Apartheid an den Schulen, Rassismus im Stadion und Wahlkampf für die Rechten: Die Mitte ist auch heute nicht nazifrei
In den letzten Tagen, zum 50. Todestag T.W. Adornos, ist in zahlreichen Veröffentlichungen einer Rede des Philosophen gedacht worden, die er 1967 in Wien gehalten hatte, als gerade die NPD in die Landtage einzog. Darin machte er seine Auffassung deutlich, die politische Mitte in der BRD habe erhebliche Schnittmengen mit dem Faschismus. Das späte Echo auf diesen Beitrag fiel auch deswegen so intensiv aus, weil er so aktuell ist. Nicht zuletzt, wenn man sich die verschiedenen Vorstöße der letzten Tage betrachtet. Ein CDU-Abgeordneter möchte „undeutsche Kinder“ aus den Schulen heraus halten (kleine Anregung: In Namibia, also Deutsch-Südwest, hieß das in Hotels und Gaststätten, dass nur Gäste mit „korrekter Kleidung“ zugelassen seien…). Ein früherer SPD-Vorsitzender zeigt sich einmal mehr voll enthemmt und meint, ein Rassist sei keiner (wird man ja wohl noch sagen dürfen, Karnickel und so…) und die Wahlkampfführung im Osten (vor allem) hat eindeutig rechte WählerInnen als Zielgruppe. Zum rechten Alltag in der BRD einige aktuelle Beiträge:
„Schlechtes Deutsch und überdurchschnittlich kriminell? Scharfe Töne aus der Union gegenüber Migranten“ von Jonas Hermann am 06. August 2019 in der NZZ online ist auch ein Hinweis darauf, dass man anderswo verstanden hat und freudig registriert: „… Man könne nicht bestreiten, dass Asylsuchende überproportional an Gewalttaten beteiligt seien. «Da kommen Leute zu uns, die sehr viel schneller Konflikte mit Gewalt austragen», sagte Herrmann der «Passauer Neuen Presse». Seine These lässt sich statistisch untermauern. Unter dem Begriff «Zuwanderer» erfasst das Bundeskriminalamt (BKA) Menschen, die über das Asylsystem nach Deutschland gekommen sind. Laut der Behörde sind sie bei Gewaltdelikten überproportional häufig unter den Tatverdächtigen – zum Beispiel bei den sogenannten Straftaten gegen das Leben, aber auch bei Körperverletzung, Raub und Sexualdelikten. (…) Die Tat am Frankfurt Hauptbahnhof und die Schwertattacke in Stuttgart sieht Carsten Linnemann (CDU), Vizechef der Unionsfraktion, als Warnung. Die Menschen machten sich Sorgen, ob neue Parallelgesellschaften entstünden – und dem müsse man vorbeugen. Linnemann möchte dabei schon früh ansetzen. Im Interview mit der «Rheinischen Post» sagte er: «Ein Kind, das kaum Deutsch spricht und versteht, hat auf einer Grundschule noch nichts zu suchen.» Hier müsse eine Vorschulpflicht greifen, notfalls könne auch die Einschulung zurückgestellt werden. Sprachtests in Duisburg hätten ergeben, dass mehr als 16 Prozent der künftigen Erstklässler kein Deutsch könnten…“
„Sie schaffen das, Herr Linnemann!“ von Viktor Funk am 06. August 2019 in der FR online kommentiert diese Apartheid-Kampagne unter anderem so: „… So schwer es fällt – unterstellen wir Linnemann mal, dass er etwas unglücklich auf etwas Wichtiges hinwies, nämlich die Frage, wie in dieser Gesellschaft zusammenwächst, was zusammengehört – Kinder, die hier geboren sind und Kinder, die zuwandern. Das ist ein berechtigtes Anliegen. Aber die Antwort Linnemanns darauf ist an Naivität, Empathielosigkeit und verinnerlichter Diskriminierung kaum zu überbieten. Die Überforderung in den Schulen ist die Folge früherer politischer Fehlplanungen. Wer die heutigen Probleme an den Schulen auf die jüngste Zuwanderung reduziert, ignoriert die eigene Rolle dabei. Da die Union seit gefühlt immer in Regierungsverantwortung ist, müsste Linnemann sich fragen, welchen Anteil seine Partei daran hat. Es gibt in Deutschland eine Tradition integrativer Bildung. Doch lange haben vom Deutsch Förderunterricht fast nur jene profitiert, die als „deutsch“ galten – also Spätaussiedler, darunter der Autor dieser Zeilen. Andere, zum Beispiel die Kinder aus Gastarbeiterfamilien, wurden