- Afghanistan
- Afrika
- Ägypten
- Albanien
- Algerien
- Angola
- Antigua
- Äquatorialguinea
- Arabien - Arabische Welt
- Argentinien
- Armenien
- Aruba
- Aserbaidschan
- Asien
- Äthiopien
- Australien
- Bahamas
- Bahrain
- Bangladesch
- Barbados
- Belarus (Weißrussland)
- Belgien
- Belize
- Benin
- Bhutan
- Bosnien-Herzegowina
- Botswana
- Brasilien
- Bulgarien
- Burkina Faso
- Burundi
- Chile
- China
- Costa Rica
- Dänemark
- Dominica
- Dominikanische Republik
- Dschibuti
- Ecuador
- El Salvador
- Elfenbeinküste
- Eritrea
- Estland
- Europa
- Fidschi
- Finnland
- Frankreich
- Gabun
- Gambia
- Georgien
- Germany
- Ghana
- Grenada
- Griechenland
- Großbritannien
- Guatemala
- Guinea
- Guinea-Bissau
- Guyana
- Haiti
- Honduras
- Indien
- Indonesien
- Irak
- Iran
- Irland
- Island
- Israel
- Italien
- Japan
- Jemen
- Jordanien
- Kambodscha
- Kamerun
- Kanada
- Kap Verde
- Kasachstan
- Katar
- Kenia
- Kirgisistan
- Kolumbien
- Kongo (Demokratische Republik)
- Kongo (Republik)
- Korea - Volksdemokratische Republik
- Kosovo
- Kroatien
- Kuba
- Kuwait
- Laos
- Latein- und Zentralamerika
- Lesotho
- Lettland
- Libanon
- Liberia
- Libyen
- Liechtenstein
- Litauen
- Luxemburg
- Madagaskar
- Malaysia
- Malediven
- Mali
- Malta
- Marokko
- Mauretanien
- Mauritius
- Mexiko
- Moldawien / Republik Moldau
- Mongolei
- Montenegro
- Mosambik
- Myanmar
- Namibia
- Nauru
- Nepal
- Neuseeland
- Nicaragua
- Niederlande
- Niger
- Nigeria
- Nordmazedonien
- Norwegen
- Oman
- Österreich
- Pakistan
- Palästinensische Gebiete - Westbank und Gaza
- Palau
- Panama
- Papua-Neuguinea
- Paraguay
- Peru
- Philippinen
- Polen
- Portugal
- Ruanda
- Rumänien
- Russland
- Salomonen
- Sambia
- Sankt Lucia
- São Tomé und Principe
- Saudi-Arabien
- Schweden
- Schweiz
- Senegal
- Serbien
- Sierra Leone
- Simbabwe
- Singapur
- Slowakei
- Slowenien
- Somalia
- Spanien
- Sri Lanka
- Südafrika
- Sudan
- Südkorea
- Südsudan
- Suriname
- Swasiland/Eswatini
- Syrien
- Tadschikistan
- Taiwan
- Tansania
- Thailand
- Timor-Leste
- Togo
- Trinidad und Tobago
- Tschad
- Tschechien
- Tunesien
- Türkei
- Turkmenistan
- Uganda
- Ukraine
- Ungarn
- Uruguay
- USA
- Usbekistan
- Vanuatu
- Venezuela
- Vereinigte Arabische Emirate
- Vietnam
- Westsahara - Demokratische Arabische Republik Sahara
- Zentralafrikanische Republik
- Zypern
Ein gesellschaftlicher Dialog wäre gut für Bolivien: Aber nicht mit einer Bande rassistischer Teufelsaustreiber und ihren militärischen Banden
Alles ruft jetzt zum „Dialog“ in Bolivien, am lautesten die EU-Kommissarin – die im vertrauten Gespräch mit Diktatoren ja von Riad bis Kairo viel Erfahrung hat – aber es stellt sich die Frage „wer mit wem?“ da reden soll. Die selbsternannte angebliche Präsidentin – ihr wesentlicher Unterschied zu Evo Morales ist, seine Manipulation hin oder her, dass sie in jedem Fall viele Millionen Stimmen weniger hat als er. Niemand hat sie gewählt, niemand hat sie ernannt, nicht einmal das Restparlament. Nur die fanatischen, christlich-fundamentalistischen Gruppen der „Oppositionshochburg“ Santa Cruz (im Flachland gelegen, einzige Region Boliviens, wo es Plantagen geben kann – und gibt) haben sie „gewählt“ und das machte sie auch