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Ecuadors Regierung flieht aus der Hauptstadt: Fällt das Diktat des Währungsfonds?

Am 17. September 2014 in Ecuador: Gewerkschaftsverbände, soziale Organisationen, Indigene: Gemeinsam gegen neues ArbeitsgesetzDie Bilder von besetzten Behörden und Regierungsgebäuden in verschiedenen ecuadorianischen Städten, von zurückweichender Polizei und brennenden Panzerwagen gehen um die Welt (weniger in den Medien der BRD, es sind ja nicht die rechten Freunde des Außenministeriums…) – und sind vor allem Hinweis auf die enorme Ablehnung, die – nach Argentinien – in einem weiteren südamerikanischen Land gegen ein Abkommen der Regierung mit dem Internationalen Währungsfonds besteht. Denn so, wie einige Rechtsregierungen in der Region ihre „Zuflucht“ wie einst bei Krediten des IWF suchen, so belebt auch dieser seine traditionelle antisoziale Politik wieder. Und die Politik dieser Schreibtischtäter lautet: „Soll er doch hungern, der Plebs“ – und die massive Erhöhung der Treibstoffpreise macht naheliegenderweise ungefähr alles teurer. Der Streik gegen diese Teuerung ist für den heutigen Mittwoch, 09. Oktober 2019 ausgerufen – findet aber schon seit Tagen statt, in gemeinsamer Aktion der indigenen Dachorganisation Conaie und des Gewerkschaftsbündnisses FUT. Der „Marsch auf Quito“ der Conaie, der am Dienstag mit der Ankunft endete, ist nur der Auftakt für weitere Proteste – und der Grund für die Flucht der Regierung nach Guyaquil, größte Stadt und Wirtschaftszentrum des Landes. Siehe in der neuen Materialsammlung aktuelle Infos, Proteste und Solidaritätserklärungen mit den Protesten in Ecuador sowie eine Protesterklärung von über 100 lateinamerikanischen Intellektuellen (zu deren Unterzeichnung auch aufgerufen ist):

„Regierungsgegner stürmen Parlament in Ecuador“ am 09. Oktober 2019 bei der Deutschen Welle externer Link berichtet: „… Gerichte und das Parlament in Ecuadors Hauptstadt haben ihre Arbeit eingestellt, Schulen bleiben geschlossen. Etwa 10.000 Ureinwohner, unterstützt von anderen Regierungsgegnern, durchbrachen Polizeiabsperrungen in Quito. Einigen von ihnen gelang es, in das leere Parlamentsgebäude einzudringen. Die Sicherheitskräfte gingen mit Tränengas gegen die Menge vor. Es gab weitere Festnahmen. Insgesamt sollen mehr als 570 Demonstranten – zumindest vorübergehend – festgenommen worden sein. Präsident Lenín Moreno, der aus Sicherheitsgründen den Regierungssitz in die Hafenstadt Guayaquil verlegt hat, verhängte nach dem Ausnahmezustand nun auch eine nächtliche Ausgangssperre. Sie bezieht sich auf Regionen um wichtige öffentliche Gebäude, wie aus dem entsprechenden Dekret hervorgeht...“

