Gewerkschaftstag 2019 der IG Metall und Leiharbeit
Dossier
»Wir brauchen den Kampf für gleiche Löhne«. Haltung zum Thema Leiharbeit: Nach Beschluss auf Verdi-Bundeskongress muss sich nun IG Metall positionieren: „… Die IG Metall hat schon vor über 30 Jahren das Verbot der Leiharbeit gefordert. Heute setzen sich die gleichen Leute für die Regulierung dieses Instruments ein. Dadurch umgehen sie die »Equal Pay«-Forderung und setzen Erfolge von Jahrzehnten politischer Arbeit aufs Spiel. Das Hauptproblem ist, dass zukünftige Tarifverträge unterlaufen werden, gerade in unteren Entgeltgruppen. (…) Der Kampf gegen Leiharbeit muss der für gleiche Löhne sein, und nicht ein Kampf für die Regulierung von Leiharbeit. [Welche Anträge zum Thema Leiharbeit sind für den IG-Metall-Kongress diese Woche in Nürnberg angekündigt?] Ein paar interessante Anträge gibt es. Einer fordert, dass Arbeitsagenturen aufhören, den Eintritt in ein Leiharbeitsverhältnis zu erzwingen. Mit dem Antrag ist allerdings wieder die Hoffnung auf eine Einsicht seitens des Kapitals verbunden. Ein anderer Antrag fordert die wirksame Regulierung des sogenannten Arbeitnehmerüberlassungsgesetzes. Er enthält aber auch den Grundsatz »Equal Pay« und »Equal Treatment«, der für alle Arbeitsbedingungen vom ersten Tag des Einsatzes gelten muss. Ein anderer Antrag fordert, dass der Verdienst eines Leiharbeiters im Unternehmen während der Einsatzzeit 25 Prozent über dem Verdienst des vergleichbaren Beschäftigten in der Stammbelegschaft liegen muss. Das bedeutet: »Equal Pay« plus 25 Prozent. Das ist eine wichtige Forderung, um die Attraktivität von Leiharbeit für entleihende Unternehmen wesentlich zu verringern…“ Interview von Susanne Knütter in der jungen Welt vom 08.10.2019 (im Abo) mit Michael Wengorz vom »Aktionsbündnis Sozialproteste«, das die Petition gegen den Tarifvertrag Leiharbeit gestartet hatte. Wir dokumentieren aus den Anträgen beim Gewerkschaftstag 2019 der IG Metall: „Miteinander für morgen – solidarisch und gerecht“ diejenigen zum Thema Leiharbeit (Spoiler: Wir sind für E2.061 und E2.062):
- Antragsberatungskommission: „… Diese kategorische Ablehnung, dass eben Leiharbeit gesetzlich verboten werden soll, den Weg können wir nicht mitgehen…“
Wir haben uns die Tagungsprotokolle (zum Glück nur) hinsichtlich der Leiharbeit angetan und die Behandlung der relevanten Anträge teilweise samt (seltener) Debatte dokumentiert, siehe diese im Dossier. Unser zweites Lieblingszitat daras lautet: „… Einen Tarifvertrag über Equal Pay zu vereinbaren und dafür die Allgemeinverbindlichkeit zu beantragen, widerspricht unserer Strategie der letzten Jahre, Tarifverträge über Branchenzuschläge abzuschließen und Equal Pay über einen pauschalen Zuschlag zu erreichen. Die Tarifkommissionen haben sich nach entsprechenden Debatten entschieden, diesen Weg weiter zu gehen…“ (ebenfalls Antragsberatungskommission):
Die einzelnen Anträge (und nun ihre Beschlusslage):
- Antrag E2.059: Wirksame Regulierung der Leiharbeit und Änderung des Arbeitnehmerüberlassungsgesetzes
Antragsteller/in: GS Halberstadt (Bezirk Niedersachsen und Sachsen-Anhalt)