seit langem deutlich: „Die satanischen Indianer-Riten müssen aufhören, die Bibel muss wieder in der Präsidentenpalast“ (was die Camacho & Co auch als erstes getan haben). Und während die uniformierten Banden Jagd machen auf alles, was nach indigener Selbstorganisation aussieht, wird zum Widerstand mobilisiert, und dies keineswegs vor allem von der bisher regierenden MAS. Gewerkschaften, Bauernverband und Basiskollektive – in den letzten Jahren sehr oft und zunehmend auch miteinander im Widerspruch über das Verhältnis zur MAS-Regierung – mobilisieren und organisieren militanten Widerstand. Zur aktuellen Entwicklung in Bolivien nach dem Putsch unsere kleine Materialsammlung „Wir sind nicht die MAS, wir sind El Alto“ vom 15. November 2019:
„Wir sind nicht die MAS, wir sind El Alto“
15. November 2019
a) Zu Bedingungen und Ablauf des Putsches
„Einschätzung zum Machtkampf in Bolivien“ von Thomas Guthmann am 15. November 2019 beim NPLA hält zu den beteiligten politischen und sozialen Kräften fest: „… Einen Tag zuvor hat er zu einem Dialog aufgerufen, den die Opposition, die sich auf der Siegerstraße sah, abgelehnt hat. Sein Angebot hätte sicherlich früher kommen können. Lange Zeit hat sich die Regierung gegenüber den Protesten stur gestellt und nicht reagiert. Als einige Polizeieinheiten rebellierten, konnte die MAS ihre Position nicht mehr halten. Inzwischen sind neben dem Präsidenten und Vizepräsidenten auch die Mehrheit der Minister*innen offiziell zurückgetreten. Diesen Rücktritten schließen sich auch immer mehr Parlamentarier*innen an. Damit ist ein Machtvakuum entstanden. Denn es gibt niemanden, der bisher an die Stelle getreten ist. Die Militärführung fährt einen Schlingerkurs. Nach ihrer Forderung, dass Morales zurücktritt, blieben die Soldaten*innen zunächst weitgehend in den Kasernen. Nur vereinzelt gab es Berichte aus El Alto, wonach das Militär auf den Straßen sei. Die Opposition, die hauptsächlich aus der kreolischen Mittel- und Oberschicht getragen wurde (was nicht heißt, dass es auch Unterschicht und Indigenas gab, die protestierten und einen Wahlbetrug reklamierten), feierte frenetisch ihren Sieg. Fernando Camacho, der Anführer des Comité Cívico, einer rechten konservativen Bürgervereinigung aus Santa Cruz, Unternehmer und ehemaliger Vorsitzender der cruzenistischen Jugend, einer rechten Schlägerbande, der wohl auch im Zusammenhang mit den Panama Papers auftaucht, erklärte sofort, dass Evo Morales in den Knast gehört und für seine Verbrechen büßen müsse. Währenddessen wurden an den Polizeiposten die Whipala (Symbol des plurinationalen Staates und Versicherung der Partizipation der Indígenas im politischen Gefüge) abgehängt und an einigen Stellen verbrannt. (…) In El Alto, die zweitgrößte Stadt des Landes und das indigene Kraftzentrum Boliviens, war es bis kurz vor dem Rücktritt ruhig geblieben. Auch hier gab es Demos gegen das Wahlergebnis und Leute, die forderten, dass es Neuwahlen gibt. Aber insgesamt ging das Leben seinen alltäglichen Gang. Die Stimmung änderte sich aber merklich, als sich der Rückzug von Morales ankündigte, mit der Meuterei in einigen Polizeistationen. Während die sozialen Netzwerke bis dato v.a. voll