„Flucht aus Quito“ von Volker Hermsdorf am 09. Oktober 2019 in der jungen welt externer Link zum Flüchtling des Tages: „… Ecuadors rechter Staatschef Lenín Moreno scheint angesichts der sich zuspitzenden sozialen Unruhen Angst zu bekommen. Nachdem die Konföderation der Indigenen Völker (Conaie) für den gestrigen Dienstag einen großen Marsch auf Quito angekündigt hatte, setzte sich der Präsident mit seiner Regierung am Montag abend (Ortszeit) aus der Hauptstadt in das 300 Kilometer entfernte Guayaquil ab. Die Hafenstadt gilt als »Bastion der Rechten«. Doch auch dort ist Moreno keineswegs sicher vor Protesten. So berichteten mehrere Medien am Montag, dass sich Zehntausende Indigene auf dem Weg nach Guayaquil befänden. Am heutigen Mittwoch rufen Gewerkschaften, indigene und linke Parteien zudem zu einem unbefristeten Generalstreik auf. Auslöser für die Proteste ist ein von der Opposition als »Paquetazo« bezeichnetes neoliberales Kürzungsprogramm, das Moreno im Gegenzug für einen Milliardenkredit des Internationalen Währungsfonds (IWF) per Dekret angeordnet hatte. Demnach sollen Einkommen und Urlaub der Beschäftigten staatlicher Einrichtungen zusammengestrichen und die Preise für Benzin und Diesel angehoben werden. Höhere Transportkosten verteuern dann alle Waren des täglichen Bedarfs. Im Gegenzug mobilisierte die Bevölkerung mit Demonstrationen und Straßenblockaden die größte Protestwelle der letzten Jahrzehnte. Am Donnerstag rief Moreno als viertes Staatsoberhaupt in der Geschichte des Landes den Ausnahmezustand aus. Der ermächtigt ihn unter anderem zur Einschränkung der Presse-, Versammlungs- und Bewegungsfreiheit sowie zum Einsatz der Streitkräfte…“

„Bürger besetzen Erdölanlagen“ am 08. Oktober 2019 ist eine afp-Meldung externer Link (hier bei der taz) in der es unter anderem heißt: „… Bei den Protesten gegen gestiegene Treibstoffpreise besetzten Demonstranten drei Erdölförderanlagen. Präsident Lenín Moreno sagte in einer Fernsehansprache am Montag (Ortszeit), der Regierungssitz sei von der Hauptstadt Quito in die Küstenstadt Guayaquil verlegt worden. Die Dachorganisation der Indigenen, Conaie, kündigte für Mittwoch eine Kundgebung von 20.000 Demonstranten in Quito an. Die Besetzung der Anlagen betrifft laut Energieministerium zwölf Prozent der durchschnittlichen Ölproduktion – gut 63.000 von 531.000 Barrel täglich. Die Aktionen richteten sich gegen einen Standort des Privatunternehmens Petrobell und zwei Standorte des staatlichen Ölkonzerns Petroamazonas. Die Wut der Demonstranten entzündete sich an einem drastischen Anstieg der Treibstoffpreise. (…) In 18 von 24 Provinzen gab es Straßenblockaden. In Machachi, einer Vorstadt von Quito, setzte die Polizei am Montag Tränengas gegen Demonstranten ein. In Quito selbst versammelten sich Demonstranten im Park El Arbolito unmittelbar neben dem Parlamentsgebäude. Sie steckten ein Gefährt der Sicherheitsbeamten in Brand. Das Parlament verurteilte „Akte der Zerstörung in unmittelbarer Nachbarschaft“ der Volksvertretung und einen „Versuch zur Besetzung“ des Gebäudes. Angesichts der sozialen Unruhen verhängte Moreno vergangene Woche für 60 Tage den Ausnahmezustand. In den vergangenen Tagen wurden nach offiziellen Angaben 73 Menschen verletzt, darunter 59 Sicherheitskräfte. 477 Teilnehmer der Proteste wurden festgenommen. Vergleichbare Unruhen gab es in Ecuador seit dem Jahr 2007 nicht…“