„Der 24. Ordentliche Gewerkschaftstag möge beschließen: Die IG Metall wird sich für eine wirksame Regulierung der Leiharbeit sowie eine Änderung des Arbeitnehmerüberlassungsgesetzes mindestens in folgenden Punkten einsetzen: Leiharbeit darf nicht als dauerhaftes Instrument im Einsatzbetrieb legitimiert werden. Die Leiharbeit muss auf die Ursprünge zurückgeführt werden, um Auftragsspitzen im Unternehmen abzubauen. Dementsprechend muss es eine gesetzliche Höchstquote von Leiharbeit im Betrieb geben. Eine maximale Einsatzdauer darf sich außerdem nicht auf den einzelnen Leiharbeitnehmer, sondern muss sich auf den Arbeitsplatz im Einsatzbetrieb beziehen. Der Grundsatz „Gleiches Geld für gleiche Arbeit“ (Equal Pay und Equal Treatment) muss ab dem 1. Tag des Einsatzes für alle Arbeitsbedingungen gelten. Die Mitbestimmungsrechte der Betriebsräte bei der Leiharbeit müssen erweitert werden…“- Antragsberatungskommission: Annahme in geänderter Fassung: „… Antrag erweitert die in der Entschließung formulierten Positionen um die Forderungen nach einem erzwingbaren Mitbestimmungsrecht des Betriebsrats bei der Anwendung von Leiharbeit sowie nach einer besseren Ausstattung der Bundesagentur für Arbeit hinsichtlich der Erteilung von Genehmigungen an Verleihfirmen und deren Kontrolle. Bei Streichung der Forderung nach einer gesetzlichen Höchstquote für Leiharbeit im Betrieb wird der Antrag zur Annahme in geänderter Fassung empfohlen„
- Dazu Uwe Jahn vom Beirat: „… Und Ehrlichkeit beginnt bei uns selbst. Insofern dürfen wir nicht verkennen, dass wir in unserem eigenen Organisationsbereich immer noch Tarifverträge haben, die die gesetzlichen Bedingungen zur Leiharbeit noch verschärfen, die den Equal-Pay-Ansatz aushebeln und die auch die Höchstüberlassungsdauer überschreiten. Wenn wir uns selber nicht ernst nehmen, können wir nicht erwarten, dass andere uns ernst nehmen. Wir haben kürzlich eine betriebliche Auseinandersetzung geführt und versucht, für Leiharbeiterinnen und Leiharbeiter etwas zu verbessern. Das landete vor Gericht, und wir durften uns dann vom Arbeitgeber süffisant sagen lassen, dass er sich ja auf einen Tarifvertrag beziehen darf. Selbst der freundliche Arbeitsrichter konnte uns da nicht helfen. – Vielen Dank.“ (Beifall)
- Bei einer Gegenstimme ist der Antrag in geänderter Fassung angenommen
- Quelle: Tagesprotokoll vom Donnerstag, 10. Oktober 2019
- Antrag E2.060: Leiharbeit beschränken, Anreize für die Übernahme schaffen, Flexibilität
Antragsteller/in: GS Zwickau (Bezirk Berlin-Brandenburg-Sachsen)
„Der 24. Ordentliche Gewerkschaftstag möge beschließen: Die IG Metall wird auf dem Feld der Leiharbeit dafür sorgen, alle tariflichen Bedingungen mindestens auf das Niveau der Einsatzbranchen ab dem ersten Einsatztag angehoben werden. Außerdem muss ein Flexibilitätszuschlag beim Wechsel des Einsatzbetriebs eingeführt werden. Beides dient dem Ziel, die Leiharbeit als prekäre Beschäftigung zurückzudrängen. Die IG Metall wird beim Gesetzgeber darauf hinwirken, dass neben der Höchstüberlassungsdauer belastbare gesetzliche Regelungen zur Übernahme von Leiharbeitnehmern geschaffen werden.“ (S. 68)- Antragsberatungskommission: zur Annahme als Material zur Entschließung empfohlen
- Annahme als Material zu E2 einstimmig angenommen
- Quelle: Tagesprotokoll vom Donnerstag, 10. Oktober 2019
- Antrag E2.061: Flächendeckendes Verbot von Leiharbeit und Einschränkung von Werkverträgen
Antragsteller/in: GS Schwäbisch Gmünd (Bezirk Baden-Württemberg)
„Der 24. Ordentliche Gewerkschaftstag möge beschließen: Die IG Metall setzt sich für ein flächendeckendes Verbot von Leiharbeit und für eine Einschränkung von Werkverträgen ein.“ (S. 68)- Mit aufgerufen beim Antrag E2.001 (Entschließung 2, Gesellschaftspolitik. Die Empfehlung der ABK: Annahme)
- einstimmig angenommen
