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Lage in Libyen verlagert Fluchtwege: Tunesische Regierung reagiert mit Repression auf Migranten – die EU hindert es nicht am Deal

Dossier

Tunisia: Europe! Your money will kill, again! (Grafik: Sea-Watch International)„Lange Zeit versuchten vor allem Einheimische von Tunesien aus nach Europa zu gelangen. Da die Lage für Migranten in Libyen immer angespannter und gefährlicher wird, weichen viele Flüchtende auf das westliche Nachbarland aus: »Die Anzahl der aus Subsahara-Afrika stammenden Migranten, die in Tunesien abgefangen werden, steigt mehr und mehr an«, erklärt Romdhane Ben Amor von der tunesischen Menschenrechtsorganisation FTDES (…) Junge Einheimische, die das Land meist aufgrund der Perspektivlosigkeit und der sozialen Lage verlassen, setzen zudem verstärkt auf neue Routen, da Tunesier, die es auf die italienischen Inseln Lampedusa, Sizilien oder Pantelleria schaffen, systematisch von dort abgeschoben werden. Der tunesische Staat reagiert auf die ansteigende Zahl an Überfahrtversuchen nichttunesischer Staatsbürger zunehmend repressiv…“ Bericht von Sofian Philip Naceur aus Tunis in der jungen Welt vom 14. August 2019 externer Link, siehe mehr daraus und dazu, nun auch zum neuen dreckigen Deal der EU:

  • Um Flüchtlinge auf dem Weg nach Europa zu stoppen, bekommt Tunesien mehr als 100 Millionen Euro von der EU – EU-Bürgerbeauftragte kritisiert EU-Flüchtlingspakt New
    Um Flüchtlinge auf dem Weg nach Europa zu stoppen, bekommt Tunesien Geld von der EU. Doch woran sind diese Zahlungen geknüpft? Die EU-Bürgerbeauftragte übt Kritik: Der Blick auf Menschenrechte sei nicht ausreichend. (…) Emily O’Reilly bemängelt, dass die zuständige EU-Kommission keine konkreten Kriterien für ein Ende der finanziellen Unterstützung festgelegt hat, falls das nordafrikanische Land Menschenrechte verletzt. Die Kommission müsse sicherstellen, dass durch EU-Gelder keine Menschenrechtsverletzungen finanziert würden, heißt es in einer Mitteilung . O’Reilly fordert nun, dass nachträglich Kriterien festgelegt werden. (…) Die EU hatte dem Land im vergangenen Jahr im Rahmen des Abkommens mehr als 100 Millionen Euro für einen verstärkten Grenzschutz zugesagt, um Flucht in Richtung Europa einzudämmen. Gut 50 Millionen Euro sind davon bereits fest verplant, erklärte eine Sprecherin der EU-Kommission…“ Meldung vom 24.10.2024 im Migazin externer Link
  • Tunesien setzt MigrantInnen systematisch in der Wüste aus – und die EU weiß davon, nun belegt – Demo vor tunesischer Botschaft in Berlin am 25.05 um 11 Uhr
    • Tunesien setzt MigrantInnen systematisch in der Wüste aus
      Tunesien ist eines der wichtigsten EU-Partnerländer zur Eindämmung der Flüchtlingszahlen nach Europa. Recherchen belegen jetzt, dass dort systematisch Migranten verschleppt und in der Wüste ausgesetzt werden – und die EU weiß davon.
      Vor wenigen Tagen ist es offenbar wieder passiert: Circa 20 Menschen sitzen auf dem Boden einer libyschen Polizeistation. Ein Videoanruf zeigt erschöpfte Männer, ihre Klamotten zerrissen, schmutzig vom Wüstensand. Erst wenige Stunden zuvor wurden sie von libyschen Milizen im Grenzgebiet zwischen Tunesien und Libyen aufgegriffen. Einer der Männer erzählt, er sei von tunesischen Sicherheitskräften dort ausgesetzt worden. Manche seien anschließend drei Tage durch die Wüste geirrt, bei über 40 Grad Celsius. Dass es sich bei diesen Schilderungen nicht um einen Einzelfall handelt, sondern um ein System der Abschreckung von Migranten auf ihrem Weg nach Europa, zeigt eine rund einjährige gemeinsame Recherche des Bayerischen Rundfunks mit der Recherche-Organisation Lighthouse Reports, dem Spiegel und weiteren internationalen Medienpartnern. Die Reporterinnen und Reporter haben hunderte Videos ausgewertet und vertrauliche Dokumente gesichtet. Mehr als 50 Migrantinnen und Migranten haben ihnen geschildert, wie sie in den EU-Partnerländern Tunesien, Marokko und Mauretanien von Sicherheitskräften verschleppt wurden. Journalistinnen und Journalisten sind für die Recherche in diese Länder gereist und haben selbst Festnahmen und Verschleppungen gefilmt.
      Mehr als hundert Millionen Euro für Tunesiens Grenzschutz
      Alleine für Tunesien konnte das Rechercheteam 14 solcher Verschleppungsaktionen dokumentieren. Obwohl die Europäische Kommission und die EU-Mitgliedstaaten von dieser Praxis wissen, kooperieren sie eng mit der dortigen Regierung bei der Eindämmung der Migration. Erst im vergangenen Sommer vereinbarten die EU und Tunesien ein entsprechendes Abkommen, das unter anderem Hilfen von 105 Millionen Euro alleine für den Grenzschutz vorsieht. Obwohl die EU-Kommission von Abschiebungen in die Wüste weiß, wurde die Kooperation nicht infrage gestellt…“ report München-Recherche von Philipp Grüll und Erik Häußler vom 21.05.2024 in BR24 externer Link („Tunesien setzt Migranten systematisch in Wüste aus“) siehe auch:
    • EU-Partnerländer verschleppen Geflüchtete in die Wüste
      Die EU arbeitet in der Flüchtlingspolitik mit Tunesien, Marokko und Mauretanien zusammen. Berichten zufolge setzen diese Länder Geflüchtete in der Wüste dem sicheren Tod aus. Skandal: Die EU weiß von den Misshandlungen, schiebt die Verantwortung aber ab…“ Meldung vom 22.05.2024 im Migazin externer Link
    • Demonstration vor der tunesischen Botschaft (Berlin) am Samstag (25.05) um 11 Uhr!! Siehe Aufruf von Alarmephone Sahara auf Twitter externer Link
  • Abschiebungen in den Tod Deals mit der EU: Durch Tunesien in die Wüste, durch Ägypten ins sudanesische Kriegsgebiet
    • Abschiebungen in den Tod
      Tunesien schiebt auch nach Abschluss eines Deals mit der EU Flüchtlinge in die Wüste ab. Ägypten deportiert sudanesische Flüchtlinge zu Tausenden ins sudanesische Kriegsgebiet – ebenfalls nach Abschluss eines Deals mit der EU.
      Auch nach dem Abschluss eines Deals mit der EU zur Flüchtlingsabwehr lässt Tunesiens Regierung Hunderte Flüchtlinge in die Wüste deportieren. Wie tunesische Menschenrechtler berichten, sind am vergangenen Freitag mindestens 300 Flüchtlinge aus Tunis in die Wüste an der tunesisch-algerischen Grenze abgeschoben worden – ohne Wasser und Nahrung. Als EU-Kommissionspräsidentin Ursula von der Leyen am 16. Juli 2023 den Flüchtlingsabwehrdeal mit dem tunesischen Präsidenten unterzeichnete, waren gerade 1.200 Flüchtlinge in die Wüste an der tunesisch-libyschen Grenze deportiert worden; mindestens 27 von ihnen verdursteten. Die EU belohnt Tunesien für die Flüchtlingsabwehr mit dreistelligen Millionensummen. Scharfe Kritik wird nun auch an dem neuen Flüchtlingsabwehrdeal laut, den die EU in der vergangenen Woche mit dem Libanon geschlossen hat. Er sieht wie die Flüchtlingsabwehrdeals mit Tunesien und mit Ägypten die Zahlung hoher Summen an die libanesische Regierung vor. Im Gegenzug soll Beirut die Reise syrischer Flüchtlinge nach Zypern unterbinden. Ägypten schiebt Flüchtlinge nach Abschluss eines Deals mit der EU sogar ins sudanesische Kriegsgebiet ab…“ Beitrag vom 8.5.2024 bei german-foreign-policy.com externer Link, siehe auch:
    • Externalisierung aufgedeckt: Europas Grenzzirkus in Tunesien
      Ich entdeckte das Grenzregime nach mehreren Visa-Anträgen, die alle abgelehnt wurden. Natürlich weigern sie sich einfach, nachdem man tausend Akten mitgebracht und viel Geld bezahlt hat. Gebt uns wenigstens unser Geld zurück!
      Vor einigen Jahren wurde mir die Einreise nach Kerkanah verweigert, weil die Polizei davon ausging, dass ich als junger Tunesier, der nach Kerkanah wollte, ein Boot nach Italien nehmen könnte. Wenn die Leute also über die europäischen Grenzen sprachen, scherzte ich: „Meistens ist das hier in Sfax, nicht in Lampedusa“.
      Aber im letzten Jahr habe ich neue Aspekte der Externalisierung des europäischen Grenzregimes entdeckt. Sie externalisieren Ängste und Narrative. Was wir in Alamra und Jbeninia gesehen haben, ist ein gutes Beispiel: Die erste Strategie besteht darin, Feinde zu schaffen und die Medien zu nutzen, um über Verschwörungen zu sprechen.
      Wie Neuansiedlung. Sie blähen die Zahlen auf. Wie kommt es, dass die tunesischen Behörden die genaue Zahl nicht kennen, während man von 40.000 Subsahara-Migranten spricht? Die Strategie besteht also darin, die Subsahara-Migranten aus den Großstädten in Olivenanbaugebiete in sehr armen Gegenden umzusiedeln.
      Um Konflikte zu schüren, indem sie Einheimische gegen Neuankömmlinge um lebenswichtige Ressourcen ausspielen. Olivenöl ist für dieses Volk von entscheidender Bedeutung. Sie spalten Einheimische und Menschen auf der Flucht Tunesien lenken von den wirklichen Problemen ab, indem sie sie glauben lassen, dass neue Feinde alle Ressourcen an sich reißen.
      Die Menschen in Alamra und Jbeniniya, Sfax, haben klar gesagt, dass sie es ablehnen, dass ihre Orte zu Haftanstalten werden. Sie lehnen die Auslagerung der europäischen Grenzen nach Tunesien ab. Und was entscheiden die Behörden? Die Menschen nach Jendouba im Norden abzuschieben, eine der ärmsten Regionen.
      Tunesien sollte sich mit dem Ursprung des Problems befassen. Die Grenzgewalt der Europäischen Union. Europa sollte sichere Übergänge schaffen, anstatt Grenzgewalt zu finanzieren. Die tunesischen Behörden sollten auf ihr Volk hören. Die Medien sollten aufhören, die Verbreitung von Verschwörungen und Fake News anzuheizen. Die Freunde aus der Subsahara sollten sich gegen diese Situation der letzten internen Konflikte zusammenschließen. Anstatt sie auszuweisen, sollten die tunesischen Behörden diese Netzwerke zerschlagen, die Menschen entführen und Lösegeld fordern.