„Der Pichincha beobachtet alles“ am 07. Oktober 2019 bei Red Globe ist ein Artikel der kubanischen Granma externer Link, der neben der Kritik am IWF-Präsidenten auch eine Bewertung seines Vorgängers vom kubanischen Standpunkt aus beinhaltet. Darin heißt es unter anderem: „… Von den nahe der ecuadorianischen Hauptstadt Quito gelegenen Höhen scheint der Pichincha ein Land zu bewachen, das in den letzten Jahrzehnten von anderen Beben erschüttert wurde, die Wunden hinterlassen hatten, von denen man glaubte, sie seien in der Regierungszeit der Bürgerrevolution von Rafael Correa geheilt worden. Aber sie sind jetzt mit der neoliberalen Agenda wieder aufgebrochen und dehnen sich wie ein tödliche Krankheit über viele Länder aus. In den letzten Tagen ist eine Bevölkerung, die die neoliberalen Versprechungen Leid ist, auf die Straße gegangen, um ein Ende der sogenannten Reformen zu fordern, die Präsident Lenin Moreno durchführt und die zu noch mehr Not und Unsicherheit in diesem Land führen. Nach den Polizeiaktionen und den Auseinandersetzungen, die bis jetzt einen Toten, zahlreiche Verletzte und Hunderte von Festgenommenen zurückließen, erklärte der Präsident, dass er nicht verhandele und auch die Maßnahmen nicht zurücknehme, mit der die Bezuschussung des Kraftstoffs aufgehoben wurde, die Auslöser der Demonstrationen war. Obwohl der Moment kritisch war, wirkte die Botschaft Morenos ziemlich improvisiert. Er sagte, er kämpfe gegen die Lage des Landes, das unter der Korruption und den andern sozialen Problemen „jener Epoche“ leide. Damit waren ganz eindeutig die Jahre der Regierungszeit von Rafael Correa gemeint und es schien, als ob er vergessen habe, dass er damals der Vizepräsident war, als die Ecuadorianer in den Genuss eines groß angelegten Sozialprogramms kamen und besonders auch, als Correa sich aufmachte, die Würde des Landes, die notwendige Einheit der Region, die Bildung von progressiven und ethischen Institutionen zur Verteidigung der Völker wiederzuerlangen und sich mit aller Kraft für die Souveränität der Andennation einsetzte. Wenn man den gestrigen Erklärungen Morenos zuhörte, konnte man den Eindruck gewinnen, dass er während der Regierungszeit der Bürgerrevolution Teil der Opposition war. Er gab auch nach, was die vom IWF geforderten Reformen angeht, bei dem er einen Kredit von 4209 Millionen Dollar beantragte. Dank des jetzigen Präsidenten sind die Jahre vorbei, in denen man die US-Gesellschaft Chevron international dafür anklagte, 80.000 Tonnen an Erdölrückständen im Gebiet des Lago Agrio im ecuadorianischen Amazonasgebiet entsorgt zu haben. Die Kontaminierung umfasste ein Gebiet von ca. 500.000 Hektar. Die ecuadorianische Justiz entschied im Jahr 2011, dass Chevron den Bewohnern des kontaminierten Gebiets 500 Millionen Dollar zahlen müsse. Die US-Gesellschaft verweigerte die Zahlung und die Regierung von Rafael Correa ging vor das Schiedsgericht in Den Haag, das aber dann Chevron nicht sanktionierte…“

„Entrada triunfal del Movimiento Indígena a Quito“ am 08. Oktober 2019 im Twitter-Kanal der Conaie externer Link ist ein Video vom Einzug der Demonstrationsblöcke der indigenen Netzwerks-Koordination in die Hauptstadt, bei dem der begeisterte Empfang durch große Teile der Bevölkerung im Vordergrund steht.

„Brief Analysis on the “Paquetazo” and the Coming Protests in [Ecuador] from a Radical Critique“ am 07. Oktober 2019 bei ediciones ineditas externer Link ist die (englische) Übersetzung eines Textes von Proletarios Revolucionarios, in dem die Notwendigkeit des Kampfes gegen Regierung, IWF und deren „Paket“ unterstrichen wird, aber zugleich darauf hingewiesen, dass dies eben nur ein Teil des notwendigen Kampfes gegen den Kapitalismus sei, der auch ohne Moreno und Co nötig bleibe.

„Por el derecho a la protesta en Ecuador“ am 07. Oktober 2019 beim CLACSO externer Link ist eine der inzwischen zahlreichen Solidaritätserklärungen mit den Protesten in Ecuador, hier eben vom lateinamerikanischen Rat der Sozialwissenschaften,  der nachdrücklich das Recht auf Protest verteidigt.

„Resistir es nuestro derecho“ am 09. Oktober 2019 bei Rebelion.org externer Link ist die Dokumentation der neuesten Erklärung der indigenen Koordination Conaie, worin – angesichts der zahlreichen Notstandsmaßnahmen der geflohenen Regierung – unterstrichen wird, man nehme sich das Recht auf Widerstand gegen die unsoziale Politik der Regierung.