war mit Unmutsäußerungen von Evo-Gegner*innen, nicht selten gespickt mit Rassismus und Hass, darunter z.B. ein Mordaufruf gegen die Wahlbehörde, artikulierten sich nun „Es reicht“-Posts von Leuten aus El Alto. Es war der Moment, wo der „schlafende Löwe El Alto“, so formulierte es ein lokaler Anführer aus der Stadt, aufwachte. Das bewahrheitete sich binnen Stunden, nachdem Morales seinen Rücktritt im Fernsehen verkündete. Verschiedene Indígena und Campesino-Organisationen, Nachbarschaftsvereinigungen aus El Alto, die Ponchos Rojos, alle erklärten die Mobilmachung und in weniger als 24 Stunden stand in El Alto eine Mobilisierung, die die Opposition in drei Wochen der Proteste in La Paz nicht auch nur annähernd geschafft hat (vielleicht 10 Prozent davon)…“
„Bibel statt Pachamama?“ am 13. November 2019 bei der Rosa Luxemburg Stiftung ist ein Interview von Miriam Lang mit Mario Rodriguez einem Medienaktivisten aus El Alto, der zum Protest gegen Morales und dessen „Übernahme“ durch die rechtsradikalen Gruppierungen ausführt: „… Das Ignorieren des Referendums und die Unregelmäßigkeiten bei den Wahlen waren die beiden Hauptauslöser einer sozialen Bewegung gegen die Wiederwahl von Evo, an der breite Bevölkerungsschichten teilnahmen, wobei die Mittelschicht der großen Städte des Landes den Hauptanteil ausmachte. Da sind einfach empörte Menschen auf die Straße gegangen, die sich spontan zur Verteidigung des Wahlergebnisses und gegen den unbedingten Machtanspruch dieser Regierung aussprachen. Gleichzeitig erleben wir noch eine andere Dynamik: Die organisierte Rechte übernahm diese spontane Bewegung mit einer Strategie, und möglicherweise gab es auch externe Berater, zum Beispiel von der US-Regierung. Bereits bis drei Tage vor den Wahlen wurden in den Städten von Bürgerkomitees sogenannte Cabildos organisiert. Bürgerkomitees, Comités Cívicos, sind Organisationen der städtischen Institutionen, traditionell eher mit der politischen Rechten verbunden. Die Cabildos sind eigentlich eine Art offener Versammlungen, in denen jeder das Wort ergreifen kann, wo über ein Thema beraten und diskutiert wird, und wo kollektive Entscheidungen getroffen werden können. Aber in diesem Fall waren die Cabildos ganz anders, sie hatten eine vorab festgelegte Redeliste und die Leute konnten nur vorgefertigte Resolutionen akklamieren. Alle sieben Oppositionsparteien waren dort anwesend. Die wichtigste Kraft war eine Organisation namens CONADE, die den Namen der Nationalen Koordination für die Verteidigung der Demokratie wiederbelebte, die hier während der Militärdiktatur existierte, und die sogenannten «Bürger»-Plattformen rund um die Bewegung Bolivien hat Nein gesagt, die das Ergebnis des Referendums von 2016 verteidigte. In diesem vielfältigen Spektrum hatten rechte Strukturen und Positionen das Hauptgewicht, aber es tummelten sich dort auch Teile der Linken, der Umweltbewegung und andere. Diese Leute riefen bereits vor den Wahlen dazu auf, auf keinen Fall einen Sieg von Evo Morales hinzunehmen. Es war die Rede davon, dass wir in einer Diktatur leben würden und dass die Wahlen vom Diktator einberufen worden wären. Dann, nach der ersten Wahl, war die lauteste