      Europas Festungsmentalität nutzt die wirtschaftliche Misere Tunesiens aus und tauscht Würde gegen Brosamen. Sie finanzieren unser Leid, indem sie ein erbarmungsloses Grenzregime anheizen, das für unzählige Tote verantwortlich ist… Wir kommen aus armen Vierteln… Wie viele von uns haben nicht schon Angehörige durch ihre tödlichen Meere verloren? Sie sind die wahren #Kolonisatoren, die den Völkermord unterstützen und unser Schicksal diktieren! Es ist an der Zeit, ihr Blutgeld abzulehnen, sicheres Geleit zu fordern und aufzuhören, uns an unserer eigenen Unterdrückung zu beteiligen!“ engl. Thread von jihed vom 6. Mai 2024 externer Link mit Fotos
  • MigrantInnen in Tunesien: Abschreckung als Strategie. Menschenrechtslage katastrophal und doch Blaupause für den Deal mit Ägypten
    „Als Blaupause für das vergangene Woche in Kairo unterschriebene Migrationsabkommen gilt die im letzten Sommer begonnene Kooperation mit Tunesien. Ohne das Parlament in Brüssel zu informieren, war EU-Kommissionschefin Ursula von der Leyen im Juli 2023 nach Tunis gereist. Den Alleingang unterstützten die Regierungschefs der Niederlande und Italiens – Mark Rutte und Georgia Meloni verdankten ihre Wahlerfolge dem Versprechen, die auf Rekordniveau angestiegenen Zahlen der im Schengenraum ankommenden Migranten drastisch zu reduzieren. Tunesiens Präsident, der ehemalige Juraprofessor und Politikquereinsteiger Kais Saied, galt diesbezüglich als idealer Partner. (…) »Massenmigration ist der Versuch feindlicher Mächte, Nordafrika zu de-islamisieren, und stellt einen Angriff auf die arabische Kultur dar.« Mit seinen Worten vor den Generälen und Ministern des sogenannten Nationalen Sicherheitsrates stellte sich Präsident Saied an die Spitze einer Kampagne gegen Migranten. Die gewaltsame Vertreibung der meist im informellen Sektor arbeitenden Westafrikaner aus ihren Wohnungen in Tunis und Sfax ließen die Politiker aus Brüssel unerwähnt. Kurz bevor die sich »Team Europa« nennende Delegation in Tunis landete, hatten zudem libysche Grenzwächter mehr als 60 verdurstete Migranten in der Wüste gefunden. Das Foto von Fati Dosso, die mit ihrer sechsjährigen Tochter Marie eng umschlungen im Sahara-Sand lag, ging damals um die Welt. (…) Die Verhandlungsdelegationen aus Tunis und Brüssel beeindruckten solche Bilder nicht, im Gegenteil. Abschreckung ist Teil des Abkommens. Für die Zahlung von bis zu 1,7 Milliarden Euro sollen die tunesischen Sicherheitskräfte gegen die Schmugglerszene rund um die Hafenstadt Sfax vorgehen und die Abfahrt von Booten verhindern. Und die Gelder aus Brüssel retten den für seinen autokratischen Regierungsstil kritisierten Präsidenten vor dem drohenden Staatsbankrott. 105 Millionen Euro für die Grenz- und Küstensicherung wurden nach Information aus diplomatischen Kreisen bereits nach Tunis überwiesen. Die restlichen EU-Gelder sind offenbar an die vom Internationalen Währungsfonds geforderten Wirtschaftsreformen gebunden. (…) Zwischen der Bevölkerung, der Polizei und den nach Nationalitäten getrennt lebenden Migranten kommt es immer wieder zu Gewalt. Im Herbst wurde ein Beamter der Nationalgarde schwer verletzt, als Hunderte Sudanesen gegen die aus ihrer Sicht willkürlichen Verhaftungen und die Deportationen in die libysche und algerische Wüste demonstriert hatten. (…) Menschenrechtsorganisationen wie auch die Bevölkerung in den Fischerdörfern der Region fragen sich, welche Strategie Präsident Kais Saied und die EU verfolgen…“ Artikel von Mirco Keilberth vom 22. März 2024 in Neues Deutschland online externer Link („Migranten in Tunesien: Abschreckung als Strategie – Trotz EU-Kooperation ist die Lage für Migranten in Tunesien katastrophal“ – trotz!?)
  • Studie bleuchtet Flüchtlingspakt: EU finanziert Menschenrechtsverletzungen in Tunesien und Libyen
    Die EU zahlt Tunesien und Libyen Millionen Euro, damit sie Geflüchtete von der Überfahrt nach Europa abhalten. Wie jetzt eine Studie belegt, finanziert die EU mit ihren Geldzahlungen Menschenrechtsverletzungen in diesen Ländern. Experten fordern Zahlungsstopp.
    Bei den von der Europäischen Union (EU) mitfinanzierten Grenzschutzinitiativen in Tunesien und Libyen kommt es laut einer am Mittwoch im Brüssel vorgestellten Studie regelmäßig zu schweren Menschenrechtsverletzungen. Den Bericht hatte die Grünen-Fraktion im EU-Parlament in Auftrag gegeben. „Es darf keine Abkommen mit Drittländern geben, wenn es keine Überwachung der Grundrechte, keine demokratische Kontrolle und keine parlamentarische Aufsicht gibt“, kritisierte der EU-Abgeordnete Erik Marquardt (Grüne). Untersucht wurden EU-finanzierte Programme mit der Küstenwache und der Grenzpolizei in Tunesien und Libyen von 2018 bis 2023. Dem Bericht zufolge gibt es Beweise für Menschenrechtsverletzungen durch tunesische und libysche Behörden innerhalb der von der EU finanzierten Programme. Das widerspreche EU-Recht, schreiben die Autorinnen. Die EU sei verpflichtet, ihre Mittel im Einklang mit den Menschenrechtsstandards einzusetzen, auch wenn sie jenseits ihrer Grenzen tätig sei. In der Studie wird eine umfassende Bewertung der Menschenrechtslage in Tunesien und Libyen gefordert. Solange die Situation vor Ort nicht berücksichtigt werde, sollten keine weiteren Mittel zugewiesen oder ausgezahlt werden. (…)
    Verfasst wurde die Studie „Beyond Borders, Beyond Boundaries. Eine kritische Analyse der finanziellen Unterstützung der EU für Grenzkontrollen in Tunesien und Libyen“ im Auftrag der Grünen von Estela Casajuana, Wissenschaftlerin bei Profundo, einer unabhängigen Forschungsorganisation mit Sitz in den Niederlanden. Mitautorin ist Giorgia Jana Pintus, Projektbeauftragte bei der italienischen Nichtregierungsorganisation ARCI.“ Beitrag vom 29.11.2023 im Migazin externer Link – siehe die Studie auf Englisch externer Link und Französisch externer Link ,  eine zweiseitige Zusammenfassung gibt es auf Deutsch externer Link
  • Weniger Bootsüberfahrten um Faktor sieben: EU und Tunesien setzen Flüchtlingspakt doch um 
    Trotz einer angeblichen Rückzahlung von Mitteln zur „Migrationsabwehr“ arbeitet Tunesien mit der EU zusammen. Es kommen auch weniger Geflüchtete über das Mittelmeer an – Rückgang um Faktor sieben.
    Im Juni hat die EU-Kommission eine Vereinbarung zur gemeinsamen Migrationsabwehr mit Tunesien unterzeichnet. Die Regierung in Tunis erhält demnach 105 Millionen Euro zur Überwachung seiner Grenzen sowie zur „Bekämpfung des Menschenschmuggels“. Weitere 150 Millionen Euro sollten in den kommenden Jahren aus dem Außenpolitischen Instrument (NDICI) für die Zwecke „Grenzmanagement und Schmuggelbekämpfung“ fließen. Eine erste Überweisung im Rahmen des Abkommens über 67 Millionen Euro erhielt Tunesien im September. Mit dem Geld sollten ein Küstenwachschiff, Ersatzteile und Schiffsbenzin für weitere Schiffe sowie Fahrzeuge für die tunesische Küstenwache und Marine finanziert werden, außerdem Ausbildungsmaßnahmen zur Bedienung der Ausrüstung. Rund 25 Millionen Euro dieser Tranche waren für Programme zur „freiwilligen Rückkehr“ vorgesehen, diese werden vom Flüchtlingshilfswerk der vereinten Nationen und der Internationalen Organisation für Migration umgesetzt. (…) Trotz der vermeintlichen Kehrtwende ist die Zusammenarbeit zur Migrationsabwehr zwischen der EU und Tunesien aber in Gang gekommen und zeigt auf Arbeitsebene sogar erste Erfolge. (…)
    Seit der Unterzeichnung des Migrationsabkommens haben die Abfahrten von Booten mit Geflüchtete aus Tunesien nach Informationen des Migazin im Oktober um den Faktor 7 abgenommen. Der Grund dafür liegt vermutlich in der erhöhten Frequenz von Patrouillen der tunesischen Küstenwache. Im August sollen dabei 1.351 Menschen auf See aufgegriffen worden sein. Immer öfter werden die Boote nach dem Abfangen von den tunesischen Beamten auch zerstört. Für weniger Überfahrten sorgen vermutlich auch die Preise, die Flüchtende an Schleuser bezahlen müssen, diese sollen in Tunesien deutlich gestiegen sein.
    Einen Anteil am Rückgang der Zahlen hat auch die staatliche Repression vor allem in der Hafenstadt Sfax, wo die Behörden tausende Menschen aus Subsahara-Staaten aus dem Zentrum vertrieben und diese mit Bussen an die libysche und algerische Grenze gefahren haben. Dort werden sie von den Beamten zum Grenzübertritt gezwungen. Diese Maßnahmen haben auch dazu geführt, dass mehr Flüchtende in Tunesien die von der EU finanzierten IOM-Programme zur „freiwilligen Rückkehr“ in ihre Herkunftstaaten nachfragen. Nun will die EU Druck auf Tunesien ausüben, für einzelne westafrikanische Staaten eine Visumspflicht einzuführen…“ Beitrag von Matthias Monroy vom 01.11.2023 im Migazin externer Link
  • 3 Monate Tunesien-Abkommen: Ausblick auf eine populistisch geprägte Europäische Außenpolitik 
    Die EU setzt in der Flüchtlingspolitik auf Abkommen mit afrikanischen Ländern. Das Beispiel Tunesien zeigt, wie man es falsch macht. Seit dem Vertrag befindet sich die Partnerschaft zwischen EU und Tunesien in einer beispiellosen Abwärtsspirale. (…)
    Auf den ersten Blick wirkte das „Memorandum of Understanding on a strategic and global partnership between the European Union and Tunisia“ (MoU) überzeugend: Makroökonomische Stabilität, Wirtschaft und Handel, Grüne Energiewende, zwischenmenschlicher Austausch. Es sah aus, als hätten von der Leyen, Meloni und Rutte gemeinsam mit der tunesischen Seite aus all dem, was transmediterrane Denker:innen seit Jahren fordern, in nur drei Monaten ein umfassendes Paket geschnürt. Doch bei näherer Betrachtung wird deutlich: Das MoU könnte sich als Irrweg erweisen – sowohl für die EU als auch für ihre Beziehungen zu ihren südlichen Nachbarn, in wirtschaftlicher, sozialer und diplomatischer Hinsicht. Bestenfalls sinnlos, im schlimmsten Fall gefährlich, denn letztlich macht das MoU dringend notwendige Investition in eine gemeinsame Zukunft von Willen und Fähigkeit der Exekutivgewalt Tunesiens ab, Migrant:innen auf ihrem Weg nach Europa aufzuhalten. Ist dies ein erster Ausblick darauf, wie sich Populist:innen die künftigen Beziehungen der EU zu ihren südlichen Nachbarn vorstellen? Welche weiteren Entwicklungen sind zu erwarten? Und gibt es glaubwürdige Alternativen? (…)
    Die Auswirkungen dieser negativen Entwicklungen sind in der tunesischen Gesellschaft immer stärker zu spüren. Die Spannungen zwischen einflussreichen Größen der tunesischen Wirtschaft und dem Präsidentenpalast entladen sich immer wieder auf Kosten der Menschen im Land: Sie verschlimmern Versorgungsengpässe bei wichtigen Gütern des täglichen Bedarfs, deren heimische Produktion ohnehin durch zunehmenden Wasserstress und Hitzewellen bereits erheblich beeinträchtigt ist. (…)