- Quelle: Tagesprotokoll vom Mittwoch, 9. Oktober 2019
- Antrag E2.062: Leiharbeit
Antragsteller/in: GS Frankfurt am Main (Bezirk Mitte)
„Der 24. Ordentliche Gewerkschaftstag möge beschließen: Die IG Metall kämpft für die unmittelbare Übernahme aller Leiharbeiterinnen und Leiharbeiter und setzt sich für das Verbot von Leiharbeit ein.“ (S. 68)- Mit aufgerufen beim Antrag E2.001 (Entschließung 2, Gesellschaftspolitik. Die Empfehlung der ABK: Annahme)
- einstimmig angenommen
- Quelle: Tagesprotokoll vom Mittwoch, 9. Oktober 2019
- Antrag E2.064: Prekäre Beschäftigung eindämmen und zurückfahren – Maßnahmen zur Durchsetzung „guter Arbeitsverhältnisse“
Antragsteller/in: GS Darmstadt (Bezirk Mitte)
„Der 24. Ordentliche Gewerkschaftstag möge beschließen: Folgende Inhalte dieses Antrags sollen zukünftig in den Tarifverträgen sowie in der gesellschaftspolitischen Arbeit der IG Metall Anklang finden: Leiharbeit darf tatsächlich nur noch dazu eingesetzt werden, um Produktionsspitzen abzufangen. Hierfür ist ein Kriterienkatalog zu erarbeiten, den Arbeitgeber einhalten müssen, sofern sie Beschäftigte über Leiharbeit rekrutieren müssen: Leiharbeitseinsätze werden auf drei Monate begrenzt. Der Verdienst einer Leiharbeiterin und eines Leiharbeiters im Unternehmen muss während der Einsatzzeit 25 Prozent über dem eines vergleichbaren Beschäftigen in der Stammbelegschaft betragen. Die IG Metall schließt zukünftig aus, den Einsatz von Beschäftigen in Leiharbeit über die bisher geltende Grenze von 18 Monaten hinaus tarifvertraglich zu verlängern. Die IG Metall schließt aus, Tarifvereinbarungen vorzunehmen, die eine unbefristete Übernahme von LeiharbeitnehmerInnen nach 18 Monaten ausschließen oder umgehen. (…) Für sich selbst sollte die IG Metall ausschließen, Leiharbeit durch tarifvertragliche Regelungen zu legitimieren oder ihr gar einen erweiterten Spielraum zu gewähren, als gesetzlich vorgeschrieben...“ (S. 69)- Antragsberatungskommission: „… Die Forderungen des Antrags erstrecken sich von der Befristung von Leiharbeitseinsätzen auf drei Monate über ein Mindestentgelt für Leihbeschäftigte, das 25 Prozent über dem Entgelt vergleichbarer Stammbeschäftigter liegen soll, und über einen Ausschluss einer tariflich gereglten Einsatzzeit über die bisher geltende gesetzliche Grenze von 18 Monaten bis zum gesetzlichen Verbot von sachgrundlosen Befristungen sowie von Kettenbefristungen mit Sachgrund. Da sich die einzelnen Forderungen in vielen Teilen direktiv auf die Ausgestaltung von Tarifverträgen beziehen und damit in die Hoheit der Tarifkommissionen eingreifen und zudem ein zu erarbeitender Kriterienkatalog der inhaltlichen Koordinierung des Vorstands bedarf, wird der Antrag zur Annahme als Material an den Vorstand empfohlen.“
- mit einigen wenigen Gegenstimmen angenommen
- Quelle: Tagesprotokoll vom Donnerstag, 10. Oktober 2019
- Antrag E3.001: Entschließung 3 Betriebs- und Tarifpolitik
Antragsteller/in: Vorstand
„… Leiharbeit ersetzt immer mehr Arbeit im Kernbereich auch der Produktion. Auch Stammbeschäftigte geraten so immer weiter unter Druck. Dabei ist Leiharbeit nur für den vorübergehenden Einsatz gedacht und keine Alternative für Dauerarbeitsplätze von Stammbeschäftigten. Fremdvergaben dürfen nicht zur Kostenoptimierung missbraucht werden. Der Einsatz von Leiharbeit auf Dauerarbeitsplätzen ist zu verhindern. Deshalb fordern wir die Übernahme von Leihbeschäftigten in ein festes Arbeitsverhältnis im Entleihbetrieb, um den Missbrauch abzuwenden. Betriebsräte