Stimme zunächst die des Oppositionskandidaten Carlos Mesa, der zwischen 36 und 37 Prozent der Stimmen erhalten hatte und einen zweiten Wahlgang forderte. Nach einer Woche änderte sich das, und der Präsident des Bürgerkomitees von Santa Cruz, Luis Fernando Camacho, tauchte auf und begann plötzlich, die gesamte Wahl als nichtig zu erklären und Neuwahlen ohne die Teilnahme von Evo Morales zu fordern. Die Forderungen radikalisierten sich zunehmend, zunächst wurde Evos Rücktritt verlangt und später dann auch die Inhaftierung des Präsidenten, des Vizepräsidenten und seines gesamten Kabinetts. Luis Fernando Camacho stammt aus einer Unternehmerfamilie aus Santa Cruz, nicht die mächtigste, aber wichtig, sie ist im Finanz- und Agrarbereich tätig. Er war Vorsitzender der Unión Juvenil Cruceñista (UJC), einer Art paramilitärischer Gruppe, die sich durch Gewaltaktionen im sogenannten Media-Luna-Konflikt von 2008/2009 hervortat, als sich die Provinzen im Tiefland von Bolivien abspalten wollten. Damals war es offensichtlich, dass die UJC Rechtsaußen stand und Wurzeln im Faschismus hatte. Beispielsweise verwendeten sie das Hakenkreuz als Symbol und es gab gemeinsame Aktionen mit der Falange Socialista Boliviana. Später schlossen sie jedoch ebenso wie die Unternehmer von Santa Cruz mit der Regierung von Evo Morales einen vorübergehenden Pakt, der nun wieder gebrochen wurde. Es wird gesagt, dass Luis Fernando Camacho mit einer rechtsextremen evangelikalen Sekte zusammenhängen würde, die hier vor ungefähr drei Jahren aufgetaucht ist. Auf jeden Fall sind seine Positionen sehr vom reaktionären Christentum geprägt. Er spricht viel über Gottes Auftrag...“
„Putsch mit Bibel“ von André Scheer am 14. November 2019 in der jungen welt zur parlamentarischen Sachlage: „… Die USA und Brasilien haben am Mittwoch Jeanine Añez als »Übergangspräsidentin« von Bolivien anerkannt. Auch der Oberkommandierende der bolivianischen Armee, Williams Kaliman, stellte sich öffentlich hinter sie. Die zweite Vizepräsidentin des Senats hatte sich am Dienstag (Ortszeit) selbst zur Staatschefin erklärt, obwohl dafür eine Zustimmung des Parlaments notwendig gewesen wäre. Zwei von ihr einberufene Sitzungen von Senat und Abgeordnetenhaus waren jedoch aufgrund fehlender Beschlussfähigkeit abgebrochen worden. Die Abgeordneten der Bewegung zum Sozialismus (MAS) hatten nicht an den Plenartagungen teilnehmen können, weil ihre Sicherheit nicht garantiert wurde. Die hinter Evo Morales stehende Partei stellt jedoch eine Zweidrittelmehrheit der Mandate im Parlament. Damit will sie die selbsternannte Staatschefin wieder zu Fall bringen. Man habe dazu für Mittwoch (Ortszeit) eine Parlamentssitzung einberufen, teilte der Abgeordnete Rubén Chambi am Dienstag am Rande einer Demonstration mit. Mit der eigenen Mehrheit werde man nicht nur alle Aktionen von Frau Añez annullieren, sondern auch den Rücktritt von Evo Morales ablehnen…“
