“Initiative Nonprofitjournalismus”: Argumente für den gemeinnützigen Journalismus

Dossier

Initiative Nonprofitjournalismus (netzwerk recherche)netzwerk recherche und 14 weitere Organisationen haben sich in den vergangenen Wochen in der “Initiative Nonprofitjournalismus” zusammengefunden und in einem Papier die Argumente gesammelt, die für eine Stärkung des gemeinnützigen Journalismus sprechen. Mit dabei sind etliche Pioniere im gemeinnützige Journalismus, Stiftungen, die sich in der Journalismus-Förderung engagieren, die beiden Journalisten-Gewerkschaften sowie weitere Verbände. Gemeinsam treten wir für eine Reform der Abgabenordnung ein, da das Land Nordrhein-Westfalen einen entsprechenden Antrag im Bundesrat eingebracht hat (Drucksache 266/19 vom 29.05.2019: Entwurf eines Gesetzes zur Änderung der Abgabenordnung zwecks Anerkennung der Gemeinnützigkeit von Journalismus).“ Info zum Offenen Brief/ Argumentationspapier der “Initiative Nonprofitjournalismus” externer Link bei Correctiv, siehe dazu weitere Informationen:

  • Das reicht nicht aus: Gemeinnütziger Journalismus soll anerkannt werden, doch nur per Erlass des Bundesfinanzministeriums New
    Gemeinnütziger Journalismus soll anerkannt werden, doch bisher plant das Bundesfinanzministerium das per Erlass zu regeln. Das reicht nicht aus, es braucht mehr als eine Interpretationshilfe für Finanzämter
    Was in Deutschland als gemeinnütziger Zweck anerkannt ist, regelt die Abgabenordnung. (…) Gemeinnütziger Journalismus, so der aktuelle Stand, ist bisher nicht ohne Umwege möglich. (…) Die Ampel-Koalition war zu Beginn der Legislatur angetreten, das zu ändern. Rechtssicherheit für gemeinnützigen Journalismus schaffen, lautete der Plan. Lange passierte nichts Sichtbares, nun soll eine Änderung im „Anwendungserlass zur Abgabenordnung“ das Versprechen einlösen. Doch das reicht nicht aus. (…) Der Anwendungserlass ist wie eine Interpretationshilfe zum Steuerrecht. Er soll sicherstellen, dass die Regeln der Abgabenordnung von allen Finanzämtern einheitlich angewendet werden. Dort soll künftig laut KNA stehen, dass nicht gewinnorientierte Journalismus-Organisationen „in der Regel die Förderung der Bildung“ verfolgen, „indem sie insbesondere durch Wissensvermittlung, Aufklärung sowie Nachrichtenaufbereitung oder -beschaffung der Allgemeinheit journalistisch-redaktionell gestaltete Angebote zur Verfügung stellen“. Diese „norminterpretierende Verwaltungsvorschrift“ bindet die Finanzbehörden, aber nicht die Gerichte. Im Zweifel, wenn es hart kommt, lässt es sich darauf also nicht berufen. Auch ist ein Erlass zwar schneller beschlossen als ein Gesetz, aber im Zweifel auch schneller wieder gestrichen. Angesichts der aktuellen politischen Stimmung bereitet das Sorgen. Man könnte auch sagen: Es ist unwahrscheinlich, dass sich mit der nächsten Bundestagswahl das politische Klima in eine progressivere Richtung verschiebt. Und das Zeitfenster für eine rechtssichere(re) Verankerung schließt sich bald. Diese Gelegenheit dürfen SPD, Grüne und FDP nicht einfach verstreichen lassen, wenn sie sich um eine Faschismus-resiliente Gesellschaft bemühen. Sie schreiben sich auf die Fahnen, etwa mit dem besseren Schutz des Bundesverfassungsgerichts für eine wehrhafte Demokratie vorzusorgen. Doch beim Thema Journalismus belassen sie es beim