in Stammbetrieben brauchen weitergehende Mitbestimmungs- und Informationsrechte im BetrVG bezogen auf den Einsatz von Fremdbeschäftigten. (…) Für die Leihbeschäftigten bedarf es einer Weiterentwicklung ihrer Tarifverträge, damit sich Entgelte und Arbeitsbedingungen zwischen Ver- und Entleihbetrieben nicht weiter entkoppeln. Im langfristigen Trend ist Leiharbeit weiter gestiegen. Sie hat die Millionengrenze überschritten. Grundsätzlich gilt hier als betriebspolitische Zielstellung: Leiharbeit muss begrenzt werden, durch Übernahmen ist der Einsatz auf Dauerarbeitsplätzen abzuwehren und mit richtigen Einstufungen bei den Entgelten und Equal-Pay-Regelungen sind gute Einkommen zu sichern…“ (S. 216)- Antragsberatungskommission: Wir empfehlen die Entschließung zur Annahme, so wie sie jetzt mit den Änderungen ist (Ergänzungsantrag gegen tarifdispositive Regelungen: „Für die IG Metall gilt der Grundsatz, dass Tarifpolitik die Aufgabe hat, vorhandene gesetzliche Regelungen zu verbessern und diese nicht über tarifdispositive Regelungen in Tarifverträgen zu verschlechtern.“ – einstimmig angenommen)
- einstimmig angenommen
- Quelle Tagesprotokoll vom 11. Oktober 2019
- Antrag E3.085: Fair statt Prekär
Antragsteller/in: GS Krefeld (Bezirk Nordrhein-Westfalen)
„Der 24. Ordentliche Gewerkschaftstag möge beschließen: Den Kampf gegen Leiharbeit und Werkverträge zu verstärken. Sie sind der Einstieg in die Altersarmut. Sie setzen Stammbelegschaften unter Druck und unterlaufen einheitliche Tarifverträge. Durch die zunehmende Praxis der Werkverträge werden die erkämpften Erfolge in der Leiharbeit („equal pay“ – gleiche Bezahlung) unterlaufen. Über eine Kampagne soll eine breite Debatte zum Thema entstehen und Druck auf „Arbeitgeber“ und Politik aufgebaut werden.“ (S. 260)- Antragsberatungskommission: Wir empfehlen daher den Antrag zur Annahme als Material an den Vorstand – der Empfehlung einstimmig gefolgt (ebenso Antrag E3.086)
- Quelle Tagesprotokoll vom 11. Oktober 2019
- Antrag E3.087 und Antrag E3.088
Antrag E3.087: Missbrauch bei Werkverträgen und Mitbestimmung durch Betriebsrat (Antragsteller/in: GS Leer-Papenburg (Bezirk Küste))
Antrag E3.088: Mehr Mitsprache für Betriebsräte bei der Vergabe von Werkverträgen (Antragsteller/in: GS Bamberg (Bezirk Bayern))- Antragsberatungskommission: empfehlen den Antrag E3.087 zur Annahme
- Nico Bloem, Betriebsratsvorsitzender der Meyer Werft: „… Wir sind auf der Werft in einigen Zeiten bis zu 12.000 Menschen auf dem Gelände. Davon sind 3.500 Stammkolleginnen und -kollegen, ca. 1.500 über Tochterfirmen und 600 Leiharbeiter. Ich glaube, das zeigt noch einmal deutlich, wie sehr dieses Modell Werkvertrag ausgenutzt wird, wie sehr dort auch die Kolleginnen und Kollegen gegeneinander ausgespielt werden. Ich glaube, man muss deutlich machen, dass dort natürlich Unterschiede bestehen und dass wir verdammt aufpassen müssen…“
- Antrag E3.089: Leih- und Zeitarbeit
Antragsteller/in: GS Ingolstadt (Bezirk Bayern)