„La CONAIE se deslinda de la plataforma golpista del Correismo“ am 08. Oktober 2019 im Twitter-Kanal der Conaie externer Link ist die Erklärung der Organisation, sie werde nicht gemeinsam mit den Organisationen des früheren Präsidenten Correa (der sie 10 Jahre lang verfolgt habe) gemeinsam kämpfen, sondern sich darauf konzentrieren, den IWF aus Ecuador zu verjagen.

Siehe dazu auch die gemeinsame Protesterklärung von über 100 lateinamerikanischen Intellektuellen (zu deren Unterzeichnung auch aufgerufen ist – entsprechende Mailadressen am Ende des Textes). Darin wird die Rücknahme aller Notstandsmaßnahmen ebenso gefordert, wie der verzicht auf die Durchsetzung des IWF-Diktats und auf den Artikel 98 der Verfassung verwiesen, der eine Beteiligung der Bevölkerung bei zentralen Entscheidungen nicht nur ermögliche, sondern verpflichtend mache:

  • STATEMENT REGARDING THE SERIOUS SITUATION IN ECUADOR
    TO : The Government of the Republic of Ecuador, and National and International Public Opinion
    The undersigned – as academics, intellectuals, activists, artists, and citizens – strongly condemn the governmental suppression of the Ecuadorian population, which is the legitimate cause of resistance in the different cities of the country because of the application of economic measures prescribed by the International Monetary Fund.
    In recent history, and not only in Ecuador but also in several Latin American countries, the application of social austerity measures has not favoured the most vulnerable sectors. To the contrary, it has contributed to the deterioration of their conditions. The deepening of social gaps, inequality, poverty, and violence are some of their consequences.  History tells us that the people of the continent have been known to resist through social actions, and there are clear historical lessons that must be assumed by the governments, if they do not want to erode their democratic legitimacy.
    For the sake of explanation, we express the following:
    We remind the Ecuadorian government to draw on a principle guaranteed by Article 98 of its Constitution, which establishes the kind of plural and participatory democracy that is required in a plurinational and intercultural state [such as Ecuador]. The Article makes it clear that this derogation is necessary in the light of “actions by omissions of the public power or of the natural or legal persons in the state which may jeopardize their constitutional ends, and demand the recognition of new rights”. Therefore, the strikes that are taking place today with demands for legitimate ends, must be accepted by the central government.
    We reject the State of Emergency  that has been declared by the government, on the grounds that it is disproportionate and undermines fundamental human outcomes that have been established both in the UN and in the Inter-American System of Human Rights, such as the freedom of association, of movement, and of assembly.  Given this, and in relation to Ecuador’s own constitutional norms, the State of Exception [imposed by the government] restricts dialogue and creates a disproportionate representation that only deepens the violence. The situation prevailing in Ecuador is not a matter of a „grave internal problem“ but a ring of protest that merely seeks the withdrawal of the package of austerity measures that have been implemented by the government. The manipulation of states of exception by the previous governments of Ecuador has served to conceal the actions of the governments in the face of social protest and the silencing of large sectors of the population. This governmental practice must be banished for the good of democracy and towards fundamental changes in our countries.
    In the pursuit of and on behalf of the universal principles of human endeavour, we demand that the government of President Lenin Moreno withdraw the unconstitutional declaration of a state of exception in Ecuador, the immediate release of all those detained and imprisoned, and the suspension of the application of these measures, and towards creating a favourable environment, that the government urgently open a space for dialogue with all social sectors affected“.Wer diese Aufforderung an die Regierung Ecuadors, den Ausnahmezustand und andere Notstandsmaßnahmen sofort wieder rückgängig zu machen, unterstützen will, kann dies tun, indem folgende Adressen angeschrieben werden:
    abortocronic@gmail.com / josemolinareyes@gmail.com
Kurzlink: https://www.labournet.de/?p=155601
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