halbherzigen Abhaken des Vorhabens. Das wird dem Ernst der Lage nicht gerecht, doch noch ist es nicht ganz zu spät: Der Bundestag kann dies im parlamentarischen Verfahren zum Jahressteuergesetz noch ändern. Das wird bis auf weiteres die letzte Gelegenheit sein, und er täte gut daran, die zu nutzen. (…) Wir brauchen unabhängigen, vielfältigen Journalismus, gerade da, wo er sich auf herkömmlichem Weg nicht mehr finanzieren lässt. Menschen vor allem in ländlichen Regionen sollten sich auch ohne Paywall darüber informieren können, wen sie als Bürgermeister:in wählen können. Und Leser:innen sollten nicht dafür zahlen müssen, um sich über das Gebaren von Politiker:innen zu erkundigen oder einfach nur dafür, um zu erfahren, wie lange die Ortsdurchfahrt gesperrt bleibt. Wer nicht konsequent fördert, dass es auch da Informationsangebote mit journalistischen Standards gibt, wo der Markt für die Verlage unattraktiv wird, nimmt in Kauf, dass die „Informationen“ auf anderem Weg fließen. Etwa in hetzenden Telegram-Gruppen, wo niemand mehr vermeintliche Skandalmeldungen überprüft. Oder auf Video-Kanälen, die ihre Reichweite exponentiell mit dem gestreuten Hass steigern. Gemeinnütziger Journalismus muss ermöglicht und dann auch gefördert werden. (…) Wir brauchen nicht nur als gemeinnützig interpretierten und geduldeten Journalismus. Wir brauchen ein klares Bekenntnis und klare Rückendeckung für das Engagement für eine freie, offene Gesellschaft und gegen faschistische Umtriebe. Überall und immer wieder. Kommentar von Anna Biselli vom 30. Juli 2024 bei Netzpolitik.org externer Link („Die letzte Gelegenheit ist jetzt“)
  • Wenn Finanzämter die Macht haben: Gemeinnütziger Journalismus gewährleistet Unabhängigkeit und Staatsferne. Doch es fehlt an Rechtssicherheit. Zeit das zu ändern.
    „… Anfang des Jahres rüttelten Enthüllungen des Correctiv-Recherchenetzwerks über das Potsdamer Treffen rechter Kreise, bei dem ein Plan über die systematische Abschiebung von Millionen Menschen aus Deutschland diskutiert wurde, die Öffentlichkeit auf und lösten eine Welle der Solidarität aus. Bundesweit fanden Demonstrationen für Demokratie und ein vielfältiges, weltoffenes Land statt. Ein großer Verdienst des Recherchenetzwerks, das viele Ressourcen für die aufwändige Recherche aufbringen musste. Angesichts der großen Herausforderungen für unsere Demokratie, Desinformationskampagnen und Bestrebungen, den demokratischen Diskurs zu manipulieren und die öffentliche Meinungsbildung zu beeinflussen, wird allerorts das hohe Lied auf den Journalismus gesungen. Doch der gerät immer stärker unter Druck. (…) Die Medienkrise geht einher mit der Demokratiekrise. Das hat auch die Ampelkoalition in Berlin erkannt und im Koalitionsvertrag eine Presseförderung für die flächendeckende Versorgung vereinbart wie auch die Abmachung, endlich Rechtssicherheit für gemeinnützigen Journalismus zu schaffen. (…) Das Argument für die Gemeinnützigkeit: Sie gewährleistet Unabhängigkeit und Staatsferne und sichert Qualität. Denn viele journalistische Angebote wie Correctiv, Netzpolitik.org, Finanztip.de, EinfachHeidelberg, FragdenStaat, MedWatch oder Relevanzreporter Nürnberg haben ihre Finanzierungsmodelle auf Spenden aufgebaut. Die Spendenbereitschaft steigt, wenn Spenden steuerlich absetzbar sind. So erhöhen sich auch die