 den Abzug der Observationsteams des MEK von Anis Amri, indem sie in ihren Lagebildern und Gefahrenprognosen einige Menschen, die sie unseren Zusammenhängen zurechnet, als die größere Gefahr darstellte. Gleichzeitig kam es im Rahmen der sogenannten „Halle Leaks“ zu einem Datenaustausch zwischen Berliner Polizei und Nazis. Der Ex- Beamte Nick Hein stellt als Auslöser für seine „Recherche“ ein Lagebild der Polizei zur Rigaer Straße dar, das ihm unerlaubt zugespielt worden sei. In Minute 4:46 des Videos ist auf dem als „VS – Nur für den Dienstgebrauch“ klassifizierten Dokument die Bezeichnung LKA 52 AE ersichtlich, also jene Abteilung die uns schon länger durch ihre kreativen Methoden aufgefallen ist. (…) Kaum vorstellbar ist, dass der ehemalige Bundespolizist und mäßig erfolgreiche Kampfsportler Nick Hein mit diesem Video eine eigenständige politische Agenda verfolgt. (…) Er fungiert dabei als Stichwortgeber für organisierte Faschisten, Extremisten der bürgerlichen Mitte und frustrierte Bullen. Egal ob er sich zu den Silvesterereignissen am Kölner Hauptbahnhof vor einigen Jahren, zur Situation im Görlitzer Park oder zu seinem Freund, dem Suff-Raser Bullen vom Alex meldet, die von ihm kreierten Feindbilder sind immer für die willigen Vollstrecker des Volkszorns geeignet...“ – aus dem Beitrag „Rigaer94 zum „sensationellen“ neuen Videobeitrag“ von rigaer94 am 06. Januar 2020 auf de.indymedia , woraus die tatsächliche Gefährlichkeit der uniformierten Nazis ausführlich deutlich wird. Zum Thema der konkreten Gefahr, die von Nazis in der Polizei ausgeht fünf weitere aktuelle Beiträge vor und nach der Jahreswende, die diese Gefahr auch dann deutlich machen, wenn sie eigentlich andere Schwerpunkte in der Berichterstattung haben:
- „Rechts und Gesetz“ von Lisa Schnell am 03. Januar 2020 in der SZ online über Neuigkeiten aus Bayern – und die Wirkungen dieser Täter im Alltag: „… 2016 in Eichstätt: Ein Mann verschickt per Handy rechtsradikale Nachrichten. Sein Beruf: Polizist. 2019 in Augsburg: Rassistische Beleidigungen strömen aus einem Mund, der beim Eintritt in die Polizei Verfassungstreue versicherte. 2019 in Bamberg: Ein Hitlergruß ragt aus einer Gruppe. Der Mann, der seine Hand hebt: Polizist, Beamter, Staatsdiener. Alles Fälle, die bis jetzt noch nicht bekannt waren und in einer Antwort des Innenministeriums an die SPD-Landtagsfraktion zu finden sind. Das Schreiben liegt der SZ vor. Wer es liest, den könnte ein ungutes Gefühl beschleichen. Auch in Bayern, wo eine Gruppe Münchner Polizisten antisemitische Videos in einer Chat-Gruppe teilte. Ausgerechnet Polizisten! Polizei und Justiz sollen die freiheitlich-demokratische Grundordnung schützen. Man könnte sagen: Sie sind die Wächter des Rechtsstaats. (…) Auf die Anzahl aber kommt es Behr nicht an. „Man kann sich nicht auf die statistische Normalverteilung berufen, weil Polizei und Justiz über privilegierte Machtbefugnisse verfügen.“ Polizisten hätten das Gewaltmonopol, sie bekämen immer mehr Befugnisse. Kurz: Ein rechtsextremer Polizist kann mehr Schaden anrichten. Um das zu verhindern, müsse sich auch die Polizei ändern, sagt Behr. Denn ja, ihre Strukturen könnten Rechtsextremismus begünstigen…“
- „“Erhebliches Führungsproblem“ „ von Steffen Winter am 21. Dezember 2019 beim Spiegel online berichtete über entsprechende praktische Haltungen, nicht über Organisationszugehörigkeiten oder Ähnliches: „… Nach einer offenbar rechtswidrigen Hausdurchsuchung prangern interne Ermittler Missstände in der Polizeiinspektion Weimar an. Es gebe in der Inspektion eine sichtbare Führungsschwäche und Anzeichen für „ein erhebliches Führungsproblem“, heißt es in einem internen Bericht. Im Jahr 2017 hatten Polizisten die falsche Wohnung durchsucht und dort eine junge Frau aufgefordert, sich auszuziehen. Die Betroffene, die zuvor Opfer einer Vergewaltigung geworden war, ist traumatisiert und bis heute in ärztlicher Behandlung. Bei der Aufarbeitung stießen interne Ermittler auf weitere Merkwürdigkeiten im Zusammenhang mit dem Fall. So soll ein Beamter einer jungen Frau interne Informationen sowie Bilder seines entblößten Geschlechtsteils geschickt haben. Auch seien interne Daten per Mobiltelefon aus der Dienststelle weitergeleitet worden…“
