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Der „Marsch für Jesus“ in Brasilia: Ein christlich-fundamentalistischer Rechtsradikaler zieht Zwischenbilanz seiner Regierung
Veranstaltungen wie den „Marsch für Jesus“ letzte Woche in der Hauptstadt Brasilia gibt es in Brasilien schon länger – ein Ergebnis des Wirkens evangelikaler Sekten im Land, die sich seit über einer Generation beständig ausbreiten und von nahezu allen politischen Kräften hofiert werden. Aber dass ein amtierender Präsident daran teilnimmt, ist neu – und erst recht neu, dass er dies als Plattform nutzt, um seiner Klientel eine Zwischenbilanz seiner Regierung vorzustellen. Zwar konzentriert auf die Kernanliegen dieser Kreise, aber mit Hinweisen auf die verschiedenen Bereiche, in denen er reaktionäre Veränderungen vollzogen hat – oder diese vorbereitet. Der Kern seines reaktionären Programms lässt sich in seiner Aussage deutlich machen, die Verfassung sei nicht dazu da, Minderheiten zu schützen, sondern Mehrheiten. Womit er den Anwesenden im Wesentlichen bestätigte, dass er ihre Ablehnung alternativer Lebensformen unterstützt („Die Verfassung definiert: Mann, Frau, Kinder – das ist eine Familie“), aber auch seine Angriffe etwa auf indigene Landrechte begründet und die weitere Verschärfung des Regimes der Militärpolizei, das schon immer tödlich war. Zu Bolsonazis Zwischenbilanz vier aktuelle Beiträge:
- „Mais uma do presidente: „ideologia de gênero é coisa do capeta““ am 10. August 2019 im Jornal do Brasil meldet über Bolsonaros Rede beim „Marsch für Jesus“, dass seine Ausführungen den Schwerpunkt hatten, klar zu legen, man müsse unschuldige Kinder schützen – vor der Gender-Ideologie, die sei „Teufelszeug“ und die Gesetze seien nun einmal da, um Mehrheiten zu schützen. Auch Neuheiten kündigte er an: Die Publikationspflicht der Geschäftsberichte großer Unternehmen soll beendet werden („das liest sowieso niemand – und nur die Mediengruppen verdienen daran“) – und Radar-Geschwindigkeitskontrollen abgeschafft…
- „UN-Berichterstatterin: Rhetorik Bolsonaros verantwortlich für Gewalt gegen Indigene“ von Moana Skambraks am 08. August 2019 bei amerika21.de informiert: „… Die Sonderberichterstatterin der Vereinten Nationen für indigene Rechte, Victoria Tauli-Corpuz, hat Brasiliens Amazonas-Politik verurteilt und sieht Präsident Jair Bolsonaro als verantwortlich für den Überfall auf ein Dorf der Wajãpi im Bundesstaat Amapá (amerika21 berichtete). Bolsonaro bekräftigt derweil sein Vorhaben, den Rohstoffabbau im Amazonas-Gebiet auch in indigenen Schutzzonen zu legalisieren. In einer Stellungnahme kritisierte Tauli-Corpuz die Rhetorik Bolsonaros scharf. Mit seinen Plänen, das Goldschürfen auch in geschützten Zonen zu legalisieren, sei er für die zunehmende Gewalt gegen Indigene im Amazonas-Gebiet verantwortlich. Sie sieht einen direkten Zusammenhang zwischen seinen Ankündigungen und der Invasion des Wajãpi-Dorfes vor knapp zwei Wochen. „Wenn Bolsonaro in seinem Diskurs zur wirtschaftlichen Nutzung von indigenen Ländereien ermuntert, erteilt er den wirtschaftlichen und politischen Interessengruppen, die diese Gebiete ausbeuten wollen, einen Freifahrtsschein“, so Tauli-Corpuz…“
- „Brasiliens Präsident will Kriminelle „wie Kakerlaken in den Straßen sterben“ sehen“ am 06. August 2019 in Standard.at zur Lizenz zum Töten für alle in Uniform: „… Im ersten Halbjahr 2019 starb in der brasilianischen Großstadt Rio de Janeiro alle fünf Stunden ein Mensch durch Polizeischüsse. Obwohl die Bandenkriminalität wie auch generell die Gewalt auf den Straßen hoch ist und viele Menschen in Schießereien mit der Polizei ums Leben kommen, sind zahlreiche Menschenrechtler dennoch besorgt angesichts der eklatant steigenden Zahlen, die, wie sie finden, durch die Rhetorik des Präsidenten Jair Bolsonaro noch befeuert werden. „Abscheuliche Worte“ seien es, die Bolsonaro verwende, sagte etwa der Menschenrechtsaktivist Ariel de Castro Alves zum „Guardian“. Bolsonaro hatte zuvor im Rahmen eines neuen Polizeigesetzes angekündigt, dass „Kriminelle wie die Kakerlaken in den Straßen sterben werden, und das ist gut so“. Das neue Gesetz sieht nämlich einen umfassenden Schutz für die Staatsgewalt bei der Verfolgung mutmaßlich Krimineller vor. Zahlreiche bisher als illegal eingestufte Aktionen würden dadurch gesetzeskonform. Das Gesetz muss allerdings noch vom Kongress abgesegnet worden…“
- „Greenwald unter Druck“ von Jürgen Vogt am 01. August 2019 in der taz online über die Offensive gegen Pressefreiheit – aus Anlass der Enthüllungen über den Justizministers und seines illegalen Komplotts gegen den Expräsidenten Lula: „… Brasiliens rechtsextremer Präsident Jair Bolsonaro hat Glenn Greenwald mit Knast gedroht. Möglicherweise sei das „Kittchen“ (cana) der angemessene Platz für den in Brasilien lebenden US-Journalisten, so Bolsonaro. Dass er ihn nicht einfach abschieben könne, bedauerte der Präsident: „Er (Greenwald) ist mit einem anderen Mann verheiratet und hat in Brasilien Jungs adoptiert. Betrüger, Betrüger, um ein solches Problem zu vermeiden, heiratet er einen anderen Betrüger und adoptiert ein Kind in Brasilien.“ Seit Anfang Juni hat Bolsonaro den Journalisten im Visier. Damals begann die von Greenwald mitgegründete Enthüllungsplattform The Intercept mit der Veröffentlichung von Mitschnitten aus Chats und E-Mails zwischen dem Bundesrichter Sérgio Moro und dem Leiter der Staatsanwaltschaft in Curitiba, Deltan Dallagnol. Die von The Intercept eingestellten Dokumente belegen verbotene Absprachen zwischen Moro und Dallagnol. Und, dass die Ermittlungen gegen den früheren Präsidenten Lula da Silva (2003–2011) das Ziel hatten, dessen Kandidatur bei der Präsidentschaftswahl 2018 zu verhindern. Aus den bisher veröffentlichten Mitschnitten geht unter anderem hervor, dass Moro der Staatsanwaltschaft Instruktionen zur Beeinflussung von Zeugen erteilte, deren Aussagen wesentlich mit zur Verurteilung Lulas beitrugen. Bereits seit April 2018 sitzt der populäre Ex-Präsident in Curutiba im Knast. Nach seinem Wahlsieg hatte Bolsonaro, für viele überraschend, Sérgio Moro zum Justizminister ernannt. Doch seit die verbotene Absprachen zwischen Moro und Dallagnol bekannt sind, wundert sich niemand mehr…“