    Es scheint insbesondere in Deutschland vielerorts noch immer der Gedanke vorzuherrschen, dass unsere Form der parlamentarischen Demokratie nur ein begrenztes Maß an Dissens vertrage. Daher auch das Narrativ, dass eine Art Leitkultur notwendig sei, um ausufernden Streit über die Grundlagen des Systems zu vermeiden. Die Gesellschaft wäre sonst in entscheidenden Momenten nicht handlungsfähig, so die Sorge. Heterogenität, und damit Zuwanderung, lässt sich vor diesem Hintergrund schnell als potenzielle Gefahr für den gemeinsamen Wohlstand verstehen. Für Deutschland findet sich diese Logik in den Erfahrungen zahlreicher gesellschaftlich Konflikte wieder – z.B. um Vertriebene aus den Ostgebieten, die Gastarbeiter:innen im Wirtschaftswunder oder die Schwarzen Adler im Fußball. Gleichzeitig zeigt die Debatte um Fachkräfte, dass Europäer:innen sich überwiegend darüber im Klaren sind, dass sich weder ihr Wohlstand noch ihre Lebensqualität ohne zusätzliche Arbeitskräfte erhalten lässt. Zusammen mit der demografischen Entwicklung europäischer Gesellschaften ist so eigentlich nur ein Schluss möglich: Europäischer Wohlstand hängt von Zuwanderung ab. Und dennoch: Unsere Perspektive auf Migration ist zutiefst ambivalent: Einerseits glauben wir, auf Migration angewiesen zu sein, um unseren Wohlstand zu erhalten, andererseits sind wir der Meinung, dass Migration begrenzt werden muss – um unseren Wohlstand zu erhalten. Hier setzten populistische Strömungen an (…) Meloni, Rutte, von der Leyen und Saied sind allesamt hochriskante Wetten auf eine krisenhafte Wahrnehmung der Migration in Europa eingegangen. Keiner von ihnen hat ein Interesse daran, die mit Migration verbundenen Herausforderungen tatsächlich nachhaltig aufzulösen – jedenfalls nicht sofort. Das Risiko, das Meloni, Rutte, von der Leyen und Saied gemeinsam eingegangen sind, zahlt sich nur dann aus, wenn Migration vorerst weiterhin als Problem wahrgenommen wird, zumindest bis zu den politischen Terminen, auf die jeder von ihnen hinarbeitet. (…) Präsident Saied steht also vor einer unmöglichen Wahl: Entweder, er akzeptiert die Bedingungen und riskiert die Stabilität seiner Regierung, oder er verzichtet auf europäische Unterstützung, auf die nicht nur er selbst, sondern auch die vielen tunesischen Gemeinden, Unternehmen und Zivilgesellschaftsorganisationen angewiesen sind, mit denen die EU seit 2011 zusammenarbeitet. Eine breite Umsetzung der positiven Aspekte des MoU scheint vor diesem Hintergrund unwahrscheinlich. Bedingungslos zugesagt ist lediglich die finanzielle und technische Unterstützung der tunesischen Küstenwache und Grenzbehörden in Höhe von ca. 100 Mio. EUR, was einer Aufstockung dieser Mittel im mittleren zweistelligen Millionenbereich entspricht. Allerdings ist unklar, ob und falls ja, wie schnell die tunesischen Institutionen aktuell die geplanten Maßnahmen umsetzen können. (…) Auch die inhaltliche Logik des MoU könnte gravierende Fehler aufweisen. Durch die erhoffte „Abriegelung“ des Landes wollen Meloni, Rutte und von der Leyen die Kontrolle über den Zustrom von Menschen nach Europa zurückgewinnen. Dagegen steht jedoch wissenschaftliche Evidenz: Im Bereich Migration haben sich die Ankünfte immer dann besonders unberechenbar entwickelt, wenn neue Restriktionen durchgesetzt wurden (…) Die Ankündigung schärferer Kontrollen führt dazu, dass mit einer gestiegenen Risikobereitschaft eben diese Kontrollen noch aufwendiger und kostspieliger werden. Das MoU macht insofern aktuell genau die Migrationsbewegungen unberechenbarer, die die Autor:innen der Vereinbarung vorgeben, kurzfristig besser steuern zu wollen.Außenpolitik als Migrationsabwehr: Im schlimmsten Fall gefährlich…“ Eine umfangreiche und lesenswerte Analyse von Alexander Weber und Sophia Hiss vom 18.10.2023 im Migazin externer Link
  • [So herum geht ein dreckiger Deal auch] Ärger um Flüchtlingspakt: Tunesien lehnt EU-Finanzhilfen ab 
    „Die EU erhofft sich von Tunesien Unterstützung: Das Land soll seine Grenzen dichtmachen, Menschen, die über das Mittelmeer nach Europa flüchten wollen, abhalten. Neue Aussagen aus Tunis sorgen nun aber in Brüssel für Unruhe. Tunesien hat von der EU-Kommission angekündigte Finanzhilfen in Millionenhöhe abgelehnt, die dem Land beim Kampf gegen irreguläre Migration helfen und dessen Haushalt stabilisieren sollen. Tunesien «nimmt nichts an, was Gnaden oder Almosen ähnelt», sagte Präsident Kais Saied laut Mitteilung des Präsidialamts am Montagabend. Die Ankündigungen der EU stünden im Widerspruch zur zuvor unterzeichneten Grundsatzvereinbarung. Worin Tunis genau einen Widerspruch sieht, wurde nicht kommuniziert. Auch in Brüssel sorgten die Äußerungen am Dienstag deswegen für Unruhe – vor allem, weil Saied die EU-Zahlung nach eigenen Angaben nicht wegen der «geringen Summe» ablehnt. Ein ranghoher EU-Beamter sagte, möglicherweise gehe es Saied doch darum, dass ihm ein Hilfspaket in Höhe von einer Milliarde Euro in Aussicht gestellt worden sei, die EU-Kommission nun aber zunächst nur die Auszahlung von rund 127 Millionen Euro angekündigt habe. (…) Tunesien ist eines der Haupttransitländer für Flüchtlinge aus Afrika mit Ziel Europa. Die EU-Kommission hatte vor gut einer Woche angekündigt, Tunesien rund 127 Millionen Euro auszahlen, um die Flucht über das Land zu verringern und die schwächelnde Wirtschaft anzukurbeln. Rund 67 Millionen Euro davon sollen im Zusammenhang mit einem umstrittenen Flüchtlingspakt bereitgestellt werden. Dazu kommen noch 60 Millionen Euro Haushaltsunterstützung, damit sich das Land von der Corona-Krise erholt. Mit den Äußerungen Saieds mehren sich Zweifel, ob das umstrittene Abkommen zwischen Brüssel und Tunis weiter Bestand haben wird…“ Meldung vom 4. Oktober 2023 im MiGAZIN externer Link
  • Bundespolizei rüstet Küstenwache in Tunesien aus: Truppe erhielt Dutzende Motoren, Schlauchboote sowie Ausbildung aus Deutschland 
    „… Menschenrechtsorganisationen berichten regelmäßig externer Link, dass die tunesische Küstenwache auf hoher See die Motoren von Migrantenbooten stiehlt und die Insassen somit dem Ertrinken aussetzt. Das Bundesinnenministerium gibt in seiner noch unveröffentlichten Antwort externer Link auf eine Kleine Anfrage der Linksfraktion Hinweise darauf, dass für diese Verbrechen maritime Ausrüstung aus Deutschland genutzt wird. In den letzten beiden Jahren hat die Bundespolizei laut der Antwort des Bundesinnenministeriums 12 Schlauchboote und 27 Bootsmotoren an die tunesischen Grenztruppen gespendet. Darüber hinaus hat die Bundespolizei Trainer geschickt, um die Behörden im Umgang mit »schnellen Kontrollbooten« zu schulen. Diese Maßnahme wurde in diesem Jahr als »Weiterqualifizierung« wiederholt. Zusätzlich gab es einen »Grund- und Aufbaulehrgang« zur Reparatur von Yamaha-Motoren. Bereits im Jahr 2019 unterstützte die Bundesregierung die Küstenwache in Tunesien, indem sie ihnen Ausrüstung für eine Bootswerkstatt zur Verfügung stellte. Darüber hinaus wurden 14 Aus- und Fortbildungsmaßnahmen für die Nationalgarde, die Grenzpolizei und die Küstenwache durchgeführt. Auch diese Schulungen hatten zum Ziel, den Umgang mit »Kontrollbooten« zu erlernen. Tunesien erhielt seit 2012 außerdem Dutzende Festrumpfschlauchboote sowie Patrouillenschiffe aus den USA. Mehrere größere Schiffe für die Küstenwache stammen auch aus Italien, die Finanzierung dieser Schenkungen erfolgt aus EU-Mitteln. Auch an diesen Maßnahmen könnte die Bundesregierung indirekt beteiligt sein: Laut der Antwort des Innenministeriums hat die Bundespolizei sechs Spezialwerkzeugsätze für Motoren von Schiffen der 35-Meter-Klasse an Tunesien geliefert…“ Artikel von Matthias Monroy vom 26.09.2023 in ND online externer Link, siehe auch:

    • Migrationskontrolle in Nordafrika: Bundespolizei rüstet tunesische Grenzschützer aus
      Motoren, Nachtsichtgeräte, Schlauchboote: Die Bundespolizei hat tunesische Grenzwächter über Jahre hinweg trainiert und ausgestattet – obwohl es immer wieder Kritik an ihrer Arbeit gibt…“ Meldung vom 26.09.2023 im Spiegel online externer Link
  • Tunesien vertreibt wieder Geflüchtete. EU-Kommission für Zusammenarbeit des Landes mit Europol und Frontex  Abermals hat die tunesische Regierung schwarze Geflüchtete aus der Hafenstadt Sfax im Südosten des Landes vertrieben. Berichten zufolge hat die Polizei Hunderte von ihnen vom zentralen Rabat-Medina-Platz in kleinen Gruppen in ländliche Gebiete und andere Städte gebracht. Die Repression soll am Samstag begonnen und auch in anderen Städten stattgefunden haben, bestätigt das tunesische Forum für wirtschaftliche und soziale Rechte. 200 Migranten aus Subsahara-Staaten, die sich angeblich auf eine Überfahrt nach Europa vorbereitet hätten, sollen verhaftet worden sein. (…) Auch die jetzige Verfolgung schwarzer Geflüchteter in Sfax kam zu einem Zeitpunkt, an dem die EU Tunesien als Partner zur Migrationsabwehr aufwertet. Am Sonntag reisten von der Leyen und Meloni nach Lampedusa, um dort einen Zehn-Punkte-Plan zur Reduzierung von Fluchten über das Mittelmeer externer Link vorzustellen. Darin heißt es, dass Tunesien und die EU-Grenzagentur Frontex eine Arbeitsvereinbarung schließen sollen. Die EU-Polizeiagentur Europol soll zusammen mit der tunesischen Polizei zum »Schmuggel« von Migranten nach Lampedusa ermitteln. Damit soll die derzeit besonders hohe Zahl ankommender Geflüchteter auf der italienischen Mittelmeerinsel verringert werden. Die meisten Abfahrten der Hunderten von Booten nach Italien erfolgen aus Tunesien…“ Artikel von Matthias Monroy vom 18.09.2023 in ND online externer Link – auch zu Italien, siehe zum aktuellen Hintergrund Lampedusa auch unser Dossier Tausende MigrantInnen angekommen: Lampedusa ist voll, Deutschland macht dicht
  • Tunesien und Libyen: Nach (mindestens) 27 nachgewiesenen Toten: Einigung zwischen Tunesien und Libyen über die Auf- bzw. Rücknahme in die Wüste vertriebener Migranten. Zugleich Verschärfung des Grenzschutzes 
    Wir berichteten mehrfach in jüngster Zeit über die Radikalisierung der Anti-Einwanderungspolitik unter dem tunesischen Staatspräsidenten Kais Saied, auch im Zusammenspiel mit EU-Europa. Dabei ging es u.a. auch um die Einwanderer aus dem subsaharischen Afrika, die seit Anfang Juli d.J. durch tunesische Behörden aufgegriffen und im Wüstengebiet an den Südgrenzen zu Libyen (und Algerien) ausgesetzt wurden.