Einnahmen, was die Qualität stärkt. Das Problem aber ist: Es gibt dafür keine Rechtssicherheit. Weil Journalismus bisher noch nicht in der Abgabenordnung als gemeinnützig aufgenommen wurde, entscheiden die Finanzämter, ob sie bei journalistischen Angeboten einen Gemeinnützigkeitszweck beispielsweise im Bereich Bildung erkennen können oder nicht. Und die agieren sehr unterschiedlich. So wurde nach einigen Veröffentlichungen offenbar Druck auf Betreiber gemeinnütziger Angebote ausgeübt und mit dem Entzug der Gemeinnützigkeit gedroht, so wie sie dem „Volksverpetzer jetzt sogar aberkannt wurde. Das ist alles andere als staatsfern. Deshalb darf es nicht auf den Goodwill des Finanzamts in einer Stadt oder einem Landkreis ankommen, ob ein journalistisches Angebot vor Ort als gemeinnützig anerkannt wird oder nicht. (…) Die Kritiker:innen einer Anerkennung von gemeinwohlorientiertem Journalismus führen immer wieder an, dass dann auch rechte Publikationen davon profitieren könnten. Dem ist entgegenzuhalten, dass es klare Kriterien für die Gemeinnützigkeit von Journalismus geben sollte, die das Forum Gemeinnütziger Journalismus zu Leitlinien nach den Vorbildern der Initiative Transparente Zivilgesellschaft, der Abgabenordnung und dem Pressekodex entwickelt hat. Das Forum schlägt zudem ein Siegel analog zum Transfair Siegel beim fairen Handel für Medienprojekte vor, das nach einem transparenten und überprüfbaren Verfahren verliehen werden soll. Denn gemeinnützige Journalismusprojekte stehen nicht in Konkurrenz zu klassischen Medienangeboten, sondern sollen sie ergänzen und dort die Lücken schließen, wo der Markt versagt…“ Gastbeitrag von Tabea Rössner vom 16. Juli 2024 in der taz online externer Link
  • [Petition] Schafft Rechtssicherheit für gemeinnützigen Journalismus! Gebt dem Volksverpetzer die Gemeinnützigkeit zurück!
    Dem gemeinnützigen Anti-Fake-News-Blog “Der Volksverpetzer” wurde überraschend die Gemeinnützigkeit aberkannt. Der Blog finanziert sich ausschließlich aus Spenden seiner Leser:innen.
    Dieser Fall zeigt: Wir müssen das Gemeinnützigkeitsrecht dringend reformieren und endlich Rechtssicherheit für gemeinnützigen Journalismus in Deutschland schaffen. Dieses Ziel ist auch in der Koalitionsvereinbarung der Ampel-Regierung festgehalten (KoaV – Kapitel Kultur und Medienpolitik). Doch bisher hat die Ampel nicht geliefert. Mit dieser Petition wollen wir die Ampel an ihr Koalitionsversprechen erinnern. Denn gemeinnützige Medien wie “Der Volksverpetzer” agieren in Deutschland in einer Grauzone, sie sind auf das Wohlwollen von Finanzbehörden angewiesen, da Journalismus in der Abgabenordnung (AO) nicht unter den steuerlich begünstigten Zwecken aufgeführt wird. Medienhäuser wie das Recherchenetzwerk CORRECTIV oder wie die spendenfinanzierte  Kontext:Wochenzeitung erlangen Gemeinnützigkeit über andere Zwecke. Sie bieten Bildungsprogramme, firmieren als Bildungsträger – andere Redaktionen berufen sich auf Kunst- und Kulturförderung oder den Verbraucherschutz.  Offenbar planen Finanzministerium und die Bundesbeauftragte für Kultur und Medien jetzt eine untergesetzliche Regelung. Journalismus würde in den Anwendungserlass zur Abgabenordnung (AEAO) aufgenommen, die beabsichtigte Rechtssicherheit würde das aufgrund abweichender Auslegungen erfahrungsgemäß nicht schaffen.
