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Hat die rechtsradikale indische Regierung „den Bogen überspannt“? Die Proteste gegen das fundamentalistische Staatsbürgerschafts-Gesetz werden immer breiter, auch Gewerkschaften mobilisieren intensiv

„… Unter den Menschen, die sich gegen die Regierung wenden, sind nicht nur Muslim*innen und Studierende, die sich mit ihnen solidarisieren: Die Protestierenden kommen aus der Mittelschicht wie auch aus Asiens größtem Slum Dharavi in Mumbai, wo es am Sonntag ebenfalls zum Protest kam. In fast allen großen indischen Städten wie in Delhi, Hyderabad, Chennai, Kalkutta, Guwahati fanden Demos statt (ebenso beteiligte sich die indische Diaspora in London, Berlin und Chicago). Am Sonntag meldete sich schließlich der indische Premier Narendra Modi zu Wort und rief zur Versöhnung auf. Gleichzeitig sagte er, dass Lügen von der Opposition und linken Aktivist*innen über das Gesetz verbreitet worden seien. Muslime, deren Vorfahren in Indien geboren wurden, hätten nichts zu befürchten. Ebenso dementierte Modi Meldungen über geplante Abschiebelager. Mit seiner Ankündigung kann er dennoch kaum die ernsten Bedenken der Bevölkerung kleinreden, die von den Ärmsten, die kaum Herkunftsdokumente haben, über Muslime zur trans Community reichen, was das Recht auf die Staatsbürgerschaft angeht. Andere fürchten, dass die Regierung Indien schrittweise zu einem Hindu-Gottesstaat umbauen wolle…“ – aus dem Beitrag „Erneut Todesopfer bei Protesten“ von Natalie Mayroth am 22. Dezember 2019 in der taz online externer Link, aus dem deutlich wird, dass es sich um eine demokratische Massenbewegung handelt und – natürlich – dass Modi ein Lügner ist: Bilder von im Bau befindlichen Abschiebelagern gibt es inzwischen aus nahezu jedem Bundesstaat Indiens (wie es ja auch von der Regierung Modi gefordert worden war, dass es in jedem Bundesstaat mindestens eins geben müsse). Siehe dazu auch einen Beitrag, in dem versucht wird, die Entwicklung 2019 in Indien zusammenzufassen, den Aufruf von 10 Gewerkschaftsverbänden gegen das Gesetz und für weitere Proteste, einen Beitrag über die Reaktion der Regierung auf diese unerwartet massenhaften Proteste sowie den Hinweis auf unseren bisher letzten Beitrag dazu:

  • „Indien: Spalte und herrsche“ von Gilbert Kolonko am 21. Dezember 2019 bei telepolis externer Link fasst die Entwicklungen dieses Jahres noch einmal zusammen, woraus auch die komplexe Lage und die nationalistische Mobilisierung deutlich werden: „… Am vergangenen Dienstag hatten sich die Demonstrationen gegen die Citizenship (Amendment) Bill, 2019 aufs ganze Land ausgeweitet – mehr als 500 Züge blieben aus Sicherheitsgründen in den Bahnhöfen. Die schwersten Ausschreitungen gab es im nordöstlichen Bundesstaat Assam, wo es zu zwei Toten kam, als die Polizei auf Demonstranten schoß: In Assam wollen die Protestler überhaupt keine Einwanderer. Mittlerweile gibt es große Proteste im ganzen Land. Auch gegen die Einführung des umstrittenen National Register of Citizens of India (NRC), die bisher nur in Assam eingeführt wurde. Um zu verstehen, was in Indien gerade passiert, muss man nochmal zurückgehen zum Februar 2019: Der Stern von Narendra Modi war am Sinken. Es gab Rekordarbeitslosigkeit. Im ganzen Land demonstrierten die Bauern gegen die Agrarpolitik der Regierung. Wirtschaftsinstitute zweifelten die guten Wachstumszahlen der Modi-Regierung an. Dann gab es am 14. Februar einen Anschlag im Bezirk Pulwama in Kaschmir, bei dem 40 indische Paramilitärs getötet wurden. Die Modi-Regierung beschuldigte Pakistan hinter dem Anschlag zu stecken, was in der Vergangenheit oft berechtigt war: 11 Tage später führte die indische Armee einen Angriff auf pakistanischem Gebiet aus. Angeblich wurde dabei ein Terrorcamp bombardiert und mehr als 300 pakistanische Terrorristen getötet. Doch Veröffentlichungen mit Satellitenbildern legten die Version nahe, wonach die indische Armee nur hastig in den Wald gebombt hatte. Dazu schoss die pakistanische Armee eine indische MiG-21 ab. Trotzdem feierte das Land Modi patriotisch: Es folgte ein Erdrutschsieg bei den Wahlen im Mai 2019. Modis BJP kann seitdem mit der absoluten Mehrheit im Parlament regieren, trotzdem nahmen die negativen Wirtschaftsnachrichten weiter zu. So folgte am 5. August Modis Kaschmir-Coup: Scheinbar überraschend hob Indiens Innenminister Shah die Artikel 370 und 35A der indischen Verfassung auf, die dem Bundesstaat Jammu und Kaschmir bisher Autonomie und Sonderrechte gewährten. Modi versprach, dass es nun in Kaschmir aufwärts gehen würde: Doch vier Monate danach sieht es düsterer aus als zuvor. Auch in Indien: Das Wirtschaftswachstum ist so gering wie seit sieben Jahren nicht mehr. Die finanzielle Ungleichheit ist auf Rekordniveau, die Arbeitslosigkeit weiter gestiegen. Das wird sich auch in Zukunft nicht ändern. Für die großen Agrarkonzerne ist Indien der Zukunftsmarkt schlechthin. Die meisten der 240 Millionen indischen Bauern werden in den nächsten Jahren von den Konzernen verdrängt werden…“
  • „As Anti-CAA Pressure Builds, BJP Govt Goes Discernibly on the Backfoot“ am 21. Dezember 2019 bei The Wire externer Link ist ein redaktioneller Beitrag, der sich sowohl mit den ausgesprochen unterschiedlichen Reaktionen einzelner Regierungsmitglieder auf die Proteste befasst – und darin den Ausdruck für verschiedene (allesamt reaktionäre) Strömungen innerhalb der Regierungspartei BJP sieht, als darin auch darauf verwiesen wird, dass es neben solchen Gesetzen wie dieser neue Vorstoß eine im indischen Alltag verwurzelte behördliche Diskriminierung gibt, die sich beispielsweise in solchen Dingen wie eingeschränkten Möglichkeiten ein Bankkonto zu eröffnen zeige.
Kurzlink: https://www.labournet.de/?p=159884
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