„Der 24. Ordentliche Gewerkschaftstag möge beschließen: Der Einsatz von Leih- und Zeitarbeitnehmerinnen und Zeitarbeitnehmer wird über § 99 Betriebsverfassungsgesetz dahingehend geregelt, dass die Einsatzdauer, der Einsatzort, die Arbeitsaufgabe sowie erforderliche Qualifikationen dem Betriebsrat von der Entleihfirma vorgelegt werden müssen. (…)Der Vorstand der IG Metall wird daher aufgefordert, sich bei der DGB Tarifgemeinschaft Zeitarbeit für eine tarifliche Regelung einzusetzen, welche dem Betriebsrat des Entleihbetriebes beim Einsatz von Leiharbeitern den Anspruch nach § 99 Betriebsverfassungsgesetz auf erforderliche Informationen (Eingruppierung) erweitert. Er soll bei deren Abmeldung über eine soziale Auswahl, tarifvertraglich verankert, mitbestimmen. Weiterhin sollen sachgrundlose Befristungen von Leih- und Zeitarbeitskräften bei Übernahmen tarifvertraglich ausgeschlossen werden.“- Antragsberatungskommission: Wir empfehlen daher den Antrag zur Annahme als Material an den Vorstand – der Empfehlung einstimmig gefolgt
- Quelle Tagesprotokoll vom 11. Oktober 2019
- Antrag E3.090: Leiharbeit und Werkverträge
Antragsteller/in: GS Schwäbisch Hall (Bezirk Baden-Württemberg)
„Der 24. Ordentliche Gewerkschaftstag möge beschließen: Prekäre Beschäftigung wie Leiharbeit, Befristungen und Werkverträge, Scheinselbstständigkeit und die „neue“ Möglichkeit der Bildung eines Gemeinschaftsbetriebs zur Umgehung der Leiharbeitserlaubnis müssen nach wie vor durch die IG Metall, deren Vertreterinnen und Vertreter in den Betrieben und den Betriebsräten bekämpft werden. Ziel ist, solche Beschäftigungsverhältnisse nicht mehr zuzulassen. Auf den Gesetzgeber muss Druck gemacht werden, damit solche Arbeitsverhältnisse nicht durch Gesetz möglich sind, sondern das unbefristete Normalarbeitsverhältnis der Maßstab der Erwerbstätigkeit ist…“ (S. 263)- Ablehnungsempfehlung der Antragsberatungskommission: „… Der Antrag positioniert sich eindeutig gegen jede Form von prekärer und atypischer Beschäftigung wie Leiharbeit, Befristungen, Werkverträge und Scheinselbstständigkeit. Die Forderung nach einem gesetzlichen Verbot atypischer Arbeitsverhältnisse ist teilweise nicht realisierbar und damit abzulehnen. Das Bundesverfassungsgericht hat ein Verbot von Leiharbeit für unzulässig erklärt, teilweise durch Praxis erledigt, etwa die Forderung, sachgrundlose Befristungen abzuschaffen. (…) Einen Tarifvertrag über Equal Pay zu vereinbaren und dafür die Allgemeinverbindlichkeit zu beantragen, widerspricht unserer Strategie der letzten Jahre, Tarifverträge über Branchenzuschläge abzuschließen und Equal Pay über einen pauschalen Zuschlag zu erreichen. Die Tarifkommissionen haben sich nach entsprechenden Debatten entschieden, diesen Weg weiter zu gehen.“
- Uwe Bauer von der Geschäftsstelle Schwäbisch Hall: „… Jetzt schaue ich auf das Bild: „Die Transformation gestalten.“ „Die IG Metall vom Betrieb aus denken.“ „Vom Betrieb aus denken“, da habe ich den Leiharbeitsbetrieb im Sinne. Wie schwer es uns fällt, dort Betriebsräte zu organisieren und stark genug zu sein, das weiß jeder aus eigener Erfahrung. Vom Betrieb aus denken, aber jetzt im Betrieb selbst: Was passiert? Gestern bekam ich einen Anruf. „Wir haben zwar wirtschaftliche Notlage, aber bei uns gibt es keine betriebsbedingten Kündigungen.“ Klammer auf: Wir lassen aber alle Befristungen und alle Leiharbeitsverträge auslaufen. Wie also wollen wir eine Transformation gerecht gestalten? Ich glaube, wir brauchen für die Zukunft für das Vom-Betrieb-aus-Denken vielleicht die eine oder andere auch etwas ungewöhnliche Überlegung. Aber ich glaube, die Leiharbeiter, die Werkverträgler und auch alle anderen prekär Beschäftigten sind es wert…“
- Beratung der Antragsberatungskommission: „… Wir müssen leider bei unserer Empfehlung bleiben. Diese kategorische Ablehnung, dass eben Leiharbeit gesetzlich verboten werden soll, den Weg können wir nicht mitgehen. Allerdings haben wir noch sehr viele Anträge, die sich mit der Regulierung von Leiharbeit befassen. Insofern werden wir sehr wohl noch auf das Thema ausführlich eingehen. Die ABK bleibt bei ihrer Empfehlung „Ablehnung“.“