nicht gefördert. Für geflüchtete Kinder gab es sehr lange überhaupt keine Schulpflicht, die gilt erst seit wenigen Jahren und wurde erst nach UN-Rügen und auf Druck von EU-Richtlinien umgesetzt. Anders gesagt: Deutschland musste ermahnt werden, den Problemen, die Linnemann beklagt, vorzubeugen. Die Wut vieler Zuwanderer bei Twitter & Co. auf Linnemanns Aussagen können alle nachvollziehen, die oft von oben herab belehrt wurden, dass sie aufgrund ihrer Herkunft irgendetwas nicht können. Zugleich schwappen aber auch dankbare Erinnerungen hoch an all jene Lehrerinnen und Lehrer, die dir sagten: „Du schaffst das“...“
„Iraker, Iraner und Somalier aus Sprachkursen ausgegrenzt“ von Alicia Lindhoff am 03. August 2019 in der FR online meldet dazu passend: „… Viele Flüchtlinge in Deutschland wollen möglichst schnell auf dem Arbeitsmarkt und im Alltagsleben Fuß fassen. Dabei helfen sollen die vom Bund geförderten Integrations- und Sprachkurse. Für Schutzsuchende aus dem Irak, Iran oder Somalia wird der Zugang zu diesen Kursen künftig erheblich erschwert. Hintergrund ist, dass die drei Länder nach einer Neubewertung des Bundesinnenministeriums (BMI) nicht mehr als Herkunftsstaaten mit „guter Bleibeperspektive“ gelten, weil die Schutzquoten für sie im vergangenen Jahr bei unter 50 Prozent lagen. Weil also die Wahrscheinlichkeit gesunken ist, dass Iraker, Iraner und Somalier dauerhaft und rechtmäßig in Deutschland bleiben können, werden sie nicht mehr frühzeitig Zugang zu Integrations- und Sprachkursen bekommen. Künftig werden diese Kurse nur noch Menschen aus Syrien und Eritrea gewährt...“
„Rückendeckung für Schalke-Boss Tönnies von Ex-SPD-Chef Sigmar Gabriel“ am 06. August 2019 im Deutschlandfunk : „… Mehrere Politiker und Sportler haben den Aufsichtsratschef des Fußball-Bundesligisten Schalke 04, Clemens Tönnies, nach seinen als rassistisch kritisierten Äußerungen über Afrika in Schutz genommen. Der ehemalige SPD-Chef Gabriel sagte der „WAZ“, der Spruch sei garantiert daneben gewesen, aber Tönnies zum Rassisten zu machen, sei absoluter Quatsch. Wer ihn kenne, wisse, dass das nicht stimme. Zudem verniedliche der Vergleich wirkliche Rassisten. Zuvor hatte der stellvertretende Bundestagspräsident Kubicki Tönnies‘ Aussagen als drastisch, aber zulässig bezeichnet. Der FDP-Vize fügte hinzu, dessen Darstellungen seien vielleicht auch notwendig gewesen, um auf ein „Riesendilemma“ der selbst ernannten Klimaaktivisten hinzuweisen. Zudem verwies Kubicki auf das weltweite Bevölkerungswachstum. Der 67-Jährige sagte dem „Tagesspiegel“, er verteidige nicht den „Ton“ der Äußerungen, sondern die Meinungsfreiheit. Er wende sich gegen die „moralische Impertinenz“, mit der sofort die öffentliche Verfolgung bis hin zur Existenzvernichtung aufgenommen werde. (…) Schalkes Ex-Trainer Huub Stevens nahm Tönnies ebenfalls in Schutz: „Wer ihn kennt, wer seit langem mit ihm zusammenarbeitet, der weiß, dass Clemens die Menschen mag wie sie sind – völlig unabhängig von Hautfarbe, Herkunft oder Religion.“ Außerdem habe sich Tönnies entschuldigt, schrieb der 65-Jährige in einer Erklärung. Ex-Bundesligatrainer Otto Rehhagel betonte, er habe Tönnies stets als ehrlichen und sehr sozial engagierten Menschen kennengelernt. Diesem sei nur wichtig, wie sich ein Mensch verhalte, nicht, woher er komme, unterstrich der 80-Jährige. Kritik kam unter anderem von den ehemaligen Schalker-Spielern Gerald Asamoah und Hans Sarpei, die beide in Ghana geboren wurden…“ – dem hinzuzufügen wäre, dass seine Entschuldigung (so platt, wie seine Ausfälle, auch ein Beweis dafür, dass ein deutscher Wirtschaftskapitän genannt „Rumänenfresser“, gar nicht besonders klug sein muss) sich an seine deutschen … Mitbürger richtete und nicht an die da, die jetzt aufmucken… Siehe auch: Clemens Tönnies ist nicht nur ein Rassist sondern das System Tönnies ist Menschenschinderei!