    Als Forum erhoffen wir uns von der Rechtssicherheit für gemeinnützigen Journalismus einen Schub für demokratierelevanten Journalismus. Es bieten sich neue Chancen für neue Medien, für Medienmacher*innen, Impulse für Demokratie und Öffentlichkeit. Propagandamedien können übrigens nicht Nutznießer einer Gemeinnützigkeit von Journalismus werden. Das schließen die Vorgaben der Abgabenordnung aus (Extremismusverbot, Förderung von Toleranz und Völkerverständigung §51, 3; Allgemeinwohl §52, 1)...“ Petition von Forum Gemeinnütziger Journalismus bei innn.it externer Link

  • [Whitepaper Non-Profit-Journalismus] Gemeinnütziger Journalismus: Studie zeigt, wie die Presse verändert werden kann
    „… Könnte neben den privaten und öffentlich-rechtlichen Medien eine dritte Säule das journalistische Angebot bereichern? Der Name dafür klingt verlockend und weniger staatstragend als die Metapher von der Säule: „Non-Profit-Journalismus“. Dieser Non-Profit-Journalismus habe das Zeug zum „Game Changer für den Journalismus in Deutschland“, behauptet Stephan Weichert vom Vocer Institut für Digitale Resilienz. Allerdings schränkt er ein: „Wenn sich die Förderkulisse und die Spendenbereitschaft in Deutschland in den nächsten Jahren radikal ändern“. Es bleibt also dabei: Es geht um Geld. Deshalb sind sowohl die Privaten als auch die Öffentlich-Rechtlichen nicht gerade begeistert von der gemeinnützigen Konkurrenz, die ihnen ebenfalls den Rahm abschöpfen würde. (…) Für die breite Öffentlichkeit sind vor allem die Grundannahmen von Interesse, die in der von der Otto-Brenner-Stiftung (IG-Metall) in Auftrag gegebenen Studie angesprochen werden. (…) Die Versorgung der Bevölkerung mit qualitativ hochwertigen journalistischen Produkten wird als gefährdet angesehen. Als Gründe werden genannt, dass die Realität der Medienangebote „immer weniger für ökonomisch tragfähige Geschäftsmodelle“ geeignet sei. Explodierende Kosten für Produktion und Distribution seien kaum noch zu finanzieren. Die klassische Werbefinanzierung kann das nicht mehr tragen, sie bricht weg. Und neue Bezahlschranken im Digitalen blieben „oft hinter den Erwartungen zurück“. Wer will und kann sich schon Abos hinter jeder Bezahlschranke leisten? (…) Die Anerkennung der Gemeinnützigkeit würde steuerliche Vorteile und die Förderung durch Stiftungen und andere gemeinnützige Akteure ermöglichen. Neben der Förderung durch Stiftungen und Spender würde sich auch die Möglichkeit eröffnen, in den Genuss von Förderprogrammen staatlicher Institutionen oder Medienanstalten zu kommen. (…) Unabhängigkeit ist auch für die dritte Säule kein Selbstläufer. (…) Helge Lindh von der SPD, der in der Studie zu Wort kommt, warnt vor einer romantischen Verklärung des gemeinnützigen Journalismus. Man solle ihn nicht euphorisch zu einem „Projekt der Guten gegen das Böse“ machen. „Deshalb ja: Wir sollten es angehen, aber mit einem Pathos der Nüchternheit.“ Es dürfe kein Sonderrecht für Medien geschaffen werden, „das sich von anderen Organisationen wie dem normalen Bürgerverein oder Initiativen unterscheidet“ Beitrag von Thomas Pany vom 5. Oktober 2023 bei Telepolis externer Link zu:

Grundinfos:

Kurzlink: https://www.labournet.de/?p=156288
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