- „Zu viele Einzelfälle“ von Tom Schimmeck am 20. Dezember 2019 im Deutschlandfunk zum aktuellen Stand „damals“ – der in den wenigen Tagen danach schon überholt wurde: „… Alles Einzelfälle? Oder haben Rechtsradikale einen organisierten Marsch durch die Institutionen begonnen? Nach den ab 2011 öffentlich gewordenen Verbrechen und Fahndungspannen im Fall des Nationalsozialistischen Untergrunds, einer anschwellenden Welle von Hasskriminalität, nach dem Mord am Kasseler Regierungspräsident Walter Lübcke im Juni dieses Jahres und dem Versuch eines antisemitischen Massakers in Halle im Oktober ist offensichtlich: Die Bundesrepublik hat ein Problem mit rechtsextremer Gewalt. Umso alarmierender wirkt da der Verdacht, Rechtsextreme könnten sich ausgerechnet dort ausbreiten, wo das staatliche Gewaltmonopol angesiedelt ist: in deutschen Polizeiapparaten. (…) Insgesamt ergeben sich aus dieser sehr unvollständigen Auflistung an die 200 Fälle rechtsextremer Betätigung von Polizeikräften in Deutschland. „Das erinnert einen ja sehr an so eine Art Schattenarmee, die man da aufbauen möchte“, findet der grüne Polizist Dobrowolski. „Das ist also eher gruselig. Und das sind natürlich auch nur die Fälle, die jetzt öffentlich geworden sind.“…“
- „Berliner Polizei hortet massenhaft sensible Daten von Bürgern“ von Alexander Fröhlich am 29. Dezember 2019 im Tagesspiegel online – worin, neben der „allgemeinen Erscheinung“ der illegalen Datensammlungen auch konkret in bezug auf Rechte berichtet wird: „… Dabei gibt es aus gutem Grund Löschfristen – zum Schutz der Bürger vor dem Staat. Nach einem, zwei, fünf oder zehn Jahren müssen erfasste Daten entfernt werden. Doch nach Smoltczyks Ansicht hat die Polizei die vorgeschriebenen Fristen verletzt. Seit Juni 2013 werden die Daten vielmehr gehortet. Damals wurden im Zusammenhang mit der Neonazi-Terror-Gruppe NSU ein Löschmoratorium erlassen. Ein weiteres erfolgte im Januar 2017 – nach dem Anschlag des Islamisten Anis Amri am Breitscheidplatz. Noch kurz nach dem Erlass hatte der damalige Sprecher der Polizei erklärt, die Löschung der Daten erfolge weitgehend automatisiert, Poliks erfülle alle Datenschutzrichtlinien. Fast drei Jahre später stellt sich heraus: Das Gegenteil ist der Fall, wie die Polizei nun erklären muss. Auf Anfrage erklärte die Behörde zur Rüge der Datenschutzbeauftragten: „Bevor wir Daten löschen, müssen wir absolut sicher sein, dass diese nicht im Zusammenhang mit den terroristischen Handlungen stehen könnten. Es wäre fatal, wenn wir Informationen löschen, die der Aufklärung dieser Angriffe oder gar dem Schutz vor neuen dienen könnten.“ Die Datenschutzbeauftragte sieht das anders. Denn die beiden Moratorien gelten nur in Bezug auf Rechtsextremismus oder zum Attentat am Breitscheidplatz. „Dennoch wurde die Datenlöschung innerhalb von Poliks von der Polizei Berlin komplett ausgesetzt“, sagte Smoltczyks Sprecher. (…) Daneben konnten Beamte Daten abrufen, ohne einen konkreten Grund dafür angeben zu müssen. Stattdessen reichten dafür allgemeine Schlagworte aus wie „Vorgangsbearbeitung“ oder „sonstiger Grund“. Und in bestimmten Feldern, die als weiteres Merkmal ausgefüllt werden müssen, um Daten zu durchsuchen, reichte es aus, einfach „xxx“ einzugeben. Damit konnten Polizisten unkontrolliert im Datensystem suchen und Daten von Menschen zusammentragen, auch wenn dies für die Erfüllung ihrer Aufgaben gar nicht nötig war oder sie ganz andere Interessen verfolgt haben. Der Missbrauch des Datensystems war also gerade erst durch die Polizei selbst möglich gemacht worden...“
- „Polizei in Köln blinkt rechts und die Medien klären nicht auf“ am 07. Januar 2020 bei scharf links dokumentiert eine Erklärung der Linken NRW zum Verhalten der Polizei bei ihrer Aktion „Schutz für die Nazi-Demonstration gegen den WDR, worin es heißt: „… „Es ist ein Skandal, dass die Kölner Polizei indes von einer ‚Auseinandersetzung zwischen links- und rechtsorientierten Versammlungsteilnehmern‘ berichtet und die Medien vor Ort diese Darstellung übernehmen und weiterverbreiten“, kritisiert Inge Höger, Landessprecherin der Partei DIE LINKE in NRW. „Die Polizei in Köln zeigt damit einmal mehr, dass sie die extreme Rechte schützt und antifaschistische Proteste delegitimiert. Die breite Öffentlichkeit erfährt nämlich nicht, dass der Angriff von einer Person ausging, die sich mit Handbandagen auf eine Auseinandersetzung vorbereitet hatte. Das zeigen die Bilder, die der Erklärung beigefügt sind, deutlich“, so Höger weiter. Das Bündnis „Köln gegen Rechts“ berichtet des Weiteren, dass in einem Fahrzeug der Polizei ein rechtskonservatives Magazins mit dem Titelthema „Kuschelfunk – ARD und ZDF auf Regierungskurs“ hinter der Windschutzscheibe platziert worden war. „Wenn das stimmt, kann die Polizei nicht mehr leugnen, wo sie politisch zu verorten ist“, erklärt Inge Höger und fordert: „Wenn rechte Tendenzen den WDR – den öffentlich-rechtlichen Rundfunk – massiv beeinflussen wollen, müssen alle demokratischen Alarmglocken läuten. Die Vorfälle in Köln zeigen einmal mehr, welche Gefahr vom rechten Spektrum ausgeht, umso mehr, wenn die Rechtsextremisten von der Polizei geschützt werden...“