    Wie wir an anderer Stelle erwähnten (https://jungle.world/artikel/2023/32/tod-der-wueste externer Link) kamen in diesem Zusammenhang – wie seit Anfang August dieses Jahres unerbittlich feststeht – mehrere Dutzend Menschen zu Tode. (Vgl. https://assawra.blogspot.com/2023/08/tunisie-fati-et-marie-victimes-de-la.html externer Link)
    Inzwischen hat sich in der internationalen Presse die Zahl von „27“, durch die Deportation in die Wüste und i.d.R. an Durst verstorbenen Opfern durchgesetzt. (https://www.puls24.at/news/chronik/tunesien-setzt-fluechtende-in-wueste-aus-27-tote/304746 externer Link)
    Unterdessen kam „wenigstens“ oder „endlich“ seit dem Donnerstag, den 10.08.2023 nun ein Abkommen zwischen Tunesien und dem Nachbarstaat Libyen über die (Wieder-)Aufnahme von rund 300; nach wie vor unter der Wüstensonne ausharrenden Migranten zustande. Diese, nachdem sie aus Tunesien in der Sahara abgesetzt worden waren, werden nun zwischen Libyen und Tunesien aufgeteilt und in beiden Ländern (rück-)aufgenommen. (Vgl. u.a.: https://fr.euronews.com/2023/08/11/migrants-bloques-a-la-frontiere-la-tunisie-et-la-libye-parviennent-a-un-accord externer Link und https://www.france24.com/fr/afrique/20230810-la-tunisie-et-la-libye-s-accordent-sur-l-accueil-des-migrants-bloqu%C3%A9s-%C3%A0-la-fronti%C3%A8re externer Link)
    Sei es, dass es sich v.a. die tunesischen Behörden aufgrund der infolge der Todesfälle doch wieder aufgewachten internationalen Aufmerksamkeit nicht mehr erlauben konnten, noch weitere der insgesamt 300 Betroffenen einfach in der Wüste verrecken zu lassen. Sei es, dass man in Tunis nun zu der Auffassung, der Abschreckung sei nun genüge getan, und man habe an den bisher verzeichneten Opfern ja bereits „ein Exemple statuiert“; im Glauben, dass dadurch weitere Zuwanderung (in Richtung Tunesien bzw. über Tunesien in Richtung EU) tendenziell unterbunden werde.
    Doch zugleich wird das Grenzschutzregime in der Region künftig verschärft. Das sich seit 2021 herausbildende, zunehmend autoritäre tunesische Regime ist um verstärkte Kooperation mit Algerien und Libyen zur Grenzüberwachung auch im Sahara-Raum bemüht. Im Süden Tunesiens ist es nunmehr Privatpersonen wie Tunesien verboten, Migranten durch die Wüstenregion auf Fahrzeugen zu befördern, und polizeiliche Kontrollstellen nahmen sprunghaft zu. Vgl. dazu eine Reportage aus der französischen (KP-nahen) Tageszeitung L’Humanité, welche auch antirassistische Aktivitäten der Gewerkschaftsorganisation UGTT- oder  jedenfalls von manchen ihrer Mitglieder – zitiert (https://assawra.blogspot.com/2023/08/tunisie-des-refugies-traques-tabasses.html externer Link).Kurzmeldung von Bernard Schmid vom 14.08.2023 – wir danken!
  • Weitere 27 Menschen an tunesisch-libyscher Wüstenregion gestorben – Deutschland verteidigt EU-Pakt mit Tunesien 
    Erneut Tote nach Aussetzung in der Wüste: Verzweifeltes Leiden an der tunesisch-libyschen Grenze setzt sich fort. Während EU mit deutscher Unterstützung am Tunesien-Pakt zur Fluchtverhinderung festhält, schlagen Menschenrechtsorganisationen Alarm. Im Wüstengebiet an der tunesisch-libyschen Grenze sind Menschenrechtlern zufolge seit Dienstag 27 Leichen von Migranten geborgen worden. Tunesische Behörden hätten die Menschen dort bei großer Hitze und ohne Wasser ausgesetzt, teilte das Nationale Menschenrechtskomitee in Libyen der Deutschen Presse-Agentur am Mittwoch mit. Auch Lebensmittel oder Medikamente hätten die Migranten nicht bekommen. Nach Angaben der Organisation zwingen die tunesischen Behörden die Menschen in dem entlegenen Wüstengebiet, zu Fuß die Grenze nach Libyen zu überqueren. Woher genau die Migranten stammten, war zunächst unklar. Libyschen Medien zufolge waren unter den Toten auch Kinder. (…) Die Bundesregierung signalisierte nach dem Zustandekommen des Abkommens vor zwei Wochen ihre Unterstützung für das Vorhaben. Auch Katja Keul (Grüne), Staatsministerin im Auswärtigen Amt, erkläre zuletzt am 8. August in Berlin vor ihrer Reise in die Hauptstadt Tunis, die deutsche und europäische Zusammenarbeit mit Tunesien zu Migrationsthemen sei, an humanitäre Standards und Menschenrechte gebunden…“ Meldung vom 10.08.2023 im Migazin externer Link, siehe auch:
  • Tod in der Wüste. Dutzende von der tunesischen Regierung in die Wüste verfrachtete Migranten sind ums Leben gekommen – erste identifiziert
    Der tunesische Staat hat subsaharische Migranten ins Wüstengebiet gekarrt, einige von ihnen kamen dort zu Tode. Die ersten Leichen wurden inzwischen identifiziert. Tunesische NGOs demonstrierten ihre Solidarität mit den Migranten.
    Was im Juli noch Gerüchte waren, ist inzwischen bittere Gewissheit: Dutzende in der Wüste ausgesetzte Menschen sind im tunesisch-libyschen und tunesisch-algerischen Grenzgebiet ums Leben gekommen.
    Dorthin hatte die tunesische Staatsmacht insgesamt über 1.000 Migranten, die sich im Land aufhielten, gekarrt und unter der sommerlichen Sonne der Sahara zurückgelassen. Besonders viele von ihnen kamen aus der Stadt Sfax an der Ostküste Tunesiens, die in den vergangenen Monaten zum Sammelpunkt auf den Durchreiserouten von Migranten geworden ist. Rund 600 der Deportierten, die bis zu 15 Kilometer auf libysches Territorium gelaufen waren, erhielten dort Nahrungsmittel und Wasser von mitleidigen libyschen Uniformierten und konnten am 11. Juli über die tunesische Grenze zurückkehren. Später wurden sie auf Unter­künfte in Schulgebäuden im Süden Tunesiens verteilt.
    Doch mindestens 150, möglicher­weise mehrere Hundert Menschen harrten weiterhin in sengender Sonne im Niemandsland an den Grenzen Tunesiens und Libyens aus. Assawra, eine in Frankreich ansässige, teilweise arabischsprachige Website zu internationalen Themen, und die KP-nahe französische Tageszeitung L’Humanité in ihrer Ausgabe vom 3. August sprechen davon, dass bereits mehreren Dutzend von ihnen gestorben seien. Einzelne von ihnen haben mittlerweile Name und Gesicht. Als Erste wurden Ende Juli, zuerst durch einen Bericht des Twitter-Accounts »Refugees in Libya« – Informationen daraus hat inzwischen die internationale Presse übernommen –, die 30jährige Fati Dosso und ihre sechsjährige Tochter Marie identifiziert. Beide waren kurz zuvor im tunesischen Grenzgebiet an Wassermangel gestorben. (…) Aus Protest sagten die Rapper Maître Gims und Bigflo & Oli in der vergangenen Woche Auftritte in Tunesien ab. Die Institutionen sowie Mitgliedsländern der Europäischen Union hingegen bleiben »wirklich sehr still« zum Thema, wie die Forscherin Camille Le Coz in der französischen Ta­geszeitung Libération bemerkte. (…) In Tunesien selbst stößt die vereinbarte Zusammenarbeit, die vor allem auf Abschiebungen in afrikanische Staaten südlich der Sahara hinauslaufen soll, jedoch auch auf Kritik. Bereits am 25. Februar, kurz nach der ersten Brandrede von Präsident Saïed gegen Zuwanderer am 21. Februar, demons­trierten in Tunis mehrere Hundert Anhänger feministischer Gruppen; Menschenrechtsorganisationen und Journalistinnen und riefen zur Bildung einer »antifaschistischen Front« auf. Am 14. Juli demonstrierten erneut mehrere Hundert Menschen in der tunesischen Hauptstadt und forderten unter anderem die Bereitstellung von Unterkünften für Migranten.
    Besonders engagiert setzt sich das gewerkschaftsnahe Tunesische Forum für ökonomische und soziale Rechte (FTDES), eine der wichtigsten NGOs im Land, für die Migranten ein. Der Gewerkschaftsverband UGTT zeigt sich hingegen ambivalent. Der für Sfax zuständige Regionalverband der UGTT sprach in seiner Pressemitteilung nicht nur von »unhaltbaren Zuständen«, sondern kündigte auch an, »die Einwohner von Sfax zu verteidigen«, was sich durchaus als Drohung gegen Migranten lesen lässt. Doch Mitglieder der UGTT verteilten in Sfax auch Wasserflaschen und Nahrungsmittel aus dem Kofferraum eines Autos.“ Artikel von Bertold Du Ryon in der Jungle World vom 10.08.2023 externer Link
  • Tunesien: Innenminister Fekih räumt Pushbacks von Migranten in Wüste ein – im ganz kleinen Rahmen 
    Der tunesische Innenminister Fekih hat gewaltsame Rückführungen von Migranten in Wüstengebiete an den Grenzen zu Libyen und Algerien eingeräumt. Es seien kleine Gruppen von Menschen aus Ländern südlich der Sahara betroffen gewesen, sagte Fekih der Nachrichtenagentur AP. Sammelabschiebungen habe es nicht gegeben. Berichte der Vereinten Nationen und von Menschenrechtsorganisationen über Misshandlungen der Flüchtlinge bezeichnete der Minister als falsch…“ Meldung vom 04.08.2023 im Deutschlandfunk externer Link, siehe dazu:

    • Tunesien: Pushbacks von Migranten in die Wüste
      Das tunesische Regime drängt Geflüchtete aus anderen afrikanischen Ländern gewaltsam zurück in die Wüste. Mehrere Geflüchtete sind dort bereits verdurstet – darunter auch Kinder.“ Video von Thomas Walde vom 04.08.2023 im ZDF externer Link
  • Von Tunesien bis Italien und zurück: Eine neue Achse gegen unerwünschte Migrationsbewegungen?
    Mare Nostrum nannten die Repräsentanten des Römischen Reichs im Altertum einmal das Mittelmeer, und Benito Mussolini reaktivierte das geopolitische Konzept 1939 im faschistischen Italien. Eine, die sich lange Jahre hindurch bewusst ideologisch in die Nachfolge Mussolinis stellte, wie sie 1992 selbst erklärt hatte, rückt nun erneut das Mittelmeerbecken – kürzlich erweitert bis zum Arabisch-Persischen Golf – in den Mittelpunkt strategischer Aktivitäten. Das Gewässer als „unser Meer“ zu reklamieren, kann Italiens amtierende rechtsextreme doch EU-kompatible bzw. „postneofaschistische“ Ministerpräsidentin Giorgia Meloni von der Partei Fratelli d’Italia sich nicht erlauben. Und Italien verfügt auch nicht über dieselben Machtmittel wie damals, als es Libyen kolonisierte. Dennoch konnten die Regierenden in Italien am vorigen Sonntag, den 23. Juli 23 Rom kurzzeitig als „Hauptstadt Afrikas und des Mittelmeers“ bezeichnen, als Staats- und Regierungschefs aus einem Dutzend – oft autokratisch regierten – Ländern sowie Minister aus mehreren weiteren Staaten in der angeblich Ewigen Stadt zusammentrafen…“ Artikel von Bernard Schmid vom 27.7.2023 – wir danken!
  • In die Wüste geschickt. Danke, EU – und was sagen tunesische Gewerkschaften dazu? 