„Die Elite will ihre Macht zurück“ von Toni Keppeler am 14. November 2019 in der WoZ (Ausgabe 46/2019) über die Einordnung in ähnliche Vorgehensweisen anderswo: „… Danach kamen die legalistisch getarnten Staatsstreiche mit der Amtsenthebung von Präsident Fernando Lugo 2012 in Paraguay und von Dilma Rousseff 2016 in Brasilien. Das Ergebnis war immer dasselbe: Die von der Linken verdrängte weisse reiche Oberschicht kam zurück an die Macht. Selbst in den blutigen Militärdiktaturen der siebziger und achtziger Jahre regierten die Generäle nicht oder nicht nur für sich selbst. Männer wie der chilenische Präsident Sebastián Piñera und der argentinische Staatschef Mauricio Macri wurden unter ihrem Schutz von Millionären zu Milliardären. Genau darum geht es jetzt in Bolivien. Die dortige kleine, weisse und reiche Elite ist besonders rechts und besonders rassistisch. Sie hat es nie verwunden, dass ein Indigener, der als Kind Lamas gehütet hatte, Präsident eines Landes geworden ist, das sie als das ihre begreift. Sie hat es nie verwunden, dass Morales die Bodenschätze nationalisiert und mit den Gewinnen daraus Sozialprogramme für die arme indigene Bevölkerungsmehrheit aufgelegt hat. Sie will nicht akzeptieren, dass er die indigenen Sprachen, die indigene Kultur und die indigene Rechtsprechung gleichberechtigt neben die der Nachkommen der KolonialistInnen gestellt hat. Sie hat schon in den ersten Jahren von Evo Morales’ Präsidentschaft versucht, den Staat in ein reiches weisses Tiefland und ein armes indigenes Hochland zu spalten. Jetzt nutzt sie den Ärger über Morales für den Griff nach der Macht, und das Militär stellt sich für dieses schmutzige Spiel zur Verfügung. Einzig das grösste Verdienst des Evo Morales kann dies noch verhindern: In den dreizehn Jahren seiner Präsidentschaft hat die vorher zum unterwürfigen Dienstbotendasein verurteilte indigene Bevölkerungsmehrheit Boliviens politisches Selbstbewusstsein gewonnen. Sie hat begriffen: Auch Indígenas können regieren, und sie können es wohl besser als die reichen Weissen...“
„Clashes have broken out in La Paz“ am 13. November 2019 im Twitter-Kanal von redfish ist ein Video über die Konfrontation von Demonstranten mit der Putschpolizei in La Paz, das die – erfolglose – Brutalität dieser Truppe erneut deutlich macht…
„La oposición fascista y racista de Bolivia y los policías traidores tras el GolpeDeEstado persiguen y golpean a los trabajadores indígenas“ am 13. November 2019 im Twitter-Kanal von Manuel Marquez ist ein Video, das ausführlich den Polizeiterror gegen die „Normalbevölkerung“ zeigt, Menschen jagen und schlagen, Häuser aufbrechen – eine uniformierte Bande eben (deren Werte der Bundesaußenminister bestimmt auch teilt, wie jene der chilenischen Pinochet-Erben oder der indischen Pogromtruppen)
b) Zum fortgesetzten Widerstand
„Fahnenverbrennung löst Unruhen aus“ am 13. November 2019 beim NPLA meldet zu rassistischen Angriffen direkt vor dem Putsch: „… „Nachdem Oppositionelle die indigene Flagge Whipala öffentlich verbrannt hatten, erhoben sich am Montag, 11. November, tausende Landbewohner*innen und Mitglieder verschiedener sozialer Gruppierungen. Sie organisierten Märsche in die Großstadt El Alto und griffen die Polizei an, die noch am Morgen mit Gewalt gegen die Demonstrant*innen vorgegangen war. Sie protestieren gegen die Umstände des Rücktritts von Evo Morales, die sie als Staatsstreich bezeichnen. Am Sonntagabend hatten Anhänger*innen des