„Superheld gegen Tönnies“ von Andreas Rüttenauer am 04. August 2019 in der taz online zu den Reaktionen Hans Sarpeis auf Tönnies Ausfälle: „… Für Sarpei ist Tönnies nicht mehr tragbar, auch wenn der mittlerweile meinte, seine Äußerung sei „schlicht töricht“ gewesen. Der Deutsch-Ghanaer Sarpei, der in der Bundesliga für Wolfsburg, Leverkusen und Schalke gespielt hat, meint es ernst. Angewidert sei er vom Verhalten Tönnies’. Der Spaß hat längst aufgehört für den 43-Jährigen, der nach seinem Karriereende 2011 zu einer regelrechten Kultfigur geworden war. Er war so etwas wie ein Comedy-Superheld. Kein Tag verging ohne einen Spruch der Marke: „Hans Sarpei geht schneller, als Usain Bolt läuft.“ Während die deutsche Fußballprominenz, die sich am Samstag beim Supercup-Finale zwischen Borussia Dortmund und dem FC Bayern München getroffen hat, weitgehend schweigt, trommelt Sarpei weiter gegen Tönnies. Immerhin der kommissarische Präsident des Deutschen Fußballbunds, Reinhard Rauball, hat sich mittlerweile geäußert und meinte, das könne man nicht durchgehen lassen. Im Vergleich zu Sarpei ist das ein schwacher Kommentar…“
„Thema des Abends: Angst „ von Ulrike Nimz am 02. August 2019 in der SZ online zum Wahlkampf eines früheren obersten Verfassungsschützers für die CDU im Osten: „… Maaßen ist auf Einladung der konservativen Werte-Union und des sächsischen Landtagspräsidenten Matthias Rößler in den „Goldenen Anker“ gekommen. Das Hotel liegt idyllisch im Herzen von Radebeul. Über 300 Menschen sitzen unter Kronleuchtern und Stuckdecken, darunter viele AfDler. Man ist hier, nicht nur räumlich, dicht beieinander. Er wolle „etwas Werbung“ für Rößler und die CDU machen, sagt Maaßen. Aber natürlich wirbt einer wie Maaßen auch immer für sich selbst. In einem Interview mit der Chemnitzer Freien Presse kokettierte er jüngst mit einem Wechsel in die sächsische Landespolitik. Seit der Hetzjagd-Debatte gilt Maaßen vielen enttäuschten CDU-Wählern als Held des Widerstandes. In Radebeul legt ihm ein Gast nahe, doch Kanzler zu werden. (…) Und so geht es in Radebeul nicht nur um den gesellschaftlichen Zusammenhalt, sondern irgendwie auch um den innerhalb der CDU. Auf Maaßens Ankündigung, im sächsischen Wahlkampf mitmischen zu wollen, reagierte die Spitze des CDU-Landesverbandes distanziert bis ablehnend. Es gibt Stimmen in der Partei, die glauben, Maaßen operiere so nahe an Positionen der AfD, dass die Unentschlossenen ihr Kreuz lieber gleich beim Original setzen. Maaßen unterstützt neben Rößler noch zwei weitere Direktkandidaten der CDU in Sachsen. Alle drei haben ihren Wahlkreis im Landkreis Meißen, müssen fürchten, ihr Mandat an die AfD zu verlieren. Auf dem Weg zum „Goldenen Anker“ hängen an jeder Straßenlaterne gleich drei blaue Plakate…“
„Nicht rechts, nur AfD“ von Tim Wolff bereits am 08. Juli 2019 in neues deutschland online zu einem gewissen Herrn Merz im Wahlkampf: „… Jetzt darf Merz regelmäßig in der »Welt am Sonntag« meinen – und zwar den Konsens der Meinungsmacht, aber natürlich auch bei ihm präsentiert als Aufbegehren: »Kürzlich habe ich in einem Interview darauf hingewiesen, dass CDU und CSU immer mehr Wählerstimmen aus Polizei und Bundeswehr an die AfD verlieren. Die Reaktionen darauf waren aufschlussreich. Die Minister des Innern und der Verteidigung haben meine Aussage pflichtgemäß scharf kritisiert.« Ja, Horst Seehofer und Ursula von der Leyen haben ihre Pflicht getan gegenüber der linksgrünen Diktatur, die den Markenkern der Union zerstört. Aber der Merz beugt sich nicht so leicht: »Aus dem schlichten Befund einer Wählerwanderung« sei »ein ›Rechtsruck‹« gemacht worden. »Angesichts der Reaktionen, die mich aus Polizei und Bundeswehr erreichen, habe ich die Dimension des Themas eher unterschätzt. Nein, nicht des ›Rechtsrucks‹, einen solchen unterstelle ich den Streitkräften und der Polizei in Bund und Ländern ausdrücklich nicht. Aber ich stelle fest, dass sich dort immer mehr Beamte der AfD zuwenden (…) Noch mal langsam, damit keine Missverständnisse aufkommen: Merz unterstellt ausdrücklich keinen Rechtsruck. Er stellt nur fest, dass sich Beamte der AfD zuwenden. Das ist ein Unterschied! Also, ganz bestimmt. Deswegen merken: Nicht rechts, nur AfD – bitte alle mal abregen!...“