    Voraus ging eine „Explosion im Nadelöhr“: In der zunehmend zum Durchgangskorridor für Migration werdenden, zum „Brennpunkt“ hochstilisierten Stadt Sfax kam es zu pogromartigen Ausschreitungen und rassistischen Übergriffen. Daraufhin sandten die tunesischen Behörden mehrere Hundert Migranten in die Wüstenzonen an den Landesgrenzen. Die EU setzt, nach Libyen, nun auch verstärkt auf Tunesien als Gendarmen und vorgelagerten Grenzwächter ihrer Außengrenzen. – Und was sagen tunesische Gewerkschaften dazu?…“ Artikel von Bernard Schmid vom 21.7.2023  – wir danken! Siehe weitere aktuelle Meldungen:

    • Human Rights Watch über Lage in Tunesien: Gefoltert und ausgeraubt
      Die NGO Human Rights Watch hat einen Bericht über Misshandlungen von Migranten in Tunesien vorgelegt. Die EU müsse ihre Finanzhilfen für das Land aussetzen. Die Menschenrechtsorganisation Human Rights Watch (HRW) wirft tunesischen Sicherheitskräften „schwere Misshandlungen“ von afrikanischen Migranten vor. Die Organisation habe Berichte von „Schlägen, übermäßiger Gewaltanwendung, einigen Fällen von Folter, willkürlichen Verhaftungen und Inhaftierungen, Massenvertreibungen, gefährlichen Aktionen auf See, Zwangsräumungen und Diebstahl von Geld und persönlichen Gegenständen“ dokumentiert, erklärte HRW in einem Bericht externer Link am Mittwoch. Die Organisation forderte die EU dazu auf, ihre finanzielle Unterstützung für Tunesien zur Migrationskontrolle einzustellen. Nach eigenen Angaben sammelte HRW seit März Zeugenaussagen von mehr als 20 Migranten, die Opfer von „Menschenrechtsverletzungen durch die tunesischen Behörden“ geworden waren. Von den Befragten zählten demnach sieben zu einer Gruppe von 1.200 Migranten, „die Anfang Juli von tunesischen Sicherheitskräften ausgewiesen und gewaltsam an die Grenzen zu Libyen und Algerien“ in Wüstenregionen gebracht wurden, erklärte HRW…“ Beitrag vom 19.7.2023 in der taz online externer Link
    • Flüchtlingsdeal mit Tunesien: Schritt zur Barbarisierung
      Der Deal zwischen der EU und Tunesien wird vor allem eine Folge haben: Mehr Gewalt gegen Menschen auf der Flucht und mehr Tote. (…) Dass die Zahl der toten Geflüchteten in der Wüste wohl jene im Mittelmeer übersteigt, nur dass die in der Wüste niemand zu zählen vermag – darauf wiesen die UN schon vor fünf Jahren hin.
      Das Aussetzen von Menschen in der Wüste war lange vor allem von Algerien praktiziert worden. Nun aber hält es auch Tunesien zunehmend so: Wer in dem nordafrikanischen Land nicht bleiben soll, muss damit rechnen, in lebensgefährlicher Hitze im Nirgendwo abgeladen zu werden. Die entsprechenden Berichte häuften sich zuletzt.
      Es ist kaum ein Zufall, dass das Land fast zeitgleich mit der EU enger in die Beratungen über eine intensivere Partnerschaft bei der Migrationsabwehr eingestiegen war. Präsident Saied braucht dringend Geld, um die Staatsausgaben weiter leisten zu können. Und die EU will sinkende Flüchtlingszahlen, und zwar sofort. Die extreme Rechte wird vielfach immer stärker, im Mai sind EU-Wahlen
      …“ Kommentar von Christian Jakob vom vom 18. Juli 2023 in der taz online externer Link
    • EU-Tunesien Deal: Ein Pakt gegen Schutzsuchende
      Tunesien und die EU haben eine Absichtserklärung zur Fluchtabwehr unterzeichnet. Und mit keinem Wort die rechtswidrigen Massenabschiebungen durch tunesische Behörden und die massive Gewalt gegen Flüchtlinge und Migrant*innen erwähnt. Die EU zeigt erneut, dass sie bereit ist, wegzusehen, solange weniger Flüchtlinge in Europa ankommen. Am Sonntag, den 16. Juli haben die Europäische Union und Tunesien eine Absichtserklärung externer Link zur Verhinderung von »irregulärer Migration« über das Mittelmeer unterzeichnet. Die rechtswidrigen Massenabschiebungen externer Link durch tunesische Behörden und die massive Gewalt gegen Flüchtlinge und Migrant*innen wurde dabei öffentlich mit keinem Wort erwähnt. Mit dem Deal unterstützt die EU das menschenrechtswidrige Handeln der tunesischen Regierung, das in den letzten Tagen mehrere Todesopfer externer Link gefordert hat, mit knapp einer Milliarde Euro externer Link. Die Inhalte des unterzeichneten Memorandums of Understanding externer Link bleiben recht vage: Migration wird als eine von fünf Säulen externer Link des Pakets genannt, für die zunächst 105 Millionen Euro externer Link zur Verfügung gestellt werden. Hier setzt der Deal primär auf die »Bekämpfung der irregulären Migration«, eine verstärkte »operative Partnerschaft gegen Menschenschmuggel und Menschenhandel«, die »Verbesserung der Koordinierung von Such- und Rettungsaktionen auf See«, eine »wirksame Grenzverwaltung« sowie auf die »Entwicklung eines Systems zur Identifizierung und Rückführung irregulärer Migrant*innen« aus Tunesien in ihre Herkunftsländer. Von legalen Fluchtwegen für Schutzsuchende im tunesischen Transit ist hingegen nirgendwo die Rede…“ Meldung vom 17.07.2023 von Pro Asyl externer Link
    • Es tauchten Aufnahmen auf, die zeigen, wie die tunesische Armee im Jahr #Libya afrikanische Migranten in Wüstengebiete schickt. Ein Migrant sagte, die tunesische Armee habe sie gezwungen, nach Libyen zu gehen, und ihnen gedroht, dass sie erschossen würden, wenn sie nach #Tunisia zurückkehren würden.“ engl. Tweet von The Libya Observer vom 17.7. externer Link mit Video
    • Stimmen aus der Wüste: Hunderte Menschen sitzen nach den Massenabschiebungen aus Tunesien im Grenzgebiet fest. In der Zwischenzeit stoßen #TeamEurope und #Tunisia auf ihre neue Vereinbarung an. Jeden Tag erhalten wir Videos und Zeugenaussagen, die die Gewalt und die schlimme Situation dokumentieren. Schauen Sie nicht weg…“ engl. Tweet von Alarm Phone vom 17.7. externer Link mit Video
    • Begleiten Sie uns am 20. und 21. Juli zu #Tunisia zu einem kraftvollen #counter_summit zu Roms unmenschlicher Migrationspolitik! Beim „Treffen der Völker gegen die unmenschliche Migrationspolitik Europas und in Solidarität mit Migranten“
      Die Veranstaltung wird am 20. Juli um 9:00 Uhr im „Rio“ eröffnet und bietet Diskussionen, Interventionen, einen Kulturabend und einen Solidaritätsmarsch am 21. Juli um 10:00 Uhr. Gemeinsam stehen wir für Menschlichkeit, Würde, Freiheit und die Rechte aller Migranten, Flüchtlinge und Menschen auf der Flucht
      Aktivisten und Netzwerke aus Tunesien, Algerien, Libyen, Marokko, Niger, Mali und Europa werden zusammenkommen, um repressive Politik zu bekämpfen
      Während sich die politischen Führer am 23. Juli #Rome versammeln, um die Rechte weiter einzuschränken, kämpfen wir gemeinsam für Gerechtigkeit und Gleichheit für alle! #borders_kill“ engl. Thread von @brirmijihed vom 17.7. externer Link mit Foto
  • Mal wieder ein dreckiger Deal: 900 Mio. Euro lässt sich „Team Europa“ die unmenschliche Behandlung von Schutzsuchenden in Tunesien kosten
    • EU und Tunesien erzielen Einigung beim Thema Migration
      Die Europäische Union und die tunesische Regierung haben eine engere Zusammenarbeit beim Thema Migration vereinbart. Es wurde eine Absichtserklärung unterzeichnet, die 900 Millionen Euro Finanzhilfe für Tunis ermöglicht. Angesichts des Anstiegs irregulärer Migration von Menschen von Tunesien aus über das Mittelmeer Richtung Europa, haben die EU und Tunesien eine noch stärkere Zusammenarbeit bei dem Thema beschlossen. EU-Kommissionspräsidentin Ursula von der Leyen, die Regierungschefs der Niederlande und Italiens, Mark Rutte und Giorgia Meloni, sowie Tunesiens Präsident Kais Saied verkündeten in Tunis die Unterzeichnung einer entsprechenden Absichtserklärung. Damit kann die EU-Kommission für das wirtschaftlich schwer angeschlagene Land in Nordafrika Finanzhilfen in Höhe von bis zu 900 Millionen Euro auf den Weg bringen. Im Gegenzug soll Tunesien stärker gegen Schlepper und illegale Überfahrten vorgehen, um dort die Abfahrten von Menschen in Richtung Europa zu reduzieren…“ Meldung vom 16.7.2023 bei der Deutschen Welle externer Link, siehe dazu:
    • Guten Abend, Team Europa ist zurück in Tunis. Ich freue mich, gemeinsam mit Ministerpräsidentin Giorgia Meloni und Ministerpräsident Mark Rutte hier zu sein. Am 11. Juni sind wir hergekommen, um Tunesien eine neue Partnerschaft anzubieten. Heute, etwas mehr als einen Monat später, liefern wir. (…) Die fünfte Säule ist die Migration, bei der wir mehr denn je eine wirksame Zusammenarbeit brauchen. Das tragische Schiffsunglück vor einigen Wochen, bei dem viele Menschen ums Leben kamen, war ein weiterer Weckruf. Wir müssen gegen kriminelle Netzwerke von Schleusern und Schlepperbanden vorgehen. Sie schlagen aus der Verzweiflung der Menschen rücksichtslos Kapital, und wir müssen ihnen das Handwerk legen. Deshalb werden wir mit Tunesien an einer operativen Partnerschaft gegen Schleuserkriminalität arbeiten. Wir werden uns auch bei Such- und Rettungseinsätzen enger abstimmen. Und wir haben eine Zusammenarbeit bei Grenzmanagement, Bekämpfung der Schleuserkriminalität, Rückkehr und Ursachenbekämpfung unter uneingeschränkter Achtung des Völkerrechts vereinbart. Dafür werden wir mehr als 100 Millionen EUR an EU-Geldern zur Verfügung stellen. Ebenso wichtig ist unsere Arbeit zur Erleichterung der legalen regulären Migration. Darunter fallen die Talentpartnerschaften, die ich zu Beginn erwähnt habe. Und damit bin ich wieder am Anfang – bei der Bedeutung direkter Kontakte zwischen Menschen…“ Presseerklärung vom 16. Juli 2023 externer Link von Präsidentin von der Leyen, dem tunesischen Präsidenten Saied, dem niederländischen Ministerpräsidenten Rutte und der italienischen Ministerpräsidentin Meloni
  • Massenabschiebungen und Hetzjagden in Tunesien: Ein klarer Verstoß gegen internationales Recht