Anführers des Bürgerkomitees aus Santa Cruz, Luis Fernando Camacho und des oppositionellen Präsidentschaftskandidaten Carlos Mesa die Wiphala verbrannt, die viereckige Flagge mit sieben Farben als Symbol der Aymara. Gleichzeitig hatten meuternde Polizist*innen das Aymara-Symbol vom Regierungspalast in La Paz gerissen und in Santa Cruz schnitten Polizeibeamt*innen dieses demonstrativ aus ihren Uniformen. Die Gefolgsleute derer, die sagen, sie verteidigten die Demokratie, entfernten die Flaggen außerdem von allen öffentlichen Orten. „Die Whipala gehört nicht Evo Morales und nicht dem MAS (Movimiento al Socialismo), sie ist unser Symbol als Aymaras, Quechuas und andere indigene und angestammte Nationen. Wo sind Rafael Quispe und Nelson Condori und die Anderen, die sich an die reaktionäre Rechte verkauft haben? Warum verteidigen sie diese nicht? (…) Das Beben wird von unten kommen, carajo“, schrieb der Historiker und Bauernführer Felipe Quispe Huanca…“
„La CSUTCB anuncia un cerco a La Paz y da plazo de 48 horas a Camacho para que abandone la ciudad“ am 09. November 2019 bei Resumen Latinoamericano war die erste Meldung über Aufrufe zum Widerstand – hier des Kleinbauernverbandes, der dem landesweit bekannten Faschisten Camacho 48 Stunden gab, die Stadt zu verlassen – danach begannen die – hierzulande in der Berichterstattung weitgehend verschwiegenen – Straßenblockaden im ganzen Land.
„La Central Obrera Boliviana dio un ultimátum de 24 horas para “restablecer el orden constitucional”“ am 13. November 2019 bei Infobae ist ein Video mit der Ansprache des Generalsekretärs des Gewerkschaftsbundes COB mit dem 24-Stundenultimatum an die Senatorin, die „Ordnung im Land“ wieder herzustellen (in dem sie ihren Anspruch aufgibt) und in dem neben dem Streik auch ein Marsch auf die Hauptstadt angekündigt wird – wobei wir daran erinnern (siehe den Verweis am Ende dieses Beitrags) dass der Gewerkschaftsbund zunächst Morales zum Rücktritt geraten hatte…
„They are not Evo supporters! They are Alteños, dammit!“ am 13. November 2019 bei libcom.org ist ein Beitrag über den Massenprotest in El Alto, der vor allem deutlich macht – und machen will – dass keineswegs nur Parteigänger von MAS und Morales an den Widerstandsaktionen beteiligt sind, sondern breite Teile der indigenen Bevölkerung, darunter auch nicht wenige, die zuerst gegen Morales Wahlmanipulationen protestiert hatten, aber unter keinen Umständen diese Junta wollen, weil sie sofort gesehen haben – sie kennen die Fratzen – dass dies eben eine rassistische Zusammenrottung ist. El Alto, neben (oberhalb) der Hauptstadt gelegen, ist schon lange eines der Zentren sozialer Bewegungen in Bolivien, die auch immer wieder Widerstand gegen Maßnahmen der Morales-Regierung organisierten…