- Antrag abgelehnt mit einigen Gegenstimmen
- Quelle Tagesprotokoll vom 11. Oktober 2019
- Antrag E3.091: Leiharbeit fair gestalten
Antragsteller/in: GS Nürnberg (Bezirk Bayern)
„Der 24. Ordentliche Gewerkschaftstag möge beschließen: Die Transformation ist bereits im Gange. Wir dürfen nicht zulassen, dass die prekär Beschäftigten zu den Verlierern dieses großen Strukturwandels werden. Insbesondere Leiharbeit hat in den letzten Jahren weiter zugenommen. Trotz Verbesserung sind die Arbeitsbedingungen von Leiharbeiterinnen und Leiharbeitern nicht dieselben wie die von Stammbeschäftigten. Damit sich die Situation der Leiharbeitnehmerinnen und Leiharbeitnehmer nachhaltig verbessert und sie nicht weiter abgehängt werden, wird der Vorstand der IG Metall aufgefordert folgende tarifliche Initiativen zu ergreifen: Gleiche Bezahlung für Leiharbeiter auf tariflicher Basis der Stammbeschäftigten; Tarifliche Möglichkeiten der Qualifizierung, um den Herausforderung der Transformation gewachsen zu sein; Eine stärkere Altersvorsorge um Altersarmut zu begegnen; Eine tarifliche Freistellungsmöglichkeit analog des T-ZUGs, damit auch diese Beschäftigtengruppen die Möglichkeit erhalten, sich von den Belastungen der Schichtarbeit zu erholen und Zeit für sich und ihre Familien zu haben; Flexibilisierungszuschläge um die Belastung durch den Wechsel der Einsatzbetriebe zu kompensieren. In diesem Zusammenhang muss auch der Tarifvertrag über die verlängerte Verleihdauer überdacht werden. Durch Leiharbeit werden die Belegschaften gespalten – das schwächt die gewerkschaftliche Durchsetzungsmacht…“ (S. 263f)- Antragsberatungskommission: „… Die Forderungen können in der laufenden Tarifbewegung von der bundesweiten Tarifkommission diskutiert werden. Da die Forderungsaufstellung letztlich in der Hoheit der Tarifkommissionen liegt, empfehlen wir den Antrag zur Prüfung und damit zur Annahme als Material an den Vorstand„
- Einstimmig angenommen
- Quelle Tagesprotokoll vom 11. Oktober 2019
- Antrag E3.092: Leiharbeitsfirmen sollen generell einen Flexizuschlag bezahlen
Antragsteller/in: GS Erlangen (Bezirk Bayern)
„Der 24. Ordentliche Gewerkschaftstag möge beschließen: Als Rechengrundlage kann das Vergleichsentgelt mit allen Zulagen herangezogen werden und mit einem 20-prozentigen Zuschlag bezahlt werden. Nur eine Verteuerung der Leiharbeit wird diese auch effektiv in dem auch dafür ursprünglich gedachten Rahmen, zur Abfederung von Auftragsspitzen, halten. Die IG Metall soll darauf hinwirken, dass ein Flexizuschlag für die prekären Arbeitsbedingungen wie befristete Einsätze und erhöhte Mobilität in den entsprechenden Tarifverträgen verhandelt wird.“ (S. 264)- Antragsberatungskommission: „… Die Forderungen können in der laufenden Tarifbewegung von der bundesweiten Tarifkommission diskutiert werden. Da die Forderungsaufstellung letztlich in der Hoheit der Tarifkommissionen liegt, empfehlen wir den Antrag zur Prüfung und damit zur Annahme als Material an den Vorstand„
- Einstimmig angenommen
- Quelle Tagesprotokoll vom 11. Oktober 2019
Siehe auch im LabourNet Germany:
- Unser Dossier: 5. Ordentlicher ver.di-Bundeskongress 2019 und Leiharbeit und darin vom o.g. Michael Wengorz vom »Aktionsbündnis Sozialproteste«:
- ver.di-Bundeskongress 2019: Viel Zeit mit falschen Heilsbringern vergeudet!