    „Während die EU den Tunesien-Deal zur Migrationsabwehr vorantreibt, kommt es in dem nordafrikanischen Land zu Hetzjagden, Verhaftungen und Massenabschiebungen von Schwarzen Flüchtlingen und Migrant*innen. Hunderte wurden an der Grenze zu Libyen und Algerien in der Wüste ausgesetzt. Auch der autoritäre Staatsumbau schreitet voran. Seit Anfang Juli werden in Tunesien Hunderte von Menschen aus Subsahara-Afrika mit rechtswidrigen Massenabschiebungen an die Grenzen verschleppt. Mehrere Personengruppen wurden an die Grenze von Algerien gebracht, mindestens 1200 Flüchtlinge und Migrant*innen von tunesischen »Sicherheitskräften« in Bussen an die tunesisch-libysche Grenze verschleppt und dort bei über 40 Grad Celsius in einer militärischen Zone in der Wüste ausgesetzt. An der Grenze befinden sich die Menschen in einer Art Niemandsland – tunesische und libysche Beamte lassen sie weder nach Libyen einreisen noch in das tunesische Inland zurückkehren. Die betroffenen Personen, unter ihnen auch schwangere Frauen, Kinder und zahlreiche Verletzte, harren zum Teil seit über einer Woche ohne Sonnenschutz, ohne Gesundheitsversorgung und ohne ausreichend Nahrung und Wasser in der Hitze aus. Sie berichten, dass tunesische Behörden ihre Handys und Pässe zerstört, ihnen ihr Geld abgenommen und sie zum Teil brutal misshandelt hätten. (…) Mehrere Personen klagen über Knochenbrüche und andere Verletzungen. In Videostatements berichten Betroffene zudem von mehr als acht Todesopfern alleine an der libyschen Grenze. Internationale humanitäre Hilfsorganisationen bekamen erst nach über einer Woche Zugang – inwieweit alle ausgesetzten Personen versorgt werden konnten, ist unklar. Bei den gewaltsam Vertriebenen handelt sich sowohl um Personen mit regulärem Aufenthalt in Tunesien, zum Beispiel Studierende, als auch um undokumentierte Migrant*innen sowie Personen, die beim UNHCR als Asylsuchende registriert sind. Die Massenabschiebungen ohne rechtsstaatliche Verfahren sind ein klarer Verstoß gegen internationales Recht. (…) Gleichzeitig fällt die aktuelle Welle der Gewalt sicherlich nicht zufällig in die Zeit der Verhandlungen über den EU-Tunesien-Deal. (…) Mit dem geplanten EU-Tunesien-Deal würde die EU eine zunehmend autoritäre Regierung unterstützen, unter der der Demokratieabbau rasant voranschreitet: Oppositionelle und Akteure der Zivilgesellschaft werden verfolgt und inhaftiert, die Meinungsfreiheit eingeschränkt, die Unabhängigkeit der Justiz ausgehöhlt. Damit fällt die EU nicht zuletzt der tunesischen Zivilgesellschaft in den Rücken. Die aktuelle Diskussion in Deutschland über die Einstufung von Tunesien als »sicheres Herkunftsland« ist vor diesem Hintergrund schlicht zynisch. Wer rechtsstaatliche Grundsätze verteidigt, muss erkennen: Tunesien ist weder ein sicherer Ort für Flüchtlinge und Migrant*innen noch für viele tunesische Staatsbürger*innen.“ Beitrag vom 14. Juli 2023 von Pro Asyl externer Link, siehe auch:

    • Tunesien: Deutsche Rückendeckung. Zur Vertreibung von Geflüchteten in die Sahara
      „Kein Staat in Nordafrika wird von der EU und ihren Mitgliedstaaten derart zur Migrationsabwehr hofiert wie Tunesien. Aus Frankreich, Italien und Deutschland sowie von der EU-Kommission erhält das Land dafür eine hohe dreistellige Millionensumme. Den Präsidenten Kais Saied und seinen Innenminister haben die Aufwartungen in ihrem Kurs gegenüber Menschen aus Subsahara-Staaten gestärkt. Angesichts europäischer Rückendeckung war deshalb mit einer neuen Welle der Gewalt gegen Schwarze Geflüchtete zu rechnen. (…) Die Pogrome, bei denen Menschen zum Verdursten in die Wüste getrieben werden, erfolgen in einer Region, in der auch Deutschland aktiv ist. Die tunesisch-libysche Sahara-Grenze hat das deutsche Verteidigungsministerium mit einer »Überwachungsanlage« aufgerüstet. Der ebenfalls aus Deutschland stammende Hersteller – ein Rüstungskonzern – beschrieb diese als gut geeignet gegen eine »Welle illegaler Einwanderer«, die an Europas »südlichen Küsten und Inseln« aufschlagen würden. Nun werden Menschen zum Spielball dieser rassistischen und militarisierten deutschen Migrationspolitik – und die Bundesregierung schweigt.“ Kommentar von Matthias Monroy vom 13. Juli 2023 in Neues Deutschland online externer Link
  • Tunesien: Roter Halbmond rettet mehr als 600 Migranten aus tunesischer Wüste
    In Tunesien hat der Rote Halbmond mehr als 600 Migranten aus der Wüste an der Grenze zu Libyen gerettet. Die Hilfsorganisation erklärte, man habe die Erlaubnis der Behörden erhalten, um die Menschen aufzunehmen und zu versorgen. Wohin die rund 630 Migranten gebracht werden, wurde nicht mitgeteilt. Die meisten der Menschen waren nach Auseinandersetzungen mit Bewohnern der Hafenstadt Sfax von dort in die Wüste geflohen oder dorthin vertrieben worden. Sie waren ohne Wasser und Nahrung auf sich allein gestellt…“ Nachricht vom 13.07.2023 im Programm Deutschlandfunk externer Link

    • Demonstration zur Unterstützung von Migranten aus Subsahara-Afrika in #Tunis. Während die Menschen im Süden & an der algerischen Grenze vom tunesischen Roten Halbmond gerettet wurden, leben in #Sfax immer noch Hunderte andere auf der Straße. #Tunisie #Tunesien #Migration #migrants…“ Thread von Ardor vom  15. Juli 2023 externer Link zu einem Video von @liliagaida externer Link und
    • Deportierte Migranten in Tunesien: Wo sind die aus Sfax Vertriebenen?
      Von vielen aus der tunesischen Stadt deportierten Migranten aus Subsahara-Afrika fehlt jede Spur. Einige wurden offenbar in der Wüste ausgesetzt.
      Das Schicksal von über tausend aus der Hafenstadt Sfax deportierten Migranten ist eine Woche nach den gewaltvollen Vertreibungen noch immer unklar. Am Montag letzter Woche kam ein 41-jähriger Tunesier bei Auseinandersetzungen zwischen Migranten aus Subsahara-Afrika und Jugendlichen aus Sfax ums Leben. In der darauffolgenden Nacht begannen die Ausschreitungen gegen die Migranten: Sie wurden aus ihren Wohnungen getrieben, geschlagen, bedroht. Täglich transportieren die Behörden Migranten in Bussen aus der 330.000 Einwohner zählenden Stadt. (…) In Ben Guerdane, nahe der Grenze, stehen seitdem 70 Migranten unter Polizeischutz. In Tataouine und Medenine, weiter im Landesinneren gelegen, wurden weitere Gruppen untergebracht. Viele der Betroffenen würden in ihre Heimat zurückreisen wollen, so Vertreter des Roten Halbmonds. Deren Rückflug würde man zusammen mit der internationalen Organisation für Migration (IOM) organisieren. Doch die humanitäre Krise ist damit nicht zu Ende. Die in der Seenotrettung aktive Zivilorganisation Alarm Phone berichtet von weiteren Bussen aus Sfax, die am Dienstag Migranten bei Ras Jadir im Freien absetzten. Unter den dort Verblieben sind mindestens 30 Kinder. Völlig unklar ist zur Zeit der Verbleib von bis zu 250 Migranten, die in zwei Gruppen aus Sfax an die algerisch-tunesische Grenze im westtunesischen Tozeur gefahren wurden. (…) Tunesische Aktivisten sowie Alarm Phone haben offenbar zu den auf die algerische Seite geflohenen Migranten jeglichen Kontakt verloren. Wahrscheinlich sind die Batterien der bei den Migranten verbliebenen Telefone mittlerweile leer. Menschenrechtsaktivisten aus Djerba wurden bei dem Versuch, die beiden Gruppen zu orten, von der tunesischen Polizei festgesetzt. In Sfax übernachten viele der aus ihren Wohnungen Vertriebenen weiter auf den Straßen. Und in den Verstecken an einem Strandabschnitt nördlich der Stadt warten weiterhin mehrere tausend Menschen auf die Überfahrt nach Europa.“ Artikel von Mirco Keilberth vom 13.7.2023 in der taz online externer Link
  • In Tunesien wurden 1200 MigrantInnen, darunter schwangere Frauen und 29 Kinder, ohne Nahrung und Wasser in der Wüste an libyscher Grenze ausgesetzt
    • „Wenn euch euer Leben lieb ist, geht“. In Tunesien zwingen Privatleute Migrant:innen und Geflüchtete aus ihren Wohnungen, der Staat setzt sie dann in der Wüste ab – bei 40 Grad im Schatten
      „Viele Menschen in der langen Schlange vor dem Bahnhof von Sfax sind stumm. In den Gesichtern der meist aus Westafrika kommenden Migrant:innen sind noch ihre Erlebnisse der letzten Stunden geschrieben. In der Nacht auf Mittwoch hatten mit Knüppeln und Messern bewaffnete Jugendliche in der zweitgrößten Stadt Tunesiens Hunderte Migrant:innen aus ihren angemieteten Wohnungen gezwungen und in Gruppen auf die Hauptstraßen getrieben. Die von den Angreifern in den sozialen Medien geteilten Videos zeigen verschreckte Menschen mit erhobenen Händen, die von Passanten bedroht und unter üblen Beschimpfungen in Richtung Bahnhof und den Taxistationen getrieben werden. „Ihr müsst Sfax verlassen, eure Anwesenheit hier wird nicht mehr akzeptiert. Wenn euch euer Leben lieb ist, dann geht“, erklärt ein bärtiger Mann einer auf dem Boden kauernden Gruppe aus der Elfenbeinküste auf Französisch. Anlass der Kampagne ist wohl der Tod eines Tunesiers, der bei einer Auseinandersetzung mit drei Kamerunern am Montag ums Leben kam. Dass Migrant:innen mit Gewalt vertrieben werden, passiert in Tunesien nicht zum ersten Mal. (…) Viele Migrant:innen arbeiten als Service- oder Reinigungskraft in Cafés oder in Büros. Mit der Bezahlung unter dem Mindestlohn geben sie sich zufrieden und ermöglichen damit vielen Firmen das Überleben in der seit der Coronapandemie anhaltenden Wirtschaftskrise. Doch die Frustration der Tunesier:innen über den politischen und wirtschaftlichen Stillstand im Land nutzt die Splitterbewegung Nationale Partei Tunesiens geschickt dafür, Hass gegen Fremde zu befeuern. Zwar ist die Kriminalitätsrate kaum gestiegen – obwohl die Zahl der in Sfax lebenden libyschen Familien und westafrikanischen Migrant:innen stark gewachsen ist. Doch viele in Sfax stimmen der gewaltsamen Vertreibung zu. (…) Ein gemeinsamer Besuch von EU-Kommissionschefin Ursula von der Leyen, dem niederländischen Premier Frank Rutte und seiner italienischen Amtskollegin Giorgia Meloni Mitte Juni zeigte, was Europa von Tunesien erwartet: Die Küstenwache und Sicherheitskräfte sollen die in diesem Jahr stark gestiegene Zahl von Booten mit Migranten aus Tunesien eingrenzen, im Gegenzug könnte bald eine Milliarde Euro von Brüssel nach Tunis fließen. Meloni hoffte zudem darauf, westafrikanische Migrant:innen mit abgelehntem Asylantrag nach Tunesien zurückschicken zu können. Die blutige Vertreibung der Menschen aus Sfax dürfte Melonis Plan durchkreuzen – denn ein sicheres Drittland ist Tunesien damit nicht mehr.“ Artikel von Mirco Keilberth vom 7. Juli 2023 in der taz online externer Link, siehe auch:
    • Abschiebungen aus Tunesien: Flüchtlinge und Migranten sitzen an der libyschen Grenze fest
      Zwölfhundert Migranten, darunter schwangere Frauen und 29 Kinder, sind dort gestrandet und haben kaum Nahrung, Wasser oder Unterkunft. Alle wurden in Tunesien zusammengetrieben und mit Bussen an die Grenze gebracht, aber die libyschen Grenzbeamten weigern sich, sie einzulassen…“ engl. Video vom 8.07.2023 bei youtube externer Link von Al Jazeera
  • Menschenrechte im Ausverkauf: Faeser bietet Tunesien Arbeitsvisa gegen Abschiebe-Deal an
    • Menschenrechte im Ausverkauf: Tunesien-Deal bahnt sich an
      Kaum haben sich die EU-Innenminister*innen mit ihrer GEAS-Position von dem Anspruch an eine menschenrechtlich orientierte Asylpolitik verabschiedet, versuchen sie mit dem Tunesien-Deal Fakten zu schaffen. Mehr als eine Milliarde Euro bieten sie dem autokratischen Präsidenten Saïed, dessen rassistische Hetze jüngst zu schwerer Gewalt führte.