„El Alto steht auf“ von Björn Brunner und Araceli Gomez am 15. November 2019 in der jungen welt berichtet unter anderem: „… Am Nachmittag beugten sich Morales und sein Vizepräsident Álvaro Garcia Linera dann dem Druck und erklärten ihren Rücktritt. Bei einem Teil der Bevölkerung sorgte diese Entscheidung für Jubel. Der verschwand aber schnell, denn schon am Abend machten Berichte über Ausschreitungen und Vandalismus im gesamten Gebiet von La Paz und El Alto die Runde. Das Militär, das zuvor ein Eingreifen zum Schutz der gewählten Regierung verweigert hatte, patrouilliert seither gemeinsam mit der Polizei in den Straßen. Einwohner formierten Bürgerwehren, um mit Knüppeln bewaffnet ihre Viertel zu verteidigen. Besonders in El Alto kam es zu schweren Auseinandersetzungen. Aus Wut über den rechten Putsch, für den die Bewohner von El Alto die Polizei sowie den am 20. Oktober unterlegenen Kandidaten und Expräsidenten Carlos Mesa sowie Luis Fernando Camacho, den erzreaktionären und religiös-fundamentalistischen Oppositionsführer aus Santa Cruz, verantwortlich machten, wurde die Zufahrtsstraße nach La Paz blockiert, Demonstranten steckten sämtliche Polizeistationen der Stadt in Brand. Am Dienstag versammelten sich gegen Mittag Zehntausende Alteños zu einem spontanen »Cabildo«, einer Volksversammlung, auf der zentralen Plaza San Francisco in La Paz unweit der Regierungsgebäude. Mitglieder der verschiedenen Nachbarschaftskomitees ergriffen das Wort. »Wir sind heute nach La Paz gekommen, um friedlich für den Respekt gegenüber unserer Kultur zu demonstrieren. Wir verurteilen das Verbrennen der Wiphala!« Die Fahne, die als Symbol der indigenen Bevölkerung gilt und neben der rot-gelb-grünen Trikolore zweite Staatsfahne Boliviens ist, war zuvor von Polizisten öffentlich verbrannt worden. »Wir verurteilen den Rassismus der Rechten und wollen, dass ihre Rädelsführer Luis Camacho und Carlos Mesa die Stadt umgehend verlassen. Sie sind der Grund für die anhaltende Konfrontation zwischen Bolivianern.« Weiter verurteilten die Redner die anhaltende Gewalt gegen die Bevölkerung von El Alto: »Wir sind keine Kriminellen, wir sind normale Bürger und Arbeiter, wir sind auch Bolivianer.« Trotzdem schweige die bolivianische Presse darüber, dass Polizei und Militär seit Tagen Tränengas auf friedliche Versammlungen abfeuern und sogar Menschen umbringen. »Es sind schon drei Menschen gestorben. Wir wollen keinen ›schwarzen November‹ wie 2003.« Nach etwa zwei Stunden setzte sich der Demonstrationszug in Bewegung, um die verbarrikadierten und von Polizei- und Militärkräften geschützten Regierungsgebäude zu umkreisen. Plötzlich flogen zwei Kampfjets der bolivianischen Luftwaffe in niedriger Höhe und mit waghalsigen Manövern direkt über die Köpfe der Versammelten. Diese reagierten mit Sprechchören: »Wir haben keine Angst, verdammt noch mal!«…“
„Resistencia“ am 14. November 2019 bei Democracia Obrera (Facebook) ist ein kurzes Video über den Widerstand, der sich bewaffnet – worüber es eine ganze Reihe von Videos gibt, die zumindest deutlich machen, dass dies nicht nur an einem Ort geschehen ist…
„IndustriALL condemns the coup in Bolivia“ am 13. November 2019 bei IndustriAll ist die Protesterklärung der Internationalen Föderation gegen den Putsch, die hier stellvertretend auch für zahlreiche entsprechende Erklärungen nationaler Verbände steht, sowohl aus Lateinamerika (CUT Brasilien, PIT-CNT Uruguay, CTA und CGT Argentinien, als auch etwa SAFTU Südafrika und auch alle Organisationen des alternativen gewerkschaftlichen Netzwerkes für Solidarität und Kampf (dem LabourNet Germany angehört)).
