Was hinter dem Rückgang der Asylanträge in Deutschland steckt
„Die Flüchtlingskrise ist vorbei, verkündete die EU-Kommission vor der Europawahl. Die Zahlen sprechen eine andere Sprache: Es gibt wieder mehr Asylanträge – vor allem in Frankreich. Die Zahl der Asylbewerber ist nach Angaben von Eurostat 2019 wieder gestiegen. EU-weit nahm sie zwischen Januar und September um 8,6 Prozent im Vergleich zum Vorjahreszeitraum zu – und lag bei insgesamt gut 473.200. Frankreich meldete erstmals seit Beginn der Flüchtlingskrise 2015 wieder mehr Asylbewerber als Deutschland. Zum Stichtag 24. November verzeichnete Frankreich 124.383 Erstanträge – mehr als je zuvor. Ein Gutteil der Anträge bei unseren Nachbarn kommt von Asylbewerbern, die in Deutschland abgewiesen wurden. Sie versuchen ihr Glück zunehmend in Frankreich, auch wenn dies eigentlich nicht zulässig ist. Dies und der Anstieg der Gesamtzahlen zeigt, dass die Flüchtlingskrise noch längst nicht ausgestanden ist. Auch die Lage auf den griechischen Inseln gibt zunehmend Anlass zu Sorge. Nimmt man dann noch die wiederholten Drohungen von Sultan Erdogan hinzu, so wird klar, dass die EU hier gefordert ist. Doch bisher hat man von der neuen EU-Kommission noch nicht viel gehört…“ Beitrag vom 26. Dezember 2019 bei Lost in EU . Siehe dazu:
- Asylzahlen 2020 zeigen: Deutschland hat Platz! Pro Asyl fordert Evakuierung und Aufnahme aus den Elendslagern vor und an der EU-Grenze
„Mit Blick auf die veröffentlichten Asylzahlen für 2020 stellt PRO ASYL fest, dass die Zugangszahlen nach Deutschland seit 2012 auf einen Tiefstand gesunken sind. Die Zahl der grenzüberschreitenden Asylerstanträge lag im Jahr 2020 bei 76.061 und damit um 31,5 % niedriger als im Vorjahr (Quelle: BMI). (…) Es ist deutlich, dass in Deutschland erhebliche Aufnahmekapazitäten frei sind. PRO ASYL fordert die Bundesregierung auf, angesichts steigender Flüchtlingszahlen auf mittlerweile über 80 Millionen Menschen weltweit, diese Kapazitäten auch zu nutzen. Die geringen Zugangszahlen nach Deutschland sind eine Folge der rigorosen Grenzabriegelung Europas. Die griechisch-türkische Landgrenze, die ungarische und die kroatische EU-Außengrenzen sind systematisch abgeriegelt; Schutzsuchende sitzen in Bosnien im Elend und Winter unter Lebensgefahr fest, ohne die Perspektive auf Schutz. In ähnlicher Weise wird die Seegrenze von Griechenland zur Türkei abgeriegelt, auch hier sinken die Zugangszahlen dramatisch. Kamen 2019 noch 60.000 Schutzsuchende mit Booten an, so waren es 2020 nur noch 9.687, die Gesamtzahl der Ankünfte in Griechenland (Land und See) sank von 75.000 in 2019 auf 15.533 in 2020. (…) PRO ASYL stellt fest, dass die Zahl der Widerrufsentscheidungen des Bundesamts für Migration und Flüchtlinge (BAMF) drastisch auf 252.940 gestiegen ist. Zudem waren 148.873 Widerrufsprüfungen anhängig. Das BAMF entwickelt sich zunehmend zur Widerrufsprüfungsbehörde. Widerrufsverfahren machen mittlerweile rund zwei Drittel aller Entscheidungen aus. Entscheidungen über Asyl betreffen nur noch rund ein Drittel aller BAMF-Entscheidungen (145.071). Zum Jahresende waren zudem mehr als 150.000 Widerrufsverfahren anhängig (…) Das BAMF muss die Möglichkeit erhalten, seine Ressourcen statt für aufwändige Widerrufsprüfungen – die zumeist die ursprüngliche Entscheidung bestätigen – besser dafür einsetzen, die eigene Fehlerquote bei Asylbescheiden zu senken. Auch 2020 wurden zu Tausenden Ablehnungsbescheide des BAMF durch Gerichte korrigiert. Gerade bei den Herkunftsländern mit besonders hoher Korrekturquote wie beispielsweise Afghanistan (ca. 60% aller inhaltlich von Gerichten geprüfter Fälle (…) sollte das Bundesamt in die Lage versetzt werden, sein Personal dafür einzusetzen, die Zahl fehlerhafter Ablehnungen drastisch zu senken.“ Pressemitteilung von Pro Asyl vom 11. Dezember 2021 - PRO ASYL zur Asylstatistik 2019: Ergebnis der Abschottungstaktik auf Kosten Schutzsuchender
„Das Bundesinnenministerium hat die Asylstatistik zum Jahr 2019 veröffentlicht. Der Bundesinnenminister wertet es als Erfolg, dass es weniger Schutzsuchende nach Deutschland geschafft haben. Diese rein nationale Sicht ignoriert: Erstmals waren 2019 weltweit mehr als 70 Millionen Menschen auf der Suche nach Schutz. Allein in Nordsyrien sind im Dezember 2019 Hunderttausende neu in die Flucht geschlagen worden. Die immer größer werdende Verzweiflung und Notlage der Menschen ist für Seehofer nichts anderes als »Migrationsdruck«, den es abzuwehren gilt. »Was vom Bundesinnenministerium als Erfolg verkauft wird, geht auf Kosten Schutzsuchender«, sagt Bellinda Bartolucci, Leiterin der Abteilung Rechtspolitik bei PRO ASYL. Eine der Abschottungsmaßnahmen ist der flüchtlingsfeindliche EU-Türkei-Deal. Die Folge: Allein in Griechenland harren mehr als 40.000 Schutzsuchende überwiegend in den völlig überfüllten Lagern auf den ägäischen Inseln aus – mehr als ein Drittel sind Kinder, davon 60% jünger als 12 Jahre. PRO ASYL hat bereits wiederholt die Aufnahme von Schutzsuchenden aus den menschenunwürdigen Bedingungen gefordert . Viele von ihnen haben Angehörige in Deutschland, die Familienzusammenführung wird ihnen aber häufig verwehrt. Am EU-Türkei-Deal festzuhalten ist zynisch, gehört die Türkei doch mittlerweile selbst zu den TOP 3 der Herkunftsländer bei Asylsuchenden im Jahr 2019 …“ Pressemitteilung vom 08.01.2020