„… Dann die Forderung nach dem gesetzlichen Verbot der Leiharbeit. Schon vor 30 Jahren forderte dies die IG Metall. Heute sind dank der Leiharbeitspraxis die Arbeitsplätze der von ver.di organisierten Disponenten bei den Sklavenhändlern immer noch gesichert. Auch der Nachschub von den die Belegschaften spaltenden lohnabhängigen Leiharbeitern. Aktiv spalten allerdings vor allem diejenigen, die Verantwortung für diese Spaltung tragen. Auf dem Bundeskongress angesprochen sagte Stefan Körzell vom Bundesvorstand des DGB, dass Equal Pay und die richtige Eingruppierung der Leiharbeiter in die Entgeltgruppen vorbildlich durch die Betriebsräte z. B. bei der Firma randstad gewährleistet werden bzw. zumindest teilweise schon längst gewährleistet würden. Auf die 8,5 % mehr in der Leiharbeit als Tarifforderung und auf die in der untersten Entgeltgruppe daraus resultierende Unterlaufung der Mindestlohnforderung (12 €) angesprochen, reagierte er zunächst ausweichend unsachlich, denn ich hatte ein solidarisches Verhalten nicht nur mit Niedriglöhnern, sondern vor allem auch mit den von Leistungen und Forderungen der Jobcenter abhängigen „armen Schweinen“ gesprochen. Schuld an dem Missbrauch der Leiharbeit seien in seinen Augen offensichtlich eher diejenigen, die sich nicht in den Gewerkschaften organisieren und nicht für ihr gerechtes Entgelt kämpfen wollen. Dies erinnert an den Schuldvorwurf, dass die Prekären sich nur deshalb nicht wehren, weil sie sich nicht organisieren wollen. So sei ja dann die 8,5 % mehr durch eine neue tarifliche Regelung ein Plus für diejenigen, die Equal Pay nicht selbst durch ihre Aktion in den Leiharbeitsunternehmen und vor den Gerichten bzw. durch ihre gewerkschaftliche Organisierung erzwingen wollen und natürlich ein Plus für alle. Reiner Hoffmann, Bundesvorsitzender des DGB, verwies auf die Fehlentscheidung bei der Übernahme des britischen Modells bei der gesetzlichen Umsetzung des Equal Pay-Grundsatzes in Deutschland vor Jahrzehnten. (…) Die Leiharbeit betreffende Anträge auf dem ver.di-Bundeskongress wurden im Block mit anderen Anträgen zur „Guten Arbeit“ abgestimmt, zuvor gab es eine heiße Diskussion bezüglich des gesetzlichen Verbots der Leiharbeit. Scheinbar hoffen die Kollegen, dass eine zukünftige Koalition im Bund dies sofort umsetzt. Konkret haben sie aber dem Angebot der DGB-Tarifkommission Leiharbeit zugestimmt, dass dieses per Tarifvertrag wieder anstelle von Equal Pay die Unterlaufung des gesetzlich geforderten Grundsatzes ermöglicht…“ Bericht von W. M. Wengorz auch von der schwierigen Genese des Antrags – wir danken!
- ver.di-Bundeskongress 2019: Viel Zeit mit falschen Heilsbringern vergeudet!
- siehe zum Hintergrund auch unser Dossier Nix dazu gelernt: IG Metall startet Tarifrunde Leiharbeit 2019/2020 mit einer “aktivierenden Befragung” – wir erinnern an die Kündigungstermine der Tarifverträge