c) Zur bundesdeutschen Unterstützung der Putschistenbande
„Bundesregierung und deutsche Wirtschaft unterstützen den Putsch in Bolivien“ von Lilly Schön am 14. November 2019 bei Klasse gegen Klasse zur – wenig überraschenden – bundesdeutschen Unterstützung der Putschisten: „… Die deutsche Bundesregierung unterstützt den Putsch in Bolivien gegen Präsident Evo Morales durch Militär, Polizei und rechte Opposition, in Komplizinnenschaft mit den USA. Es sei ein “wichtiger Schritt hin zu einer friedlichen Lösung”, kommentiert Regierungssprecher Steffen Seibert. Und auch die neueste Entwicklung, nach der sich die bisherige Vizepräsidentin des Senats, Jeanine Añez, selbst zur Interimspräsidentin ernannte, wird von der Bundesregierung begrüßt. Auf Anfrage des Nachrichtenportals amerika21.de, begrüßt die Regierung, “dass das Machtvakuum durch Ausrufen von Frau Añez zur Übergangspräsidentin in Bolivien nicht länger andauert”. Sie schließt sich damit den USA, Großbritannien und Brasilien an, die innerhalb von kürzester Zeit ihre Präsidentschaft anerkannten. Jeanine Añez hatte sich vor einem halbleeren Parlament selbst proklamiert, während die Abgeordneten der MAS – die Partei von Evo Morales, die in beiden Kammern des Parlaments die Mehrheit innehat – fehlten, da sie von rechten Milizen bedroht wurden. Kurz darauf war sie mit einer großen Bibel in der Hand in der Öffentlichkeit erschienen, und die Polizei ging nun mit doppelter Härte gegen Demonstrant*innen vor. (…) Bezeichnenderweise fand der Putsch wenige Tage nach der Ankündigung statt, dass ein Deal mit dem deutschen Unternehmen “ACI Systems Alemania” (ACISA) ausgesetzt wurde. Die Krise der deutschen Automobil-Industrie soll mit der Hinwendung zum Elektromotor – mit hohen Subventionen durch die deutsche Regierung – überwunden werden. Für die Batterien benötigt das deutsche Kapital Lithium in großen Mengen. Lithium wird auch das „weiße Gold“ genannt und gilt als Schlüsselrohstoff der Zukunft, um den deshalb ein heißer Wettbewerb entbrannt ist…“
„Bolivien: Musste Morales wegen Lithium gehen?“ von Marco Meier am 13. November 2019 im Contra Magazin fragt nach: „… Es gibt Zufälle und es gibt „Zufälle“. Vielleicht ist es auch nur eine „Verschwörungstheorie“, aber dort wo es um viel, sehr viel Geld geht, kann man Zufälle eigentlich ausschließen. Deshalb hier die Hypothese, dass Präsident Evo Morales deshalb vom Militär gezwungen wurde zu gehen, weil er die enormen Lithium-Vorräte nicht von ausländischen (in diesem Fall schon mal eine deutsche) Firmen ausbeuten lassen wollte. Der linksgerichtete Morales hatte die Präsidentenwahl nach offiziellen Angaben äußerst knapp gewonnen. Die rechtsgerichtete Opposition sprach von Wahlfälschung und protestierte. Zwar kann man bei jeder Wahl in jedem Land davon ausgehen, dass sich das herrschende Establishment die Ergebnisse mehr oder weniger zusammenbiegt (selbst in Deutschland und Österreich gab es immer wieder publik gewordene Fälle), doch der Fall Morales bekam ein „G’schmäckle“, wie der Schwabe sagen würde. Nach wochenlangen Protesten von Einwohnern des Potosí-Gebiets kündigte die Morales am 4. November die Vereinbarung mit dem deutschen Unternehmen ACI Systems Alemania (ACISA) für Dezember 2018. Die Region verfügt über 50 bis 70 Prozent der weltweiten Lithiumreserven in den Salar de Uyuni-Salinen...“
- Zum Putsch in Bolivien siehe auch: „Ob das ein Putsch war in Bolivien? Die Antwort geben sie selbst: Die Fratzen, die jetzt wieder an die Macht drängeln – und die uniformierten Jäger indigener Aktivisten“ am 13. November 2019 im LabourNet Germany