      Das europäische Parlament verurteilt »aufs Schärfste die rassistische Rhetorik von Präsident Saïed gegen Migranten aus den Ländern Afrikas südlich der Sahara und die darauffolgenden Angriffe« und »fordert die staatlichen Stellen auf, die internationalen und nationalen Rechtsvorschriften einzuhalten.« Mit diesen Worten reagierte das europäische Parlament am 16. März 2023 auf die massive Gewalt gegenüber schwarzen Menschen, die sich seit Februar in Tunesien entlädt. (…) Nach Verhaftungen, Ausschreitungen und Kündigungen von Jobs und Wohnungen, die Geflüchtete ebenso wie Studierende und Arbeiter*innen trafen, haben viele ihre Lebensgrundlage verloren und sehen sich gezwungen, Tunesien zu verlassen. Sicher sind sie dort nicht. Gerade die Zusammenarbeit mit Saïed könnte jetzt mit zum Durchbruch in den GEAS-Verhandlungen verholfen haben. Während die Umsetzung der Reformen – sollten sie nicht mehr gestoppt werden können – mehrere Jahre brauchen würden, könnte sich der Deal schnell in niedrigeren Ankunftszahlen niederschlagen. Erneut ist die EU dabei, Fakten zu schaffen. (…)
      All das ist nicht neu, sondern prägte bereits vor dem EU-Türkei Deal im Jahr 2016 das EU-Abschottungsregime. Auch mit Tunesien hat die EU bereits zahlreiche Abkommen unterzeichnet, bei denen die Bedeutung von Migration und Asyl stetig zunahm. So wurde etwa 2015 eine Migrationspartnerschaft »zur optimalen Steuerung von Migrationsströmen« geschlossen, die jedoch aktuell nicht den von der EU gewünschten Effekt zeigt. So überrascht es nicht, dass es Kommissionspräsidentin Ursula von der Leyen, dem niederländischen Ministerpräsidenten Mark Rutte und die italienische Regierungschefin Giorgia Meloni als »Team Europe« unmittelbar nach der Einigung im Rat nach Tunesien reisten, um Präsidenten Saïed von der Zusammenarbeit zu überzeugen. (…) Als Vorbild dürfte die Zusammenarbeit zwischen Italien und der sogenannten »libyschen Küstenwache« fungieren. Diese wurde insbesondere von Italien ausgerüstet und befähigt Pullbacks durchzuführen – es handelt sich dabei um eine brutale Methode, bei der Fluchtversuche verhindert werden und fliehende Menschen stattdessen ins Herkunfts- oder Transitland zurückgeschleppt werden. Diese Form der Fluchtverhinderung droht sich nun auch in Tunesien zu verbreiten, obwohl das Land bislang kein Asylrecht verabschiedet hat und Schutzsuchende dort nicht sicher sind. Zusätzlich werden damit auch Tunesier*innen, die vor den Repressionen Saïeds fliehen, potenziell in das Verfolgerland zurückgeschleppt. Auch die deutsche Bundespolizei ist in Tunesien bereits aktiv und unterstützt tunesische Sicherheitskräfte unter anderem mit Ausstattung und Trainings bei der »Bekämpfung irregulärer Migration«...“ Umfangreiche Meldung vom 20.06.2023 von Pro Asyl externer Link
    • Faeser bietet Tunesien Arbeitsvisa gegen Abschiebe-Deal an
      Tunesien soll bei Abschiebungen besser kooperieren und Schleusern das Handwerk legen. Doch Faeser weiß, dass sie den Tunesiern auch etwas anbieten muss. Mit mehr Arbeitsvisa wird es wohl nicht getan sein. (…) Beamte der Bundespolizei, die in Tunesien seit 2015 ein Projekt für die Ausbildung und Ausrüstung der Sicherheitskräfte hat, hatten der Ministerin am Sonntagabend berichtet, in den Tagen nach der Rede des Präsidenten hätten sich praktisch keine Migranten aus diesen Ländern mehr auf die Straße gewagt. Später habe sich die Situation dann wieder entspannt. Faeser betonte, es gehe ihr einerseits darum, Abschiebungen in das arabische Land zu erleichtern. Andererseits soll es für tunesische Arbeitskräfte mehr Möglichkeiten der Erwerbsmigration nach Deutschland geben…“ Meldung vom 19.06.2023 im Migazin externer Link und zuvor:
    • Faeser in Tunesien: Grenzpolizei für Europa gesucht
      Tunesiens Präsident Kais Saied sieht sein Land nicht in der Rolle des Grenzpolizisten für Europa. Für Gespräche darüber, wie die gefährlichen Überfahrten nach Italien mit überfüllten Schlepperbooten verhindert werden können, ist seine Regierung aber offen…“ Meldung vom 18.06.2023 im Migazin externer Link
  • 900 Millionen Euro: EU macht Tunesien unmoralisches Angebot: Geld gegen Grenzschließung 
    53.000 Menschen kamen dieses Jahr an Italiens Küsten an, viele aus Tunesien. Das Land soll seine Grenzen dichtmachen für Geflüchtete, die nach Europa wollen. Im Gegenzug sollen EU-Gelder fließen. Tunesien will nicht Grenzpolizei der EU sein, braucht aber das Geld. (…) Angesichts steigender Zahlen von Geflüchteten über das Mittelmeer hofft Brüssel zugleich darauf, gemeinsam mit Tunesien effektiver gegen Schlepper und Überfahrten in Richtung Europa vorzugehen. Etwa für Such- und Rettungsaktionen und die Rückführungen von Menschen wolle man gut 100 Millionen Euro zur Verfügung stellen, kündigte EU-Kommissionspräsidentin Ursula von der Leyen am Sonntag in Tunis nach einem Gespräch mit Präsident Kais Saied an. Das entspricht der dreifachen Summe, mit der Brüssel Tunis dabei zuletzt im Durchschnitt jährlich unterstützte. An dem Treffen nahmen auch Italiens Ministerpräsidentin Giorgia Meloni und der niederländische Regierungschef Mark Rutte teil. Vor allem Meloni drängt seit Langem auf Abkommen mit Tunesien, um die dort ablegenden Geflüchteten-Bote auf deren Weg nach Süditalien und damit in die Europäischen Union schon früh zu stoppen…“ Beitrag von Johannes Sadek, Manuel Schwarz und Doris Pundy vom 11.06.2023 im Migazin externer Link, siehe auch:

    • Migrationsabwehr in Tunesien: Pogrome von der EU bezahlt
      Vergangene Woche haben sich die 27 EU-Mitgliedstaaten auf ihre Position für den »Asyl- und Migrationspakt« geeinigt, nun ist das Parlament am Zug. »Drittstaaten« am Rand der EU kommt in dem Pakt hohe Bedeutung zu: Brüssel plant Abkommen, um Schutzsuchende nach Ablehnung ihres Asylgesuchs im »Grenzverfahren« sofort dorthin zurückzubringen. Tunesien könnte das erste Land in Nordafrika sein, mit dem ein solcher Abschiebevertrag verhandelt wird. Jedoch kennen die Nachbarn ihren Faustpfand, denn ohne sie wird die von der EU betriebene Aushöhlung des Asylrechts nicht funktionieren. Deshalb reist die Kommissionspräsidentin Ursula von der Leyen mit weiteren 100 Millionen Euro im Gepäck, mit denen Tunis zu einer »Anti-Schmuggel-Partnerschaft« überredet werden soll…“ Artikel von Matthias Monroy vom 11.06.2023 in ND online externer Link zur Reise Ursula von der Leyens nach Tunis
    • Siehe auch unser Dossier: Nach dem Libyen-Deal nun auch EU-Nordafrika-Kooperation
    • Und im direkten Zusammenhang unser Dossier: Migrationspakt etc.: Neuer Anlauf in der EU-Flüchtlingspolitik (???)
  • Tunesien: Von Angst getrieben. Rassistische Ausschreitungen gegen Schwarze Menschen zwingen immer mehr auf die lebensgefährliche Reise über das Mittelmeer 
    „Die Bedingungen, unter denen Schwarze Menschen in Tunesien leben, sind prekär. Insbesondere wenn sie in das Land migriert sind und dort illegalisiert leben, also ohne offiziellen Aufenthaltsstatus und damit meist ohne Zugang zu sozialen Dienstleistungen. Der zunehmend rassistische Diskurs im Land, lässt ihre Situation noch unsicherer werden. Im Herbst 2022 hatte die Nationalistische Partei Tunesiens ihre rassistischen Äußerungen in sozialen Medien massiv verstärkt. Auf ihrer Website spricht sie von „einer Millionen Migranten“ die sich im Land befänden und auf europäisches Geheiß hin vorhätten, das Land zu übernehmen. Die Partei und ihre Hetze spielten bis kürzlich in der politischen Landschaft Tunesiens keine große Rolle. Laut Angaben ihres Vorsitzenden Sofien Ben Sghaïer hat die 2018 gegründete Partei derzeit nur drei Mitglieder. Relevant wurde ihr politisches Denken erst, als es vom tunesischen Präsidenten Kaïs Saïed aufgegriffen und zur Regierungslinie erklärt wurde. Ein Verständnis dafür, wie dies geschehen konnte, ist möglich, wenn man die politisch-ökonomische Lage betrachtet, die sich seit Juli 2021 stark verändert hatte: Präsident Kaïs Saïed löste damals die Regierung und die Versammlung der Volksvertreter*innen per Staatsstreich auf. Die sozioökonomische Lage ist in Tunesien extrem angespannt. Der Staat steht angesichts gescheiterter Verhandlungen mit dem IWF vor dem Bankrott, die Inflation liegt bei 10 Prozent, die Arbeitslosigkeit bei 15 Prozent und die Jugendarbeitslosigkeit noch weit höher. In diesem Klima finden rassistische Thesen wie die der Nationalistischen Partei Tunesiens Anklang. Als der Anti-Schwarze Rassismus in Tunesien dann in Form einer Pressemitteilung von Präsident Saïed am 21. Februar 2023 aufgegriffen wurde – so sprach er von einem „Plan“, der aufgesetzt worden sei, um die „demographische Zusammensetzung Tunesiens zu verändern“ und rief zu „dringenden Maßnahmen“ auf, „um dieses Phänomen zu stoppen“ – eskalierte die Situation. In den Tagen nach der Erklärung griffen vor allem Gruppen marginalisierter junger Männer in verschiedenen Städten gezielt Schwarze Menschen an. Einige wurden schwer verletzt, als ihre Wohnungen oder Häuser angezündet wurden. Eine bis heute unbekannte Zahl von Menschen ist in diesen Tagen verschwunden. Schwarze Menschen verloren von heute auf morgen ihre Arbeit und wurden von ihren Vermieter*innen vor die Tür gesetzt. Viele verließen ihre Wohnungen über Tage nicht mehr, aus Angst, ebenfalls Opfer der Angriffe zu werden. Auch gültige Aufenthaltspapiere schützten Schwarze Menschen nicht vor der Gewalt, zahlreiche Menschen wurden unabhängig von ihrem Aufenthaltsstatus verhaftet, die Angst vor Polizeikontrollen und willkürlichen Festnahmen besteht bis heute. (…) Aus Angst um ihr Leben und weil ihnen infolge der rassistischen Übergriffe jede Lebensgrundlage entzogen wurde, haben sich seit Februar 2023 viele illegalisierte und nach Tunesien migrierte Personen aus subsaharischen Ländern für eine Überquerung des Mittelmeers entschieden. Die italienische Insel Lampedusa ist von Teilen der tunesischen Küste nur 150 Kilometer entfernt. Vor allem aus der Hafenstadt Sfax haben die Abfahrten stark zugenommen – und mit ihnen die Todeszahlen. Seit Kaïs Saïed Erklärung sind mehrere Hundert Menschen nach einer Abfahrt von Tunesien im Mittelmeer ertrunken, viele weitere werden vermisst. Immer wieder werden Leichen aus dem Wasser geborgen oder an den Stränden angespült. (…) Eine zentrale Rolle für die rassistische Eskalation spielen aber auch die EU und ihre Mitgliedstaaten. Als wichtigste Handelspartnerin beeinflusst die EU die Regierungen der Maghreb-Länder erheblich und nimmt besonders Einfluss auf die Gestaltung ihrer Migrationspolitiken. Bereits seit den 1990er Jahren liegt der Fokus auf Tunesien und seit 2011 übt die EU zunehmend Druck aus, um das Land noch stärker in das EU-Grenzregime zu integrieren und Migrationsbewegungen durch und aus Tunesien langfristig zu beenden. Im Rahmen immer wieder neu aufgelegter Programme wurden seitdem 3 Milliarden Euro gezahlt. Schwerpunkte sind unter anderem der Aufbau „engerer Beziehungen zwischen den beiden Ufern des Mittelmeers und die Steuerung von Migration und Mobilität“. Von 2014 bis 2020 wurden zum Beispiel 94 Millionen ausschließlich für migrationsbezogene Aktivitäten gezahlt, unter anderem für Tunesiens Grenzschutzsystem. Der aktuelle „EU Action Plan“ für das zentrale Mittelmeer aus dem Jahr 2022 nennt als drittes Ziel die „Stärkung der Kapazitäten Tunesiens, Ägyptens und Libyens insbesondere zur Entwicklung gemeinsamer gezielter Maßnahmen zur Verhinderung der irregulären Ausreise, zur Unterstützung eines wirksameren Grenz- und Migrationsmanagements und zur Stärkung der Such- und Rettungskapazitäten unter uneingeschränkter Achtung der Grundrechte und internationalen Verpflichtungen“. Von einer „Achtung der Grundrechte“ ist in der Realität wenig zu sehen…“ Beitrag von Kim Sturm, unter Mitarbeit von Aya Koffi und Aktivist*innen in Tunesien, veröffentlicht am 1. Juni 2023 bei medico international externer Link
  • Tunesien ist kein sicheres Herkunftsland und kein sicherer Ort für aus Seenot Gerettete
    Angesichts der anhaltenden autoritären Transformation des tunesischen Staates und der extremen Gewalt und Verfolgung der Schwarzen Bevölkerung Tunesiens sowie von Menschen auf der Flucht, politischen Gegner:innen und zivilgesellschaftlichen Akteur:innen geben wir, die unterzeichnenden Organisationen, die folgende Erklärung ab: Wir möchten nachdrücklich betonen, dass Tunesien weder ein sicheres Herkunftsland, noch ein sicherer Drittstaat ist. Tunesien kann nicht als sicherer Ort für aus Seenot gerettete Personen gelten. Wir fordern die Europäische Union und ihre Mitgliedsstaaten auf, ihre Abkommen zur Migrationskontrolle mit den tunesischen Autoritäten zu beenden und stehen in Solidarität mit den Betroffenen.
    Rassistische Angriffe auf People of Colour und brutales Vorgehen gegen die tunesische Zivilgesellschaft
    In den letzten Monaten hat sich das harte Vorgehen gegen vermeintliche politische Gegner:innen, die Zivilgesellschaft und Minderheiten in Tunesien verschärft. Mehrere tunesische und internationale Menschenrechtsorganisationen haben ihre Besorgnis zum Ausdruck gebracht gegen die „Aushöhlung der Unabhängigkeit der Justiz, die Verhaftung von Kritiker:innen und politischen Gegner:innen, die Militärprozesse gegen Zivilist:innen, die anhaltende Unterdrückung der Meinungsfreiheit und die Bedrohung der Zivilgesellschaft“. Zudem hat sich der Anti-Schwarze Rassismus in Tunesien weiter verschärft. Dieser wird durch die rassistischen und diskriminierenden Äußerungen des tunesischen Präsidenten Kais Saied gegen Geflüchtete aus Subsahara-Afrika vom 21. Februar deutlich. (…) Zu diese rassistischen Zuständen kommt die sozioökonomische Lage Tunesiens, die sich stetig verschlechtert: Die Arbeitslosenquote liegt aktuell bei 15 Prozent und die Inflationsrate bei 10 Prozent. Dem Land fehlt es an grundlegenden Ressourcen, und aufgrund von Dürreperioden wurde die Wassernutzung eingeschränkt.
    Tunesien ist kein sicherer Ort!
    Die bestehenden Umstände allein sind schon Grund genug, um die Sicherheit Tunesiens für seine eigenen Staatsangehörigen in Frage zu stellen. Damit ist offensichtlich, dass Tunesien nicht als sicheres Herkunftsland gelten kann. Dennoch haben Abschiebungen von tunesischen Staatsbürger:innen aus Italien stark zugenommen – sie erhalten keinen Zugang zu internationalem Schutz. Die aktuellen Entwicklungen zeigen, dass es noch dringlicher ist, anzuerkennen, dass die Situation für Schwarze Menschen und andere Ausländer:innen extrem ernst und gefährlich ist: Tunesien ist kein „sicherer Drittstaat“! Die beschriebene Situation macht Schwarze Geflüchtete und kritische Stimmen zum Ziel von staatlichen Angriffen. Diese Menschen sind somit in Tunesien in Gefahr und dazu gezwungen, das für sie immer bedrohlicher werdende Land zu verlassen. Aus diesen Gründen dürfen Menschen, die aus Tunesien zu fliehen versuchen und im zentralen Mittelmeer gerettet werden, nicht zurück nach Tunesien gebracht werden…“ Gemeinsame Erklärung vom 17. April 2023 bei sea-watch externer Link von zivilen Seenotrettungsorganisationen und Solidaritätsnetzwerken von Geflüchteten
  • EU-Abschottungspolitik: Tunis unter Druck 
    „… Investitions- und Hilfsversprechen, zusätzliche Mittelzusagen für die »Sicherheitskooperation« und vor allem handfeste Drohgebärden: Die EU insgesamt und insbesondere Italien fährt derzeit ein beachtliches Arsenal an Druckmitteln auf, um Tunesien zu einer noch engeren Kooperation in der Abschottungspolitik zu drängen. Erst am Montag reisten deshalb Italiens Innenministerin Luciana Lamorguez, der italienische Außenminister Luigi Di Maio und die EU-Kommissare ­Ylva Johansson und Oliver Varhelyi zu Gesprächen nach Tunis. Im Rahmen des Besuches machten sie unmissverständlich klar, was sie von Tunesien in Zukunft erwarten: eine stärkere Kontrolle der tunesischen Küste, um Abfahrten »irregulärer Migranten« zu verhindern, sowie die uneingeschränkte Kooperation tunesischer Behörden bei der Rücknahme von Tunesiern, die »illegal« in die EU eingereist sind. Neben einem Empfang bei Staatspräsident Kaïs Saïed stand auch eine Arbeitssitzung mit dem designierten neuen Regierungschef Hichem Mechichi auf dem Programm der Delegation. Das bisher einzige konkrete Ergebnis der Treffen ist eine Zusage der EU, Tunesiens Küstenwache zusätzliche zehn Millionen Euro für die Anschaffung neuer Patrouillenboote und weiterer Ausrüstung zur Verfügung zu stellen. Dennoch ist der Tunis-Besuch an Symbolik kaum zu überbieten, ist er doch der bisherige Höhepunkt einer seit Wochen anhaltenden Charme- und Drohoffensive gegenüber Tunesien, mit der Brüssel und Rom das Land dazu drängen wollen, seine Grenzkontrollpolitik im Sinne der EU weiter zu verschärfen. (…) Die Menschenrechtsorganisation FTDES (Tunesisches Forum für wirtschaftliche und soziale Rechte) verurteilte den Druck aus Europa zuletzt mehrfach scharf und forderte am Montag in einem offenen Brief an Präsident Saïed eine Korrektur der Beziehungen zur EU in Sachen Migrationspolitik. Die Organisation kritisierte zudem die von Italien durchgeführten erzwungenen Abschiebungen tunesischer Bürger, die deren Rechte und internationale Konventionen verletzten. Rom hatte am 10. August die im März coronabedingt vorerst eingestellten wöchentlichen Abschiebeflüge von Palermo nach Enfidha wiederaufgenommen. FTDES-Präsident Abderrahman Hedhili bezeichnete die Rückführungspolitik der EU auf einer Pressekonferenz in Tunis vergangene Woche als »ernsthafte Bedrohung von Tunesiens Souveränität und den Rechten von Migranten«.“ Artikel von Sofian Philip Naceur in der jungen Welt vom 20. August 2020 externer Link

    • Anm.: Wobei die Charakterisierung „Abschottung“ in sofern eine Problemverharmlosung darstellt, weil es bei der Pauschalisierung »irregulärer Migranten« um die gewaltsame Beseitigung elementare Rechte geht. Woher weiß man ohne zu prüfen, dass die Schutzsuche „irregulär“ ist?
    • Siehe dazu auch in unserem Dossier: Italienische Flüchtlingspolitik die Meldung: Italien und Tunesien schliessen Abkommen gegen Geflüchtete ab
  • Europas neue Mauern – Leyens neue Hoffnung
    „Brüssel vergibt immer mehr Aufträge für den Ausbau der Festung Europa. (…) Dreißig Jahre nach dem Fall der Berliner Mauer werden in Europa wieder glänzende Geschäfte mit dem Mauerbau und neuen Formen der Abschottung gemacht. Vor allem Rüstungskonzerne wie Thales, Airbus und Leonardo profitieren von millionenschweren Aufträgen, die auch von der EU und ihren Mitgliedsstaaten vergeben werden. Zu diesem Ergebnis kommt eine Studie, die am Dienstag veröffentlicht wird. Herausgegeben wird sie vom globalisierungskritischen Netzwerk „Transnational Institute“, der niederländischen Kampagne gegen den Waffenhandel (Stop Wapenhandel) und dem spanischen Friedensforschungsinstitut Centre Delàs. Anders als vor 30 Jahren dienen die neuen Mauern nicht mehr dazu, den Ostblock abzuschotten. Vielmehr geht es darum, Flüchtlinge und Arbeitsmigranten auf ihrem Weg in die EU zu stoppen. Die Mauern bestehen auch nicht mehr aus Beton und Stacheldraht. Helikopter, Drohnen und Schiffe schotten die Grenzen ab, ohne dass ein Schuss fällt. Insgesamt sind seit 1990 neue Grenzbefestigungen mit einer Gesamtlänge von rund 1000 Kilometern entstanden, heißt es in der Studie „The Business of Building Walls“. Das entspricht sechsmal der Berliner Mauer. Rechnet man die „maritime“ Grenze im Mittelmeer hinzu, so wären die neuen Mauern sogar noch 4750 Kilometer länger. (…) „Der europäischen Militär- und Sicherheitsindustrie ist es durch erfolgreiche Lobbyarbeit gelungen, die Migration als Sicherheitsbedrohung statt als humanitäre Herausforderung darzustellen“, sagt Studienautor Mark Akkerman. Dies habe einen „scheinbar endlosen Fluss öffentlicher Mittel für die Militarisierung der Grenzen“ ausgelöst. Mit der neuen “geopolitischen” EU-Kommission dürfte diese lukrative Quelle nicht so schnell versiegen…“ Beitrag vom 5. November 2019 von und bei Lost in Europe externer Link
  • Weiter im Bericht von Sofian Philip Naceur aus Tunis in der jungen Welt vom 14. August 2019 externer Link: „… Vergangene Woche sorgte die Verhaftung von 36 Menschen aus Côte d’Ivoire für einen öffentlichen Aufschrei. Die Gruppe war am 3. August in Sfax verhaftet und nach Medenine im Süden Tunesiens gebracht worden, bevor sie – offenbar auf Weisung des Gouverneurs der Provinz – von der Nationalgarde in einem militärischen Sperrgebiet nahe der libyschen Grenze mitten in der Wüste ausgesetzt wurde. (…) Bereits im Juni weigerten sie sich, 75 Menschen eines havarierten Fischerbootes an Land gehen zu lassen. Das Boot war von Libyen aus in See gestochen und kurz darauf nahe der tunesischen Küste mittig durchgebrochen, erzählt ein junger Mann, der an Bord des Bootes war und anonym bleiben möchte. »Es tauchte ein Schiff auf, doch es blieb drei Tage lang auf Abstand. Erst als vier von uns ins Wasser gesprungen und zu dem Schiff geschwommen sind, haben sie uns aufgenommen«, so der Mann. Die Gruppe – überwiegend Menschen aus Bangladesch – musste 30 Tage auf See ausharren, bis die Regierung in Tunis einlenkte und sie an Land gehen ließ.“ 

Siehe auch unser Dossier: Nach dem Libyen-Deal nun auch EU-Nordafrika-Kooperation

Kurzlink: https://www.labournet.de/?p=153178
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